Thomas Woodrow Wilson wurde am 28. Dezember 1856 in Virginia geboren. Er amtierte als 28. Präsident der USA für zwei Amtszeiten ab dem Jahr 1913.
Woodrow Wilson im Jahr 1919 (gemeinfrei)
In dieser Zeit führte Woodrow Wilson die Vereinigten Staaten aus der Neutralität in den Ersten Weltkrieg. Er skizzierte mit seinem 14-Punkte-Programm auch die Grundzüge einer Friedensordnung. Darüber hinaus initiierte er die Gründung des Völkerbundes.
„Die Welt muss sicher gemacht werden für die Demokratie; ihr Friede muss aufgebaut werden auf den erprobten Grundlagen politischer Freiheit.“
Sein Engagement für eine friedliche Koexistenz der Nationen wurde 1919 mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt. Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch ein völlig anderes Bild von Woodrow Wilson.
Der spätere Initiator des Völkerbundes ließ Haiti am 28. Juli 1915 für dann fast zwei Jahrzehnte besetzen. Durch die Okkupation starben etwa 2.000 Menschen.
Außerdem erzählte der 28. US-Präsident gerne rassistische Witze. Woodrow Wilson entfernte People of Color aus führenden Positionen in der Administration. Außerdem setzte er im öffentlichen Dienst die sogenannte „Rassentrennung“ für Toiletten und Kantinen durch. Damit knüpfte Wilson als Staatsoberhaupt und Regierungschef an sein Verhalten in vorherigen Ämtern an.
Politischer Lebenslauf von Woodrow Wilson
Die Eltern von Woodrow Wilson zogen 1851 in die Südstaaten und hatten während des Amerikanischen Bürgerkrieges große Sympathien für die Konföderation. Der Vater war ein sklavenhaltender Theologe und schickte seinen Sohn auf private Schulen.
Akademischer Werdegang und Professur
Woodrow Wilson im Jahr 1902 (gemeinfrei)
Woodrow Wilson machte seinen Bachelor of Arts an der Princeton University. Nach einem mehrjährigen Ausflug in die Rechtswissenschaften entschloss er sich einer Lehrtätigkeit nachzugehen.
Woodrow Wilson promovierte 1886 mit einer Arbeit zum Thema „Congressional Government“. Darin beschrieb er sehr detailliert das Repräsentantenhaus, den Senat, das Steuersystem, die finanzielle Administration der Vereinigten Staaten, das Wahlsystem und die Rolle der US-Präsidenten.
Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits einen Lehrauftrag an einer angesehenen Schule für Mädchen. Von 1887 bis 1898 war Woodrow Wilson ein Dozent für Verwaltungswissenschaft an der Johns Hopkins University.
Dazu hatte er ab 1890 eine Professur für Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Princeton. Ab 1902 war er dort auch Präsident und empfahl farbigen Interessenten, sich gar nicht erst zu bewerben, um den „Rassenfrieden“ zu wahren.
Buch: „A History of the American People“
Treffen des Ku-Klux-Klan bei Chicago im Jahr 1920 (gemeinfrei)
Woodrow Wilson zeigte zeitlebens ausgeprägtes rassistisches Denken. Ein fragwürdiger Zenit während seiner akademischen Karriere war ein insgesamt fünfbändiges Geschichtsbuch mit dem Titel: „A History of the American People“.
Das 1901 veröffentlichte Werk relativierte den Rassismus in den Südstaaten während des Amerikanischen Bürgerkrieges. Darüber hinaus rechtfertigte Woodrow Wilson sehr explizit die Taten des Ku-Klux-Klan und stellte sie als eine Form der Notwehr von Weißen dar:
„Die weißen Männer des Südens waren aufgerüttelt durch den bloßen Selbsterhaltungstrieb, sich – mit gerechten Mitteln oder mit schrecklichen – zu befreien von der unerträglichen Last einer Regierung, die sich auf die Stimmen der ungebildeten Neger stützte und im Interesse von Abenteurern geführt wurde; (…) Jede ländliche Gegend wünschte sich ihren eigenen Ku-Klux, gegründet in Verschwiegenheit und Geheimnis wie die Mutter-‚Höhle‘ in Pulaski, bis letztlich ein großer Ku-Klux-Klan, ein ‚Unsichtbares Reich des Südens‘ entstanden war, in lockerer Organisation miteinander verbunden, um das Land des Südens vor einigen der übelsten Gefahren in einer Zeit der Umwälzung zu schützen.“
Präsidentschaft von Woodrow Wilson
Die politische Karriere von Woodrow Wilson begann mit seiner Kandidatur für das Amt des Gouverneurs von New Jersey für die Demokraten. Dabei hatte er als unverbrauchter Newcomer die Sympathien vieler Wähler auf seiner Seite und gewann mit knapp 50.000 Stimmen.
Während seiner Amtszeit als Gouverneur hielt sich Woodrow Wilson an viele seiner Wahlversprechen. Das brachte ihm zahlreiche Konflikte mit der Parteiführung, aber auch weitere Sympathien der Öffentlichkeit ein.
Wahlkampf gegen Roosevelt und Taft
Theodore Roosevelt im Wahlkampf von 1912 (gemeinfrei)
Im Vorwahlkampf der Demokraten war dann eigentlich mit James Clark der damalige Sprecher des Repräsentantenhauses der aussichtsreichste Anwärter.
Clark erzielte jedoch nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat auf dem Parteitag der Demokraten.
In dieser Pattsituation mobilisierte der spätere Außenminister William Jennings Bryan genügend Unterstützung für Woodrow Wilson. Der wurde dann als ein Kompromiss der parteiinternen Flügel zum Kandidaten nominiert.
Auch im eigentlichen Präsidentschaftswahlkampf war das Glück auf der Seite von Woodrow Wilson. Die Republikaner waren gespalten.
Der frühere Präsident Theodore Roosevelt hatte die Progressive Party gegründet und trat gegen seinen einstigen Protegé William Taft an. Woodrow Wilson war dabei der lachende Dritte.
Er gewann die Präsidentschaftswahl von 1912 mit 41,8 % der Stimmen im Popular Vote. Dank der Verzerrung durch das Electoral College hatte Woodrow Wilson sogar 435 von 531 Wahlmänner hinter sich.
Federal Reserve und „Finanzjudentum“
Bereits während der ersten Amtszeit von Woodrow Wilson wurde die Federal Reserve erneut ein Thema. Schon seit der Gründung der ersten nationalen Bank unter dem ersten Finanzminister Alexander Hamilton wurde die Institution sehr kontrovers diskutiert.
Aber auch Präsidenten wie Thomas Jefferson, James Madison und Andrew Jackson bekämpften die Zentralbank. Neben verfassungsrechtlichen Fragen war die Bank of America jedoch auch konkret in die Ursache der große Wirtschaftskrise von 1837 verstrickt.
Woodrow Wilson initiierte den Federal Reserve Act von 1913 (gemeinfrei)
1913 brachte Woodrow Wilson dann den neuen „Federal Reserve Act“ ein. Damit wurde ein dezentrales Bankensystem mit zwölf Bezirken gegründet. Das war aber kein rein staatliches Geflecht, sondern hatte auch privatwirtschaftliche Elemente.
Diese „Fed“ legte die Geldpolitik fest, beaufsichtigte Banken und war vor allem für die Stabilität des Finanzsystems verantwortlich. Das Tagesgeschäft kontrolliert die Fed eigenständig und berichtete dann an den Kongress.
An diesem Gründungsprozess des Federal Reserve Systems waren einzelne jüdische Personen beteiligt. Daraufhin fabulierten Antisemiten wie der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Gottfried Feder von einem internationalen „Finanzjudentum“. Dieses soll über die Fed eigene Interesse verfolgt und darüber hinaus auch die damalige Reichsbank kontrolliert haben.
Bis heute greifen Verschwörungstheoretiker das auf: Die Fed sei eine „private Bank“, die für alle Weltkriege und großen Konflikte der letzten hundert Jahre verantwortlich sei.
Rassentrennung und Witze über Schwarze
Woodrow Wilson selbst setzte während seiner Zeit als US-Präsident seine rassistische Manier fort. Er unterstützte von der Bundesebene aus die Südstaaten bei der Erhaltung eines für Afroamerikaner nachteilhaften Wahlrechts.
In Bundesbehörden und dem Militär wurde die Rassentrennung wieder eingeführt. Alle farbigen Personen, die nicht aus ihren Jobs gedrängt werden konnten, mussten dann separate Kantinen und Toiletten nutzen.
Dafür beförderte Woodrow Wilson viele Weiße aus den Südstaaten in Leitungspositionen und erzählte während Sitzungen des Kabinetts gerne „Black Jokes“.
Die USA, Erster Weltkrieg und Völkerbund
Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges verfolgte Woodrow Wilson eine Politik der Neutralität. Mit diesem Versprechen ging er erfolgreich in den Wahlkampf für seine zweite Amtszeit.
Der „uneingeschränkte U-Boot-Krieg“ gegen Handelsschiffe (Bundesarchiv, Bild 102-00159 / CC-BY-SA 3.0)
Das Deutsche Reich wollte Großbritannien jedoch mit einer Seeblockade aushungern. Deshalb wurde der „uneingeschränkte U-Boot-Krieg“ beziehungsweise das Feuer auf Handelsschiffe eröffnet.
Bei den Attacken kamen auch Amerikaner ums Leben. Dies hatte bereits einen großen Einfluss auf die öffentliche Meinung.
Dann wurde noch das „Zimmermann-Telegramm“ bekannt. Das war eine Botschaft von einem Staatsekretär im Auswärtigen Amt an den deutschen Gesandten in Mexiko.
Man wollte für ein Bündnis zwischen dem Deutschen Reich und Mexiko werben, falls die Vereinigten Staaten in den Ersten Weltkrieg eintreten sollten. Als dies bekannt wurde, traten die USA am 06. April 1917 dann tatsächlich in den Krieg ein.
Die Mobilisierung der amerikanischen Armee für einen Einsatz in Übersee dauerte jedoch sehr lange. Ein Hintergrund war, dass der Oberbefehlshaber John J. Pershing zunächst eine gute trainierte Streitkraft von letztlich etwa einer Million Mann aufstellen wollte.
Diese American Expeditionary Forces (AEF) waren dann bei der Verteidigung gegen die deutsche Frühjahrsoffensive von 1918 beteiligt. Ihr größter Erfolg war die Maas-Argonnen-Offensive vom 26. September bis zum 11. November des letzten Kriegsjahres.
Wilsonianismus & 14-Punkte-Programm
Woodrow Wilson (rechts) bei den Friedensgesprächen von 1919 (gemeinfrei)
Bereits im Januar 1914 stellte Woodrow Wilson sein „14-Punkte-Programm“ für eine internationale Friedensordnung vor. Das zentrale Element dieser diplomatischen Initiative war das sogenannte „Selbstbestimmungsrecht der Völker“.
Etwas weniger bekannt ist, dass Woodrow Wilson bei seiner Friedensordnung vor allem an Weiße dachte. Konkret konnte man dies beispielsweise an seinem Punkt zu Kolonien ablesen.
Darin gestand Woodrow Wilson der Bevölkerung von Kolonien gönnerhaft die Mitsprache bei der weiteren politischen Entwicklung zu. Explizit betonte er jedoch die „berechtigen Ansprüche“ der Kolonialmächte, so dass es in der Konsequenz eben keine freie Selbstbestimmung aller war:
„Freier, unbefangener und völlig unparteiischer Ausgleich aller kolonialen Ansprüche, auf der genauen Beachtung des Grundsatzes beruhend, dass beim Entscheid in solchen Souveränitätsfragen die Interessen der betreffenden Bevölkerungen ebenso ins Gewicht fallen, wie die berechtigten Ansprüche der Regierung, deren Rechtstitel zu entscheiden ist.“
Das 14-Punkte-Programm von Woodrow Wilson scheiterte jedoch aus einem anderen Grund: Vor allem Frankreich wollte Rache für das Leid des Ersten Weltkrieges und war nicht für ausgleichende Verhandlungen in Versailles zu gewinnen.
Gründung des Völkerbundes
Karte der Mitgliedschaften im Völkerbund (Reallyjoel / CC-BY-SA 3.0)
Ein Ergebnis des Versailler Vertrages war die Gründung einer zwischenstaatlichen Organisation mit Sitz in Genf. Dieser „Völkerbund“ nahm am 10. Januar 1920 die Arbeit auf.
Das Ziel war die friedliche Beilegung von internationalen Konflikten durch Schiedsgerichte. Außerdem sollte der Völkerbund die Abrüstung vorantreiben, die Rüstungskontrolle gewährleisten und damit ein System kollektiver Sicherheit etablieren.
Inhaltlich war man bereits vorab den Amerikanern entgegen gekommen und hatte eine Vereinbarkeit mit der Monroe-Doktrin ermöglicht. Dabei handelte es sich um den 1823 von Präsident James Monroe formulierten Leitsatz: Amerika den Amerikanern.
Dennoch lehnte der US-Senat die Ratifizierung des Versailler Vertrages ab und trat auch nicht dem Völkerbund bei. Das Engagement von Woodrow Wilson für eine internationale Ordnung führte deshalb zu keinen zählbaren Ergebnissen.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Georgi Schukow – Marschall und Held der Sowjetunion
Georgi Konstantinowitsch Schukow wurde am 01. Dezember 1896 in dem später nach ihm benannten Ort „Schukow“ in Zentralrussland geboren. Während des Zweiten Weltkrieges war er Marschall der Sowjetunion und gilt als bester Stratege der Roten Armee.
Georgi Schukow verteidigte Moskau, siegte in Stalingrad, eroberte Warschau und schließlich auch Berlin. Am 09. Mai 1945 nahm er in Karlshorst die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht entgegen.
Von 1955 bis 1957 war Georgi Schukow schließlich Verteidigungsminister der Sowjetunion und spielte eine zentrale Rolle hinter den Kulissen der großen Politik.
Schützend stellte sich Georgi Schukow nach Stalins Tod vor Nikita Chruschtschow und damit gegen den mächtigen KGB-Chef Lawrenti Beria. Der bezahlte seine Ambitionen mit dem Leben. Nach der Geheimrede auf dem XX. Parteitag der KPdSU zu Stalins Verbrechen hielt Schukow wiederum dem neuen Generalsekretär Chruschtschow den Rücken frei. Zum Dank wurde er dann wenig später abgesetzt.
Aber mit Chruschtschows „Entstalinisierung“ endete auch die Hochphase der Erschießungen innerhalb der kommunistischen Führung. Georgi Schukow konnte seinen Ruhestand weitgehend genießen und verstarb am 18. Juni 1974 in Moskau. Seine Asche wurde an der Kremlmauer bestattet.
Karriere von Schukow in der Roten Armee
Georgi Schukow stammte aus einer streng orthodoxen Familie und wuchs in Kaluga auf. Das ist ein Ort etwa 200 Kilometer südwestlich von Moskau.
Er ging bei seinem Onkel als Kürschner in die Lehre und besuchte die Abendschule. 1911 machte Georgi Schukow sein Abitur.
Unteroffizier im Ersten Weltkrieg (ab 1915)
Georgi Schukow als Unteroffizier im Jahr 1916 (gemeinfrei)
1915 wurde Georgi Schukow in die Kaiserliche Armee eingezogen. Dabei verschwieg er sein Abitur, weil er kein Offizier in der Armee von Nikolaus II. werden wollte.
Als Aufklärer machte sich der junge Schukow jedoch sehr verdient. Er wurde Unteroffizier und erhielt das Georgskreuz der 3. und 4. Klasse.
1917 erlitt Georgi Schukow eine schwere Verwundung. Bis zum Ende des Krieges war er deswegen zur Genesung beurlaubt.
In der Heimat erlebte er dann die russischen Revolutionen von 1917 sowie die Machtergreifung der Bolschewisten um Lenin.
Nach dem Frieden von Brest-Litwosk zwischen dem Deutschen Reich und den Sowjets kehrte jedoch kein Frieden ein. Vielmehr begannen nationalistische Ex-Militärs um General Kornilow einen blutigen Bürgerkrieg gegen die Bolschewisten, der von Terror und Gegenterror geprägt war.
Offizier in der Roten Armee (ab 1918)
Die Bolschewisten verfügten aus dem Revolutionsjahr über die Roten Garden. Das waren paramilitärische Verbände und zugleich die Keimzelle der Roten Armee.
Unter der Federführung von Leo Trotzki begann ab März 1918 die Transformation hinzu einer regulären Streitkraft. Georgi Schukow trat zwar als einfacher Schütze in die Rote Armee ein.
Aber in der Frühphase der Roten Armee wurden vor allem die unteren Offiziersränge eine Weile lang von den Mannschaftsgraden gewählt. So stieg Georgi Schukow schnell zum stellvertretenden Kompaniechef auf.
1921 führte er eine berittene Schwadron bei der Niederschlagung des Bauernaufstandes von Tambow. Die Rebellen waren ebenfalls Kommunisten, stellten sich jedoch gegen die Herrschaft der Bolschewisten. Georgi Schukow beschrieb in seinen Memoiren das Vorgehen der Guerillas:
Georgi Schukow als Offizier in den 1920er Jahren (gemeinfrei)
„Die Taktik der Antonow-Leute lief dementsprechend darauf hinaus, dem Kampf mit größeren Einheiten der Roten Armee auszuweichen, nur dann zu fechten, wenn absolute Siegesgewissheit bestand und die eigenen Kräfte überlegen waren, und sich aus einer ungünstigen Kampfsituation nötigenfalls in kleinen Gruppen und nach verschiedenen Richtungen abzusetzen, um sich anschließend an einem verabredeten Treffpunkt wieder zu sammeln.“
Zusammen mit der Tscheka ging die Rote Armee sehr brutal gegen tatsächliche oder vermeintliche Rebellen vor. Etwa 15.000 Menschen wurden erschossen. Darüber hinaus kam es zum Einsatz von Giftgas.
1924 absolvierte Georgi Schukow die höhere Kavallerieschule der Roten Armee. In der Folge erhielt er den Befehl über eine Brigade in der Division des späteren Marschalls Konstantin Rokossowski.
1933 bekam Georgi Schukow seine eigene Division. Als Josef Stalin vier Jahre später mit seinen blutigen Säuberungen unter den hohen Militärs begann, hatte Schukow den Befehl über ein ganzes Korps.
Die genauen Gründe, wieso Georgi Schukow den „Großen Terror“ unbeschadet überstand, sind nicht bekannt. Zweifellos hatte der spätere Marschall jedoch politischen Instinkt und wusste seine Worte klug zu wählen:
„Generalissimus Stalin leitete jeden Schritt… traf jede Entscheidung… Er ist das größte und weiseste militärische Genie, das je gelebt hat.“ (Georgi Schukow)
Ende 1938 erhielt Georgi Schukow den Posten als stellvertretender Leiter des Weißrussischen Wehrkreises. Im darauffolgenden Sommer sollte er dann einen ganz besonderen Auftrag erhalten.
Schlacht am Chalchin Gol (1939)
Das Kaiserreich der aufgehenden Sonne verfolgte einen aggressiven Expansionskurs. Bereits am 07. Juli 1937 hatte der Zweite Japanisch-Chinesische Krieg begonnen.
In diesem Zug wollten die Japaner auch gerne die Grenze zur Sowjetunion verschieben. Es folgten bewaffnete Provokationen in der Mongolei.
Georgi Schukow (r.) in der Schlacht am Chalchin Gol im Jahr 1939 (gemeinfrei)
Georgi Schukow erhielt den Befehl über ein sowjetisches Korps sowie die Mongolische Volksarmee. Die vereinte Streitkraft führte er in die Schlacht am Chalchin Gol.
Die Schlacht begann mit einem Scharmützel am 11. Mai 1939. Japaner vertrieben eine mongolische Einheit, die holten Verstärkung und schlugen wenige Tage später zurück.
Dann führten die Japaner ihre komplette 6. Armee herbei und vertrieben wiederum die Mongolen. So baute sich über viele Wochen hinweg ein Treffen der Hauptstreitkräfte in dieser entlegenen Region auf.
Beide Seiten hatten lange Nachschubwege. Doch Georgi Schukow stellte in weiser Vorrausicht bereits frühzeitig ein Bataillon zum Ausbau der Infrastruktur ab.
Im Hauptgefecht hatte er dann dreimal mehr Artillerie und doppelt so viele Soldaten. Im Gegensatz zu den Japanern konnte Georgi Schukow aber vor allem auch Panzer ins Spiel bringen.
Mit dieser Übermacht kesselte Schukow die 6. Armee der Japaner ein. Die wollten sich nicht ergeben und wurden deshalb bis zum 30. August 1939 völlig aufgerieben. Die Bedrohung durch die Japaner war damit auf absehbare Zeit gebannt.
Mitte September handelte man sogar einen Waffenstillstand aus. Stalin befahl deshalb seinen neuen „Held der Sowjetunion“ in den Westen. Der Zweite Weltkrieg sollte nur wenige Wochen später beginnen.
Marschall im Großen Vaterländischen Krieg
Chef des Generalstabes (1941)
Semjon Timoschenko war Marschall und Verteidigungsminister der Sowjetunion. (Mil.ru / CC-BY-SA 4.0)
Im Juni 1940 erhielt Georgi Schukow im Rang eines Generals den Befehl über den Kiewer Militärbezirk. Das war der größte der Sowjetunion und umfasste zwei Armeen.
Laut den Memoiren von Schukow registrierte die sowjetische Seite die Konzentration deutscher Kräfte im Vorlauf zur „Operation Barbarossa“. In einer Reihe von Simulationen konnte Georgi Schukow die Potentiale für einen präventiven Krieg der Sowjetunion gegen das Dritte Reich aufzeigen.
Dafür wurde Georgi Schukow von Stalin im Februar 1941 zum Chef des Generalstabes sowie zum Stellvertreter des Verteidigungsministers und Marschalls Semjon Timoschenko ernannt. Gemeinsam arbeiteten die beiden weiter an Aufmarsch- und Mobilisierungsplänen.
Vom tatsächlichen Überfall des Dritten Reiches auf die Sowjetunion ab dem 22. Juni 1941 war dann aber vor allem Josef Stalin komplett überrumpelt. Schukow und Timoschenko mussten mehrfach vorstellig werden, bis der Diktator die volle Gefechtsbereitschaft für den Großen Vaterländischen Krieg anordnete.
Schlacht bei Dubno-Luzk-Brody (1941)
Karte des Überfalls auf die Sowjetunion ab dem 22. Juni 1941. (Gdr / CC-BY-SA 3.0)
Georgi Schukow erhielt dann den Oberbefehl über die Süd- und Südwestfront. Dort stellte sich die Rote Armee noch im Juni der bis dato größten Panzerschlacht.
Die Panzergruppe 1 des Gerd von Rundstedt traf mit 700 Panzern auf die geeinten, vierfach überlegenen Panzerverbände der beiden sowjetischen Fronten.
Die zahlenmäßige Übermacht wurde jedoch ohne Schwerpunkte ausgespielt. Außerdem verfügten die Deutschen über Luftunterstützung.
So unterlag Georgi Schukow in diesem ersten großen Treffen mit der Heeresgruppe Süd und verlor dabei den größten Teil der Panzer. Dies begünstigte die dann in der Folge sehr weitreichenden Vorstöße der Deutschen auf dem Weg in die Tiefe der Sowjetunion.
Teile der geschlagenen Rotarmisten konnten sich jedoch der Einkesselung entziehen. Sie lieferten den Deutschen sogar noch einige Verzögerungsgefechte. Beispielsweise die so wichtige Belagerung von Kiew begann deshalb erst Ende August.
Gegenoffensive von Jelnja (1941)
Georgi Schukow führte die siegreiche Jelnja-Offensive im September 1941. (Неизвестен / CC-BY-SA 4.0)
Nach der Niederlage schlug Georgi Schukow dem Diktator eine Gegenoffensive bei Jelnja vor. Der Ort liegt etwa 50 Kilometer östlich von Smolensk und lag damals in einem Frontbogen der Deutschen. Stalin hatte für diesen Vorschlag jedoch nur Hohn und Spott übrig:
„Was für ein dummes Zeug! Unsere Truppen können nicht einmal eine Verteidigung organisieren, wie es sich gehört, und Sie schlagen einen Gegenstoß vor!“
Georgi Schukow bat daraufhin um seine Abberufung und erhielt den Befehl über die Reservefront. Tatsächlich startete er dann in dieser Rolle die Gegenoffensive von Jelnja.
Zeitlich parallel zur Kesselschlacht von Kiew stellte Georgi Schukow die Heeresgruppe Mitte unter Fedor von Bock. Der hatte seine Panzergruppe 2 umgestellt und zur Unterstützung der Vorstöße im Süden entsenden müssen.
Die Gruppe stand unter dem Befehl von Heinz Guderian, der letztlich sehr erfolgreich sein sollte. Aber den Frontbogen von Jelnja hielten zunächst nur noch sechs Divisionen der Infanterie, insgesamt etwa 40.000 Mann.
Georgi Schukow hämmerte mit 800 Geschützen und mehr als 100.000 Mann von drei Seiten zugleich auf die deutschen Verteidiger ein. Nach etwas mehr als einer Woche zogen sich die Verbände der Heeresgruppe Mitte aus dem Frontbogen von Jelnja zurück.
Auf beiden Seiten gab es je etwa 10.000 Tote. Aber die Wehrmacht hatten ihren ersten großen Rückschlag an der Ostfront erlitten. Darüber hinaus war erneut Zeit verloren gegangen und der Herbst brach langsam an.
Zu Ehren des Sieges wurden alle beteiligten sowjetischen Verbände fortan als Garde-Einheiten geführt. Georgi Schukow stand wieder voll in der Gunst von Stalin.
An der Leningrader Front (1941)
Im September 1941 kommandierte Georgi Schukow die Leningrader Front. Die Stadt war zu diesem Zeitpunkt jedoch kein direktes Angriffsziel der Deutschen.
Dennoch erließ Georgi Schukow in diesen Tagen einen prägenden Befehl: Alle Politkommissare, Offiziere und Soldaten, die ohne schriftlichen Befehl die Kampflinie verließen, sollten sofort erschossen werden.
Während seines Zwischenstopps in Leningrad zeigte sich auch das Selbstbewusstsein von Georgi Schukow gegenüber Stalin. Er verweigerte die Versenkung der baltischen Flotte und fand dafür auch markige Worte:
„Wenn diese Schiffe sinken, dann nur im Kampf.“
Schlacht bei Wjasma und Brjansk (1941)
Karte der Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk (Memnon335bc / CC-BY-SA 3.0)
Am 10. Oktober 1941 erhielt Georgi Schukow den Befehl über die vereinigte West- und Reservefront: Die Deutschen waren auf dem Weg in Richtung Moskau.
Unter dem Decknamen „Operation Taifun“ setzte die Heeresgruppe Mitte ab dem 30. September 1941 zur Eroberung von Moskau an. Die Verteidigung der Stadt war wiederum in drei Riegeln hintereinander gestaffelt.
Mit fast zwei Millionen Soldaten attackierten die Deutschen den ersten Riegel und waren dabei zahlenmäßig erstmals deutlich überlegen. In dieser Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk standen ihnen nur 1,2 Millionen Rotarmisten gegenüber.
Die Panzergruppen 2, 3 und 4 drangen dann in drei Keilen tief in die feindlichen Linien ein. Dabei wurden große Verbände der sowjetischen Verteidiger einkesselt. Doch der klare taktische Sieg der Deutschen zog strategische Probleme nach sich.
Denn der Roten Armee war es erneut gelungen, den Vorstoß der Deutschen stark einzubremsen. Es ging ein ganzer Monat ins Land, bis die erste Verteidigungslinie vor Moskau am 30. Oktober 1941 endgültig gefallen war.
Gegenoffensive von Moskau (1941/42)
Die Deutschen kamen bei ihrer Sommeroffensive von 1941 sehr schnell voran. Sie waren aber nicht schnell genug und lagen auch weit hinter den eigenen Vorstellungen zurück.
Zur Entlastung der Logistik beziehungsweise zur Beschleunigung der Sommeroffensive hatte man beispielsweise kaum Winterbekleidung an die Ostfront geschickt. Das rächte sich, als man Moskau im November 1941 erobern wollte.
Immerhin hatte man ja bereits 500 Kilometer hinter sich gebracht. Am 17. November 1941 setzte Fedor von Bock mit der Heeresgruppe Mitte deshalb zu einer erneuten Offensive an. Ein Trupp von Aufklärern schaffte es sogar bis in den Moskauer Vorort Chimki.
Georgi Schukow koordinierte die sowjetische Winteroffensive von 1941/42. (gemeinfrei)
Aber am 30. November 1941 erhielt Georgi Schukow die Freigabe für eine lange vorbereitete Gegenoffensive. Die Deutschen tappten dabei völlig im Dunkeln: Noch am 04. Dezember 1941 erklärte die Abteilung „Fremde Heere Ost“, dass ein Großangriff auf die Heeresgruppe Mitte ohne nennenswerte Verstärkung nicht möglich sei.
Dabei rollten zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 100 sowjetische Divisionen auf die Heeresgruppe Mitte zu. Nur drei Tage nach dem deutschen Geheimdienstbericht musste Fedor von Bock die Eroberung von Moskau abbrechen.
Das war am 07. Dezember 1941, dem Tag des Angriffs auf Pearl Habor. Wiederum eine Woche später untersagte Adolf Hitler jedoch jede weitere Absetzbewegung der Heeresgruppe Mitte:
„Unter persönlichem Einsatz der Befehlshaber, Kommandeure und Offiziere ist die Truppe zum fanatischen Widerstand in ihren Stellungen zu zwingen, ohne Rücksicht auf durchgebrochenen Feind in Flanke und Rücken.“
Am 19. Dezember 1941 entließ Hitler mit Walter von Brauchitsch den Oberbefehlshaber des Heeres und übernahm selbst den Posten. Von Bock wurde durch Günter von Kluge abgelöst und in die Führerreserve versetzt.
Das änderte aber wenig an der Gegenoffensive von Georgi Schukow. Die Rote Armee konnte ihr Momentum sogar bis weit in Frühling des Jahres 1942 aufrecht erhalten.
Schlacht um Stalingrad (1942/43)
Deutsche Sommeroffensive (1942)
Der deutsche Überfall auf die Sowjetunion war schon im Dezember 1941 praktisch gescheitert. Eine Reihe von hohen Offizieren der Wehrmacht zog sich deshalb eigenmächtig in defensive Positionen zurück oder warb zumindest bei Hitler dafür.
Karte der deutschen Sommeroffensive 1942 an der Ostfront (Gdr / CC-BY-SA 3.0)
Deshalb kam es noch um den Jahreswechsel 1941/42 zu einer Entlassungswelle: Den Oberbefehl über das Heer übernahm Hitler selbst und die Posten an den Spitzen der Heeresgruppen wurden neu besetzt. Konkret ging es um Walter von Brauchitsch, um Gerd von Rundstedt, um Fedor von Bock und um Wilhelm von Leeb.
Damit tauschte Hitler eine eingespielte Mannschaft von Marschällen aus, die zuvor Polen und Frankreich erobert hatten. Nun zweifelten diese Personen am Vorgehen in der Sowjetunion.
Der deutsche Diktator wollte jedoch mit einer Offensive im Sommer 1942 den Krieg wenden. Die Operation erhielt den Decknamen „Fall Blau“.
Der Idee war, die sowjetische Lebensader zu den Ölfeldern im Kaukasus zu trennen und den Koloss damit ökonomisch zu stürzen. Darüber hinaus hatte das Dritte Reich selbst Engpässe und wollte das Öl dann in eigener Sache nutzen.
Ein deutscher Angriff in Richtung Kaukasus war jedoch sehr anfällig für Gegenoffensiven aus der Tiefe des sowjetischen Raums. Den entsprechend notwendigen Flankenschutz sollte eine Panzerarmee gewährleisten. Mit dem Beginn der Sommeroffensive von 1942 wurde diese gen Osten geschickt und sollte im Vorübergehen ein Industriezentrum an der Wolga einnehmen: Stalingrad.
Schlacht um Stalingrad (1942/43)
Der „Fall Blau“ begann am 28. Juni 1942 und verlief zunächst sehr vielversprechend. Die Deutschen besetzten Ölfelder und hissten die Kriegsflagge auf dem Elbrus, dem mit 5642 Metern höchsten Berg des Kaukasus.
Auch die 6. Panzerarmee unter Friedrich Paulus kam auf dem Weg nach Stalingrad gut voran. Die dortige Verteidigung lag zunächst bei Marschall Semjon Timoschenko.
Karte der Schlacht um Stalingrad im September 1942 (Graf zu Pappenheim / CC-BY-SA 3.0)
Die Industriestadt an der Wolga war auf Befehl Stalins nicht evakuiert worden: 600.000 Zivilisten saßen dort fest.
Am 23. August 1942 begann die Schlacht. Den ersten Kontakt hatten Panzereinheiten. Noch am selben Tag warf die Luftflotte 4 mit mehr als 600 Maschinen einen Bombenteppich über Stalingrad ab.
Schon zu Beginn der Schlacht wie auch im weiteren Verlauf kam es deshalb zu extrem vielen Toten unter der Zivilbevölkerung. Insgesamt warf die deutsche Luftwaffe mehr als eine Millionen Bomben über Stalingrad ab.
Die Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt. Damit war sie für eine Panzerarmee aber nur noch schwer zu attackieren.
Die Rote Armee lieferte sich dann brutale Gefechte im Häuserkampf mit den Deutschen während der Winter näher kam. Mit aller Macht drückte Paulus auf das Zentrum von Stalingrad und eroberte etwa 90 % der Stadt.
Mit einer schlagkräftigen Gegenoffensive im Winter rechnete man auf deutscher Seite nicht. Außerdem waren rumänische Verbände als Flankenschutz für die 6. Armee mit dabei. Generaloberst Hermann Hoth von der unterstützenden 4. Armee war einer der wenigen Mahner.
Die rumänischen Einheiten waren jedoch schlecht trainiert und ebenso geführt. Außerdem waren sie schwerpunktmäßig mit erbeuteten Waffen aus Frankreich ausgerüstet, für die es kaum Munition gab.
Operation Uranus (1942/43)
Im November 1942 machten die Deutschen genau denselben Fehler wie im Vorjahr: Sie rechneten nicht damit, dass Georgi Schukow einen Gegenoffensive organisieren würde.
Karte der Operation Uranus im November 1942 (Lưu Ly / CC-BY-SA 3.0)
Doch bereits im September hatten die Planungen für diese „Operation Uranus“ begannen. Georgi Schukow entwickelte einen Zangenangriff gegen die rumänischen Verbände auf den Flanken.
Dafür wurden zunächst Reserven hinter der Front aufgebaut. Die Kampflinie selbst wurde von möglichst wenigen Einheiten in der zerstörten Stadt mit einem „Rattenkrieg“ verteidigt. Konstantin Rokossowski beschrieb dies folgendermaßen:
„… mit schwachen Kräften ausbluten zu lassen und als Reserve einen Stoßkeil bereitzuhalten, der ihn endgültig zerschlägt.“
Am 19. November 1942 begann der Zangenangriff auf die Deutschen in Stalingrad. Drei Tage später waren sie bereits vollständig eingekesselt.
Zeitgleich begann die „Operation Mars“ unter direkter Führung von Georgi Schukow. Er stellte Walter Model und Günther von Kluge etwas weiter nördlich, so dass diese keine Unterstützung nach Stalingrad schicken konnten.
Zunächst behauptete Hermann Göring, dass man die 6. Armee aus der Luft versorgen könne. Das war von Anfang an utopisch und wurde unmöglich, nachdem die Flughäfen im Kessel von der Roten Armee eingenommen wurden.
Unter der Führung des Erich von Manstein sollten deutsche Kräfte dann von außerhalb den Kessel brechen. Hitler wollte Stalingrad um jeden Preis halten. Sonst wären die deutschen Verbände bei den Ölfeldern im Kaukasus schnell abgeschnitten gewesen.
Das „Unternehmen Wintergewitter“ scheiterte jedoch. Die 6. Armee durfte ihrerseits nicht aus dem Kessel ausbrechen, um den Entsatz zu unterstützen. Letztlich konnte nur ein Fenster für den Rückzug der Truppen im Kaukasus offen gehalten werden.
Damit war nun auch die zweite Sommeroffensive der Deutschen an der Ostfront durch Gegenoffensiven aus der Feder des Georgi Schukow gescheitert. Auch gelang es den Sowjets erneut, das Momentum bis weit in den Frühling aufrecht zu erhalten.
Panzerschlacht bei Kursk (1943)
Karte der Schlacht von Kursk (gemeinfrei)
Im Sommer 1943 wiederholte sich das bisherige Muster: Mit einer großangelegten Sommeroffensive wollten die Deutschen den Krieg entscheiden.
Georgi Schukow antizipierte dabei sehr richtig, dass es einen massiven Schlag gegen den sowjetischen Frontbogen bei Kursk geben würde. Frühzeitig ließ er deshalb dort tief gestaffelte Linien zur Verteidigung anlegen.
Sein Plan sah dabei erneut vor, dass zunächst die Angriffswellen gebrochen werden sollten. Dann würde die Rote Armee wieder in eine Gegenoffensive über gehen.
Zum Glück der Sowjets spielte Hitler ihnen auch in die Hände. Für das „Unternehmen Zitadelle“ wollte er unbedingt einige neue Panzermodelle verwenden. Die Lieferungen verzögerten sich und die Verteidiger hatten mehr Zeit zum Ausbau ihrer Anlagen und der Reserven.
Den großen Knall gab es dann im südlichen Bereich bei der Ortschaft Prochorowka. Am 12. Juli 1943 trafen dort zwei zugleich vorrückende Panzerarmeen aufeinander.
Die Sowjets hatten die nummerische Überlegenheit und gingen mit ihren meist leichteren Panzern in den Nahkampf über. Auf kurze Distanz knackten sie dann auch mit schwächeren Kanonen selbst die dicken Panzerungen der Tiger.
Dnepr-Karpaten-Operation (1943/44)
In der zweiten Hälfte des Jahres 1943 ging die Rote Armee erneut in die Offensive. Georgi Schukow koordinierte dabei die Ukrainische Front und die Steppenfront gegen die Heeresgruppe Süd unter Erich von Manstein bei der Überquerung des Dnepr.
Karte der Ostfront von Dezember 1943 bis zum April 1944 (gemeinfrei)
Trotz starker feindlicher Gegenwehr brach die Rote Armee mit anfangs 1,2 Millionen Soldaten durch. Die Verluste waren mit mehr als 280.000 Toten jedoch immens.
Die zweite Phase der Überquerung des Dnepr entwickelte sich fließend zur Schlacht um Kiew. Die Stadt verteidigte der deutsche Generaloberst Hermann Hoth.
Kiew wurde jedoch am 06. November 1943 endgültig erobert. Mehrere Versuche der Rückeroberung durch von Manstein scheiterten.
In der Folge leitete Georgi Schukow auch den weiteren Vorstoß. Zur Jahreswende gab es eine Reihe von Gefechten. Die Rote Armee konnte dabei immer weiter vordringen und besetzte bis zum April 1944 schließlich sogar die Karpaten.
Weichsel-Oder-Operation (1945)
Im Sommer 1944 kollabierte die deutsche Ostfront. Zeitlich abgestimmt mit der Landung der Alliierten in der Normandie startete die Rote Armee ihre „Operation Bagration“.
Nach dem Sieg der Sowjetunion brach die Heeresgruppe Mitte zusammen. Im November 1944 übernahm Georgi Schukow von Rokossowski die Weißrussische Front.
Karte der Ostfront von Januar bis Mai 1945 (Gdr / CC-BY-SA 3.0)
Mit dieser Formation startete er im Januar 1945 die Weichsel-Oder-Operation. Der Angriff hatte zwei Stoßrichtungen: Über Warschau nach Küstrin sowie in Richtung Schlesien.
Die Vorstöße der Sowjets erzielten schnelle Erfolge. Georgi Schukow profitierte dabei sehr von einer Fehleinschätzung Hitlers. Der deutsche Diktator hatte die Operation als nicht besonders gefährlich bewertet.
In Reaktion auf die Siege der Roten Armee wurden nun viele Einheiten von der Westfront abgezogen. Die Führung des Dritten Reiches wollte unbedingt die Sowjets aus Deutschland heraushalten. Hitler wettete auf die Kompromissbereitschaft der Westmächte angesichts der kommunistischen Gefahr.
Schlacht um Berlin (1945)
Die Rote Armee konnte sich im Frühling 1945 bis nach Berlin vorarbeiten. Dort wartete die letzte große Schlacht in Europa während des Zweiten Weltkrieges.
Am 16. April 1945 begann der sowjetische Angriffe. Georgi Schukow sowie Marschall Iwan Konew und Generaloberst Nikolai Bersarin führten eine sagenhafte Übermacht ins Feld:
2,5 Millionen Soldaten
41.600 Geschütze
7.500 Flugzeuge
6.250 Panzer
Zunächst kesselten sie die deutsche Hauptstadt ein. Dann zogen sie die Schlinge enger. Am Ende blieb nur die bedingungslose Kapitulation der inzwischen provisorischen Regierung um den Großadmiral und 2. Führer Karl Dönitz zum 08. Mai 1945.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Theodore Roosevelt wurde am 27. Oktober 1858 in New York City geboren. Von 1901 bis 1909 amtierte er als 26. Präsident der USA.
„Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, [dann] wirst du weit kommen.“
Präsident Theodore Roosevelt 1904 (gemeinfrei)
Theodore Roosevelt stammte aus einer reichen Familie und machte zunächst Karriere beim Militär. Während des Spanisch-Amerikanischen Krieges war er Colonel bei den „Rough Riders“. Dabei handelte es sich um das 1. Freiwillige-Kavallerie-Regiment. Posthum erhielt er sogar die Medal of Honor.
1882 veröffentlichte Theodore Roosevelt mit „The Naval War of 1812“ ein umfangreiches Werk über Schlachten und Technologien im Britisch-Amerikanischen Seekrieg während der Regierung von James Madison.
1898 gewann Theodore Roosevelt die Wahl zum Gouverneur des Staates New York. Er setzte sich für bessere Arbeitsbedingungen, bessere Infrastruktur und eine bessere Versorgung der Bevölkerung ein.
Dank seiner steigenden Popularität war Theodore Roosevelt schon zwei Jahre später der ideale Kandidat als Vizepräsident von William McKinley. Der starb am 14. September 1901 an den Folgen eines Attentats – zwei Schüsse aus nächster Nähe in den Oberkörper.
Mit 42 Jahren rückte Theodore Roosevelt automatisch in das höchste Amt auf und war damit der jüngste Präsident der amerikanischen Geschichte. Seine Innenpolitik wurde dann für die Bekämpfung von Monopolen und Zerschlagung von Kartellen bekannt.
Außenpolitisch baut der ausgewiesene Kenner von maritimer Kriegsführung die US-Navy zum „Big Stick“ aus. Diesen großen Knüppel setzte er zur Durchsetzung amerikanischer Interessen im Atlantik und vor allem auch im Pazifik ein.
Häufige Fragen zu Theodore Roosevelt (FAQs)
Waren Theodore Roosevelt und Franklin D. Roosevelt verwandt? Die beiden US-Präsidenten waren Cousins fünften Grades.
Wofür erhielt Theodore Roosevelt den Friedensnobelpreis? Er war 1905 der Vermittler für die Friedensverhandlungen am Ende des Japanisch-Russischen Krieges.
Warum ist Theodore Roosevelt am Mount Rushmore abgebildet? Er gründete als Präsident zahlreiche Nationalparks und setzte sich für Naturschutz ein.
Was war die Todesursache von Theodore Roosevelt? Er starb am 06. Januar 1919 im Alter von 60 Jahren im Schlaf.
Stellvertretender Marineminister & Colonel
Autor von „The Naval War of 1812“
Theodore Roosevelt graduierte 1880 an der Harvard University und setzte sein Studium an der Columbia Law School fort. Parallel begann er mit der Arbeit an einem umfassenden Werk über die maritime Komponente des Britisch-Amerikanischen Krieges von 1812.
William McKinley im Jahr 1900 (gemeinfrei)
Er schrieb eine Chronik der Seeschlachten. Als Quellen nutzte Theodore Roosevelt sowohl amerikanische wie auch britische Dokumente, um die Ereignisse möglichst sachlich zu beschreiben.
Im Rahmen der Einleitung beschrieb er darüber hinaus die politische und soziale Ausgangslage vor dem Krieg. Er kritisierte dabei massiv die fehlende Vorbereitung der US-Navy und schrieb diesen Fehler vor allem Thomas Jefferson zu.
Das Buch von Theodore Roosevelt gilt bis heute als eines der besten seiner Art. Mit nur 23 Jahren war er zu einem anerkannten Experten der maritimen Kriegsführung geworden.
Sein erstes hohes Amt war dann ab 1897 als stellvertretender Marineminister im Kabinett von William McKinley. Er unterstand dem schwachen John D. Long.
Erfolgreich trieb Theodore Roosevelt aus der eigentlich nachgeordneten Position den Bau von Schlachtschiffen voran. Mit dem Beginn des Spanisch-Amerikanischen Krieges wechselte er aber vorerst zu den Landstreitkräften.
Spanisch-Amerikanischer Krieg
Der Spanisch-Amerikanische Krieg dauerte vom 23. April bis 12. August 1898. Die Vereinigten Staaten übernahmen in diesem Konflikt die letzten wichtigen überseeischen Kolonien des einst so mächtigen Königreiches.
Kuba, Puerto Rico, Guam und die Philippinen fielen an die USA. Der Krieg begann im Pazifik und wurde dort wie auch in der Karibik zunächst von der weit überlegenen US-Marine dominiert.
Der deutsche Kaiser Wilhelm II. versuchte sich im Zuge des Krieges ebenfalls ein Stück aus dem Kuchen zu schneiden. Ein Geschwader unter dem Befehl des Otto von Diederichs erschien während des „Manila-Zwischenfalls“ drohend vor der US-Navy, zog sich aber nach einer energischen Reaktion der Amerikaner dann doch lieber zurück.
Kommandeur der „Rough Riders“
Theodore Roosevelt als Colonel der Rough Riders (George Gardner Rockwood / gemeinfrei)
Theodore Roosevelt befehligte während des Spanisch-Amerikanischen Krieges das 1.-Freiwillige-Kavallerie-Regiment und gehörte zu den Landungstruppen auf Kuba. Dort hatten sie jedoch große logistische Probleme.
In der „Schlacht vom San Juan Hill“ mussten die Rough Riders sogar abgesessen kämpfen, aber errangen einen großen Sieg. Einen wichtigen Beitrag leisteten drei MG-Züge mit Gatling-Guns.
Als „Teddys Angriff auf den San Juan Hill“ wurde der Sieg von den Zeitungen gefeiert und bescherte Theodore Roosevelt viel Aufmerksamkeit. Die Einheit erlitt mit 37 % jedoch sehr hohe Verluste.
Es fielen jedoch nur relativ wenige amerikanische Soldaten in den Kämpfen. Die sehr viel größere Gefahr waren Seuchen. Auch Theodore Roosevelt erkrankte an Malaria. Er gehörte zu den wenigen Überlebenden nach einer Infektion.
Präsidentschaft von Theodore Roosevelt
Attentat auf William McKinley
1900 ging Theodore Roosevelt als „Running Mate“, als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten, mit William McKinley ins Rennen. Sie gewannen die Wahl und Roosevelt wurde am 04. März 1901 vereidigt.
Ein halbes Jahr später kam es jedoch zum Attentat: William McKinley wurde auf der Weltausstellung in Buffalo von dem Anarchisten Leon Czolgosz zweimal angeschossen. Zunächst waren die Ärzte sehr optimistisch.
Am 14. September 1901 verstarb William McKinley jedoch und Theodore Roosevelt wurde automatisch an diesem Tag zum Präsidenten der USA. Er hatte dann mit dreieinhalb verbleibenden Jahren fast noch die ganze Legislaturperiode vor sich.
Theodore Roosevelt prägte seine Regierungszeit als sehr engagierter und kraftvoller Präsident. Große Baumaßnahmen, tiefe Eingriffe in die Wirtschaft und eine diplomatisch wie militärisch äußerst robuste Außenpolitik ebneten den weiteren Aufstieg der USA zur Supermacht.
Bau des Panamakanals
Karte des Panama-Kanals (Thomas Römer & OpenStreetMap / CC-BY-SA 2.0)
1869 wurde der Suezkanal in Ägypten eröffnet und entwickelte sich schnell zu einem großen wirtschaftlichen Erfolg. Der Gedanke wurde auf die Landenge zwischen den beiden Amerikas übertragen.
Die Umsetzung gestaltete sich jedoch deutlich schwieriger. Frankreich startete den Versuch und scheiterte an den unerwartet hohen Kosten. Ursache war, dass man zunächst dachte, der Kanal könnte ohne Schleusen gebaut werden.
Theodore Roosevelt ließ diese Gesellschaft und vor allem auch das Land aufkaufen. Es war der bis dato teuerste Land-Deal der amerikanischen Geschichte.
1902 bewilligte der Kongress die Gelder. Es dauerte jedoch weitere zwölf Jahre, bis ein kleiner Frachter als erstes Schiff den Panama-Kanal durchqueren konnte. Bis zum 31. Dezember 1999 blieb die Wasserstraße im Besitz der USA und wurde dann an Panama übergeben.
Zerschlagung von Monopolen
Theodore Roosevelt knüpfte im Innern an seine Politik als Gouverneur an. Er stärkte die Rechte von Arbeitnehmern. Als Präsident mischte er sich sogar in Streiks ein und brachte die Parteien an den Verhandlungstisch.
Außerdem legte er sich mit den großen Konzernen an. Gegen den berühmten Banker J.P. Morgan erhob die Regierung von Theodore Roosevelt eine staatliche Klage. Auch die Standard Oil Company und John D. Rockefeller mussten sich einem Verfahren stellen, welches mit der Zerschlagung des Öl-Monopols endete.
Darüber hinaus bemühte sich Präsident Theodore Roosevelt um die Einführung eines Beamtentums, um die Verwaltung unabhängiger zu gestalten.
Kriegsmarine als „Big Stick“
Die Außenpolitik der Vereinigten Staaten orientierte sich seit dem Jahr 1823 an der sogenannten „Monroe-Doktrin“ des damaligen Präsidenten James Monroe. Im Kern ging es dabei um die Einhegung des Einflusses der europäischen Mächte auf die beiden Amerikas.
Cartoon von Theodore Roosevelt mit dem „Big Stick“ (W. A. Rogers / gemeinfrei)
Theodore Roosevelt drängte auf eine Erweiterung der Monroe-Doktrin und griff dafür bereits 1901 ein afrikanisches Sprichwort auf:
„Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, [dann] wirst du weit kommen.“
Am 06. Dezember 1904 konkretisierte er bei einer Rede vor dem Kongress sein Bestreben, die USA zu einer Art von „Polizei“ auf dem Doppelkontinent zu machen. Es war eine zweigleisige Strategie, die sowohl auf Diplomatie wie auch auf militärische Macht setzte.
Dieser „Roosevelt-Corollary“ (= „Roosevelt-Zusatz“) zur Monroe-Doktrin war eine expansionistischere Außenpolitik und gilt als Beispiel für neuzeitlichen Imperialismus. Darüber hinaus begannen die USA, andere Länder an ihren Maßstäben zu werten:
„Wenn eine Nation zeigt, dass sie vernünftig und mit Kraft und Anstand in sozialen und politischen Fragen zu handeln versteht, dass sie Ordnung hält und ihre Schulden bezahlt, dann braucht sie keine Einmischung von Seiten der Vereinigten Staaten zu befürchten.“
Doch die Big Stick-Politik von Theodore Roosevelt schützte in Fortsetzung der Monroe-Doktrin auch südamerikanische Staaten. So schreckte der 26. US-Präsident beispielsweise Kaiser Wilhelm II. von einer Militäraktion gegen Venezuela ab.
Friedensnobelpreis 1906
Theodore Roosevelt legte sehr großen Wert auf Diplomatie und Verhandlungen. Dabei trat er auch immer wieder als Vermittler auf.
Im Jahr 1906 erhielt Theodore Roosevelt für sein Engagement für die Verhandlungen zum Ende des Japanisch-Russischen Krieges sogar den Friedensnobelpreis. Der Hintergrund des Konfliktes waren Spannungen um den Einfluss über die Mandschurei.
Karte des Japanisch-Russischen Krieges von 1904 (gemeinfrei)
1897 besetzte Zar Nikolaus II. den eisfreien Pazifikhafen Port Arthur, um dort eine Flotte aufzubauen. Darüber hinaus hatte bereits einige Jahre zuvor der Bau der Transsibirischen Eisenbahn begonnen, mit der Russland schnell große Truppenkontingente in den Osten verlagern konnte.
Das nach regionaler Vorherrschaft strebende Japan erklärte am 10. Februar 1904 den Krieg. In der Seeschlacht bei Port Arthur zerschlug die Marine des Tennō die russische Flotte vor Ort.
Der Krieg dauerte dann etwa eineinhalb Jahre und endete militärisch mit der Vernichtung einer russischen Entsatzflotte. Nikolaus II. musste aber auch aufgrund von inneren Unruhen auf eine Fortsetzung des Krieges verzichten.
Theodore Roosevelt bot sich als Vermittler an und lud Emissäre der beiden Parteien nach Portsmouth ein. Dafür erhielt er im darauf folgenden Jahr den Friedensnobelpreis.
Tatsächlich verhielten sich die USA jedoch nicht neutral. Theodore Roosevelt schloss einen informellen Deal mit Japan: Deren Vorherrschaft in Korea wurde im Gegenzug für die amerikanischen Besitzungen auf den Philippinen jeweils anerkannt.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Michail Sergejewitsch Gorbatschow wurde am 02. März 1931 im Nordkaukasus geboren. Er wurde Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU (Regierungschef) und dann auch Präsident der Sowjetunion (Staatschef).
Nach einer langen Phase der Stagnation in der Sowjetunion stieß Michail Gorbatschow ab 1985 fundamentale Reformen an. Diese sind als Glasnost (Transparenz) und Perestroika (Umstrukturierung) bekannt.
Darüber hinaus beendete Michail Gorbatschow den sehr blutigen Stellvertreterkrieg mit den USA in Afghanistan. Außerdem gewährte er den Staaten des Ostblocks die politische Souveränität, was die Unabhängigkeit zahlreicher Länder ermöglichte.
Michail Gorbatschow im Jahr 1987 während eines Besuches bei Ronald Reagan im Weißen Haus (gemeinfrei)
Für sein Engagement wurde Michail Gorbatschow bereits 1990 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Gerade in Deutschland erlangte „Gorbi“ durch seine Zustimmung zur Wiedervereinigung eine besonders hohe Popularität.
„Mr. Gorbachev, open this gate. Mr. Gorbachev, tear down this wall!“ (Ronald Reagan)
Doch während Michail Gorbatschow im Westen quasi einen Heldenstatus genießt, gilt er für weite Teile der Bevölkerung gerade in Russland als „Totengräber der Sowjetunion“. Deshalb zählt er zu den besonders tragischen Figuren der politischen Geschichte.
Er selbst wollte durch Transparenz (Glasnost) eine sinnvolle Umstrukturierung (Perestroika) der desolaten Sowjetunion erzielen. Seine Gegner halten ihm jedoch vor, dass er damit den Zerfall der UdSSR überhaupt erst auslöste.
Das ist mit Blick auf die miserable Führung seiner Vorgänger jedoch falsch. Vielmehr war Michail Gorbatschow vor allem der greifbare Sündenbock für die wirtschaftliche Katastrophe der frühen 1990er Jahre. Absurderweise ist Josef Stalin, der das Land mit seinem Großen Terror überzog, heutzutage beliebter in Russland als dieser Reformer.
Jugend, Studium und frühe Karriere
Michail Gorbatschow wuchs in einer Kolchose auf. Das waren landwirtschaftliche Großbetriebe, die ein „sozialistisches Kollektiv“ bewirtschaftete.
Sein Großvater leitete lange den Betrieb, galt jedoch als Anhänger von Leo Trotzki und wurde deshalb 1937 verhaftet. Der Vater von Michail Gorbatschow war jedoch offenbar sehr fleißig und erhielt für das Ernten von tausend Zentnern Getreide den Leninorden.
Der damals 17 Jahre alte Michail Gorbatschow half dem Vater und erhielt dafür den Orden des Roten Banners der Arbeit. Er konnte dann jedoch Jura studieren und lernte dabei seine spätere Frau Raissa kennen, mit der er in der regionalen Hauptstadt Stawropol lebte.
Aufstieg in der Kommunistischen Partei
Michail Gorbatschow trat mit 21 Jahren in die KPdSU ein. Für mehr als zwei Jahrzehnte war er dann in Stawropol für die Partei aktiv.
In dieser Zeit studierte Michail Gorbatschow ein weiteres Mal und wurde Agrarbetriebswirt. Seinen politischen Aufstieg in der Provinz konnte er dann als Sekretär für Landwirtschaft gestalten.
1971 wurde Michail Gorbatschow ein Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei. Im folgenden Jahr war er als Leiter einer Delegation im Westen.
Die Berufung ins Politbüro erfolgte 1980. Der damalige Chef des KGB und spätere Generalsekretär Juri Andropow kam ebenfalls aus Stawropol und förderte Michail Gorbatschow auf diesem Weg.
Generalsekretär und Staatspräsident
Ende der sowjetischen Gerontokratie
Die Sowjetunion erlebte unter Nikita Chruschtschow ab 1953 bereits eine erste Phase der Öffnung und Neuaufstellung. Aus Sicht der Stalinisten destabilisierte sich dadurch jedoch das gesellschaftliche System, was dann beispielsweise zum Ungarischen Volksaufstand von 1956 führte.
1966 wurde Chruschtschow durch den reaktionären Leonid Breschnew gestürzt, der der Sowjetunion eine lange Phase der politischen Stagnation brachte. Alte Kader erlebten eine neue Blüte und dominierten nochmals für fast zwei Jahrzehnte die Gremien der Kommunistischen Partei.
Juri Andropow im August 1983 als Generalsekretär des Zentralkomitees und Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (TASS)
Diese sowjetische „Gerontokratie“, die Diktatur der Alten, setzte sich nach dem Tod von Breschnew am 10. November 1982 eindrucksvoll fort. Seine beiden Nachfolger waren jeweils keine zwei Jahre im Amt.
Mit Juri Andropow kam zunächst der Chef des KGB an die Macht. Er war ein Hardliner im Kalten Krieg und nahm die „politische Unreife“ der Bevölkerung sowie den „Einfluss fremder Ideologie“ als größte Probleme war. Außerdem rechnete Andropow permanent mit einem atomaren Erstschlag der USA.
Seine tatsächlich größten Probleme waren Bluthochdruck, Diabetes und ein Nierenleiden. Andropow starb nach 15 Monaten im Amt des Generalsekretärs des ZK der KPdSU. Sein Nachfolger Konstantin Tschernenko war noch älter, starker Raucher, hatte eine Leberzerrhose und Hepatitis.
Nach Tschernenkos Tod am 10. März 1985 stand die Sowjetunion deshalb vor einer inhaltlichen, aber vor allem auch personellen Richtungsentscheidung. Die alten Hardliner stellten mit Grigori Romanow zwar erneut einen Kandidaten, der sogar schon im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte.
Doch der zumindest mal acht Jahre jüngere Michail Gorbatschow konnte sich als Reformer an der Spitze des Zentralkomitees platzieren. Zeitlich parallel begann auch bereits der Aufstieg von Boris Jelzin, der im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion zum ersten Präsidenten von Russland werden sollte.
Glasnost – Offenheit und Transparenz
Als „Glasnost“ bezeichnete Michail Gorbatschow die Herstellung von Transparenz der Regierung gegenüber der Bevölkerung, auch um Missstände gezielter angehen zu können.
„Ich mag Herrn Gorbatschow. Mit ihm können wir arbeiten.“ (Margaret Thatcher)
Michail Gorbatschow im Jahr 1986 auf der amerikanisch-sowjetischen Konferenz in Reykjavik. (RIA Novosti archive, image #359290 / Yuryi Abramochkin / CC-BY-SA 3.0)
Der Begriff hatte damals schon eine lange Geschichte in Russland. Bereits der reformerische Kaiser Alexander II. hatte die Zulassung einer Öffentlichkeit bei Gerichtsverhandlungen als Glasnost bezeichnet.
Michail Gorbatschow hielt dann am 25. Februar 1986 auf dem XXVII. Parteitag der KPdSU eine Grundsatzrede und hauchte dem Begriff neues Leben ein:
„Ohne Glasnost gibt es keine Demokratie, und es kann sie auch nicht geben […] Es kommt darauf an Glasnost zu einem störungsfrei funktionierenden System werden zu lassen. Man braucht Glasnost im Zentrum, aber eben so sehr, ja vielleicht sogar noch mehr an der Basis, dort, wo der Mensch lebt und arbeitet.“
Konkret lockerte Michail Gorbatschow die Einschränkungen der Rede- und Pressefreiheit. Auch Diskussionen von Funktionären wie im Volksdeputiertenkongress wurden fortan im Fernsehen übertragen.
Mit dieser neuen Öffentlichkeit wurde aber auch die Kluft zwischen politischer Kommunikation und politischer Realität in der Sowjetunion offen gelegt. Dies führte zu vermehrten Demonstrationen, von denen dann berichtet wurde, was wiederum noch mehr Demonstrationen auslöste.
Die Zustimmung in der Bevölkerung zur kommunistischen Diktatur erlebte so einen sich selbst beschleunigenden Niedergang. Obwohl der katastrophale Zustand der Sowjetunion, neben der irrwitzigen politischen Ideologie, vor allem auf die jahrzehntelange Reformunfähigkeit zurückging, schlitterte Michail Gorbatschow in die Rolle des Sündenbocks.
Perestroika – die Umstrukturierung
Das Wirtschaftswachstum der Sowjetunion war zu Beginn der Amtszeit von Michail Gorbatschow bereits seit etwa zehn Jahren rückläufig. Die Rate blieb zwar vergleichbar mit anderen Staaten, aber die Qualität der Erzeugnisse entsprach häufig nicht den internationalen Standards.
Aber vor allem hatte die sowjetische Wirtschaft viele schmerzhafte Schwächen. Beispielsweise fehlte es an Lager- und Logistikkapazitäten, um die Bevölkerung verlässlich mit Nahrung zu versorgen. Auch deshalb hatte sich längst eine ineffiziente Schattenwirtschaft entwickelt, die von wuchernder Korruption begleitet war.
Die sowjetische Intervention in Afghanistan hatte die ohnehin sehr hohen Belastungen durch das Militär noch gesteigert. Wissenschaft und Technologie fielen währenddessen im internationalen Vergleich immer weiter zurück.
Die „Perestroika“, die wirtschaftliche Umstrukturierung der Sowjetunion begann mit einem Rückbau der restriktiven Zentralverwaltung. Ab 1987 konnten Betriebe anfangen, eigenständige Entscheidungen zu treffen.
„Nicht die Perestroika hat die Sowjetunion zerstört, sondern ihre Gegner.“ (Michail Gorbatschow)
Rückzug aus Afghanistan
1978 putschten sich afghanische Kommunisten mit der „Saurrevolution“ an die Macht. Sie leiteten eine Säkularisierung des Landes ein und lösten so einen Bürgerkrieg mit islamistischen Mudschahidin aus.
Mudschahidin posiert mit erbeuteter Boden-Luft-Rakete aus sowjetischer Produktion. (gemeinfrei)
Parallel gab es noch dazu blutige Machtkämpfe in den eigenen Reihen. Diese führten sogar zur Absetzung und anschließenden Ermordung des Ministerpräsidenten Nur Muhammad Taraki am 08. Oktober 1979.
In dieser Phase waren bereits Militärberater der Roten Armee in Afghanistan, die von den Ereignissen jedoch selbst immer wieder überrascht wurden. Die Sowjets waren nämlich eigentlich nicht zur Unterstützung ihrer ideologischen Glaubensbrüder bereit.
Die damalige Regierung unter Leonid Breschnew entschied sich letztlich nur deshalb zur Intervention, weil man einem möglichen Einsatz der USA zuvorkommen wollte. Der geopolitische Rahmen für diese Entscheidung war der „NATO-Doppelbeschluss“ um die Stationierung von Mittelstrecken-Raketen im Westen von Europa vom 12. Dezember 1979.
Der Einmarsch der Roten Armee in Afghanistan begann am 25. Dezember 1979. Bodentruppen drangen in zwei Keilen gegen Kabul vor, während luftbewegliche Einheiten strategische Punkte einnahmen. Parallel liefen Capture-or-Kill-Missionen durch Spezialkräfte gegen politisches Führungspersonal.
Die Besetzung von Afghanistan entwickelte sich jedoch zu einem Debakel. Die Rote Armee konnte das widrige Gelände nicht dauerhaft kontrollieren. Währenddessen erodierte die sowjetische Wirtschaftskraft wegen der damals reformunwilligen Führungskaste immer weiter, so dass die Belastung durch den Stellvertreterkrieg immer schwerer wog.
Michail Gorbatschow bezeichnete den Einsatz schon sehr früh nach seiner Machtübernahme als „unsere blutige Wunde“. Mit dem Genfer Abkommen vom April 1988 sollte unter Beteiligung von Pakistan und den USA zunächst ein Rahmen für einen späteren Rückzug geschaffen werden.
Die Rote Armee schloss ihren Abzug dann bis zum 19. Februar 1989 ab. Die Sowjets waren jedoch bis zuletzt in schwere Kämpfe verwickelt und verloren nach späteren Angaben insgesamt etwa 26.000 Soldaten in Afghanistan.
Der Krieg kostete auf der anderen Seite jedoch einer Million Menschen das Leben, drei Millionen wurden verwundet und fünf Millionen vertrieben. Dabei hatte das kleine Land am Hindukusch im Jahr 1990 nur etwa 12,4 Millionen Einwohner.
Die Region kam jedoch nicht zur Ruhe. Die vorgesehene Stabilisierung durch das Genfer Abkommen scheiterte und der Afghanische Bürgerkrieg brach aus. Dieser Konflikt endete dann erst mit der Besetzung durch die USA nach den Anschlägen vom 11.09.2001.
Ende der Breschnew-Doktrin
Im Zuge der „Restalinisierung“ unter Leonid Breschnew unterdrückte man Bestrebungen nach mehr Unabhängigkeit in sowjetischen Satellitenstaaten im Zweifel mit Hilfe der Roten Armee. Ein besonders bekanntes Beispiel war die Niederschlagung des Prager Frühlings im Jahr 1968.
„Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.“ (Michail Gorbatschow)
Michail Gorbatschow bei der Rede vor der UN-Vollversammlung im Jahr 1988 (RIA Novosti archive, image #485307 / Yuryi Abramochkin / CC-BY-SA 3.0)
Spätestens mit seiner Rede vor der UN-Vollversammlung von 1988 distanzierte sich Michail Gorbatschow jedoch von diesem eisernen Regime. Als „Sinatra-Doktrin“ wurde sein Zugeständnis gegenüber den Satelliten bezeichnet, innere Angelegenheit selbst zu regeln. In der Folge kam es zu einer Reihe von friedlichen Revolutionen im Ostblock:
„You know the Frank Sinatra song, I Did It My Way? Poland and Hungary are now doing it their way. I think the ‚Brezhnev Doctrine‘ is dead.“ (Sowjetischer Diplomat)
Schließlich gab Michail Gorbatschow sogar den Widerstand gegen die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten auf. Angeblich bei einer Flasche Wein und nur in Begleitung von Übersetzern handelte er mit Helmut Kohl den Deal aus.
Neben zahlreichen Bedingungen wie einer Verkleinerung der Bundeswehr ging es vor allem um „Bimbes“. Die wirtschaftlich stark kriselnde Sowjetunion brauchte dringend liquide Mittel und die Bundesrepublik schob für die Wiedervereinigung harte Devisen über den Tisch.
Für seine Bemühungen wurde „Gorbi“ im Westen gefeiert. 1990 erhielt er den Friedensnobelpreis. Doch die Stimmung in der Sowjetunion war eine andere.
Ende der Sowjetunion
Der innenpolitische Widerstand gegen Michail Gorbatschow wurde ab 1990 immer deutlicher. Bei der Wahl zum Staatspräsidenten erhielt er nur 59,2 % der Stimmen der Deputierten.
Parallel erklärten zunächst Litauen, dann Estland und schließlich auch Lettland ihre Unabhängigkeit. In Fortsetzung der „Sinatra-Doktrin“ versuchte Michail Gorbatschow die alte Supermacht mit einem Unionsvertrag als Entität zu bewahren.
Doch während der Maiparade von 1990 wurden er und seine Führungsriege vor dem Kreml ausgepfiffen. 1991 kam es dann zum „Augustputsch in Moskau“.
Ronald Reagan und Michail Gorbatschow im Jahr 1992 (Bob Galbraith / gemeinfrei)
Die Aktion scheiterte zwar nach drei Tagen. Aber die Beteiligung des Vizepräsidenten, des Premierministers, des Verteidigungsministers, des Innenministers und des Chefs des KGB legte den fehlenden Rückhalt für Michail Gorbatschow auf dramatische Weise offen.
In der Folge erklärten weitere Staaten ihre Unabhängigkeit. Damit war die Sowjetunion praktisch am Ende, während Michail Gorbatschow allerdings noch der Präsident dieses hohlen Gerippes war.
Russland war der zentrale Nachfolger der Sowjetunion und taumelte in eine wirtschaftliche Katastrophe. Besonders dramatisch liest sich dies am Niedergang der Lebenserwartung von 69 auf 58 Jahre bis zur Mitte der 1990er.
Es starben mehr Menschen, als Kinder auf die Welt kamen. Darüber hinaus gab es eine ganze Serie von bewaffneten Konflikten auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion.
Das politische Ende von Michail Gorbatschow kam dann während einer weltweit übertragenen Ansprache vor dem russischen Parlament. Den Vorsitz hatte Boris Jelzin, der seit dem 12. Juni 1991 der erste russische Präsident war.
Jelzin unterbrach die Rede von Michail Gorbatschow und verkündete ein Parteiverbot gegen die KPdSU. Das war eine Entmachtung im Fernsehen.
Nach dieser finalen Demütigung trat Michail Gorbatschow am 25. Dezember 1991 zurück. Wenige Jahre später stellte er sich zur Wahl für das Amt des russischen Präsidenten und erhielt laut dem offiziellen Wahlergebnis nur etwa ein halbes Prozent der Stimmen.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Juri Wladimirowitsch Andropow wurde am 15. Juni 1914 im Nordkaukasus geboren. Er trat als Teenager in die kommunistische Jugendorganisation „Komsomol“ ein und wurde dort zum hauptberuflichen Funktionär für die KPdSU.
Diese Tätigkeit führte ihn nach Karelien an der Grenze zu Finnland. Dort war Juri Andropow während des „Großen Vaterländischen Krieges“ als politischer Offizier am Partisanenkampf gegen deutsche Truppen beteiligt.
Juri Andropow im August 1983 als Generalsekretär des Zentralkomitees und Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets (TASS)
Nach dem Krieg setzte er seine Tätigkeit als Funktionär sowie seine technische Ausbildung fort. Dazu gehörte auch ein Studium an der Hochschule der Partei in Moskau.
Ab 1953 war Juri Andropow im diplomatischen Dienst tätig und kam ein Jahr später als sowjetischer Botschafter nach Ungarn. In dieser Funktion erlebte er hautnah den Volksaufstand von 1956 und dessen Niederschlagung durch die Rote Armee.
Nach seiner Rückkehr war Juri Andropow für das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei tätig. Im Mai 1967 erhielt er dann den Vorsitz im Komitee für Staatssicherheit, besser bekannt unter dem Kürzel: „KGB“.
Als Chef des Geheimdienstes knüpfte Juri Andropow an die Anschauungen des mythisch verklärten Gründervaters Feliks Dzierżyński an. Scheinbar unberührt von der Entstalinisierung unter Chruschtschow zeigte er in der Folge sein reaktionäres Weltbild und einen Hang zum Totalitarismus.
Juri Andropow sah die größte Bedrohung in der „politischen Unreife“ vor allem von Intellektuellen und Studenten. Unter seiner Führung baute der KGB deshalb die Fähigkeiten bei der Gegenspionage und Propaganda aus.
Der Dienst ging dabei mit größter Menschenverachtung gegen Kritiker vor. Im Gegensatz zum Terror unter Josef Stalin wurden Gegner jedoch nicht mehr massenhaft erschossen, sondern beispielsweise in psychiatrischen Kliniken weggesperrt.
Seine eigene Paranoia gipfelte in der „Operation Raketenangriff“. Über Jahre hinweg ging der KGB von einem bevorstehenden atomaren Erstschlag durch die USA gegen die Sowjetunion aus.
Mit maximalen Einsatz aller Mittel suchte man nach Indizien für diese Verschwörungstheorie. Beispielsweise wurde die Produktion von Lebensmitteln im Westen als möglicher Frühindikator für einen Atomkrieg ausgeforscht.
Zwei Tage nach dem Tod von Leonid Breschnew wurde Juri Andropow am 12. November 1982 zum neuen Generalsekretär des Zentralkomitees ernannt. Zu diesem Zeitpunkt war er jedoch bereits ein alter und gesundheitlich schwer angeschlagener Mann.
Juri Andropow war dann nur noch für etwa neun Monate regierungsfähig und starb ein weiteres halbes Jahr später. Die Todesursache war Nierenversagen. Sein Nachfolger Konstantin Tschernjenko war sogar noch älter und noch kürzer im Amt, weswegen man diese Phase als „Sowjetische Gerontokratie“ bezeichnet, als Diktatur der Alten.
Aufstieg als stalinistischer Funktionär
Kader des Komsomol
Für Juri Andropow bot die „Komsomol“ einen Einstieg in die Politik. Die Jugendorganisation der Partei hatte den Auftrag, die Ideale des Kommunismus zu verbreiten.
Der Verband war 1918 unter Lenin gegründet worden und entwickelte sich zur Kaderschmiede der Kommunisten. Einen Zenit sollte die Komsomol in den 1970er Jahren erreichen.
In dieser Zeit waren etwa 70 % der Mitglieder der KPdSU ehemalige Komsomolzen. Im selben Jahrzehnt erhielt der Jugendverband dann sogar das Recht, Gesetzesentwürfe einzureichen und Kandidaten für Ämter zu stellen.
Aufstieg unter Stalin
Juri Andropow war ab 1932 zunächst ein Matrose in der Binnenschifffahrt. Er wurde dann zum Studium an eine Fachhochschule in Rybinsk an der Wolga, etwa 280 Kilometer nördlich von Moskau, geschickt, wo er als Sekretär für das Komitee des Komsomol aktiv wurde.
Nikita Chruschtschow und Josef Stalin in den 1930er Jahren (gemeinfrei)
Juri Andropow entwickelte sich zu einem hauptberuflichen Funktionär und arbeitete ab 1937 als Abteilungsleiter der Komsomol in Rybinsk. Dann wurde er zu einem der Profiteure des „Großen Terrors“ unter Josef Stalin.
Mit seinem technischen Hintergrund gehörte Juri Andropow zu jenem Personenkreis, der vorzugsweise für Beförderungen in Betracht gezogen wurde. Dank der zahlreichen Vakanzen aufgrund der massenhaften Erschießungen unter Stalin erklomm er dann schnell mehrere Stufen der Karriereleiter in der KPdSU.
Dieser Aufstieg brachte auch den Wechsel von der Wolga nach Karelien an der Grenze zu Finnland mit sich. Wenige Jahre später war er dort im „Großen Vaterländischen Krieges“ als politischer Offizier am Partisanenkampf gegen deutsche Truppen beteiligt.
Nach dem Krieg setzte Juri Andropow in Karelien seine Karriere in der KPdSU fort. Darüber hinaus absolvierte er weitere Studien, zunächst an der Universität von Petrosawodsk und dann an der Parteihochschule in Moskau.
Botschafter in Ungarn
1953 trat Juri Andropow in den diplomatischen Dienst ein. Im Außenministerium war er anfangs vor allem mit Aufgaben für Europa und Skandinavien betraut.
1954 wurde er als sowjetischer Botschafter nach Ungarn entsandt. Doch im Zuge der Entstalinisierung unter Nikita Chruschtschow hatten die alten Kader in Budapest an Durchsetzungsfähigkeit verloren.
Foto des ungarischen Nationalhelden Imre Nagy aus dem Jahr 1945 (Jánosi Katalin Adományozó / CC-BY-SA 3.0)
Die lockeren Zügel begünstigen öffentliche Kritik und Forderungen nach mehr Demokratie vor allem durch Studenten. Am 23. Oktober 1956 formierte sich eine friedliche Großdemonstration an der Universität von Budapest.
Gegen Abend ließ die Regierung in die Menge schießen, woraufhin sich ein bewaffneter Widerstand erhoben. Der „Ungarische Volksaufstand“ hatte begonnen.
Die Kommunistische Partei von Ungarn konnte ihre Herrschaft als Einheitspartei jedoch nur noch wenige Tage behaupten. Dann bildete sich eine neue Regierung unter Imre Nagy beispielsweise mit der Beteiligung von Sozialdemokraten.
Die stalinistischen Alt-Kader gaben sich jedoch nicht so einfach geschlagen. Über Juri Andropow wurde ein Gegenschlag der Roten Armee organisiert, die den Ungarischen Volksaufstand ab dem 01. November 1956 binnen weniger Tage blutig niederschlug.
Anschließend kam in Ungarn mit János Kádár ein guter Freund von Juri Andropow an die Macht. Imre Nagy wurde am 16. Juni 1958 gehängt.
Juri Andropow als Chef des KGB (1967 – 1982)
Juri Andropow kehrte 1957 aus Ungarn zurück und war die kommenden zehn Jahre für das Zentralkomitee tätig. Dann setzte der inzwischen regierende Leonid Breschnew den damaligen Chef des KGB ab. Damit begann für Juri Andropow ein neues Kapitel seiner Karriere.
Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit
Als Komitee für Staatssicherheit beim Ministerrat der UdSSR, kurz „KGB“, bezeichnete man den sowjetischen Geheimdienst von 1954 bis 1991.
Feliks Dzierżyński im Jahr 1918 (gemeinfrei)
Unter Juri Andropow knüpfte die Organisation ab 1967 an das Gedankengut von Feliks Dzierżyński aus der sowjetischen Frühphase an. Die Aufgaben des KGB sah Andropow deshalb nicht nur auf den Schutz von Amtsträgern und Institutionen reduziert.
Vielmehr hatte der neue Chef des KGB den Anspruch, die ganze Gesellschaft vor inneren und äußeren Angriffen zu schützen. Dabei sah er sich jedoch von der „politischen Unreife“ der Bevölkerung in der Sowjetunion behindert.
Den „Einfluss von fremder Ideologie“ identifizierte Juri Andropow deshalb schnell als größte Bedrohung für den Kommunismus. Aus diesem Grund baute der Geheimdienst während seiner Amtszeit bis 1982 vor allem die Fähigkeiten bei der Gegenspionage und Propaganda aus.
Im Gegensatz zur Ära von Feliks Dzierżyński wurden vermeintliche oder tatsächliche Gegner jedoch nicht mehr zu Zehntausenden erschossen. Juri Andropow ließ innere Feinde beispielsweise in spezielle psychiatrische Kliniken einweisen.
Operation Atomraketenangriff
Im Mai 1981 leitete Juri Andropow die „Operation Atomraktenangriff“ ein, die auch erst nach seinem Tod beendet wurde. Für drei Jahre hatte die Aktion aber höchste Priorität und wurde nicht nur vom KGB, sondern auch vom militärischen Nachrichtendienst GRU getragen.
Das „Star Wars Programm“ sah die Entwicklung von Space Lasern zur Bekämpfung von sowjetischen Atomraketen vor. (U.S. Air Force / gemeinfrei)
Es ging dabei um die Aufklärung eines vermuteten Plans für den Erstschlag gegen die Sowjetunion. Den historischen Hintergrund bildete der „NATO-Doppelbeschluss“ beziehungsweise die Stationierung von Mittelstrecken-Raketen im Westen von Europa auf die Initiative von Helmut Schmidt hin.
1982 stieg die von Juri Andropow wahrgenommene Bedrohung durch die Stationierung von Cruise Missiles in Großbritannien weiter. Im folgenden Jahr startete der amerikanische Präsident Ronald Reagan dann auch noch die „Strategic Defense Initiative“.
Es ging dabei um die Entwicklung eines Raketenschirms zum Schutz vor Atomwaffen. Dieses als „Star Wars Programm“ verspottete Vorhaben stellte jedoch eine konzeptionelle Bedrohung des nuklearen Gleichgewichts dar.
Unter der Führung von Juri Andropow begann der KGB deshalb mit der massenhaften Erfassung von Daten. Die Sowjets gingen dabei soweit, sogar die Produktion von Nahrung oder Blutspenden im Westen als Frühindikatoren für einen möglichen Atomschlag auszuspionieren.
In diesem Rahmen führte die NATO-Übung „Able Archer“ im November 1983 dann beinahe zur Eskalation. Glücklicherweise erfuhren die westlichen Mächte über eigene Agenten von der Überinterpretation des Manövers durch die Sowjetunion.
Teile von Able Archer wie die testweise Evakuierung von Regierungsmitgliedern wurden deshalb im letzten Moment gestoppt. Ronald Reagan machte stattdessen demonstrativ Urlaub auf seiner Ranch und ließ sich dort von Journalisten filmen, um so über die Medien indirekt seinen Friedenswillen an den zu diesem Zeitpunkt schon regierenden Juri Andropow zu kommunizieren.
Generalsekretär des Zentralkommitees
Nachfolger von Leonid Breschnew
Am 12. November 1982 wurde Juri Andropow nur zwei Tage nach dem Tod seines Vorgängers Leonid Breschnew zum Generalsekretär der KPdSU gewählt. Damit stand er der Exekutive vor und war quasi der Regierungschef der Sowjetunion.
Am 16. Juni 1983 folgte die Wahl zum Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets. Das war das höchste legislative Organ der UdSSR und Juri Andropow in dieser Rolle nun auch das Staatsoberhaupt.
Sowjetische „Gerontokratie“
Aber als Juri Andropow schließlich an die Macht kam, war er selbst bereits ein alter Mann. Er hatte Diabetes, Bluthochdruck und ein fortschreitendes Nierenleiden.
Damit befand sich Juri Andropow in den höchsten Kreisen der Kommunisten jedoch in bester Gesellschaft. Die obersten Gremien waren geprägt von alten Kadern, die nicht von der Macht lassen konnten.
Diese Phase der Sowjetunion wird deshalb auch als „Gerontokratie“ bezeichnet, als Diktatur der Alten. Juri Andropow war dann auch nur noch etwa neun Monaten lang regierungsfähig.
Tod durch Nierenversagen
Juri Andropow absolvierte im letzten halben Jahr vor seinem Tod keine öffentlichen Termine mehr. Sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich entscheidend.
Nach insgesamt 15 Monaten als Generalsekretär des Zentralkomitees starb Juri Andropow am 09. Februar 1984. Er wurde in der Nekropole an der Kremlmauer bestattet.
Konstantin Tschernenko
Mit Konstantin Tschernenko wurde anschließend ein sogar noch älterer Mann zum Generalsekretär des Zentralkomitees. Der war starker Raucher, hatte eine Leberzirrhose und Hepatitis.
Konstantin Tschernenko starb dann am 10. März 1985. Dessen Nachfolger war der schon deutlich jüngere Michail Gorbatschow, mit dem nicht nur die Gerontokratie endete, sondern auch inhaltlich eine neue Zeit begann.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Leonid Iljitsch Breschnew wurde am 19. Dezember 1906 in der Ukraine geboren. Er hatte eine technische Ausbildung und diente ab 1923 als Politkommissar in der Roten Armee.
Leonid Breschnew im Jahr 1967 (Bundesarchiv Bild 183-F0417-0001-011 / Ulrich Kohls / CC-BY-SA 3.0)
Als Ingenieur profitierte seine Karriere besonders vom „Großen Terror“ unter Stalin. Ab 1939 war Leonid Breschnew der Parteisekretär eines Verwaltungsbezirks in der Ukraine und für Rüstung und Propaganda zuständig.
1964 führte Leonid Breschnew den friedlichen Sturz von Nikita Chruschtschow herbei. Er galt als profilloser Apparatschik, unter dessen Führung sich die Verkrustung der Sowjetunion weiter ausbreitete. Gorbatschow wertete seine Herrschaft als „Zeit der Stagnation“.
Doch Leonid Breschnew brachte der Sowjetunion als Mittler zwischen alten Stalinisten und liberalen Kommunisten auch eine Phase der Stabilität. Trotz seiner militärischen Intervention während des „Prager Frühlings“ von 1968 beteiligte sich die Sowjetunion unter seiner Führung an der internationalen Entspannungspolitik wie beispielsweise im Rahmen der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).
Leonid Breschnew verstarb schließlich am 10. November 1982 im Schlaf. Ein Herzstillstand gilt als Todesursache. Sein Nachfolger wurde Juri Andropow, der bis dahin den KGB geleitet hatte.
Häufige Fragen zu Leonid Breschnew (FAQs)
Was war die Breschnew-Doktrin? Dabei handelte es sich um eine nachträgliche Rechtfertigung für die blutige Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 durch Truppen des Warschauer Paktes. Konkret hieß es: „Die Interessen und die Souveränität einzelner sozialistischer Staaten finden ihre Grenzen an den Interessen und der Sicherheit des gesamten sozialistischen Systems.“
Wofür wurde Leonid Breschnew bekannt? Er führte den friedlichen Sturz von Nikita Chruschtschow herbei und prägte als Generalsekretär des Zentralkomitees eine reaktionäre „Zeit der Stagnation“.
Karriere als Apparatschik der KPdSU
Leonid Breschnew war der Sohn eines Metallarbeiters und trat 1923 in die kommunistische Jugendorganisation Komsomol ein. Der Verband war sehr aktiv beim Umbau des Agrar- zum Industriestaat engagiert.
Im selben Jahr trat Breschnew in die Rote Armee ein und wurde zunächst in der Panzertruppe ausgebildet. Anschließend macht er Karriere als Politkommissar.
Dieses System der politischen Offiziere stammte aus den Gründungsphase der Roten Armee. Es war damals vom zuständigen Volkskommissar Leo Trotzki etabliert worden, um die Loyalität der Einheiten im Russischen Bürgerkrieg zu gewährleisten.
Die Aufgaben von Politkommissaren reichten von der ideologischen Schulung der Soldaten bis hin zur Kontrolle der militärischen Führung. Zeitweise konnten Befehlshaber ohne ihre Zustimmung kaum agieren.
Einstieg und erste Parteiämter
Leonid Breschnew trat dann 1931 in die KPdSU ein, als Josef Stalin unangefochtener Führer der Partei war. Mit seinem technischen Hintergrund profitierte der junge Apparatschik dann entscheidend von den politischen Säuberungen.
1939 brachte es Leonid Breschnew bis zum 1. Parteisekretär des Verwaltungsbezirkes von Dnipropetrowsk in der Ukraine. Dort war er für Propaganda und Rüstung zuständig.
Politoffizier im Vaterländischen Krieg
Mit dem Beginn des „Großen Vaterländischen Krieges“ gegen das Dritte Reich wurde Leonid Breschnew als Politkommissar von der Roten Armee reaktiviert. Sein erster Auftrag war die Verlegung der Rüstungsindustrie von Dnipropetrowsk ins Hinterland.
Leonid Breschnew (rechts) als Politoffizier der Roten Armee im Jahr 1942 (gemeinfrei)
Die Stadt fiel dann bereits am 26. August 1941 in deutsche Hände. Im Oktober erfolgte eine Beförderung und Leonid Breschnew erhielt die politische Kontrolle über die „Südfront“.
Nach der vollständigen Besetzung der Ukraine wurde Leonid Breschnew der „Kaukaus-Front“ zugeordnet. In Folge der Abschaffung der Politkommissare zu Gunsten der Einzelleitung von Verbänden erhielt er den Rang eines Oberst.
Im April 1943 kam Breschnew zur 18. Armee. Dort lernte er Nikita Chruschtschow kennen, der selbst in der Gunst von Stalin stand und zu einem bedeutenden Förderer wurde.
Als Teil der „Ukrainischen Front“ war Leonid Breschnew dann Mitglied des Kriegsrates bei der Eroberung von Prag. Im Jahr 1946 wurde er im Rang eines Generalmajors aus der Roten Armee entlassen.
Generalsekretär und Parteichef
Aufstieg ins Zentralkomitee
Nach seiner Entlassung aus der Roten Armee übernahm Leonid Breschnew zahlreiche Projekte zum Wiederaufbau. 1947 wurde er dann erneut zum 1. Parteisekretär für einzelne Verwaltungsbezirke.
Ab 1950 war Leonid Breschnew schon 1. Parteisekretär der Sowjetrepublik Moldau und zugleich Deputierter im Obersten Sowjet, dem formal höchsten Staatsorgan der Sowjetunion. Der inzwischen amtierende Parteichef Chruschtschow trat dabei weiterhin als wichtiger Förderer auf.
Im Laufe der 1950er Jahre war Leonid Breschnew dann mehrfach der Sekretär des Zentralkomitees. Das war das Gremium, in dem beispielsweise die Mitglieder des Politbüros gewählt wurden.
In diesem Jahrzehnt verloren jedoch zahlreiche Schützlinge von Chruschtschow ihre Ämter auf den höchsten Ebenen der Partei. Leonid Breschnew verstand es dabei, sich loyal gegenüber dem amtierenden Chef zu verhalten, ohne den Zorn von stalinistischen Alt-Kadern auf sich zu ziehen.
Sturz von Nikita Chruschtschow
Die „Entstalinisierung“ unter Nikita Chruschtschow führte zu erheblichem Wirbel in der Kommunistischen Partei. Vor allem der Aufstand in Ungarn wurde von Alt-Kadern als Symptom für eine verfehlte Politik angesehen.
Nikita Chruschtschow im Jahr 1963 (Bundesarchiv Bild 183-B0628-0015-035 / Heinz Junge / CC-BY-SA 3.0)
Enge Vertraute von Josef Stalin wie Wjatscheslaw Molotow und Lasar Kaganowitsch versuchten Chruschtschow deshalb zu stürzen. Dieser Putsch aus dem Politbüro heraus im Jahr 1957 konnte jedoch mit Hilfe von Marschall Georgi Schukow verhindert werden.
Leonid Breschnew nahm anschließend einen der nun vakanten Plätze im Politbüro ein. Er war damit in der zentralen Schaltstelle der Macht angekommen.
Doch spätestens ab 1960 war die Erosion von Chruschtschows Rückhalt in der Partei nicht mehr aufzuhalten. Darüber hinaus sank die Beliebtheit in der Bevölkerung, weil landwirtschaftliche Reformen nicht die versprochenen Erträge brachten.
Am 14. Oktober 1964 wurde Nikita Chruschtschow schließlich von einer Gruppe um Leonid Breschnew in den Ruhestand verabschiedet. Entgegen der sozialistischen Tradition kam es dabei jedoch nicht mehr zu massenhaften Erschießungen. Der geschasste Chef verbrachte seinen Lebensabend in einer Datsche bei Moskau.
Restalinisierung unter Leonid Breschnew
Am 08. April 1966 nahm Breschnew den Titel „Generalsekretär des ZK der KPdSU“ an. Den Titel hatte Stalin einst eingeführt und bis zu seinem Ableben getragen.
Auch inhaltlich knüpfte Leonid Breschnew an Josef Stalin an. Die „Tauwetter-Periode“ von Chruschtschow fand ihr Ende.
Die Meinungsfreiheit erhielt engere Grenzen und Strafen für politisches Fehlverhalten wurden angehoben. Auch hob man Errungenschaften von Stalin wieder vermehrt hervor.
Breschnew-Doktrin & Prager Frühling
Im August 1968 kam es mit dem „Prager Frühling“ zu einem erneuten Test für die sowjetische Dominanz gegenüber Satelliten. Bereits seit dem Vorjahr protestierten viele Studenten für mehr Freiheiten.
Alexander Dubček im Jahr 1968 (gemeinfrei)
Dies führte zu Grabenkämpfen zwischen liberalen und stalinistischen Kommunisten in der tschechoslowakischen KP (KSČ). Dabei konnte sich Alexander Dubček als neuer 1. Sekretär durchsetzen und strebte eine Reihe von Reformen sowie die Stärkung der Souveränität an.
Doch vor allem Walter Ulbricht aus der DDR und der bulgarische Parteichef sowie das Militär verlangten eine gewaltsame Intervention. Der sogenannte „Einladungsbrief“ der Stalinisten aus der Tschechoslowakei wurde dann als Legitimation für den Einmarsch genutzt.
Leonid Breschnew sandte letztlich die Rote Armee. Aktuelle Forschungen gehen jedoch davon aus, dass er bis zuletzt an einer politischen Lösung arbeitete und die Intervention durch andere Staaten des Warschauer Paktes verhindern wollte.
In der Nacht zum 21. August 1968 drangen etwa 500.000 Rotarmisten in der Tschechoslowakei ein. Innerhalb weniger Stunden besetzten sie alle strategischen Punkte des kleinen Landes.
Im Nachgang wurde diese Unterdrückung der Autonomie von Sowjetrepubliken durch westliche Medien als „Breschnew-Doktrin“ bekannt.
KSZE-Prozess & Schlussakte von Helsinki
Im Juni 1973 besuchte Breschnew die USA und führte Gespräche mit Richard Nixon. Im selben Jahr traf er auch Willy Brandt. Im Zuge der globalen Entspannungspolitik trat die Sowjetunion in Verhandlungen über Sicherheit und Zusammenarbeit ein.
Nach zwei Jahre fand dieser KSZE-Prozess mit der Schlussakte von Helsinki seinen Abschluss. Der Kern war eine Absichtserklärung, Grenzen zu respektieren und Konflikte friedlich zu lösen.
Mit den insgesamt vier Abschnitten der Schlussakte wollte man das Verhältnis von Ost und West langfristig verbessern:
Sicherheit in Europa mit vertrauensbildenden Maßnahmen im militärischen Bereich sowie zehn Prinzipien für eine friedliche Koexistenz. Dazu gehörte beispielsweise eine rechtzeitige Vorwarnung bei größeren Manövern sowie der Austausch von Beobachtern.
Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik und Umwelt.
Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittelmeerraum
Zusammenarbeit in humanitären und kulturellen Fragen
SALT-Verträge zur Rüstungsbegrenzung
Zeitlich in etwa parallel zum KSZE-Prozess wurden Gespräche über eine Begrenzung der strategischen Waffen geführt, die: „Strategic Arms Limitation Talks“.
Bereits 1972 konnte der SALT-1-Vertrag mit zwei Komponenten erfolgreich verhandelt werden:
Man einigte sich im Anti-Ballistic Missile Treaty (ABM-Vertrag) auf eine Begrenzung der Raketenabwehrsysteme.
Darüber hinaus wurde ein Moratorium für den Ausbau von ferngelenkten Langstrecken-Raketen auf dem Stand von Mitte 1972 vereinbart.
Der SALT-2-Vertrag wurde dann 1979 von Leonid Breschnew und dem neuen Präsidenten Jimmy Carter unterzeichnet, womit nun auch Mittelstrecken-Raketen begrenzt wurden.
Der SALT-2-Vertrag wurde in den USA jedoch nicht vom Parlament ratifiziert, weil die Sowjetunion inzwischen in Afghanistan einmarschiert war. Inhaltlich hielten sich die beiden Supermächte jedoch bis zum Ende der vereinbarten Laufzeit im Jahr 1985 weitgehend an den Vertrag.
Intervention in Afghanistan (ab 1979)
Am 27. April 1978 putschten sich afghanische Kommunisten mit der „Saurrevolution“ an die Macht. Damit endete eine etwa fünf Jahrzehnte währende Friedenszeit in dem Land.
Sowjetische Militärberater waren zu diesem Zeitpunkt zwar vor Ort. Nach heutigem Kenntnisstand waren sie jedoch an der Revolution nicht beteiligt, sondern wurden erst im letzten Moment informiert.
Mudschahidin posiert mit erbeuteter Boden-Luft-Rakete aus sowjetischer Produktion. (gemeinfrei)
Die sowjetische Führung um Leonid Breschnew erfuhren erst durch eine Reuters-Meldung von der kommunistischen Revolution. Der nun in Afghanistan einsetzende Terror gegen weite Teile der Bevölkerung sowie die Säkularisierung destabilisierte den Staatsapparat jedoch fundamental.
Die Sowjetunion sah sich schließlich zu einer Intervention gezwungen. Am 25. Dezember 1979 überschritten erste Truppen der Roten Armee die Grenze. Zeitgleich wurden Luftlandetruppen in Kabul abgesetzt, um innerhalb von wenigen Tagen die wichtigsten Punkte in Afghanistan zu besetzen.
Die afghanische Armee leistete fast keinen Widerstand und kooperierte bereits nach kurz Zeit mit den sowjetischen Truppen. Die Rote Armee hatte schließlich etwa 115.000 Mann im Land, kontrollierte Knotenpunkte und hatte die Lufthoheit.
Aber die Sowjetunion konnte sich auch mit Hilfe der afghanischen Armee in der Fläche nicht behaupten. Darüber hinaus wurden die Rebellen von der CIA heimlich beispielsweise mit tragbaren Boden-Luft-Raketen ausgestattet, so dass sie Hubschraubern und Transportflugzeuge abschießen konnten. Außerdem nutzen die Mudschahidin auch erbeutete Waffen, um ihre materielle Unterlegenheit zu kompensieren.
Die Intervention entwickelte sich zu einem Desaster für die Sowjetunion. Bis zum Abzug nach zehn Jahren fielen fast 15.000 Rotarmisten, weitere etwa 54.000 wurden verwundet.
SS-20 & NATO-Doppelbeschluss
Leonid Breschnew hatte bereits 1978 den deutschen Kanzler Helmut Schmidt getroffen. Drei Jahre später kam es vor dem Hintergrund der Stationierung von SS-20-Raketen für die Mittelstrecke erneut zu Gesprächen.
Die westlichen Verbündeten einigten sich deshalb auf den sogenannten NATO-Doppelbeschluss:
Zur Wiederherstellung des atomaren Gleichgewichts kündigte man die Stationierung von ballistischen Raketen und Marschflugkörpern im Westen von Europa an.
Es wurde eine bilaterale Verhandlung zwischen den USA und der Sowjetunion zur Begrenzung von Mittelstrecken-Raketen mit einer Reichweite von 1000 und 5500 Kilometern verlangt, den sogenannten Intermediate Nuclear Forces (INF).
Der INF-Vertrag wurde jedoch erst 1987 von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan unterzeichnet.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Lew Dawidowitsch Bronstein, besser bekannt als Leo Trotzki, wurde am 07. November 1879 in einem kleinen Dorf in der Ukraine geboren. Er war der fünfte Sohn einer jüdischen Familie und hatte nach eigenen Angaben eine „biedere Kleinbürgerkindheit, farblos in der Schattierung, beschränkt in der Moral“.
Leo Trotzki im Jahr 1929 (Bundesarchiv, Bild 183-R15068 / CC-BY-SA 3.0)
Bereits als Teenager entwickelte sich Leo Trotzki zum begeisterten Marxisten und war politisch sehr aktiv. In Folge einer Massenverhaftung im Jahr 1897 wurde er erstmals verurteilt und nach Sibirien verbannt.
Während der Russischen Revolution von 1905 gehörte Leo Trotzki aber bereits zur linken Polit-Prominenz und wurde in den Sowjet, den Rat der Arbeiterdeputierten, von Sankt Petersburg gewählt.
In dieser Zeit entstand auch seine Interpretation der „Permanenten Revolution“.
Im großen Revolutionsjahr von 1917 wurde Leo Trotzki erneut in den Sankt Petersburger Sowjet gewählt. In der ersten kommunistischen Regierung war er zunächst Volkskommissar für Äußeres und später für das Kriegswesen.
So wurde Leo Trotzki ab 1918 zum Gründervater der Roten Armee. Mit einigen geschickten Zügen, aber auch gnadenloser Härte entschied er den aufziehenden Russischen Bürgerkrieg gegen die „Weiße Bewegung“.
Spätestens ab dem Jahr 1922 begann ein Machtkampf zwischen Leo Trotzki und Stalin um die Nachfolge für den gesundheitlich schwer angeschlagenen Lenin. Dabei stellte sich Trotzki aber auch gegen den ausufernden Parteiapparat und verlor auch deshalb das politische Duell.
Leo Trotzki floh anschließend vor Josef Stalin über mehrere Stationen bis nach Mexiko. Dort wurde er 1940 von dem sowjetischen Agenten Ramón Mercader mit einem Eispickel erschlagen.
„… das kostbarste und bestorganisierte Gehirn […], das jemals mit einem Hammer eingeschlagen wurde.“ (Albert Zweig)
Mitglied der sozialrevolutionären Narodniki
Leo Trotzki entwickelte sich bereits als Teenager zum Sozialrevolutionär. Mit 17 Jahren gehörte er den Narodniki an. Das geheime Organisation, die sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im russischen Kaiserreich zusammenfand.
Er trat Diskussionszirkeln bei und fand in Alexandra Sokolowskaja eine intellektuelle Sparringspartnerin, die ihn nicht nur vom Marxismus überzeugte. Die beiden heirateten sieben Jahre später.
Haft und Verbannung nach Sibirien
Leo Trotzki fiel wegen seiner linksextremen Ansichten bei seinen bürgerlichen Eltern in Ungnade und wurde schließlich nicht mehr finanziell unterstützt. Im Jahr 1897 ging er den Behörden dann im Rahmen einer Massenverhaftung erstmals ins Netz.
Es folgte eine Verbannung nach Sibirien, wo sich Leo Trotzki intensiv mit Dialektik beschäftigte und seine fundamentale Kritik an der Herrschaft der russischen Kaiser weiter ausdeklinierte.
„Leninscher Knüppel“ in London
Nachdem Leo Trotzki mit Alexandra Sokolowskaja in der Verbannung zwei Töchter zeugte, verließ er sie 1902 und zog zu Lenin nach London. In dieser Zeit war er als leitender Redakteur für die revolutionäre Zeitung „Der Funke“ tätig.
Foto von Lenin aus dem Jahr 1900 (gemeinfrei)
Die beiden Marxisten vertraten innerhalb der Linken das Ideal einer streng organisierten und zentralistischen Partei bestehend aus Berufsrevolutionären. Mit diesem Ansatz gelang 1903 die Spaltung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands (SDAPR).
In Folge einer Abstimmung auf dem Parteitag gab sich die Fraktion um Lenin den Namen die „Mehrheit“. Sie sind heute besser bekannt unter der russischen Bezeichnung als „Bolschewiki“.
Im Gegensatz dazu bildete sich das Lager der „Minderheit“, den sogenannten „Menschewiki“. Die folgende Zeit verbrachten die Linken dann vor allem mit internen Grabenkämpfen.
Für seine Beiträge zu dieser Entwicklung erwarb sich Leo Trotzki den Spitznamen „Leninscher Knüppel“. Die systematische Spaltung der Linken ging ihm jedoch zu weit. Tatsächlich trat Trotzki fast durchgängig eher als Vermittler zwischen den Lagern auf.
Damit schuf er eine wichtige Grundlage für seine zentrale Rolle in der Frühphase der kommunistischen Machtergreifung. Während der Russischen Revolution von 1905 und im Revolutionsjahr 1917 stieg Leo Trotzki so zu einer führenden Figur der linken Bewegung in Sankt Petersburg auf.
Theorie der Permanenten Revolution
Leo Trotzki entwickelte über die Konfliktlinien innerhalb der Linken hinweg einen engen Kontakt zu Alexander Parvus. Das war ein führender Vertreter der Menschewiki.
Leo Trotzki im Jahr 1906 (gemeinfrei)
Zusammen mit Alexander Parvus bildete Leo Trotzki dann während der Russischen Revolution von 1905 die Führung des Rates der Arbeiterdeputierten von Sankt Petersburg, den ersten Sowjet.
Ein zentraler Gegenstand ihrer Diskussionen war die „Theorie der Permanenten Revolution“. Der Ausdruck kam ursprünglich in den frühen Schriften von Karl Marx auf.
1905 wurde die Theorie von einer Permanenten Revolution wieder virulent. Beispielsweise griff auch Rosa Luxemburg in Deutschland das Thema auf.
Eine wesentliche Streitfrage war, ob sich eine soziale Revolution in einzelnen Etappen oder als fortlaufender Prozess entwickeln könnte beziehungsweise sollte.
Die tendenziell zur Sozialdemokratie neigenden Menschewiki argumentierten dabei für einzelne Schritte. Die trotzkistische Interpretation der Permanenten Revolution war ein systemisches Konzept für fortwährende Konflikte:
Umwandlung der demokratischen in eine sozialistische Revolution.
Wirtschaftliche Veränderungen, die die Gesellschaft dauerhaft in Unruhe halten.
Export der sozialen Konflikte über nationale Grenzen hinweg mit dem Ziel, eine Weltrevolution zu entfachen.
Ausgang und Ziel der Permanenten Revolution nach Leo Trotzki war die Armut der Bauern. Seinen theoretischen Bogen spannte er über zwei Pfeiler:
Enteignung und soziale Auslöschung von Landbesitzern des zaristischen Russlands im Rahmen einer Bodenreform zu Gunsten der mittellosen Bevölkerung.
Anschließende Abschaffung des privaten Eigentums im Zuge einer sozialistischen Reform des wirtschaftlichen Systems.
Die Russische Revolution von 1905 scheiterte allerdings. Leo Trotzki wurde verhaftet, verurteilt und verbannt. Er konnte allerdings wie Alexander Parvus nach Wien fliehen.
Leo Trotzki und die Sowjetunion
Letztes Foto von Kaiser Nikolaus II. von Russland aus dem Jahr 1917 (gemeinfrei)
In den Jahren nach der Russischen Revolution von 1905 zerbrach zwar die bisher gute Beziehung zu Alexander Parvus. Aber Leo Trotzki konnte sich weiterhin sehr erfolgreich als Zentralist innerhalb der Linken positionieren.
Dabei wollten ihn vor allem die Bolschewisten in ihr Lager ziehen. Doch Leo Trotzki formulierte immer wieder Kritik an Lenin, der sich vice versa an ihm abarbeitete. Im Laufe des Ersten Weltkrieges näherten sich die beiden Ideologen jedoch wieder an.
Nach der Februarrevolution von 1917 dankte der letzte russische Kaiser Nikolaus II. ab. Während sich nun in Sankt Petersburg der Sowjet als dominierende Macht etablierte, regierte in Moskau eine vom Parlament getragene provisorische Regierung.
Als Leo Trotzki von diesen Neuigkeiten erfuhr, hielt er sich in New York auf und machte sich auf den Weg zu seiner alten Wirkungsstätte. Die Anreise verlief nicht ganz reibungslos. Er saß erstmal fast zwei Monate in einem kanadischen Internierungslager.
Rolle im Revolutionsjahr 1917
Leo Trotzki kam im Mai 1917 in Sankt Petersburg an. Dort engagierte er sich als Mitglied der Vereinigten Sozialdemokraten weiterhin für eine Kooperation von Bolschewiki und Menschewiki.
Alexander Kerenski führte die zweite Provisorische Regierung. (gemeinfrei)
Im Juli kam es erneut zu einem Aufstand mit zahlreichen Toten. Die erste provisorische Regierung des Parlamentes trat zurück. Doch das konservative Lager konnte sich letztlich dennoch unter Führung von Alexander Kerenski behaupten.
Leo Trotzki wurde erstmal verhaftet. Die nach diesem Juliaufstand geschwächten Bolschewisten nahmen ihn dann in Abwesenheit in ihre Partei auf.
Dieses politische Manöver hatte den Hintergrund, dass Lenin zu diesem Zeitpunkt auf die Unterstützung Trotzkis angewiesen war.
Im September 1917 kam es zu einem Putsch rechter Militärs unter General Kornilow. Im selben Monat erreichten die Bolschewisten eine Mehrheit im Petersburger Sowjet und wählten Leo Trotzki zum Vorsitzenden des Rates.
In dieser Rolle organisierte er die „Roten Garden“. Das waren die bewaffneten Milizen der Partei. So wurde Trotzki schnell einer der wichtigsten politischen Akteure.
Leo Trotzki unterstützte in einem Beschluss vom 10. Oktober 1917 dann den bewaffneten Aufstand gegen Kerenski. Wenige Tage später entstand unter seiner Federführung das Militärrevolutionäre Komitee, eine Schaltstelle für die Ereignisse in Sankt Petersburg.
Am 26. Oktober 1917 bildeten die Linken mit dem „Sowjet der Volkskommissare“ eine neue Regierung. Leo Trotzki erhielt den Posten als Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten.
Volkskommissar für Äußeres
Ein wesentliches Versprechen der Linken im politischen Wettstreit gegen die Konservativen war ein umgehender Friedensschluss mit dem Deutschen Reich sowie Österreich-Ungarn. Leo Trotzki konnte auch einen schnellen Waffenstillstand ab dem 15. Dezember 1917 wie auch den Start von Verhandlungen organisieren.
Leo Trotzki im Jahr 1918 (gemeinfrei)
Die russische Position war jedoch sehr schwach, während Erich Ludendorff als deutscher Verhandlungsführer sehr offensiv auftrat.
Trotz des Waffenstillstandes marschierten deutsche Truppen noch am 18. Februar 1918 in der Ukraine ein, um ertragreiche Gebiete für die Nahrungsversorgung der Mittelmächte zu sichern.
Damit verschärfte sich allerdings die in Russland ebenfalls sehr angespannte Versorgungslage. Im Frieden von Brest-Litowsk akzeptierte Leo Trotzki als russischer Vertreter jedoch die geschaffenen Tatsachen.
Diese Art von Friedensschluss war nicht nur ein reales Problem, sondern auch eine Demütigung. Im Rahmen der „Weißen Bewegung“ sammelten sich Freiwillige, die der Herrschaft der Kommunisten mit Gewalt begegnen wollten. So wurde der Frieden mit den Mittelmächten zu einem Grund für den aufziehenden Russischen Bürgerkrieg.
„Selbst wenn wir halb Russland niederbrennen und das Blut von drei Vierteln der Bevölkerung vergießen müssen, wir werden es tun, wenn es zu Russlands Rettung notwendig sein sollte.“ (General Kornilow)
Gründervater der Roten Armee
Am 14. März 1918 wurde Leo Trotzki zum Volkskommissar für das Kriegswesen ernannt. Er begann zügig mit der Aufrüstung der Roten Garden zu einer regulären Streitkraft, der Roten Armee.
Im Russischen Bürgerkrieg erwies sich Leo Trotzki als gnadenloser, aber auch erfolgreicher Oberkommandeur. Er steuerte die Rote Armee dabei aus einem Panzerzug:
„Während der anstrengendsten Jahre der Revolution, war mein Privatleben untrennbar mit dem Leben des Zuges verbunden. Der Zug hingegen war untrennbar mit dem Leben der Roten Armee verbunden. Der Zug verband die Front mit der Basis, löste dringende Probleme direkt vor Ort, belehrte, machte Eindruck, versorgte, belohnte und bestrafte.“
Außerdem führte Leo Trotzki das System der Politkommissare ein, um die Loyalität der Einheiten im Griff zu behalten. Auf seine persönliche Weisung hin kam es auch zu Exekutionen von einzelnen Offizieren.
Aber vor allem machte Leo Trotzki einen sehr klugen Schachzug: Er konnte die Erhaltung der bolschewistischen Regierung mit den Freiheitskämpfen einstmals im Kaiserreich unterdrückter Minderheiten verbinden.
Deshalb verfügte die Rote Armee in dieser Frühphase nicht nur über bolschewistische Verbände, sondern umfasste beispielsweise auch lettische, polnische und ungarische Einheiten. Mit der numerischen Überlegenheit gelang so der frühe strategische Sieg durch die Rückeroberung von Kasan im September 1918.
Machtkampf mit Josef Stalin
Die Partei und das Regime der Bolschewisten entwickelte sich binnen weniger Jahre zu bürokratischen Monstern. Diese Entwicklung wurde von Lenin und Trotzki kritisiert.
Lenin und Stalin im Jahr 1922 (gemeinfrei)
Aber es entstand eine breite Masse an Funktionären in der KPdSU, die sehr profitierte. Ganz besonders stach Josef Stalin hervor, der 1922 zum Generalsekretär der Partei wurde und dann nach und nach die entscheidenden Gremien unter seine Kontrolle brachte.
Im Oktober 1923 ließ sich Leo Trotzki zu einer offenen Attacke auf Stalin und das Zentralkomitee hinreißen. Damit handelte er sich heftigen Widerstand quer durch die Partei ein.
Nach dem Tod von Lenin am 21. Januar 1924 begann der direkte Machtkampf. Dabei standen jedoch nicht nur die zwei Kontrahenten, sondern auch unterschiedliche Konzepte gegeneinander.
„Genosse Stalin hat dadurch, dass er Generalsekretär geworden ist, eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, dass er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen. Andererseits zeichnet sich Genosse Trotzki, wie sein Kampf gegen das ZK in der Frage des Volkskommissariats für Verkehrswesen schon bewiesen hat, nicht nur durch hervorragende Fähigkeiten aus. Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewusstsein und eine übermäßige Leidenschaft für rein administrative Maßnahmen hat.“ (Lenin)
Trotzkismus vs. Stalinismus
In der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Leo Trotzki und Stalin sowie deren Anhängern prägte sich ein Begriffspaar:
Der Trotzkismus sah die Permanente Revolution in einem internationalen Maßstab als Vorrausetzung für den dauerhaften Erfolg der kommunistischen Machtergreifung.
Der Stalinismus hingegen war Totalitarismus innerhalb nationaler Grenzen, der vor allem auch von Terror gegen die eigene Bevölkerung geprägt war.
Wesentliche Unterschiede ergaben sich bei wirtschaftlichen Fragen und hinsichtlich der Organisation der Partei. Da sich der Stalinismus vorerst durchsetzte, wurden Abweichler generell als „Trotzkisten“ bezeichnet.
Ausschluss aus der KPdSU
Die Niederlage im Machtkampf gegen Stalin führte 1925 zur Absetzung von Leo Trotzki als Volkskommissar. Er hatte anschließend nur noch nachrangige Posten im Staatsdienst.
1926 wurde Leo Trotzki auch aus dem Politbüro der Partei verdrängt. Im folgenden Jahr kam es zum Ausschluss aus der KPdSU.
Auf dem XV. Parteitag der Kommunisten hatte die Opposition gegen Stalin schließlich gar keine Stimme mehr. Leo Trotzki und weitere Gegner des neuen starken Mannes wurden zunächst nach Kasachstan verbannt und 1928 in die Türkei ausgewiesen.
Leo Trotzki erhielt politisches Asyl von der damaligen Regierung unter Mustafa Atatürk. Er war jedoch mittellos und musste sich seinen weiteren Lebensunterhalt mit Veröffentlichungen verdienen.
Ein besonderer Erfolg war seine Autobiografie. Außerdem beschäftigte er sich beispielsweise mit dem Faschismus und dem Nationalsozialismus. Nebenbei schrieb Leo Trotzki im Exil aber auch weiterhin Pamphlete gegen Stalin.
Ermordung in Mexiko
1932 wurde Leo Trotzki die sowjetische Staatsbürgerschaft aberkannt und die aktive Verfolgung durch Agenten begann. Zeitweise hatte er politisches Asyl in Frankreich und später in Norwegen.
Die norwegische Regierung wurde von der Sowjetunion wegen Leo Trotzki jedoch massiv unter Druck gesetzt. Heimlich musste er deshalb auf einem Frachtschiff nach Mexiko ausreisen.
Dort war Trotzki trotz gegenteiliger Bedingungen für sein politisches Asyl weiterhin als prominenter Aktivist tätig. Beispielsweise gründete er die Vierte Internationale, um dem Einfluss von Stalin auf dieser Bühne zu begegnen.
Am 24. Mai 1940 gab es einen ersten Anschlag von sowjetischen Attentätern auf Leo Trotzki. Sie waren als mexikanische Polizisten getarnt und attackierten seine Haus.
Ramón Mercader ermordete Leo Trotzki 1940 in Mexiko (A.Savin / CC-BY-SA 3.0)
Die Aktion war jedoch ein Debakel, so dass sogar der Verdacht auf eine Inszenierung aufkam. Leo Trotzki nahm den Anschlag jedoch sehr ernst.
Sein Haus wurde zu einer kleinen Festung ausgebaut. Darüber hinaus bekam Leo Trotzki von Sympathisanten nun Personenschutz.
Drei Monate später erfolgte dann ein von langer Hand geplantes Attentat. Der Agent Ramón Mercader hielt sich bereits seit Oktober des vorherigen Jahres in der Gegend auf und hatte sich mit der Sekretärin von Leo Trotzki verlobt. So konnte er schließlich ungehindert das gesicherte Anwesen betreten.
Mit einem Eispickel verletzte er Leo Trotzki am 20. August 1940 so schwer am Kopf, dass dieser am folgenden Tag verstarb. Den Trauerzug begleiteten mehr als 300.000 Menschen.
Ramón Mercader erhielt für den Mord an Leo Trotzki den Leninorden. 1953 konnte seine Identität anhand von Fingerabdrücken zugeordnet werden. Der Eispickel tauchte 2005 wieder auf und wurde im Kriminologischen Museum von Mexiko-Stadt ausgestellt.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Nikita Sergejewitsch Chruschtschow wurde am 15. April 1894 in der Nähe von Kursk geboren. Er wuchs als Sohn einer Bauernfamilie in der Ukraine auf.
Nikita Chruschtschow während seines Besuches in Deutschland im Jahr 1963 (Bundesarchiv, Bild 183-B0624-0041-005 / CC-BY-SA 3.0)
„Wenn man seinem Geschäftspartner die Haut vom Leibe abzieht, so sollte man immer etwas Haut übrig lassen, damit sie wieder nachwächst und nochmals abgezogen werden kann.“
Als gelernter Schlosser trat Chruschtschow schon in jungen Jahren einer Gewerkschaft bei und engagierte sich für die Kommunistische Partei. Er fand einen Förderer in Lasar Kaganowitsch, einem engen Vertrauten von Josef Stalin.
Später profitierte die Karriere von Nikita Chruschtschow sehr von den Stalinschen Säuberungen. Im Zweiten Weltkrieg war er General und als Politkommissar bei den Schlachten von Stalingrad und Kursk dabei.
Nach dem Tod von Stalin im Jahr 1953 konnte er sich an die Spitze der Sowjetunion intrigieren. Als neuer starker Mann leitete Nikita Chruschtschow dann mit der „Entstalinisierung“ einen kleinen Epochenwechsel ein.
Er änderte auch die konfrontative Außenpolitik der Sowjetunion gegenüber dem Westen hin zur „Friedlichen Koexistenz“. Des Weiteren leitete Nikita Chruschtschow zahlreiche gesellschafts- und wirtschaftspolitische Reformen ein.
Er war jedoch persönlich einfach zu ungeduldig für einen tiefgreifenden Strukturwandel. Vielmehr provozierte Nikita Chruschtschow sogar eher einen großen Reformverdruss und verlor so den politischen Rückhalt. Am 14. Oktober 1964 trat Leonid Breschnew seine Nachfolge an.
Karriere bei den Kommunisten
Einstieg als Parteisoldat
Nach einer Lehre zum Schlösser arbeitete Nikita Chruschtschow in einem Bergwerk und trat dort der Gewerkschaft bei. So lernte er mit Lasar Kaganowitsch einen engen Vertrauten von Josef Stalin kennen, der seine politische Karriere entscheidend förderte.
In Folge der kommunistischen Machtergreifung unter Lenin trat Nikita Chruschtschow im Jahr 1918 in die neugegründete Rote Armee ein. Während des einsetzenden Russischen Bürgerkrieges kämpfte er als Freiwilliger.
1922 absolvierte Chruschtschow eine höhere Ausbildung an einer Arbeiterfakultät und engagierte sich weiterhin für die Kommunisten. Drei Jahre später wurde er zum Parteisekretär eines Bezirks bei Donezk ernannt.
Bekanntschaft mit Stalin
In den folgenden Jahren trat er als Anhänger von Stalin im internen Machtkampf gegen die Befürworter der Linie von Leo Trotzki auf. Für seinen Einsatz erhielt Nikita Chruschtschow schnell Beförderungen im Parteiapparat, zunächst in Charkow und dann in Kiew.
Nikita Chruschtschow und Josef Stalin in den 1930er Jahren (gemeinfrei)
1929 hatte Nikita Chruschtschow die Chance, seine Ausbildung an der Industrieakademie in Moskau auszubauen. In dieser Zeit lernte er mit Nadeschda Allilujewa die damalige Ehefrau von Stalin kennen. Sie war sehr positiv von ihm angetan und lud den Aufsteiger zu gemeinsamen Abendessen mit dem Diktator.
„Wenn Stalin sagt: tanze, dann tanzt ein kluger Mann.“
Das Wohlwollen von Josef Stalin brachte Chruschtschow 1931 die Rolle als Parteichef in einem sehr wichtigen Industriebezirk in Moskau ein. Die beiden folgenden Jahre brachten ihm jeweils weitere Beförderungen in der KPdSU ein.
Dank persönlicher Kontakte zum Diktator erhielt Nikita Chruschtschow schließlich Parteiämter in Moskau und wurde 1934 in das Zentralkomitee gewählt. Im darauffolgenden Jahr war er unter anderem für den Bau der berühmten Moskauer Metro verantwortlich.
Aufstieg ins Politbüro
1939 wurde mit Pawel Postyschew ein Mitglied des Politbüros wegen provokativem Verhalten erschossen. Nikita Chruschtschow füllte die Lücke und unterstützte die Stalinschen Säuberungen.
In diesem Zuge wurde dann auch Stanislaw Kossior erschossen, so dass Nikita Chruschtschow ihn als Parteichef in der Ukraine beerben konnte.
General im Zweiten Weltkrieg
Nach dem Einmarsch der Sowjetunion in Polen im September 1939 regulierte Nikita Chruschtschow die Eingliederung der gewonnenen Gebiete. Er setzte damit die Vereinbarung aus dem Pakt zwischen Stalin und Adolf Hitler um.
Josef Stalin im Jahr 1942 (gemeinfrei)
Als das Dritte Reich im Juni 1941 die Sowjetunion angriff, begann der „Große Vaterländische Krieg“. Chruschtschow diente zunächst als General in den Stäben der Marschälle Budjonny und Timoschenko.
Er war dabei eine Art Verbindungsoffizier zwischen dem Politbüro und verschiedenen Frontabschnitten. In dieser Rolle musste Nikita Chruschtschow die schweren Niederlagen zu Beginn des Angriffs der Deutschen auf die Sowjetunion an Josef Stalin kommunizieren.
Offenkundig wurde Nikita Chruschtschow als Überbringer von schlechten Nachrichten an Stalin nicht erschossen. Vielmehr scheint er sogar ein gewisses Standing bei dem Diktator entwickelt zu haben, denn in den entscheidenden Schlachten bei Stalingrad und Kursk war er als Politkommissar beteiligt.
Unmittelbar nach dem Krieg wurde ihm dann der Wiederaufbau der Ukraine übertragen. Die Eskalation der dortigen Hungersnot im Jahr 1946 wirkte sich jedoch zunächst negativ auf seine politische Stellung aus.
Diktator der Sowjetunion
Am 16. Dezember 1949 wurde Nikita Chruschtschow wieder in das Zentralkomitee gewählt. Er war der Sekretär für Landwirtschaft und trieb den Ausbau von Kolchosen voran. Das waren Großbetriebe, die durch ein sozialistisches Kollektiv bewirtschaftet wurden.
Darüber hinaus war Nikita Chruschtschow Erster Sekretär der Kommunistischen Partei im Raum Moskau. Auf dem XIX. Parteitag der KPdSU hielt er eine bedeutende Rede über Änderungen der Statuten.
Machtkampf nach Stalins Tod
Josef Stalin verstarb am 05. März 1953. Binnen 24 Stunden reagierte die Partei mit institutionellen Anpassungen von zentralen Gremien:
Beispielsweise wurde das neuerdings als Präsidium bezeichnete Politbüro von 25 auf 10 Personen verkleinert. So reduzierte man die Zahl der möglichen Nachfolger umgehend von elf auf vier Funktionäre.
Lawrenti Beria im Jahr 1941 (gemeinfrei)
Nikita Chruschtschow wurde durch diese erste Reaktion zunächst aussortiert. Vorerst wurde Georgi Malenkow für kurze Zeit der neue Erste Sekretär der Partei. Stellvertreter und starker Mann war jedoch der langjährige Innenminister und Chef der Geheimdienste Lawrenti Beria.
Doch Chruschtschow überstand diese erste Welle im ebenfalls verkleinerten Sekretariat der Zentralkomitees. Von dort aus integrierte er gegen Lawrenti Beria.
Am 26. Juni 1953 wurde der gefürchtete Chef des Geheimdienstes ausgeschaltet. Man warf ihm eine antisowjetische Verschwörung vor. Er wurde verhaftet und später auch erschossen.
Am 07. September 1953 gelang Chruschtschow schließlich die Wahl zum Ersten Sekretär des Zentralkomitees. Es folgte eine Phase der „kollektiven Führung“ mit Georgi Malenkow als Ministerpräsident, den er jedoch 1955 politisch endgültig ausstechen konnte.
Moskaureise von Adenauer
Nikita Chruschtschow lud Konrad Adenauer für die Tage vom 08. bis zum 14. September 1955 nach Moskau ein. Hintergrund war ein Interesse an diplomatischen und vor allem auch wirtschaftlichen Beziehungen.
Konrad Adenauer im Jahr 1952 (Bundesarchiv, B 145 Bild-F005630-0005 / CC-BY-SA 3.0)
Der deutsche Bundeskanzler hatte damals hingegen noch die Hoffnung auf eine zeitnahe Wiedervereinigung. Entscheidend hierfür war jedoch ein Placet aus Moskau. Insofern waren beide Seiten über den eisernen Vorhang hinweg an einer Kooperation interessiert.
Die sowjetische Diplomaten erteilten einer möglichen Wiedervereinigung jedoch bereits in den Vorverhandlungen eine Absage. Adenauer war jedoch nicht bereit, die von sowjetischer Seite aus gewünschten Beziehungen ohne einen Preis einzugehen.
Adenauer, der sich ja bekanntermaßen mit Methamphetamin wach und bei Laune hielt, nahm vor den abendlichen Gesprächen dann noch Esslöffel an Olivenöl zu sich, um den Wodka besser zu vertragen. So zeigte er dann eine unerwartete Trinkfestigkeit, die wohl nachhaltigen Eindruck bei den Sowjets hinterließ.
Im Ergebnis einigten sich die beiden Seiten dann auf die Freilassung der letzten deutschen Kriegsgefangenen. Diese „Rückkehr der letzten 10.000“ prägte nachhaltig das positive Image des ersten Kanzlers der Republik.
Rede zur Entstalinisierung
Am 25. Februar 1956 hielt Nikita Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU eine geheime Rede: „Über den Personenkult und seine Folgen“:
„Verbrecherische Handlungen wurden von Stalin begangen, Handlungen, die in jedem Staat der Welt, außer in faschistischen Staaten wie denen Hitlers und Mussolinis, strafbar gewesen wären.“
Damit begann eine Phase des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels. In dieser sogenannten „Tauwetter-Periode“ wurden zahlreiche Straflager geöffnet sowie Unschuldigen entlassen.
Die Lockerung des Totalitarismus trug allerdings zum Sturz von alten stalinistischen Kadern in Polen und Ungarn bei. Dies begünstigte den Ungarischen Volksaufstand vom Oktober 1956, der als Konterrevolution von der Roten Armee blutig niedergeschlagen wurde.
Die Dynamik der Entstalinisierung führte bei konservativen Altkadern zu einer Angst vor Kontrollverlust. Im Jahr 1957 wollte deshalb eine Mehrheit im Präsidium den Sturz von Nikita Chruschtschow.
Der ließ jedoch von Marschall Georgi Schukow das Zentralkomitee einberufen. In diesem Parteigremium konnte Chruschtschow seine Stellung behaupten. Die Rebellen wurden hingegen in der Hierarchie herabgestuft.
Partei- und Regierungschef
Am 27. März 1958 wurde Nikita Chruschtschow zum Vorsitzenden des Ministerrates gewählt. Damit vereinte er in Personalunion das höchste Amt in der Partei sowie auch formal die Rolle als Regierungschef.
Nikita Chruschtschow im Jahr 1963 (Bundesarchiv Bild 183-B0628-0015-035 / Heinz Junge / CC-BY-SA 3.0)
Nikita Chruschtschow erreichte den Zenit seiner Macht. Er zeigte sich als ein großer Reformer der Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik. Deshalb gilt er als ein Vorläufer von Michail Gorbatschow.
Allerdings fehlte Chruschtschow das ruhige Händchen für Reformen. Er hatte wenig Geduld, die Erfolge abzuwarten und führte immer wieder Änderungen an bereits getroffenen Maßnahmen durch.
Damit erzeugte Nikita Chruschtschow viele Irritationen und letztlich auch wachsende Widerstände gegen seine Reformen. Darüber hinaus schlugen vor allem seine ambitionierten Prognosen zur Steigerung der Ernte stets fehl. Insgesamt begann seine Macht deshalb schnell wieder zu bröckeln.
Sturz durch Leonid Breschnew
Schon ab etwa 1960 begann der schleichende Niedergang des Einflusses von Nikita Chruschtschow. Günstlinge verloren ihre Ämter in seiner Umgebung. Nach und nach machten sich andere Aufsteiger an der Spitze des Parteiapparates breit.
Leonid Breschnew im Jahr 1967 (Bundesarchiv Bild 183-F0417-0001-011 / Ulrich Kohls / CC-BY-SA 3.0)
Parallel verengte Chruschtschow die Auslese der führenden Parteimitglieder, was auch unter seinen Unterstützern zu großem Unmut führte. Mit der Parteireform von 1962 untergrub er dann endgültig seinen Rückhalt im Zentralkomitee.
Eine Gruppe um Leonid Breschnew führte schließlich am 14. Oktober 1964 seinen politischen Sturz herbei. Zentrale Argumente waren die unglücklichen Reformen der Partei und der Landwirtschaft.
Im Gegensatz zu vielen anderen aussortierten Parteispitzen wurde Nikita Chruschtschow jedoch weder verhaftet oder gar erschossen. Er verbrachte seinen Ruhestand in einer Datscha bei Moskau und starb am 11. September 1971 an Herzversagen.
Chruschtschow und der Kalte Krieg
Friedliche Koexistenz & Aufrüstung
Mit Nikita Chruschtschow begann eine neue Phase des Kalten Krieges. Er selbst prägte in seinen Reden ab dem Jahr 1955 den Begriff von der „Friedlichen Koexistenz“:
„Der Leninsche Grundsatz von der friedlichen Koexistenz zwischen Staaten mit verschiedenartiger sozialer Struktur war und bleibt Generallinie in der Außenpolitik unseres Landes.“
Die Sowjetunion verzichtete unter seiner Führung jedoch keinesfalls auf eine Weiterentwicklung der militärischen Macht. Auf dem XXII. Parteitag der KPdSU im Jahr 1961 schärfte Chruschtschow den Begriff von der Friedlichen Koexistenz als einen Verzicht auf Waffengewalt zur Lösung von internationalen Konflikten.
Die Sowjetunion strebte aber weiterhin das „Gleichgewicht des Schreckens“ im Bereich der Atomwaffen an. Es fielen große Fortschritte im Bereich der Rüstung in die Ära von Nikita Chruschtschow.
Sputnikschock & Folgen
Im Wettkampf der politischen Systeme galt die Sowjetunion als wirtschaftlich und technologisch rückständig. Doch am 04. Oktober 1957 konnte der „Sputnik“ als erster Satellit überhaupt von den Kommunisten ins All gestartet werden.
Briefmarke zur Erinnerung an den Sputnik 1 (gemeinfrei)
Der Sputnik-1 war denkbar einfach gebaut. Eigentlich wurde nur ein piepsender Radiosender in den Himmel geschossen, der dann allerdings für 92 Tage in der Umlaufbahn blieb.
Aber die westlichen Demokratien und allen voran die USA wurden dadurch gleich in zweifacher Hinsicht regelrecht traumatisiert. Das eitle Selbstverständnis von einer natürlichen Überlegenheit erhielt schmerzhafte Kratzer.
Darüber hinaus begann mit dem Start des ersten Satelliten auch die Ära der interkontinentalen Raketen. Der natürliche Schutz der USA durch die geographische Lage war damit aufgehoben.
Der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower setzte ein großes Forschungsprogramm auf. Neben den üppigen Fördergeldern wurden vor allem auch Stipendien vergeben, Lehrer ausgebildet und neue Schulen gebaut.
Der US-Präsident ging sogar soweit, die Lehrpläne für Schüler überarbeiten zu lassen. Beispielsweise wurde Haushaltsführung zu Gunsten von Mathematik, Physik und Chemie gestrichen. Aber auch Politik- und Geschichtswissenschaft wurden gefördert, um besseres Führungspersonal für die neuen Ressourcen zu generieren.
Abschuss von Francis Powers
1957 stellte Lockheed die U-2 „Dragon Lady“ in Dienst. Das war ein strategisches Aufklärungsflugzeug mit einer besonders hohen Reichweite und vor allem auch Flughöhe von mehr als 20.000 Metern.
Die U-2 konnte anfangs höher als Abwehrraketen oder Jäger fliegen und wurde deshalb intensiv für die Spionage eingesetzt. Die Sowjetunion rüstete jedoch erfolgreich nach.
Francis Gary Powers im Jahr 1960 (RIA Novosti archive, image #35172 / Chernov / CC-BY-SA 3.0)
Am 01. Mai 1960 wurde dann der CIA-Pilot Francis Gary Powers von einer neuen S-75 Boden-Luft-Rakete bei Jekaterinburg abgeschossen. Er konnte sein Leben zwar per Fallschirm retten und verzichtete auf die Einnahme eines mitgeführten Giftes.
„Ich war Pilot und flog ein Flugzeug, und zufälligerweise machte der Ort, an dem ich flog, das, was ich tat, zur Spionage.“
Aber Gary Powers wurde am Boden sofort festgehalten und anschließend wegen Spionage zu zehn Jahren Haft verurteilt. Nikita Chruschtschow versuchte aus dem Fall politisches Kapital zu schlagen.
Bei einer Vollversammlung der Vereinten Nationen hielt er eine aufgebrachte Rede. Dabei soll er sogar mit seinem Schuh wütend auf das Redner geklopft haben.
Diese Geschichte schadete seinem bereits angeschlagenen Standing in der Sowjetunion. Aber im Westen blieb der Auftritt als besonders originelle Szene in Erinnerung.
Am frühen Morgen des 10. Februar 1962 wurde Francis Powers an der Glienicker Brücke in Potsdam gegen Rudolf Abel ausgetauscht. Das war ein Agent des KGB, der das amerikanische Atomprogramm ausspioniert hatte.
Abschreckung & Kubakrise
Im Oktober 1962 lief der Kalte Krieg auf eine sehr heiße Phase zu. Auf Kuba regierte damals Fidel Castro, der ein enges Bündnis mit der Sowjetunion wollte.
Für Nikita Chruschtschow ergab sich damit die Möglichkeit, quasi vor der Haustür der Vereinigten Staaten von Amerika einige Atomraketen zu stationieren. Die ersten Vorbereitungen verliefen noch geheim.
Karte der Reichweite sowjetischer Mittelstreckenrakete von Kuba aus. (Defense Intelligence Agency / gemeinfrei)
Am 14. Oktober 1962 genehmigte der inzwischen amtierende John F. Kennedy weitere Flüge einer U-2 über Kuba. Auf den Luftaufnahmen entdeckte man den Bau von sowjetischen Abschussrampen.
Wenige Tage später wurden bereits stationierte Mittelstreckenrakten entdeckt. Es handelte sich um SS-4 und SS-5 mit einer Reichweite von etwa 4.500 Kilometern. Damit hätte man bis nach Kanada schießen können.
Am 21. Oktober befahl der US-Präsident daraufhin eine Seeblockade von Kuba, weil bereits ein sowjetischer Schiffskonvoi mit weiterem Material auf dem Weg war. Am folgenden Tag wurden die amerikanischen Streitkräfte weltweit in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt.
Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kam es zu einem heftigen Schlagabtausch der Diplomanten. Über das Fernsehen forderte Kennedy von Nikita Chruschtschow den Abzug der Atomwaffen. Er machte die Sache damit publik und drohte mit einem nuklearen Gegenschlag.
Chruschtschow ließ sich jedoch zunächst nicht auf die Forderung ein und ließ den Konvoi weiterhin auf die amerikanische Seeblockade zulaufen. Parallel zu dem Säbelrasseln in der karibischen See testeten beide Supermächte in diesen Tagen demonstrativ Atomwaffen. Die Sowjetunion zündete zwei Stück in der Atmosphäre.
Darüber hinaus waren vier atomar bestückte U-Boote der Sowjets in der Region. Die US Navy konnte drei davon aufspüren und mit Übungsmunition so beharken, dass diese freiwillig auftauchten.
Am 27. Oktober 1962 handelten schließlich der US-Justizminister Robert Kennedy und der sowjetische Botschafter Anatoli Dobrynin einen Deal aus. Die drei Eckpunkte waren:
Abzug amerikanischer Atomwaffen aus der Türkei (geheim)
Abzug sowjetischer Atomwaffen von Kuba
Keine amerikanische Invasion von Kuba
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Der später als „Lenin“ bekannt gewordene Anführer der Bolschewisten wurde als Wladimir Iljitsch Uljanow am 22. April 1870 in Simbirsk geboren. Die Stadt liegt an der Wolga etwa 800 Kilometer östlich von Moskau.
„Man beurteilt einen Menschen nicht danach, was er über sich spricht und denkt, sondern nach seinen Taten.“ (Lenin)
Er kam aus einer intellektuellen Familie, die mit dem älteren Bruder Alexander Uljanow einen weiteren Sozialrevolutionär hervor brachte.
Foto von Lenin aus dem Juli 1920 (gemeinfrei)
Lenin interessierte sich wie schon sein Bruder bereits in jungen Jahren für die Theorien von Karl Marx sowie deren Adaption auf die russischen Verhältnisse. Dieses gedankliche Gemenge wurde im nachhinein als Marxismus-Leninismus bezeichnet.
Lenin wurde in den 1890er Jahren politisch aktiv. Er baute sich mit einschlägigen Publikationen in revolutionären Kreisen ein Image auf.
Darin skizzierte er eine straff organisierte Partei aus Berufsrevolutionären und bildete damit einen fundamentalen Gegenpol zur liberalen Linken mit ihren basisdemokratischen Vorstellungen.
Im Zuge der Russischen Revolution von 1905 fand Lenin einen Weg auf die große Bühne. In dieser Zeit entstand auch der persönliche Kontakt zu Leo Trotzki, der für die Frühphase des russischen Kommunismus ebenfalls sehr prägend war.
1917 war Lenin dann der Anführer der stärksten Strömung innerhalb der extremen Linken. Nach der Abdankung des letzten Kaisers von Russland im Februar des Jahres existierte für einige Monate eine parlamentarische Regierung, bis diese dann von der Oktoberrevolution hinweggefegt wurde.
Zur Sicherung der Macht setzte Lenin anschließend auf den „Roten Terror“, um politische Gegner wortwörtlich auszuschalten. Russland entwickelte sich binnen kurzer Zeit von einem autokratischen zu einem totalitären Staat.
„Die Freiheit ist etwas Wertvolles. So wertvoll, dass man sie nur portionsweise vergeben darf.“ (Lenin)
Die Politik von Lenin wurde jedoch nicht widerstandslos hingenommen. Vielmehr brach schon Anfang des Jahres 1918 ein Bürgerkrieg mit letztlich etwa acht Millionen Toten aus. Die Konsolidierung der kommunistischen Macht forderte von den Russen einen höheren Blutzoll als der Erste Weltkrieg.
Nach dem Ende des Bürgerkrieges kam es am 30. Dezember 1922 dann zur offiziellen Gründung der Sowjetunion. Jenseits der politischen Systemtransformation griff Lenin aber auch fundamental in die Wirtschaft ein.
Das Ziel der „Neuen Ökonomischen Politik“ war eine dezentral organisierte, aber dennoch verstaatlichte Landwirtschaft und Industrie. Parallel vernichteten die Kommunisten den Wert des Geldes sehr gezielt mit einer Hyperinflation: Sie druckten einfach ohne Ende neue Scheine.
Doch entgegen der Wünsche von Lenin entwickelte sich die kommunistische Partei während seiner Zeit zu einem bürokratischen Monster. Deshalb konnte sich letztlich gegen seinen Wunsch der oberste Apparatschik Josef Stalin als Nachfolger durchsetzen. Er führte Russland in eine noch dunklere Episode.
Lenins Hintergrund & Anfänge
Lenin stammte aus einer wohlsituierten Familie. Die Mutter kam aus Deutschland. Der Vater war Mathematik- und Physiklehrer, der als Inspekteur für Schulen arbeitete und dafür in den niederen Adelsstand erhoben wurde.
Narodniki & Narodnaja Wolja
Mit Alexander Uljanow hatte Lenin einen älteren Bruder, der in Sankt Petersburg studierte. Dort schloss er sich der Narodnaja Wolja an. Das war der terroristische Flügel der Narodniki, zu denen beispielsweise auch der Anarchist Michail Bakunin zählte.
Bei diesen „Volksfreunden“ handelte es sich um eine sozialrevolutionäre Organisation. Sie wollten das politische sowie wirtschaftliche System ändern und dabei vor allem den Grundbesitz umverteilen.
Weitere Ziele waren freie Wahlen, Meinungs- und Pressefreiheit sowie eine Verfassung. Damit standen sie im fundamentalen Widerspruch zur autokratischen Herrschaft der regierenden Romanows.
Attentate auf die Romanows
Die Spannungen in Russland waren schon lange sehr aufgeladen. Bereits 1879 wollten Nihilisten den Zug von Kaiser Alexander II. in die Luft jagen. Doch der Narodnaja Wolja gelang am 13. März 1881 der große Coup.
Kaiser Alexander II. von Russland im Jahr 1881 (gemeinfrei)
Sie ermordeten Alexander II. mit dem ersten dann auch erfolgreichen Sprengstoffanschlag der Geschichte. Die Attentäter spähten zunächst eine Route des Kaisers aus. Bei der nächsten Gelegenheit warfen sie dann eine Granate in dessen offenen Schlitten.
Die Explosion der ersten Granate überstand der Kaiser unverletzt und verließ das Gefährt. Dann landete jedoch eine zweite Granate direkt vor seinen Füßen. Alexander II. erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er noch am selben Tag verstarb.
Die Geschichte entbehrt nicht einer gewissen Tragik, weil Alexander II. für einen Romanow sehr liberal und reformorientiert war. Er hob beispielsweise die Leibeigenschaft tatsächlich auf, was seit Katharina der Großen stets nur ein Lippenbekenntnis gewesen war.
Allerdings lag auch über dieser Bauernbefreiung von 1861 ein Schatten. Leibeigene mussten sich nämlich zunächst von den Landherren freikaufen, so dass sie dann zwar frei, aber häufig hoch verschuldet waren.
Nach dem Tod von Alexander II. übernahm mit Kaiser Alexander III. erneut ein reaktionärer Despot den Thron. Diesen wollte nun der ältere Bruder von Lenin ermorden.
Doch Alexander Uljanow erwischte man beim Ausspähen des Ziels. Er wurde auf die Festung Schlüsselburg bei Sankt Petersburg gebracht und dort im Jahr 1887 gehängt.
Interpretation des Marxismus
Lenin war schon früh ein sehr großer Anhänger von Karl Marx. Die Leidenschaft hatte er vielleicht von seinem Bruder Alexander Uljanow übernommen. Der hatte kurz vor seiner Verhaftung noch die „Kritik der Hegelschen Rechts-Philosophie“ übersetzt.
„Die Lehre von Karl Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist. Sie ist in sich geschlossen und harmonisch, sie gibt den Menschen eine einheitliche Weltanschauung, die sich mit keinerlei Aberglauben, keinerlei Reaktion, keinerlei Verteidigung bürgerlicher Knechtung vereinbaren lässt.“ (Lenin)
Lenin kam zur Überzeugung, dass die prophezeite Revolution des Proletariats auch in Russland unmittelbar bevorstand. Deswegen begrüßte er beispielsweise die Hungersnot von 1891 als einen Katalysator hin zum Sozialismus.
Verhaftung, Verbannung, Exil
1893 begab sich Lenin auf Auslandsreise und verbrachte erstmals einige Zeit in Deutschland. Zwei Jahre später kehrte er nach Russland zurück und wurde nach wenigen Monaten wegen seiner Arbeit für eine illegale Zeitung verhaftet.
Nach 14 Monaten in Haft folgte Februar 1897 die Verbannung nach Sibirien. Dort lebte Lenin für drei Jahre unter polizeilicher Aufsicht und heiratete Nadeschda Krupskaja.
Foto von Lenin aus dem Jahr 1900 (gemeinfrei)
Im Anschluss an seine Verbannung wollte Lenin erneut eine Zeitung herausgeben. Wegen der Zensur in Russland verließ er das Land jedoch im Sommer 1900 und zog zunächst nach Genf.
Es folgte ein weiterer Umzug nach Schwabing, wo er illegal unter dem Decknamen „Mayer“ lebte. Dort publizierte Lenin verdeckt eine Zeitung mit dem Namen „Morgenröte“.
1902 veröffentlichte er dann erstmals unter dem heute so bekannten Namen „Lenin“. Inhaltlich sorgte das in linksextremen Kreisen für großes Aufsehen, weil er eine disziplinierte Arbeiterpartei aus Berufsrevolutionären skizzierte. In jenem Herbst lebte auch Leo Trotzki eine Weile bei ihm.
Mit seinem zentralistischen Ansatz knüpfte Lenin an die Narodniki an. Zugleich war es ein fundamentaler Gegenentwurf zu den basisdemokratischen Vorstellungen der Linksliberalen.
„Ohne Klassenbewusstsein und ohne Organisiertheit der Massen, ohne ihre Schulung und Erziehung durch den offenen Klassenkampf gegen die gesamte Bourgeoisie kann von der sozialistischen Revolution keine Rede sein.“ (Lenin)
1903 konnte Lenin mit seinem Vorstoß die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) auf deren zweiten Parteitag in London faktisch spalten. In Folge einer Abstimmung bezeichnete sich seine Fraktion fortan als „Mehrheit“.
Bis heute kennt man sie unter dem russischen Begriff als „Bolschewiki“. In den nächsten Jahren stand für Lenin dann vor allem die Bekämpfung seiner partei-internen Gegner im Vordergrund. Nur aus taktischen Gründen ging er punktuell Allianzen mit der Minderheit, den „Menschewiki“ ein. Dies führte auch zum vorläufigen Bruch mit Trotzki.
Russische Revolution (1905)
Im Februar 1904 begann der russisch-japanische Krieg. Nach einer Reihe von katastrophalen Niederlagen musste man dem von Theodore Roosevelt vermittelten Frieden von Portsmouth zustimmen. Der amtierende Kaiser Nikolaus II. büßte dabei erheblich an Legitimation für seine autokratische Herrschaft ein.
Foto von Demonstranten am Petersburger Blutsonntag 1905 (gemeinfrei)
In Russland kam es im Herbst 1905 dann zu einem Generalstreik. Die Arbeiter forderten den Achtstundentag und einen besseren Schutz vor Kündigungen.
Kaiser Nikolaus II. war jedoch anfangs nicht zu Kompromissen bereit. Im Januar des folgenden Jahres kam es deshalb in Sankt Petersburg vor seinem Winterpalais zu schweren Ausschreitungen.
An diesem Petersburger Blutsonntag schossen Soldaten in die Menge. Die Angaben zu den Toten variieren, gehen jedoch von mindestens 130 Personen aus.
In Reaktion auf den blutigen Zwischenfall kam es zu weiteren Protesten von Arbeitern, aber auch von bürgerlicher Seite. Parallel wurden beinahe täglich Großgrundbesitzer angegriffen.
Im Juli meuterten die Matrosen auf dem Panzerkreuzer Potemkin. Dieses Ereignis verarbeitete der Regisseur Sergei Eisenstein später zu einem berühmten Propagandafilm.
Leo Trotzki im Jahr 1906 (gemeinfrei)
Am 26. Oktober 1905 trat dann der erste Arbeiter- und Soldatenrat zusammen, der maßgeblich von Leo Trotzki geprägt wurde. Lenin hielt daraufhin die große Stunde für den Sturz des Kaisers gekommen. Er kehrte aus dem Exil zurück und rief zu weiterem Widerstand auf.
In Reaktion auf die dynamische Situation verabschiedete Kaiser Nikolaus II. bereits wenig später das Oktobermanifest. Darin stellte er bürgerliche Rechte sowie ein bikameralen Parlamentarismus in Aussicht.
Die Duma und der Staatsrat wurden gegründet. Nikolaus II. behielt sich jedoch ein Veto für politische Entscheidungen vor und löste das Parlament mehrfach auf, so dass die realpolitischen Folgen überschaubar blieben.
Die Russische Revolution von 1905 baute deshalb die Spannungen zwischen Ober- und Unterschicht nicht ab. Vielmehr litt die Legitimation von Nikolaus II. ganz erheblich, so dass die Saat für einen neuen Aufstand gelegt war.
Unterstützung durch Deutschland
Lenin musste 1907 vor der Geheimpolizei aus Russland fliehen. Er begab sich zunächst nach Helsinki und reiste dann weiter nach Genf. Im Exil hielt er engen Kontakt zu Bolschewisten und arbeitete weiter an der Spaltung der extremen Linken.
Kaiser Nikolaus II. fotografiert im Jahr 1909. (gemeinfrei)
Am Vorabend des Ersten Weltkrieges hielt Lenin die aufkommenden Spannungen zwischen den Großmächten für sehr begrüßenswert. Er konnte sich die kommende Eskalation aber nicht vorstellen:
„Ein Krieg zwischen Österreich und Russland wäre für die Revolution sehr nützlich, aber es ist kaum anzunehmen, dass uns Franz Joseph und unser Freund Nikolaus dieses Vergnügen bereiten.“ (Lenin)
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurden die Bolschewisten sowohl in Russland wie auch in Österreich und Deutschland massiv verfolgt. Im späteren Verlauf des Konfliktes entwickelten sie sich jedoch zu einer kreativen Option.
Für Deutschland war Lenin eine interessante Person, um Russland als Kriegsgegner von innen heraus zu destabilisieren. Insgesamt flossen wohl zwischen 20 und 50 Millionen Reichsmark zur Unterstützung von Kommunisten.
Die größten Profiteure waren die Bolschewisten um Lenin. Historiker gehen jedoch nicht davon aus, dass man den Parteiführer als deutschen Agenten bezeichnen kann, weil eine Verhaltensänderung durch Zahlungen nicht erkennbar ist.
Vielmehr hatte man das gemeinsame Interesse, die Monarchie und später die Provisorische Regierung zu stürzen. Zu diesem Zweck ließ man Lenin in einer geheimen Aktion per Zug quer durch Deutschland und dann über Skandinavien bis nach Russland reisen.
Die Unterstützung wurde anschließend fortgeführt. Das Auswärtige Amt beantragte beim Schatzamt noch am 01. April 1917 eine Summe von fünf Millionen Reichsmark zur Verwendung durch Lenin.
Machtergreifung der Kommunisten
Februarrevolution
Der Winter 1916/17 brachte eine Hungersnot über Russland. In Sankt Petersburg kam es zu großen Demonstrationen, die teilweise von Plünderungen begleitet waren.
Die Situation eskalierte in der sogenannten Februarrevolution. Der Name ergab sich aus dem damals in Russland noch geltenden julianischen Kalender.
Nach westlicher beziehungsweise gregorianischer Zeitrechnung begannen die Ereignisse mit einem Generalstreik am 06. März 1917. Schnell wurden erste Arbeiter- und Soldatenräte gewählt, die „Sowjets“.
Letztes Foto von Kaiser Nikolaus II. von Russland aus dem Jahr 1917 (gemeinfrei)
Doch der russische Kaiser Nikolaus II. befahl drei Tage später, den Aufstand zu „liquidieren“. Das Militär und die Polizei waren jedoch kein einheitlicher Block. Während die kaiserliche Garde bereitwillig auf Demonstranten feuerte, verweigerten Einheiten des Petrograder Stadtkommandant den Befehl.
Punktuell kam es sogar zu Attacken von meuternden Soldaten auf systemtreue Polizisten. Parallel zu dem Chaos auf den Straßen emanzipierte sich das russische Parlament unter Führung des Ältestenrates.
Während Kaiser Nikolaus II. vergeblich die Auflösung der Duma verlangte, richtete man dort das Provisorische Komitee zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung ein. Am 12. März 1917 tagte dann erstmals ein Arbeiter- und Soldatenrat in Räumen des Parlamentes.
Nikolaus II. ließ über Sankt Petersburg den Belagerungszustand verhängen. Doch ab dem 14. März 1917 kam es auch in Moskau zu Aufständen. Am folgenden Tag wurde die Abdankung des Kaisers beschlossen.
Nikolaus II. unterzeichnete die Urkunde und überließ zunächst seinem Bruder Großfürst Michail den Thron. Dieser wurde jedoch nicht vorab informiert und konnte seine Stellung nicht behaupten.
Damit endete die etwa 1000-jährige Monarchie in Russland. Nikolaus II. und seine Familie wurden im Juli 1918 auf Befehl eines lokalen Sowjets erschossen. Das Zentralkomitee billigte die Entscheidung.
Doch zunächst entstand eine Doppelherrschaft in Russland: In Moskau amtierte fortan die Provisorische Regierung des Parlamentes. Doch in Sankt Petersburg hatte sich unter der Führung von Trotzki der „Petrograder Sowjet“ etabliert.
Juliaufstand
Der erste Ministerpräsident der provisorischen Regierung hieß Georgi Jewgenjewitsch Lwow. Er galt als ausgleichende Persönlichkeit und war damit ein Kandidat des Kompromisses zwischen führenden Strömungen im Parlament.
Kurz und prägnant formulierte Lenin mit seinen Aprilthesen dagegen sein oppositionelles Programm. Er forderte vor allem die Verstaatlichung der Landwirtschaft und Industrie sowie einen bedingungslosen Frieden mit Deutschland.
Alexander Kerenski führte die zweite Provisorische Regierung. (gemeinfrei)
Lwow scheiterte dann an den Verhandlungen über eine Agrarreform. Der Parlamentarier verlor das Duell um die Sympathien der Bevölkerung gegen den Petrograder Sowjet.
Hinzu kam, dass die Provisorische Regierung für eine Fortsetzung des Ersten Weltkrieges stand. Der Kriegsminister Alexander Kerenski setzte sich sogar für eine nach ihm benannte Offensive ab dem 01. Juli 1917 ein.
Die Folge war ein Generalstreik, Meutereien sowie ein Aufbegehren der Roten Garden. Das war die Miliz der Bolschewisten, die alleine in Sankt Petersburg etwa 20.000 Mann umfasste.
Die großen Demonstrationen waren punktuell von Schießereien begleitet. Innerhalb von wenigen Tagen gab es mehr als 500 Tote. Die Bolschewisten konnten sich im Juli jedoch nicht durchsetzen und verloren dadurch vorläufig sogar an politischem Einfluss.
Die fatale Doppelherrschaft ging damit zu Ende. Eine neue Regierung, nun unter der Führung von Alexander Kerenski, bestimmte für die kommenden Wochen mit Hilfe von Notverordnungen über das politische Geschehen: Eine Wahl und eine verfassungsgebende Versammlung wurden angesetzt.
Septemberputsch
Doch Alexander Kerenski stand nicht nur von links, sondern auch von rechts unter massiven Druck. Im September 1917 kam es dann zu einem Putsch durch den Oberbefehlshaber der Armee General Lawr Kornilow.
General Lawr Georgijewitsch Kornilow im Jahr 1916. (gemeinfrei)
Das war sehr peinlich für Kerenski, weil er Kornilow erst wenige Wochen vorher selbst in diese Position befördert hatte. Der General stolperte jedoch über die Details seines ambitionierten Planes:
Eisenbahner und Telegraphisten verweigerten sich seinen Befehlen. Der Putsch endete in einem Debakel. Kornilow und sein Stab wurden am 14. September 1917 verhaftet.
Für Kornilow war die Geschichte zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vorbei. Er sollte später noch im Russischen Bürgerkrieg kämpfen und präsentierte sich dabei als vehementer Verfechter des Terrors.
Der gescheiterte Putsch beschädigte aber nicht nur das Ansehen von Alexander Kerenski. Es wurde auch deutlich, wie groß der Rückhalt der Bolschewisten in der breiten Bevölkerung war.
Die Bewegung um Lenin erhielt so sehr unerwartet plötzlich frischen Rückenwind. Der rechte Putsch wurde damit zum Türöffner für die letztlich erfolgreiche Revolution von links.
Oktoberrevolution
Ein bezeichnendes Indiz für die Explosivität der Stimmung im Herbst 1917 lieferte der regierende Alexander Kerenski schließlich selbst. Schon Tage bevor die berühmte Oktoberrevolution stattfand, flüchtete er bereits aus Sankt Petersburg.
Die Mitglieder seines „Direktoriums“ wurden später von bolschewistischen Matrosen verhaftet. Die tatsächliche Oktoberrevolution verlief jedoch eigentlich recht unspektakulär. Es wurden Bahnhöfe, Telegrafenämter, die Behörden usw. besetzt.
Aber wohl nur eine relativ kleine Gruppe an Rotgardisten stürmte das einstmals kaiserliche Winterpalais, den Sitz der Regierung. Die Wachen ergaben sich sofort und die Sache war gelaufen. Erst im nachhinein wurde die Aktion vor allem mit Hilfe eines Propagandafilms zum großen Staatsstreich durch eine breite Masse hoch stilisiert.
Zunächst nahmen die Dinge auch erstmal ihren Lauf: Vor allem die noch unter Kerenski angesetzten Wahlen wurden am 25. November 1917 abgehalten. Die Bolschewisten erreichten dabei allerdings nur den zweiten Platz.
Erst jetzt kam der eigentliche revolutionäre Bruch. Die Bolschewisten bildeten trotzdem eine Regierung. Trotzki wurde beispielsweise Volkskommissar für äußere Angelegenheiten und nahm Friedensverhandlungen mit Deutschland auf.
Lenin ließ zu Beginn des Jahres 1918 das Parlament von Bewaffneten umstellen. Die verfassungsgebende Versammlung wurde mit Gewalt aufgelöst und die Bolschewisten setzten die politische Systemtransformation nach ihren Vorstellungen durch.
Doch damit machte sich Lenin auch innerhalb des linksextremen Lagers neue Feinde. Die Auflösung der verfassungsgebenden Versammlung sollte später noch ganz explizit zur Motivation für ein Attentat im Sommer 1918 werden.
Russischer Bürgerkrieg (1918 – 1922)
Die Jahre nach der Oktoberrevolution waren von einem Bürgerkrieg geprägt. In dem Konflikt starben mehr als acht Millionen Menschen, mehr als auf russischer Seite im Ersten Weltkrieg.
Roter Terror & Weißer Terror
Für Lenin und die Bolschewisten war brachiale Gewalt ein legitimes Mittel im politischen Kampf. Bald nach ihrer Machtergreifung begann deshalb eine Phase des Staatsterrors unter der Leitung von Feliks Dzierżyński.
Feliks Dzierżyński im Jahr 1918 (gemeinfrei)
Dafür wurde die Außerordentliche Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage eingerichtet, kurz die Tscheka. Das war eine paramilitärische Geheimpolizei. Der stellvertretenden Leiter Martyn Lazis erklärte den Auftrag:
„Wir führen nicht Krieg gegen einzelne. Wir vernichten die Bourgeoisie als Klasse.“
Niemand war vor den Tschekisten sicher. In nur drei Jahren erreichte die Organisation eine Stärke von etwa 280.000 Mann.
Sie richteten Konzentrationslager für politische Gegner ein und exekutierten Zehntausende. Ab 1922 firmierte der Verein dann unter der Bezeichnung GPU, Geheimpolizei der Sowjetunion. Die Strukturen und das Personal blieben im Wesentlichen gleich.
Während des Russischen Bürgerkrieges verübte jedoch auch die Weiße Armee zahllose Verbrechen. Bei ihrem Vormarsch vom Don in Richtung Moskau im Sommer 1919 ermordeten sie beispielsweise in Fastow etwa 1.500 Personen. Der kommandierende General Kornilow formulierte seine Motivation:
„Selbst wenn wir halb Russland niederbrennen und das Blut von drei Vierteln der Bevölkerung vergießen müssen, wir werden es tun, wenn es zu Russlands Rettung notwendig sein sollte.“
Rote Armee & Weiße Armee
Am 15. Dezember 1917 wurde ein Waffenstillstand zwischen Deutschland und Russland unterzeichnet. Verhandlungsführer waren Erich Ludendorff und Trotzki.
Das Ergebnis des folgenden Friedensvertrages von Brest-Litowsk war sehr nachteilhaft für Russland, weil die Ukraine und weitere Gebiete verloren gingen. Mit dem Ende der äußeren Bedrohung brachen jedoch vor allem erneut innere Konflikte auf.
Zu Beginn des Jahres 1918 wurde dann die Rote Garde zur „Roten Armee“ hochgerüstet. Zunächst waren es ausschließlich Freiwillige, die nach dem Ideal der Gleichheit auf Ränge oder Dienstabzeichen für Funktionsträger verzichteten.
Leo Trotzki führte als Kriegskommissar jedoch schnell eine System von Dienstgraden ein. Offiziere wurden fortan wieder ernannt und nicht mehr gewählt wie in den ersten Tagen.
Die Generalität der Roten Armee wurde letztlich aus erfahrenen Kommandeuren der alten kaiserlichen Armee zusammengesetzt. Auch das System der Politkommissare führte man sehr schnell ein, um die Loyalität der Verbände zu gewährleisten.
In einer Gegenbewegung fanden sich jedoch ebenso Freiwillige für den Kampf zusammen. Zentrales Anliegen dieser „Weißen Armee“ war die Wiedereinführung von Privateigentum.
Der Name spielte auf die weiße Farbe im Wappen der orthodoxen Kirche an und sollte einen Gegenpol zu den Roten sein. Anfangs war es ein sehr kleiner, aber schlagkräftiger Verband von etwa 2.000 Mann unter dem Befehl von General Kornilow.
Die Offiziere und Unteroffiziere hatten in der Regel bereits in der zaristischen Armee einige Kampferfahrung gesammelt. Die Weiße Armee presste jedoch Mannschaften mit Gewalt und zwang teils sogar Kriegsgefangene in den Dienst. Ihre steigende Masse wurde so mit einem Rückgang der Qualität erkauft.
Die Weiße Armee erlitt im Oktober 1919 eine schwere und letztlich vorentscheidende Niederlage. Bis zum Ende des Bürgerkrieges wechselte das Glück zwar noch mehrfach, aber sie hatten ihren Zenit überschritten.
Für viele Angehörige der Weißen Armee endete der Bürgerkrieg übel. Auf dem Krim kam es beispielsweise zu brutalen Hinrichtungen von Kriegsgefangenen durch Rotgardisten.
Attentat von Fanny Kaplan
Lenin und seine Politik waren im linken Lager keinesfalls unumstritten. Vor allem die Torpedierung der verfassungsgebenden Versammlung wurde ihm nachgetragen.
Fanny Kaplan schoss zweimal auf Lenin. (gemeinfrei)
Am 30. August 1918 versuchte die Anarchistin Fanny Kaplan ihr Glück mit zwei Schüssen. Sie traf Lenin in Schulter und Hals.
Fanny Kaplan wurde anschließend von der Tscheka verhört. Sie gab nur ein kurzes Statement ab und wurde dann im Alexandergarten des Moskauer Kreml erschossen.
„Ich heiße Fanny Kaplan. Heute habe ich auf Lenin geschossen. […] Ich halte ihn für einen Verräter der Revolution.“
Lenin überlebte das Attentat zwar. Er laborierte jedoch für den Rest seines Lebens an den Folgen der beiden Treffer. Das Projektil im Hals wurde erst 1922 entfernt.
Später kamen noch Erkrankungen sowie mehrere Schlaganfälle hinzu. Bis zum Ende seines Lebens war Lenin gesundheitlich schwer angeschlagen.
Kronstädter Matrosenaufstand
Gegen Ende des Bürgerkrieges führte die Übermacht der Bolschewisten, aber vor allem auch der Rote Terror zu weiteren Konflikten. Ab Februar 1921 meuterten etwa 25.000 Matrosen der baltischen Flotte in Kronstadt. Sie forderten einen Sowjet ohne die Bolschewisten.
Die Matrosen besetzten Festungen, die eigentlich zur Verteidigung von Sankt Petersburg vorgesehen waren. Das war nicht nur ein militärisches Problem, sondern auch politisch sehr gefährlich für Lenin, weil der Aufstand von der eigenen Basis kam.
Es wurde dann auch noch eine sehr zähe Angelegenheit. Die Matrosen waren gut verschanzt. Dank der Schlachtschiffe und der Küstenartillerie verfügten sie noch dazu über jede Menge Feuerkraft, um ihre Stellungen zu verteidigen. Die Niederschlagung des Aufstandes forderte viele tausend Tote auf beiden Seiten.
Politische und ökonomische Transformation
Neue Ökonomische Politik
Die russische Wirtschaft hatte wegen des Ersten Weltkrieges ohnehin schwer gelitten. Der Bürgerkrieg führte zu weiteren Problemen vor allem bei der Versorgung mit Lebensmitteln.
Gegen große Widerstände im eigenen Lager setzten Lenin und Trotzki im Jahr 1921 ihr wirtschaftliches Konzept durch. Diese „Neue Ökonomische Politik“ zielte auf eine Dezentralisierung und Liberalisierung der Landwirtschaft und Industrie.
„Nur der Aufbau einer vergesellschafteten, planmäßigen Großwirtschaft, bei Übertragung des Eigentums am gesamten Grund und Boden, an den Fabriken und Werkzeugen an die Arbeiterklasse, ist imstande, jeder Ausbeutung ein Ende zu setzen.“ (Lenin)
Die Enteignungen setzte der Oberste Rat für Volkswirtschaft um. Vermögen wurden ebenfalls eingezogen. Davon waren jedoch auch Kleinbauern betroffen.
Vielen weigerten sich, ihren Boden für den Staat zu bewirtschaften und rotteten sich zusammen. Lenin sandte daraufhin bewaffnete Einheiten.
Es kam zu blutigen Zusammenstößen, die zahlreiche Menschenleben forderten. Die Erträge der Landwirtschaft sanken und die Versorgungslage verschlechterte sich weiter.
Laut ihrem Wahlprogramm wollten die Bolschewiki auch Geld abschaffen. Dies war per Dekret nicht möglich, weshalb gezielt eine Hyperinflation herbeigeführt wurde, um den Wert der Währung zu zerstören. Man druckte einfach immer mehr Scheine.
Machtkampf um die Nachfolge
Als sich die Gesundheit von Lenin weiter verschlechterte, begann das Ringen um die Nachfolge. Dabei hatten zwei Kandidaten eine besondere Aussicht.
Auf der einen Seite stand Leo Trotzki, der sich als Mittler zwischen den Strömungen positionierte. Er gehörte zu den Kritikern des überbordenden Totalitarismus der Bolschewisten und war Teil der altehrwürdigen Parteiprominenz.
Auf der andere Seite stand Josef Stalin. Er war Vertreter einer neuen Garde an Funktionären, die in der kommunistischen Partei aufgestiegen waren.
Lenin selbst zog Leo Trotzki vor, den er im Rahmen eines politischen Testamentes zu seinem Erben machen wollte:
Josef Stalin im Jahr 1942 (gemeinfrei)
„Genosse Stalin hat dadurch, dass er Generalsekretär geworden ist, eine unermessliche Macht in seinen Händen konzentriert, und ich bin nicht überzeugt, dass er es immer verstehen wird, von dieser Macht vorsichtig genug Gebrauch zu machen. Andererseits zeichnet sich Genosse Trotzki, wie sein Kampf gegen das ZK in der Frage des Volkskommissariats für Verkehrswesen schon bewiesen hat, nicht nur durch hervorragende Fähigkeiten aus. Persönlich ist er wohl der fähigste Mann im gegenwärtigen ZK, aber auch ein Mensch, der ein Übermaß von Selbstbewusstsein und eine übermäßige Leidenschaft für rein administrative Maßnahmen hat.“
Doch während Trotzki die Sympathien von Bolschewisten der ersten Stunde hatte, war Stalin der Anführer der Apparatschiks. Nach dem Tod von Lenin am 21. Januar 1924 könnte er sich dank seines Rückhalts unter den Bürokraten durchsetzen und wurde der zweite Diktator der Sowjetunion.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Helmut Josef Michael Kohl wurde am 03. April 1930 in Ludwigshafen am Rhein geboren. Als Politiker der CDU machte er eine steile Karriere und regierte von 1982 bis 1998 als sechster deutscher Bundeskanzler.
Für seine Zeitgenossen war Helmut Kohl ein starker Anführer, die treibende Kraft hinter der deutschen Wiedervereinigung und Motor der europäischen Integration. In den Jahrzehnten nach dem Ende seiner Amtszeit als Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland ist das Bild jedoch sehr viel negativer geworden.
Besonders fatal war, dass Helmut Kohl der Bevölkerung „blühende Landschaften“ in Ost-Deutschland durch die Wiedervereinigung versprach. In der Realität gestaltete sich jedoch insbesondere der wirtschaftliche Einigungsprozess als sehr viel anspruchsvoller.
Es bleibt der Verdacht, dass Helmut Kohl entweder sehr naiv war, als er den Einigungsprozess als „Schocktherapie“ vorantrieb oder aber die Bevölkerung wissentlich täuschte, um sich selbst als strahlenden Politiker zu präsentieren.
Auch die angebliche Erfolgsstory von Helmut Kohl als Europapolitiker hat inzwischen großen Schaden genommen. In den 1990er Jahre trieb er die Aufnahme von unqualifizierten Mitgliedern sowie die Einführung des EURO als gemeinsame Währung voran. Doch dieser Boom wurde zu Lasten von stabilen Vertragswerken erzielt, so dass die europäische Ebene heute als weitgehend handlungsfähig gilt.
Besonders negativ wird seine letzte Amtszeit als Bundeskanzler von 1994 bis 1998 wahrgenommen. Der politische Fortschritt kam unter seiner Führung als Regierungschef soweit zum Erliegen, dass sogar der Begriff „Reformstau“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres 1997 gewählt wurde.
Sehr abträglich für sein persönliches Ansehen war auch, dass Helmut Kohl seine Kritiker in der Regel mit Machtmitteln unterdrücken wollte. Selbst den Herbst seines Lebens verbrachte der Alt-Kanzler mit Unterlassungs- und Schadensersatzklagen gegen Biographen, Journalisten und Historiker.
Ursprünglich wurde Helmut Kohl sehr ehrenvoll als „Vater der Einheit“ bezeichnet. Dieser Ausspruch ist jedoch endgültig zu einer Verhöhnung geworden, als bekannt wurde, dass sich seine beiden Söhne weigerten, an seiner Beerdigung im Jahr 2017 teilzunehmen.
Helmut – Sohn des Finanzbeamten Hans Kohl
Helmut Kohl wurde 1930 geboren und wuchs als eines von drei Kindern in einem konservativ-katholischen Haushalt in Ludwigshafen auf. Einen großen Teil seines Lebens sollte er im Stadtteil Oggersheim leben und dort auch im Jahr 2017 sterben.
Der junge Helmut Kohl besuchte ab dem 01. April 1936 die Grundschule und wechselte vier Jahre später an eine Oberrealschule. 1944 wurde er als Teenager vom NS-Regime zum Dienst bei einem Feuerlöschtrupp herangezogen.
Im Rahmen der Hitlerjugend erhielt er eine vormilitärische Ausbildung. Eine Verwendung als Flakhelfer blieb ihm jedoch aufgrund des Kriegsendes erspart.
1946 trat Helmut Kohl der CDU bei und war eines der Gründungsmitglieder der Jungen Union (JU) in Ludwigshafen. Bereits ab 1953 gehörte er zum Landesvorstand der CDU und stieg dann immer weiter in der Partei auf.
Helmut Kohls Doktorarbeit über Helmut Kohl
Im Jahr 1950 erlangte Helmut Kohl sein Abitur und begann anschließend ein Studium der Rechtswissenschaft und Geschichte an der Universität in Frankfurt am Main. Zum Wintersemester 1951/52 wechselte er nach Heidelberg.
Während seines Studiums war Helmut Kohl ein Mitglied der Studentenorganisation AIESEC und arbeitete ab 1956 als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Schon zwei Jahre später promovierte er zum Dr. phil. bei Walther Peter Fuchs.
Das rasante Tempo der akademischen Karriere von Helmut Kohl geht dabei vor allem auf drei große Gefallen zurück, die ihm sein Doktorvater erwies:
Helmut Kohl wurde ohne Magister- oder Diplomabschluss direkt zur Promotion zugelassen. Das ist eine sehr seltene Ausnahme, die im Rahmen der meisten Prüfungsordnungen gar nicht möglich ist.
Helmut Kohl schrieb seine Doktorarbeit über „Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945.“ Da er selbst Mitglied der CDU und zu diesem Zeitpunkt bereits Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz, hat er damit im Wesentlichen über Ereignisse geschrieben, an denen er selbst beteiligt war.
Die Doktorarbeit von Helmut Kohl weist zahlreiche Formfehler auf. Darüber hinaus finden sich in dem sehr schlanken Werk von nur 161 Seiten lediglich auf fünf Seiten solche Inhalte, die nicht rein deskriptiv sind beziehungsweise aus Zitaten bestehen.
Der Doktorvater Walther Peter Fuchs hat als Honorarprofessor die Arbeit jedoch einfach durchgewunken. Als Herr Dr. Helmut Kohl später Bundeskanzler wurde, war dieser Pragmatismus jedoch extrem peinlich.
Dann kam das Gerücht auf, die Dissertation von Helmut Kohl wäre gezielt aus Bibliotheken entfernt worden. Dabei handelte es sich jedoch nur um einen Scherz von Linken über den Buddha aus Oggersheim, der sich jedoch bis heute verfängt.
Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz
1959 wurde Helmut Kohl als damals jüngster Abgeordneter in den Landtag von Rheinland-Pfalz gewählt. Darüber hinaus gehörte er ab dem folgenden Jahr auch dem Rat seiner Heimatstadt Ludwigshafen an.
Helmut Kohl 1969 (Detlef Gräfingholt / Lizenz: Bundesarchiv, B 145 Bild-F028914-0003 CC-BY-SA 3.0)
Nach einer Legislaturperiode stieg Helmut Kohl 1963 zum Vorsitzenden der CDU-Fraktion im Landtag auf. Bereits drei Jahre später wurde er auch zum Landesvorsitzenden seiner Partei gewählt. Damit war er der designierte Nachfolger des amtierenden CDU-Ministerpräsidenten Peter Altmeier.
Zum 19. Mai 1969 löste Helmut Kohl seinen Vorgänger während der laufenden Wahlperiode ab. In den beiden folgenden Landtagswahlen von 1971 und 1975 erzielte er jeweils eine absolute Mehrheit für die CDU in Rheinland-Pfalz.
Das Bundesland galt seinerzeit als rückständig. Deswegen schob Helmut Kohl als Ministerpräsident zahlreiche Reformen an:
Zunächst wurden bis 1974 viele Gebietsreformen durchgeführt. Dies führte zu einer Neu-Organisation von Städten und Gemeinden sowie von Landkreisen und Regierungsbezirken.
Auf die Initiative von Helmut Kohl hin wurde die Universität Trier-Kaiserslautern gegründet, heute die Universität Trier und die Technische Universität Kaiserslautern.
Die Bildungsreform führte auch zu Änderungen im Schulwesen. Die ursprünglich katholischen Konfessionsschulen wurden durch konfessionsübergreifende Gesamtschulen ersetzt.
Darüber hinaus forcierte Helmut Kohl den Strukturwandel in dem einstmals sehr ländlich geprägten Bundesland.
1971 kandidierte Helmut Kohl erstmals um die Nachfolge von Kurt Georg Kiesinger als Bundesvorsitzender der CDU. Er unterlag jedoch gegen den damaligen Oppositionsführer im Bundestag Rainer Barzel mit 174 gegen 344 Stimmen.
1973 hatte Rainer Barzel jedoch wiederholt die Ablösung von Willy Brandt als Kanzler nicht erreichen können. Zuletzt war das konstruktive Misstrauensvotum durch die Einflussnahme der Stasi gescheitert. Im Rahmen des „Unternehmen Brandtschutz“ wurden zwei Abgeordnete mit je 50.000 DM bestochen, um das Votum scheitern zu lassen.
Helmut Kohl kandidierte deshalb erneut für den Bundesvorsitz der CDU und wurde nun ohne Kampfabstimmung gewählt. Bei der späteren Aufarbeitung der Flick-Affäre kam der Verdacht auf, dass nun Rainer Barzel bestochen worden war, um nicht mehr gegen Kohl anzutreten.
Vor seinem Wechsel in die Bundespolitik nahm Helmut Kohl dann als Ministerpräsident bereits über den Bundesrat einen sehr aktiven Einfluss auf die Politik der Bundesrepublik. Er organisierte in der Unions-dominierten Vertretung der Länder eine Zustimmung zu den „Polenverträgen“ der Regierung Brandt und zwar gegen den Willen der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.
Oppositionsführer im Deutschen Bundestag
Ab 1976 gehörte Helmut Kohl dem Bundestag an. Er konnte jedoch erst sehr viel später auch Direktmandate gewinnen und war bis dahin auf einen Platz in der Landesliste seiner Partei angewiesen.
Für die Bundestagswahl vom 03. Oktober 1976 trat Helmut Kohl auch erstmals als Kanzlerkandidat der Union an. Dabei erzielte er mit 48,6 % das zweitbeste Ergebnis seiner Partei und verfehlte die absolute Mehrheit nur knapp. Dennoch blieb die sozialliberale Koalition unter der Führung von Helmut Schmidt weiterhin im Amt.
Währenddessen nahm Helmut Kohl jedoch illegale Wahlkampfspenden in Höhe 565.000 DM an. Dieses sogenannte Flick-Affäre wurde jedoch erst sehr viel später bekannt.
Machtkampf mit Franz Josef Strauß
Das Amt als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz gab er auf und wurde ab 1976 der Oppositionsführer im Bundestag. In diesen Tagen entstand auch die Intimfeindschaft mit dem bayrischen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß. Dieser drohte zunächst mit einer Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft.
Helmut Kohl und Franz Josef Strauß (Storz / Lizenz: Bundesarchiv, B 145 Bild-F048763-0009 CC-BY-SA 3.0)
In der Folge drohte Helmut Kohl, dass die CDU nach Bayern kommen würde und setzte sich damit durch. Franz Josef Strauß sprach Kohl in der Folge zwar wiederholt und öffentlich die notwendigen Führungsfähigkeiten ab. Er verließ jedoch schließlich die Bundespolitik und wurde Ministerpräsident von Bayern.
Der Konflikt zwischen Alphatieren von CDU und CSU schwellte jedoch weiter. Helmut Kohl erwies sich jedoch als der klügere Stratege und bot Franz Josef Strauß die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl von 1980 an.
Helmut Kohl war überzeugt, dass Strauß vielleicht in Bayern beliebt ist, jedoch niemals eine Mehrheit der Deutschen hinter sich vereinen kann. Das perfide Kalkül ging auf.
Franz Josef Strauß führte die CDU/CSU bei der Bundestagswahl von 1980 in ihre bis dato schwerste Niederlage. Damit war er auf Bundesebene dauerhaft beschädigt und stand den Ambitionen von Helmut Kohl nicht mehr im Weg.
Während Strauß nun weiterhin die rechte Flanke der Union sicherte, zielte Helmut Kohl auf eine Spaltung der regierenden Koalition von SPD und FDP. Sein gemäßigter Auftritt erhielt den Slogan von der „geistig-moralischen Wende“.
Dabei handelte es sich jedoch lediglich um Worthülsen, die für Beobachter kaum zu fassen waren. Darüber hinaus entwickelte sich der Begriff später nach zahlreichen Skandalen zu einem Kampfbegriff, der gegen Helmut Kohl eingesetzt wurde.
Helmut Kohl – der sechste Bundeskanzler
Am 17. September 1982 zerbrach schließlich die Koalition von SPD und FDP unter der Führung von Helmut Schmidt. Der Kanzler stand aufgrund des NATO-Doppelbeschlusses bereits im eigenen Lager unter hohem Druck, als sich die Bundesminister der FDP wegen wirtschaftspolitischen Streitfragen geschlossen aus der Regierung zurückzogen.
„Die Charakterlosigkeit der FDP verbunden mit ihrem Selbsterhaltungstrieb ist eine der zuverlässig berechenbaren Komponenten.“ (Franz Josef Strauß, 1974)
Die von der FDP in einem Konzeptpapier von 1982 geforderten Änderungen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik wurden später jedoch auch nicht vom neuen Kanzler umgesetzt. Die Liberalen hatten sich selbst zu Bauern in seinem machtpolitischen Schachspiel von Helmut Kohl degradiert.
Misstrauensvotum, Vertrauensfrage, Neuwahlen
Helmut Kohl organisierte eine Koalition von CDU/CSU und FDP und stürzte Schmidt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum in der laufenden Legislaturperiode. Auch wenn dieser Schritt legal war, blieb die Legitimität dieser politischen Manöver jedoch hoch umstritten.
Außerdem war Helmut Kohl ja auch in der vorherigen Bundestagswahl von 1980 nicht als Kanzlerkandidat angetreten, sondern hatte die Wahl missbraucht, um seinen internen Konkurrenten Franz Josef Strauß dauerhaft zu beschädigen. Deshalb stellte er im Parlament am 17. Dezember 1982 noch zusätzlich die Vertrauensfrage.
Mit der Vertrauensfrage wollte Helmut Kohl den Rückhalt für seine Regierung demonstrieren. Doch wieder entschied er sich für einen fragwürdigen Winkelzug, der große Kritik auslöste.
Statt sich von den Fraktionen bestätigen zu lassen, wurde vereinbart, dass die treuen Abgeordneten sich der Stimme bei der Vertrauensfrage enthalten. Um eine möglicherweise sehr peinliche Niederlage zu vermeiden, stellte er so auf eigene Initiative hin sicher, dass er auf keinen Fall gewinnen kann.
Verfassungsrechtlich spielte er damit den Ball zum Bundespräsidenten, seinem Parteifreund Karl Carstens. Dieser löste nach langem Zögern den Bundestag auf.
Am 06. März 1983 kam es zu vorgezogenen Neuwahlen, die der CDU/CSU einen deutlichen Stimmengewinn zu Lasten der FDP bescherte. Helmut Kohl ging deshalb persönlich gestärkt aus diesem Hütchenspiel mit der deutschen Verfassung hervor.
Den Zenit seines Ansehens hatte Helmut Kohl damit jedoch schon im ersten von 16 Regierungsjahren bereits überschritten. Ab 1983 kämpfte er nur noch um seinen Machterhalt.
Ost-Politik und Milliardenkredite für die DDR
Obwohl Helmut Kohl die Ost-Politik seiner Vorgänger stets kritisiert hatte, setzte er deren Linie im Wesentlichen fort. Hinzu kam, dass er ab 1984 zahllose Kredite und Transferzahlungen an die DDR leistete.
Helmut Kohl rühmte sich dann beispielsweise für den Abbau von Selbstschussanlagen an der inner-deutschen Grenze. 1987 kam es sogar zu einem in den Medien sehr beachteten Staatsbesuch von Erich Honecker.
Doch Helmut Kohl muss klar gewesen sein, dass er mit diesen west-deutschen Milliarden vor allem das marode Wirtschaftssystem der DDR vor dem vorzeitigen Kollaps bewahrte. Umso weniger kann man nachvollziehen, wie Kohl später in den 1990er Jahren in den Wahlkämpfen „blühende Landschaften“ für Ost-Deutschland versprechen konnte.
Kanzler der Einheit von 1989/90
Im Jahr 1989 kam es in der CDU zu einem Putschversuch gegen Helmut Kohl. Der Hintergrund war, dass er sich zahlreiche Feinde gemacht hatte und sein persönliches Ansehen in der Bevölkerung erodierte.
Da kam es Helmut Kohl sehr gelegen, dass die Bevölkerung der DDR im selben Jahr eine friedliche Revolution herbeigeführt hatte. Nach dem Fall der Mauer am 09. November 1989 legte Kohl deshalb ohne jegliche Absprachen sein eigenes Zehn-Punkte-Programm vor.
Sofortmaßnahmen humanitärer Art
Umfassende Wirtschaftshilfe
Ausbau der Zusammenarbeit beider Staaten
Vertragsgemeinschaft
Schaffung konföderativer Strukturen
Einbettung des deutschen Einigungsprozesses in die gesamteuropäische Entwicklung
EG-Beitritt von reform-orientierten Staaten des Ostblocks
Forcierung des KSZE-Prozesses
Abrüstung und Rüstungskontrolle
Deutsche Einheit
In einem Hauruck-Verfahren setzte sich Helmut Kohl so an die Spitze des deutschen Einigungsprozesses und inszenierte sich als „Kanzler der Einheit“. Tatsächlich wäre die Sowjetunion natürlich auch ohne ihn zerfallen und die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wäre zwangsläufig auf der Tagesordnung gelandet.
Schocktherapie für die ost-deutsche Wirtschaft
Trotz bekannter Vorbehalte gegen die marktwirtschaftliche Leistungsfähigkeit der ost-deutschen Planwirtschaft setzte Helmut Kohl in einem Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion durch. Ausschließlich aus populistischen Gründen fixierte er den Wechselkurs der DM zur Ost-Mark im Verhältnis von 1:1 bei Löhnen, Mieten und Renten.
„Durch eine gemeinsame Anstrengung wird es uns gelingen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Sachsen und Thüringen schon bald wieder in blühende Landschaften zu verwandeln, in denen es sich zu leben und zu arbeiten lohnt.“
(Dr. Helmut Kohl im Wahlkampf 1990)
Die Bevölkerung der ehemaligen DDR jubelte Helmut Kohl erwartungsgemäß zu. Unter finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkten war der politisch motivierte Wechselkurs jedoch völlig unrealistisch und führte sogar beinah zum Crash der DM.
Der Wechselkurs musste deshalb nach der großen Euphorie immer wieder korrigiert werden. Realistisch wäre wohl ein Anfangskurs von etwa 1:10 gewesen.
Nachdem jedoch erst die west-deutsche Wirtschaft fundamental bedroht wurde, kam es auch zu einem bösen Erwachen in den ost-deutschen Betrieben. Die Planwirtschaft der DDR wurde praktisch über Nacht zu sehr ungünstigen Bedingungen mit dem harten Wettbewerb einer Marktwirtschaft konfrontiert.
Diese wirtschaftliche „Schocktherapie“ führte zu einem Massensterben der Betriebe in Ost-Deutschland und dem damit verbundenen Verlust an Arbeitsplätzen in den frühen 1990er Jahren. Auch echte Errungenschaften wie beispielsweise das hochentwickelte Vereinswesen der DDR wurde in diesem Zuge einfach vernichtet.
Doch Helmut Kohl erreichte sein persönliches Ziel. Der partei-interne Widerstand war gebrochen und dank der Stimmen der euphorisierten Bürger der neuen Bundesländer erreichte seine Partei am 02. Dezember 1990 eine deutliche Mehrheit. Mit der FDP konnte erneut eine Regierung gebildet werden und Kohl erreichte seine Wiederwahl als Bundeskanzler.
Helmut der Große – der Vater Europas
Die zweite Hälfte der 16-jährigen Amtszeit von Helmut Kohl war eine Phase der inneren Stagnation. Im Jahr 1997 wurde sogar das Schlagwort „Reformstau“ von der Gesellschaft für deutsche Sprache zum Wort des Jahres gewählt.
Während es in den ost-deutschen Bundesländern zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Katastrophe kam, konzentrierte sich Helmut Kohl nach bewährtem Muster auf internationale Entwicklungen. Im besonderen Fokus stand die Einführung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in drei Schritten:
Am 01. Juli 1990 wurde der freie Kapitalverkehr in den damals zwölf Ländern der Europäischen Gemeinschaft (EG) ermöglicht.
Am 07. Februar 1992 wurde im Vertrag von Maastricht die rechtliche Grundlage für einen weiteren Schritt in Richtung der heutigen Europäischen Union (EU) vollzogen. Der Vertrag behandelte sieben Themengebiete:
Währungs- und Wirtschaftsunion
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Unionsbürgerschaft
Demokratisierung
Zusammenarbeit bei der Innen- und Rechtspolitik
Protokoll über die Sozialpolitik
Sonstiges wie Kultur
Am 01. Januar 1999 trat die Gründung der Europäischen Zentralbank in Kraft. Damit wurden die Wechselkurse der beteiligten Länder unverrückbar zementiert.
Bereits umgehend nach der Unterzeichnung des Maastrichter Vertrages wurde in Deutschland vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Die grundsätzliche Kritik war, dass die Idee des Vertrages zwar zu befürworten sei, die Umsetzung jedoch übereilt und inadäquat sei. Darüber hinaus wurden die makroökonomischen Unterschiede der beteiligten Wirtschaftsräume nicht berücksichtigt.
Im Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 15) billigte das Gericht zwar den Vertrag, formulierte zugleich jedoch Auflagen hinsichtlich der demokratischen Legitimierung.
Selbst der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel kritisierte den Vertrag von Maastricht. Das Problem war, dass Helmut Kohl keinen Stabilitätspakt mit automatischen Sanktionen gegen Verstöße vereinbaren konnte. Der kurzfristige Glamour des Maastrichter Vertrages war dem Kanzler wichtiger, als die langfristigen Folgen der Vereinbarungen und deren Einschlag auf die Demokratie.
Darüber hinaus bestand Helmut Kohl am 02. Mai 1998 bei einem Treffen der Regierungschefs in Brüssel rücksichtslos auf der termingerechten Einführung der gemeinsamen Währung. Dass die Deutsche Bundesbank zu diesem Zeitpunkt bereits belegt hatte, dass mindestens drei Länder gegen die Kriterien verstießen, wischte der Machtpolitiker Kohl einfach beiseite.
Kohls Rentenpolitik für die Bundestagswahl 1998
Die überstürzte und mangelhafte Währungsunion hatte wohl entscheidend mit dem politischen Niedergang von Helmut Kohl in den 1990er zu tun. Der Buddha von Oggersheim wollte scheinbar als Karl der Große in die Bundestagswahl vom 27. September 1998 starten.
Doch Helmut Kohl beschied sich nicht darin, die europäische Einigung aus wahltaktischen Gründen zu versemmeln. Der perfide Machtpolitiker fand auch einen sehr effektiven Ansatz, die deutsche Gesellschaft nicht nur an der Achse zwischen Ost und West, sondern auch zwischen den Generationen zu zerreißen.
„Zum Mitschreiben: Die Rente ist sicher!“ (Norbert Blüm, CDU)
Die CDU hat nicht nur traditionell einen guten Stand bei älteren Wählern. Helmut Kohl adressierte mit seiner Rentenpolitik auch sehr gezielt die Interessen der Babyboomer.
„Wir hatten immer schon betriebliche Altersversorgung und private Vorsorge. Dass das so in Vergessenheit geraten konnte, hat eine Menge mit der Politik der Bundesregierung in den letzten Jahren zu tun.“
Andrea Fischer (Grüne) bei der Rentendebatte im Bundestag am 10. Oktober 1997
Obwohl bereits zu Beginn der 1990er Jahre klar war, dass das gesetzliche Rentensystem spätestens in den 2030er Jahren endgültig kippen wird, verteilte Helmut Kohl zahllose Rentengeschenke. Mit Hilfe des Umlageverfahrens wurden mit voller Absicht solche Bedingungen geschaffen, die alle späteren Jahrgänge substantiell benachteiligen.
Zugleich versprühte die Regierung von Helmut Kohl eine Rhetorik in den Äther, die die private Vorsorge als vermeintlich überflüssig darstellte. Das Ergebnis dieser Wahlkampf-Strategie war, dass die Altersarmut bereits heute zum grassierenden Problem wird.
Außerdem müssen die jüngeren Jahrgänge sehr viel mehr Rentenbeiträge zahlen und werden zugleich sehr viel weniger an Auszahlungen erhalten. Das heißt, dass die Kinder der 1980er und 1990er Jahre zu Gunsten der Wähler der Bundestagswahl von 1998 ökonomisch missbraucht hat.
„Politik ist Kampf. Wer auf Harmonie-Suche ist, muss sich einen anderen Beruf suchen.“ (Norbert Blüm, CDU)
Helmut Kohl verursachte mit seinen manipulativen Wahlkämpfen sowohl in Deutschland wie auch in Europa für bleibende Schäden, die vor allem zu Lasten der jüngeren Generationen ausfallen. Sein perfides Kalkül ging jedoch nicht einmal auf. Die CDU erlitt 1998 ein krachende Niederlage und er wurde abgewählt.
Kohl, seine Klientel und die Korruption
Helmut Kohl war schon während seiner Zeit im Landtag von Rheinland-Pfalz ein eifriger Büttel diverser Unternehmen. Diese förderten im Gegenzug seinen persönlichen Werdegang. Bereits gegen Ende der 1960er Jahre wurde er so zum heimlichen Lobbyisten des Chemiekonzerns BASF.
Die Staatspolitische Vereinigung e.V. spielte dabei eine zentrale Rolle. Das war eine gemeinnützige Organisation, die bereits seit 1954 als Drehscheibe für das Schmieren des politischen Betriebes genutzt wurde. Der Flick-Manager Eberhard von Brauchitsch beschrieb die Grundsätze der „politischen Landschaftspflege“ des Vereins:
„Wir haben dieses als eine staatsbürgerliche Pflicht angesehen. In der Verfassung steht, dass die Parteien das Transportband zwischen der Bevölkerung und der Gesetzgebung sind. Und dafür brauchten sie Geld.“
Später kamen Vorwürfe auf, dass SIEMENS seit 1982 über Treuhand-Konten in der Schweiz Millionen an die CDU weiterleitete. Insgesamt sollen acht bis neun Millionen DM bis in die 1990er Jahre geflossen sein.
Bereits während der Amtszeit von Helmut Kohl als deutscher Bundeskanzler wurden zahlreiche Skandale bekannt. Im nachhinein wurden dann immer mehr Vorwürfe laut, auf die der Alt-Kanzler mit teils völlig absurden Klagen bis zum Bundesgerichtshof reagierte.
Erinnerungslücken in der Flick-Affäre
Im Jahr 1975 begann ein politischer Skandal um den Unternehmer und früheren NS-Wehrwirtschaftsführer Friedrich Karl Flick. Es ging um den Verkauf von Aktien der Daimler-Benz AG im Wert von 1,9 Milliarden DM an die Deutsche Bank.
Friedrich Flick während der Nürnberger Prozesse im Jahr 1947 (gemeinfreies Bild)
Der Flick-Konzern ließ sich vom FDP geführten Bundeswirtschaftsministerium eine Befreiung von der Einkommenssteuer nach § 6 genehmigen, weil es sich angeblich um eine volkswirtschaftlich förderliche Reinvestition handelte. Die Beteiligten hatten jedoch nicht mit den hartnäckigen Ermittlungen eines Steuerfahnders gerechnet.
1981 deckte Klaus Förster auf, dass in diesem Zusammenhang über die gemeinnützige Organisation der „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ in Schließfächern der Dresdener Bank Bargeld für Politiker aller Parteien im Bundestag deponiert wurde:
Dreimalige Zahlung à 250.000 DM an Franz Josef Strauß (CSU)
Einmalige Zahlung à 565.000 DM an Helmut Kohl (CDU)
Mehrfache Zahlungen à 30.000 DM an Otto Graf Lambsdorff (FDP)
Mehrfache Zahlungen à 70.000 DM an Hans Friderichs (FDP)
Einmalige Zahlung à 100.000 DM an Walter Scheel (FDP)
Einmalige Zahlung à 40.000 DM an Hans Matthöfer (SPD)
Der Steuerfahnder Klaus Förster wurde für diesen historischen Erfolg degradiert und in das Finanzamt Köln-Ost versetzt. Da aber gleich drei damalige Bundesminister zu den Empfängern dieser Zahlungen zählten, kam dann doch der Verdacht der Bestechlichkeit auf.
1984, als Helmut Kohl dann selbst Bundeskanzler war, setzte der Bundestag einen Untersuchungsausschuss zur Flick-Affäre ein. In diesem Zusammenhang kam der Verdacht auf, dass auch Rainer Barzel zu den Empfängern von Geldern zählte, die über vermeintliche Berater-Honorare gewaschen wurden.
Pikanterweise war Rainer Barzel zu diesem Zeitpunkt auch der Präsident des Bundestages. Die Vorwürfe konnten zwar nie bewiesen werden, dennoch trat am Tag nach seiner Vernehmung durch den Ausschuss zurück.
Auch Helmut Kohl musste vor dem Ausschuss aussagen, aber berief sich auf „Erinnerungslücken“. Dafür kassierte er einen Strafanzeige durch den aufstrebenden Anwalt Otto Schily wegen Falschaussage.
Der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler bezeichnete diese Erinnerungslücken später es als „Blackout des Kanzlers“. Insgesamt zeigten die Parteien CDU/CSU, SPD und FDP jedoch nur wenig Unrechtsbewusstsein. Dies führte zu einer Überarbeitung des Parteispendengesetzes, dass von Helmut Kohl jedoch ebenfalls gebrochen wurde.
CDU-Spendenaffäre von 1999
Nach seiner Abwahl teilte Helmut Kohl im Jahr 1999 mit, dass er jahrelang illegale Parteispenden in Höhe von 2,1 Millionen DM angenommen hatte. Diese hätten im Rechenschaftsbericht aufgeführt werden müssen.
Besonderen Aufruhr verursacht seine bigotte Position, dass er sein „Ehrenwort“ gegeben hatte, die Namen der Spender nicht öffentlich zu nennen. Sehr pikant war, dass er als Kanzler nach der Flick-Affäre selbst das entsprechende Gesetz zu Parteispenden unterzeichnet hatte, über das er sich in all seiner Herrlichkeit hinwegsetzte.
Das Parteispendengesetz sah für einen solchen Verstoß eine Strafzahlung in dreifacher Höhe vor. Einen Teil der Summe bestritt er aus eigener Tasche. Der größte Anteil der Strafe von mehr als 6 Millionen DM kam jedoch von dem Unternehmer Leo Kirch.
Beratervertrag bei Leo Kirch
Im Jahr 2003 musste Leo Kirch Insolvenz anmelden. In diesem Zuge wurde bekannt, dass Helmut Kohl bereits seit 1999 einen hochdotierten Beratervertrag bei der Firma des Medienunternehmers hatte.
Dem Alt-Kanzler konnten in dieser Angelegenheit zwar keine Rechtsbrüche nachgewiesen werden. Kritiker halten es dennoch für offensichtlich, dass Helmut Kohl die Aktivitäten von Leo Kirch vor allem im Bereich des Privatfernsehens förderte.
Leo Kirch war dann auch einer der Trauzeugen, als Helmut Kohl am 08. Mai 2008 seine langjährige Geliebte Maike Richter heiratete, nachdem seine erste Frau Selbstmord begangen hatte. Sie wurde dann auch seine Alleinerbin, was zu dem erwähnten Bruch mit den beiden Söhnen Walter und Peter Kohl aus erster Ehe führte.
Angriffe auf sein „Lebenswerk“
Ein letztes Highlight im Leben von Helmut Kohl war die Klage gegen seinen eigenen Biographen Heribert Schwan und dessen Mitautor Tilman Jens. Nach den Auftragsarbeiten an den offiziellen Memoiren nutzten die beiden Schreiberlinge ihre Erkenntnisse und auch Tonbänder für die Veröffentlichung eines eigenen Buches.
Helmut Kohl sah das unautorisierte Werk als einen Angriff auf sein Lebenswerk. Einer der Gründe war, dass der Alt-Kanzler gegen politische Weggefährten wie Angela Merkel, Christian Wulff oder auch Richard von Weizsäcker gelästert hatte. Zunächst klagte er bis zum Bundesgerichtshof auf Herausgabe der Tonbänder:
„Die Merkel hat keine Ahnung.“
Anschließend klagte der Alt-Kanzler auf Schadensersatz. Das Landgericht Köln gab Helmut Kohl kurz vor seinem Tod am 16. Juni 2017 in der Sache Recht und sprach ihm eine Million Euro zu. Das ist die höchste Summe für eine solche Verletzung von Persönlichkeitsrechten in der deutschen Rechtsgeschichte.
Im Mai 2018 entschied dann das Oberlandesgericht Köln mit Verweis auf frühere BGH-Urteile, dass ein solcher Schadensersatzanspruch nicht vererbt werden kann und deshalb auch nicht vollstreckt wird.
„Es geht nicht darum, dass ich alleine herrsche.“ (Maike Kohl-Richter)
Die charmante Alleinerbin kündigte nach dem Urteil des Oberlandesgerichtes an, ein zweites Mal Rechtsgeschichte in dieser Angelegenheit schreiben zu wollen. Sie will vor dem Bundesgerichtshof in Revision gehen. Maike Kohl-Richter steht jedoch selber unter Beschuss durch das Bundeskanzleramt und das Bundesarchiv, weil sie den „politischen Nachlass“ des Alt-Kanzlers nicht herausgeben will.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Helmut Heinrich Waldemar Schmidt wurde am 23. Dezember 1918 in Hamburg-Barmbek geboren. Nach dem Rücktritt von Brandt wurde er der fünfte deutsche Bundeskanzler und regierte von 1974 bis 1982.
„Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.“
Helmut Schmidt auf dem Parteitag der SPD 1976 (Ludwig Wegmann / Bundesarchiv, B 145 Bild-F048646-0033 / CC-BY-SA 3.0)
Doch bereits 1962 bewies sich Helmut Schmidt als Innensenator von Hamburg. Während einer Sturmflut zeigte er seine Fähigkeiten als kompetenter Krisenmanager. Dank des verantwortungsvollen Handelns stieg er in der Bundespolitik auf und bewährte sich zunächst als Bundesminister der Verteidigung und schließlich der Finanzen.
Nach dem Rücktritt von Kanzler Willy Brandt in Folge der Guillaume-Affäre sprang Schmidt als Ersatzmann ein und übernahm die Rolle als Regierungschef. Vor dem Hintergrund einer erneuten Verschärfung des Kalten Krieges zeigte Helmut Schmidt dann seinen ausgeprägten Sinn für Realpolitik. Er steuerte die Bundesrepublik Deutschland mit ruhiger Hand durch stürmische Zeiten und löste dabei zahlreiche Zwickmühlen.
„Willen braucht man. Und Zigaretten.“
Doch Helmut Schmidt war als Bundeskanzler auch ein umstrittener Politiker. Im Jahr 1982 türmte sich der Widerstand gegen ihn bis zu einem konstruktiven Misstrauensvotum im Bundestag auf. Anschließend begann die für die Nachwelt sehr unvorteilhafte Amtszeit von Helmut Kohl.
„Denn keine Begeisterung sollte größer sein als die nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft. Ich danke Ihnen sehr.“ (Abschiedsrede im deutschen Bundestag)
Nach seiner Tätigkeit als Politiker wurde Helmut Schmidt einer der Herausgeber der Wochenzeitung DIE ZEIT. Als kritischer Beobachter verfolgte der Alt-Kanzler das politische Geschehen bis an sein Lebensende.
Darüber hinaus entwickelte er sich zum allseits hoch respektierten Elder Statesman der Bundesrepublik. Sein besonderes Markenzeichen waren die stetig qualmenden Menthol-Zigaretten, die er rauen Mengen konsumierte.
Noch im hohen Alter beteiligte sich Helmut Schmidt aktiv am politischen Diskurs und scheute auch nicht vor scharfkantigen Positionierungen zurück. So wurde er noch im Herbst seines Lebens zu einer der beliebtesten Figuren in der politischen Landschaft.
„Von einem 93 jährigen Optimismus zu erwarten, ist ein bisschen viel verlangt.“
Das ganze Land nahm anteil, als seine ebenfalls kettenrauchende Ehefrau Loki Schmidt im Jahr 2010 verstarb. Die Beiden kannten sich bereits aus der Schulzeit und hatten nach seiner Rückkehr von Ostfront im Jahr 1942 geheiratet.
„Ich war als Schüler relativ faul. Was mich nicht interessiert hat, habe ich nur flüchtig gemacht. […] Meine Frau und ich waren ja in derselben Klasse; wir hatten eine ähnliche Handschrift und es ist vorgekommen, dass Loki meine Hausaufgaben in mein Heft geschrieben hat, zum Beispiel in Mathematik, da war sie besser.“
Kurz vor seinem 97. Geburtstag verstarb Helmut Schmidt am 10. November 2015. Sein Leben und seine Verdienste wurden in einem Staatsakt gewürdigt. Die Reden zu seinem Gedenken hielten Olaf Scholz, Henry Kissinger und die zu diesem Zeitpunkt amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Jugend und Kriegsdienst im Dritten Reich
Helmut Schmidt wurde im letzten Jahr des ersten Weltkrieges geboren und erlebte als Teenager das Dritte Reich der 1930er Jahre. Mit dem NS-Regime hatte er seinen ersten dokumentierten Kontakt im Alter von 17 Jahre.
Loki Schmidt entdeckte 1985 die nach ihr benannte Pitcairnia Loki-Schmidtiae (Timm Stolten / CC-BY-SA 3.0)
Er war in einem Ruderverein, der bereits im Zuge der Gleichschaltung von 1934 der Marine-Hitlerjugend unterworfen worden war. Zwei Jahre später wurde Helmut Schmidt dann wegen „flotter Sprüche“ vom Sportbetrieb ausgeschlossen.
Bereits in diesen Jugendtagen war Helmut Schmidt mit seiner späteren Ehefrau Hannelore „Loki“ Glaser verbandelt. Die Beiden gingen zusammen zur Schule und waren in einer Klasse.
Sie hatten zeitweise Unterricht bei der Widerstandskämpferin Erna Stahl. Loki studierte später Biologie und interessierte sich besonders für Botanik. Im Jahr 1985 entdeckte sie bei einer Reise durch Mexiko sogar ein neues Gewachs, das nach ihr benannt wurde, die Pitcairnia Loki-Schmidtiae.
„Ich konnte mich in jeder Situation auf sie verlassen. Ich zögere nicht zu sagen: Loki war der Mensch in meinem Leben, der mir am wichtigsten war.“
Wehrdienst und Einsatz im Zweiten Weltkrieg
Im Jahr 1937 beendete Helmut Schmidt seine schulische Ausbildung mit einem Abitur. Die Nazis hatten zu diesem Zeitpunkt bereits die allgemeine Wehrpflicht eingeführt.
Helmut Schmidt trat deshalb wie viele seiner Altersgenossen vorzeitig zum Wehrdienst an. Damit war die Hoffnung verbunden, dass daran anschließend ein Studium ohne Unterbrechung erfolgen könne:
Am 04. November 1937 wurde Helmut Schmidt zur Flakartillerie von Bremen eingezogen.
Ab 1939 diente er als Feldwebel der Reserve bei der Luftabwehr von Bremen.
Im Jahr 1941 wurde Helmut Schmidt als Leutnant der Reserve in das Oberkommando der Luftwaffe nach Berlin versetzt.
Von August bis Ende 1941 war er als Offizier einer leichten Flak-Abteilung bei der 1. Panzer-Division an der Ostfront und kämpfte beispielsweise bei der Leningrader Blockade. In dieser Zeit wurde er mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse ausgezeichnet.
Von 1942 bis 1944 war Helmut Schmidt Referent für Ausbildungsvorschriften der leichten Flak-Artillerie im Reichsministerium für Luftfahrt. Bald nach seiner Rückkehr heiratete er seine Jugendliebe Hannelore „Loki“ Glaser.
Beobachter von Schauprozessen
Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler wurden einige Verschwörer in Schauprozessen vor dem Volksgerichtshof verurteilt. Helmut Schmidt war zu diesem Zeitpunkt ein Oberleutnant und wurde als Zuschauer abkommandiert.
Er sollte einer der Statisten sein, um die Prozesse unter dem Vorsitzenden Roland Freisler mit einem gewogenen Publikum zu versorgen. Der spätere Kanzler der Bundesrepublik war jedoch angewidert von diesem Nazi-Spektakel.
Helmut Schmidt bat seinen vorgesetzten General um eine Entbindung von dieser Pflicht. Dem wurde stattgegeben.
Drohendes Kriegsgericht Anfang 1945
Die ideologische Gesinnung von Helmut Schmidt gegenüber den Nazis war mehrfach als unbedenklich bis tadelfrei eingestuft worden. Solche schriftlichen Bewertungen wurden seinen eigenen und auch glaubwürdigen Angaben nach jedoch weder von Vorgesetzten noch von Beurteilten ernst genommen.
Doch im Dezember 1944 wurde er als Batteriechef an die Westfront nach Belgien versetzt. Dort äußerte sich Helmut Schmidt Anfang 1945 kritisch über Hermann Göring und das Regime.
Ein NS-Führungsoffizier wollte ihn deshalb vor ein Kriegsgericht stellen. Tatsächlich kam es in den letzten Monaten des Zweiten Weltkrieges zu zahllosen Hinrichtungen durch fanatische Nazis. Ein solcher Prozess wäre wahrscheinlich sein Ende gewesen.
Doch zwei vorgesetzte Generäle engagierten sich sehr geschickt für Helmut Schmidt. Sie versetzten den jungen Offizier permanent auf neue Positionen, so dass er für die NS-Justiz in den Wirren der letzten Monate des Krieges nicht mehr greifbar wurde. Im April 1945 geriet er dann in britische Gefangenschaft.
Kriegsgefangenschaft und Studium
Helmut Schmidt blieb in Belgien als Gefangener der Briten. Dort hörte er einen Vortrag von Hans Bohnenkamp, einem deutschen Pädagogen, mit dem Titel: „Verführtes Volk“.
Dieser Input nahm ihm nach eigenen Angaben die letzten Illusionen über das NS-Regime. Bereits am 31. August 1945 wurde Helmut Schmidt aus der Kriegsgefangenschaft entlassen.
Mit großer Verzögerung konnte der junge Mann nun endlich sein erwünschtes Studium der Volkswirtschafts- und Staatslehre aufnehmen. Im Jahr 1949 beendete Helmut Schmidt sein Studium als Diplom-Volkswirt. Seine Abschlussarbeit war ein Vergleich von Währungsreformen in Deutschland und Japan.
Helmut Schmidt – ein „Militarist“ in der SPD
Der Einfluss von Hans Bohnenkamp hatte Helmut Schmidt bewegt, bereits im März 1946 in die SPD einzutreten. Dort engagierte er sich zunächst im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS).
In den Jahren 1947/48 war Helmut Schmidt sogar Versitzender des SDS in der britischen Besatzungszone. Nach seinem Studium arbeitete der junge Sozialdemokrat als Referent und dann als Abteilungsleiter unter Karl Schiller in der Behörde für Wirtschaft und Verkehr der Freien und Hansestadt Hamburg.
Fraktionsvorstand der SPD im Bundestag
Helmut Schmidt wurde 1953 in den zweiten deutschen Bundestag gewählt. Dort wurde er in den Vorstand seiner Fraktion aufgenommen.
Nach der Gründung der Bundeswehr erhielt Helmut Schmidt im Jahr 1958 die Beförderung zum Hauptmann der Reserve. Im November diesen Jahres nahm er an einer Wehrübung teil. Das führte zu einer wohl nicht intendierten Wechselwirkung mit seiner politischen Karriere.
Noch während der Übung trat die SPD-Fraktion zusammen. Die Sozialdemokraten wählten den „Militaristen“ in Abwesenheit aus ihrem Vorstand ab. Diese Zäsur stellte jedoch keinen dauerhaften Bruch in seinem Werdegang dar.
Innensenator von Hamburg (1961 bis 1965)
Im Jahr 1961 wechselte Helmut Schmidt in die Landespolitik seiner Heimatstadt Hamburg. Ab dem 13. Dezember war er Senator der Polizeibehörde. Das Amt wurde im darauffolgenden Jahr in Behörde für Sport und Inneres umbenannt.
Schon Mitte Februar 1962 kam es zu einer verheerenden Sturmflut an der gesamten Nordseeküste. Ungünstige Winde drückten das Wasser dann noch stärker ins Landesinnere.
Helmut Schmidt war Innensenator von Hamburg während der Sturmflut von 1962 (CC-0)
Die ostfriesischen Inseln erlebten bereits am 16. Februar 1962 kritische Situationen. Auf den Halligen wurden beispielsweise fast alle Häuser zerstört und die Versorgung mit Trinkwasser brach zusammen.
Die Flüsse Weser und Elbe waren damals noch nicht mit Sperrwerken, sondern nur durch Deiche geschützt. Diese brachen unter der Sturmflut an über 60 Stellen und konnten nicht rechtzeitig repariert werden. Alleine in Hamburg gab es deshalb mehr als 300 Tote und weitere 20.000 Menschen wurden obdachlos.
Die Sturmflut zerstörte weite Teile der Kommunikation, so dass vor allem auch der Überblick über die Lage verloren ging. In dieser Situation begann Helmut Schmidt mit der Koordination eines Großeinsatzes von Polizei, Rettungsdiensten, Katastrophenschutz und Technischem Hilfswerk.
„Es waren lauter aufgeregte Hühner – und einer musste die Dinge in die Hand nehmen.“
Ohne eine Legitimation durch das Grundgesetz nutzte Helmut Schmidt in dieser kritischen Lage seine Kontakte zur Bundeswehr, um die bereits angelaufenen Hilfsmaßnahmen der Armee zu verstärken. Auf Basis einer internen Dienstvorschrift der Streitkräfte kamen Hubschrauber, Pioniere und Versorgungsgüter in Hamburg zum Einsatz. Auch die Alliierten leisteten damals einen Beitrag.
Für sein resolutes Vorgehen in dieser Katastrophenlage erwarb sich Helmut Schmidt großes Ansehen als Krisenmanager. Bundesweit wurde er zu einem sehr populären Politiker. Doch Helmut Schmidt ging nicht ganz unbeschadet aus seiner Amtszeit als Innensenator von Hamburg hervor.
Im Jahr 1963 ließ er vorab auf die Bitte eines alten Freundes hin den legendären Spiegel-Artikel „Bedingt abwehrbereit“ über die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr auf eine strafrechtliche Relevanz hin prüfen. Die Bundesanwaltschaft eröffnete in der Folge ein Verfahren wegen Landesverrat gegen Helmut Schmidt. Es wurde jedoch zwei Jahre später eingestellt.
Rückkehr in den Bundestag mit Direktmandat
Bei der Bundestagswahl von 1965 errang Helmut Schmidt ein Direktmandat in seinem Wahlkreis in Hamburg. Zu dieser Zeit amtierte die Regierung von Ludwig Erhard.
Ab dem 01. Dezember 1966 folgte eine große Koalition unter Kurt Georg Kiesinger. Das Bündnis von CDU/CSU und SPD unter der Führung eines ehemaligen NSDAP-Mitgliedes wurde damals von den Sozialdemokraten als „Vernunftehe“ (Schmidt) oder auch als „widernatürliche Unzucht“ (Brandt) bezeichnet.
Aufgrund einer Erkrankung von Fritz Erler, dem eigentlichen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, rückte Helmut Schmidt als dessen Ersatzmann in das Zentrum der Ereignisse. Nach der kommissarischen Übernahme des Vorsitzes wurde Schmidt im Jahr 1967 dann offiziell zum Fraktionsvorsitzenden.
In dieser Rolle wurde Helmut Schmidt zu einem der Spielmacher der großen Koalition. Zusammen mit Rainer Barzel, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, trieb er die auf sachlicher Ebene sehr erfolgreiche Koalition inhaltlich voran. Die beiden politischen Gegner entwickelten in dieser Zeit auch eine enge persönliche Freundschaft, die bis zum Tod von Barzel im Jahr 2006 anhielt.
Bundesminister der Verteidigung und der Finanzen
Nach der Bundestagswahl von 1969 konnte die SPD zusammen mit der FDP eine Regierungsmehrheit bilden. Willy Brandt wurde mit einer knappen Mehrheit zum neuen Kanzler gewählt. Die erfolgreiche Arbeit als Innensenator von Hamburg und als Fraktionsvorsitzender der SPD machte Helmut Schmidt zu einem Top-Kandidaten für ein Amt als Bundesminister.
Am 22. Oktober 1969 wurde Helmut Schmidt als Verteidigungsminister berufen. Seine Amtszeit an der Spitze des BMVg ist von zwei Meilensteinen der west-deutschen Wehrpolitik geprägt:
Verkürzung des allgemeinen Wehrdienstes von 18 auf 15 Monate.
Gründung von Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und München.
Doch am 07. Juli 1972 trat Karl Schiller von der SPD aus Protest als Bundesminister für Finanzen und Wirtschaft zurück. In der Folge rückte Helmut Schmidt in diese Position auf und wurde als Verteidigungsminister von Georg Leber abgelöst.
„Ich bin nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die nach außen den Eindruck erweckt, die Regierung lebe nach dem Motto ‚Nach uns die Sintflut‘. Die Regierung hat die Pflicht, über den Tellerrand des Wahltermins hinauszublicken und dem Volk rechtzeitig zu sagen, was zu leisten und was zu fordern ist.“ (Karl Schiller über seinen Rücktritt)
Das einstige „Superministerium“ für Finanzen und Wirtschaft wurde nach der Wahl von 1972 geteilt. Helmut Schmidt war dann bis zum Rücktritt von Brandt zwei Jahre später nur noch für Finanzen zuständig.
Helmut Schmidt als fünfter Bundeskanzler
Im Jahr 1974 kam es zu einem Spionage-Skandal in der Bundesrepublik. Günter Guillaume, der persönliche Referent von Kanzler Brandt, wurde als „IM Hansen“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR verhaftet.
Willy Brandt mit Günter Guillaume (Ludwig Wegmann / Lizenz: Bundesarchiv, B 145 Bild-F042453-0011 / CC-BY-SA 3.0)
Als Spion war Guillaume zwar nur ein zweitklassiger Aufschneider. Auch nach der internen Einschätzung der Stasi lieferte er trotz seiner Nähe zum Kanzler praktisch kein interessantes Material. Doch Willy Brandt war zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem gesundheitlich sehr angeschlagen.
Nachdem auch der inner-parteiliche Druck auf Kanzler Brandt stieg, entschied er sich zum Rücktritt. Die Regierungskoalition war jedoch noch intakt, so dass Helmut Schmidt im Bundestag zum fünften deutschen Bundeskanzler gewählt wurde. Im Gegensatz zu dem visionären Brandt war der resolute Krisenmanager Schmidt wohl auch die bessere Personalie für die kommenden Turbulenzen.
„Helmut, Du musst das jetzt machen!“ (Herbert Wehner, SPD)
Ölkrisen und Stagflation der 1970er Jahre
Bereits 1973 hatte es in Folge des Jom-Kippur-Krieges zwischen Israel und einem Bündnis von arabischen Staaten eine erste Ölkrise gegeben. Der Hintergrund war, dass die Organisation der arabischen Erdöl-Exporteure die Förderung drosselte:
Schon 1973 stieg der Ölpreis deshalb von etwa drei Dollar pro Barrel auf fünf Dollar. Dieser Anstieg von rund 70 % wurde bereits zur großen Bedrohung für die Weltwirtschaft.
1974 stieg der Ölpreis weiter auf zwölf Dollar pro Barrel und hatte sich damit in einem Jahr vervierfacht.
In der Folge kam es zu einem Effekt, der als „Stagflation“ bezeichnet wird. Das bedeutet, dass eine Stagnation des Wachstums auf einen Wertverfall durch die Inflation trifft. Klassische Investitionsprogramme, die einfach durch eine Erhöhung der Geldmenge finanziert werden, sind in einer solchen Zwickmühle deshalb höchst problematisch.
Helmut Schmidt musste als Bundeskanzler deshalb auf eine toxische Wirtschaftslage reagieren, die die gesamte Weltwirtschaft erfasst hatte. Als Export-Nation war Deutschland besonders betroffen, während die Kosten für Öl-Importe im Jahr 1974 um 17 Milliarden D-Mark stiegen.
Die Regierung von Helmut Schmidt reagierte mit zahlreichen Maßnahmen. Beispielsweise wurden die autofreien Sonntage eingeführt und das Wirtschaftsministerium startet eine Kampagne unter dem Motto:
Energiesparen – unsere beste Energiequelle
Dennoch sank unter Kanzler Helmut Schmidt im Jahr 1975 erstmals die Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland. Die Arbeitslosigkeit stieg und die Binnennachfrage war gesättigt. Die Antwort auf eine solche Herausforderung konnte deshalb nur eine mehrgleisige Strategie sein:
Stabilisierung der Währung durch die Bundesbank
Konsolidierung des Haushalts
Förderung von Investitionen durch Reformen der Steuern
Stopp von defizitären Subventionen
In der Folge stieg die Staatsverschuldung jedoch bis 1980 um etwa das Dreifache. Die nächste Ölkrise gegen Ende der 1970er Jahre konnte so jedoch besser abgefedert werden.
Zum Glück regenerierte sich jedoch auch die Weltwirtschaft. Der schließlich wieder wachsende Außenhandel konnte so entscheidend zur ökonomischen Gesundung der Bundesrepublik beitragen. Besonderen Einfluss hatte dabei der Anteil des Handels mit dem Ost-Block auf Basis der Ost-Verträge aus der Regierungszeit von Brandt. Von 1970 bis 1980 hatte sich das Volumen fast vervierfacht.
Insgesamt überstand die Bundesrepublik unter der Führung von Helmut Schmidt die Ölkrisen der 1970er Jahre und die Stagflation deshalb besser als andere Industriestaaten.
Rote Armee Fraktion und Deutscher Herbst
Bereits unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger hatten sich Teile der außerparlamentarischen Opposition (APO) zum bewaffneten Widerstand in verschiedenen Organisationen formiert. Deutschland wurde von einer Welle des sozialrevolutionären Terrorismus überrollt.
„Wir sagen natürlich, die Bullen sind Schweine. Wir sagen, der Typ in Uniform ist ein Schwein, kein Mensch. Und so haben wir uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Das heißt, wir haben nicht mit ihm zu reden, und es ist falsch, überhaupt mit diesen Leuten zu reden. Und natürlich kann geschossen werden.“ (Ulrike Meinhof)
Im Jahr 1975 kam es zur Entführung von Peter Lorenz durch die Bewegung 2. Juni. Das war der Vorsitzende der Berliner CDU. Die linken Terroristen bewegten Kanzler Helmut Schmidt zu Verhandlungen über einen Austausch von Gefangenen.
Helmut Schmidt und sein Kabinett ließen entsprechend der Forderung einige Mitglieder der RAF in den Jemen ausfliegen. Im nachhinein bezeichnete Schmidt diese Entscheidung als einen großen Fehler, denn die Linksextremisten fühlten sich offenbar bestätigt und verübten immer mehr Anschläge.
Helmut Schmidt und Hanns Martin Schleyer im Jahr 1974 (Lothar Schaack / Lizenz: Bundesarchiv, B 145 Bild-F044137-0029 / CC-BY-SA 3.0)
1977 kam es im „Deutschen Herbst“ zum Zenit der terroristischen Welle. Die Ereignisse verdichteten sich insbesondere in der medialen Wahrnehmung bei der Entführung des Präsidenten des Arbeitgeber-Verbandes Hanns Martin Schleyer.
Die Schleyer-Entführung begann am 05. September 1977 mit einem bewaffneten Hinterhalt. Dabei wurden seine vier Begleiter getötet, davon drei Personenschützer der Polizei. Alleine der Fahrer Reinhold Brändle erlitt 60 Treffer. Auch die anderen Begleiter wurden in dieser völlig enthemmten Blut-Orgie mehrfach tödlich getroffen.
Hanns Martin Schleyer blieb unverletzt und wurde in der Folge an unterschiedlichen Orten versteckt. Nachdem sich die Regierung von Helmut Schmidt weigerte, den Forderungen zu entsprechen, wurde Schleyer mit drei Schüssen in den Hinterkopf getötet:
„Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet. Herr Schmidt, der in seinem Machtkalkül von Anfang an mit Schleyers Tod spekulierte, kann ihn in der Rue Charles Peguy in Mülhausen in einem grünen Audi 100 mit Bad Homburger Kennzeichen abholen.“ (Bekennerschreiben der RAF)
Der Auslöser der Tötung war der erfolgreiche Sturm des parallel entführten Lufthansa-Flugzeuges „Landshut“ in Mogadischu durch eine Abteilung der GSG-9. In verschiedenen Generationen setzte die RAF das Morden jedoch bis in die 1990er Jahre fort.
Einen echten politischen Einfluss oder auch nur ein politisches Programm hatten die selbst ernannten Stadt-Guerillas jedoch nie. Vielmehr stellt sich in der Rückschau die Frage, ob nicht die mediale Aufmerksamkeit die eigentlich treibende Kräfte hinter den mindestens 34 Morden der RAF war.
NATO-Doppelbeschluss gegen Sowjetunion
Seit 1955 hatte die Sowjetunion die Mitglieder des Warschauer Paktes mit Atomwaffen ausgerüstet. Bereits 1958 warnte Helmut Schmidt als Experte für Verteidigungspolitik der SPD-Fraktion im Bundestag insbesondere vor den landgestützten Waffensystemen.
Das Problem war nämlich, dass gerade die Bundesrepublik zu einem Primärziel für präventive Atomschläge der Sowjetunion gegen die NATO wurde. Die Zwickmühle war jedoch, dass eine Aufrüstung der Bundesrepublik mit Atomwaffen, wie es beispielsweise Konrad Adenauer gehofft hatte, eine Provokation darstellen könnte, die die Wahrscheinlichkeit für einen solchen Präventivschläge eher erhöhen würde.
Mobile SS-20-Mittelstrecken-Rakete (CC-0)
1968 einigten sich die Supermächte zwar auf einen Atomwaffensperrvertrag und begannen ab 1972 mit den Strategic Arms Limitation Talks (SALT-1). Doch aus diesen Verhandlungen wurden taktische Atombomben mit kurzer oder mittlerer Reichweite ausgeklammert. Der Hintergrund war, dass sich die USA und die Sowjetunion unter der Führung von Leonid Breschnew als Haupt-Akteure aufgrund ihrer geografischen Lage von diesen Waffen nicht selber bedroht sahen.
Ein erweitertes SALT-2 zur Begrenzung dieser Kurz- und Mittelstrecken-Systeme wurde Anfang 1976 vom US-Präsidenten abgelehnt. Die Sowjetunion begann daraufhin, bestehende atomare Waffensysteme, die gegen West-Europa gerichtet waren, durch neuere Modelle, die SS-20-Raketen, zu ersetzen.
Es ist zwar grundsätzlich sehr sinnvoll, bestehende Atomwaffen immer wieder zu modernisieren. Aber die NATO sah das Gleichgewicht des Schreckens in Europa bedroht. Helmut Schmidt hielt in der Folge eine viel beachtete Rede am International Institute for Strategic Studies in London.
Die Rede von Helmut Schmidt gilt als Auslöser für eine Initiative der NATO, mit deren Hilfe man wieder in diplomatische Gespräche mit der Sowjetunion über eine Reduktion von Atomwaffen kommen wollte, der sogenannte NATO-Doppelbeschluss:
Die NATO kündigte die analoge Stationierung von atomaren Kurz- und Mittelstrecken-Raketen an. Als Trägersysteme wurden die Rakete Pershing II und der Marschflugkörper BGM-109 Tomahawk verwendet.
Parallel wurden die Supermächte USA und Sowjetunion aufgefordert, bilaterale Gespräche über eine Begrenzung von atomaren Mittelstrecken-Raketen aufzunehmen, den Intermediate Nuclear Forces (INF) mit einer Reichweite von 1.000 bis 5.500 Kilometern.
Der eigentliche INF-Vertrag wurde dann zwar erst 1987 geschlossen. Aber der NATO-Doppelbeschluss auf Initiative von Helmut Schmidt führte dennoch zu einem großen Erfolg. Die abgebrochenen Verhandlungen für SALT-2 wurden wieder aufgenommen. Am 18. Juni 1979 wurde dann ein Vertrag in Wien unterzeichnet.
Diese geostrategische Initiative von Helmut Schmidt stieß in der Bundesrepublik jedoch auch auf hohen Widerstand. Die Friedensbewegung erhielt großen Zulauf und organisierte zahlreiche Demonstrationen und Sitzblockaden.
Europäisches Währungssystem und Währungseinheit
Helmut Schmidt engagierte sich sehr für eine Verbesserung der deutsch-französischen Beziehungen. In dem Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing fand er einen wichtigen Partner, um entscheidende Schritte in Richtung einer europäischen Integration zu gehen.
Sie gründeten am 13. März 1979 das Europäische Währungssystem (EWS), das rückwirkend zum Jahresbeginn in Kraft gesetzt wurde. Der Kern des Systems war die Installation eines Wechselkursmechanismus, der die Schwankungen der unterschiedlichen Währungen auf eine festgelegte Bandbreite von ± 2,25 % begrenzen sollte.
Bei einer drohenden Verletzung dieser Bandbreite sollten die jeweils beteiligten Zentralbanken intervenieren und die Kurse entsprechend der Vorgabe wieder stabilisieren. Eine solche Mechanik sollte die Währungsstabilität der beteiligten Länder erhöhen und damit den internationalen Verkehr von Dienstleistungen, Kapital und Waren erleichtern.
Zu diesem Zweck wurde auch die Europäische Währungseinheit (ECU) entwickelt. Das höhere Ziel hinter dem Europäischen Währungssystem war die Schaffung eines einheitlichen Marktes nach dem Vorbild der USA.
In der Praxis musste das System jedoch mit zahlreichen Bewegungen kämpfen, die die vorgeschriebene Bandbreite mehrfach und teils dramatisch überschritten. Auch einzelnen Ländern wie Italien wurde von Anfang an eine höhere Volatilität zugestanden. Dennoch kam es zwischen 1979 und 1993 insgesamt 17mal zu einer Neufestsetzung der Leitkurse.
Die Bundesrepublik profitierte wirtschaftlich jedoch enorm von dieser Errungenschaft aus der Zeit von Helmut Schmidt. Der Außenhandel erlebte seit dieser Zeit ein starkes Wachstum und schuf viel Wohlstand für Deutschland.
Konstruktives Misstrauensvotum gegen Schmidt 1982
Helmut Schmidt stand als deutscher Bundeskanzler einer sozial-liberalen Regierung vor. Im Spätsommer 1982 zerbrach das Bündnis der SPD mit der FDP wegen Differenzen über die Wirtschafts- und Sozialpolitik:
Bundeshaushalt
öffentliche Verschuldung
Beschäftigungsprogramme
In der Folge traten alle FDP-Minister geschlossen aus der Bundesregierung zurück: Hans-Dietrich Genscher, Gerhart Baum, Otto Graf Lambsdorff und Josef Ertl.
„Die Charakterlosigkeit der FDP verbunden mit ihrem Selbsterhaltungstrieb ist eine der zuverlässig berechenbaren Komponenten.“ (Franz Josef Strauß, 1974)
Die CDU unter Helmut Kohl führte anschließend erfolgreiche Koalitionsverhandlungen mit der FDP. Am 01. Oktober 1982 wurde der Rheinländer im Rahmen eines konstruktiven Misstrauensvotums zum sechsten Kanzler der Bundesrepublik gewählt.
Anschließend wandte sich die SPD demonstrativ von ihrem Alt-Kanzler Helmut Schmidt ab. Die neue Koalition setzte jedoch wesentliche Teile seiner Politik nahtlos fort. Auch die Forderungen der FDP wurden von Kohl nie wirklich umgesetzt.
Helmut Schmidt beendete seine Zeit als Abgeordneter des deutschen Bundestag dann regulär zum Ende der 10. Wahlperiode im Jahr 1987.
Mitherausgeber der ZEIT und Elder Statesman
Nach dem Ende seiner Kanzlerschaft begann für Helmut Schmidt ein neuer Lebensabschnitt als Mitherausgeber der Wochenzeitung DIE ZEIT. Das Blatt hat seinen Sitz in Hamburg und ist politisch linksliberal.
Darüber hinaus veröffentlichte Helmut Schmidt noch zahlreiche Bücher und war ein gefragter Redner. Außerdem engagierte er sich als Elder Statesman der Bundesrepublik und Mitglied des überparteilichen Vereins „Atlantik-Brücke“ sowie als Ehrenpräsident der Deutsch-Britischen Gesellschaft.
Aber Helmut Schmidt setzte sich auch für zahlreiche Stiftungen ein und gehörte zu den ersten Unterzeichnern der Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten der Vereinten Nationen. Darin wird im Rahmen von 19 Artikeln menschenfreundliches Handeln gefordert, ohne beispielsweise das Recht auf Selbstverteidigung in Frage zu stellen.
Zu den Positionen von Helmut Schmidt gehören auch sehr kritische Äußerungen über die christlichen Kirchen. Diese hätten nach dem Zweiten Weltkrieg keinen Beitrag zur Neubegründung der Moral, der Demokratie oder des Rechtsstaats geleistet.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Willy Brandt wurde am 18. Dezember 1913 als Herbert Ernst Karl Frahm in Lübeck geboren. Erst im Widerstand gegen das Nazi-Regime legte er sich seinen sehr viel bekannteren Namen „Willy Brandt“ als Tarnung zu. Nach dem Krieg blieb er dabei.
Willy Brandt gehörte in den Jahrzehnten nach dem Krieg zu den wichtigsten politischen Figuren der jungen Bundesrepublik.
Er war der Regierende Bürgermeister von West-Berlin als Präsident John F. Kennedy seine legendäre Rede hielt: „Ich bin ein Berliner.“
Im Vorfeld hatte Willy Brandt dem US-Präsidenten sogar sein Amtszimmer überlassen. Dort konnte der Amerikaner die historische Rede üben.
Ab 1961 war Willy Brandt der Kanzler-Kandidat der SPD. In der ersten großen Koalition der Bundesrepublik unter Kurt Georg Kiesinger war er Außenminister und Vizekanzler.
Nach der Bundestagswahl von 1969 schmiedete Willy Brandt eine Koalition von SPD und FDP, die ihn zum vierten Kanzler der Bundesrepublik wählte. Unter seiner Führung kam es zur Abkehr von der außenpolitischen Containment-Strategie gegenüber dem Kommunismus hin zur neuen Ost-Politik.
„Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein […].“
Mit seinem Kniefall von Warschau fand Willy Brandt während einer Gedenkveranstaltung im Jahr 1970 zu einer überragenden Geste der Demut und der Entschuldigung für die Verbrechen der Deutschen während der Herrschaft der Nazis. Er prägte damit für sein Land ein neues Image, das bis heute gepflegt wird.
Für sein Engagement um eine Entspannung in Europa wurde Willy Brandt im Jahr 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Mitten im Kalten Krieg entwickelte er einen neuen Blick auf die internationalen Beziehungen. Dabei halten manche Wissenschaftler eben diese Entspannungspolitik für den Anfang vom Ende des Kommunismus in Europa.
„Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio.“
Dabei hob sich Willy Brandt auch innenpolitisch von den bisherigen Kanzlern der CDU ab. Er war der personifizierte Kontrast zu den Karrieristen des Dritten Reiches, die in der Bundesrepublik ihren Werdegang unbehelligt fortsetzten wie beispielsweise sein direkter Vorgänger Kurt Georg Kiesinger.
Während sich Willy Brandt um den Abbau von Feindbildern bemühte, verschlechterte sich seine Gesundheit jedoch immer mehr. Die Enttarnung des inhaltlich eigentlich völlig unbedeutenden DDR-Spions Günter Guillaume in seinem engsten Umfeld nutzte der Kanzler dann zu seinem Rücktritt am 06. Mai 1974.
„Es ist und bleibt grotesk, einen deutschen Bundeskanzler für erpressbar zu halten. Ich bin es jedenfalls nicht.“
Die Nachfolge von Willy Brandt trat Finanzminister Helmut Schmidt an. Für die kommenden Krisen der 1970er und 1980er Jahre war der robuste Manager Schmidt wohl auch die bessere Personalie. Denn trotz seiner realpolitischen Erfolge war Willy Brandt vor allem ein Kanzler der Herzen, dem auch zahlreiche Liebesbeziehungen nachgesagt wurden.
Brandt blieb jedoch bis ins hohe Alter ein Mitglied des Bundestages und war immer wieder als Elder Statesman auch international unterwegs. Willy Brandt traf sich nach seiner Zeit als Bundeskanzler beispielsweise noch mit Fidel Castro, Jassir Arafat, Michail Gorbatschow, Saddam Hussein oder auch Robert McNamara.
Am 20. Juni 1991 kam es auf seinen Vorschlag als Alterspräsident im Bundestag noch zum Hauptstadtbeschluss, dem Wechsel des Sitzes der deutschen Hauptstadt von Bonn nach Berlin. Damit erfüllte sich für den ehemaligen Bürgermeister der früheren Frontstadt im Kalten Krieg wohl ein Lebenstraum.
Willy Brandt verstarb am 08. Oktober 1992 an Darmkrebs. Der Bundestag gedachte seiner in einem Staatsakt. Er fand die letzte Ruhe in einem Ehrengrab auf dem Waldfriedhof von Berlin-Zehlendorf.
Weimarer Republik und Drittes Reich
Willy Brandt wurde als Herbert Ernst Karl Frahm am 18. Dezember 1913 als uneheliches Kind in Lübeck geboren. Der Name des Vaters, John Heinrich Möller, war bekannt.
Der Vater wurde jedoch nach der Geburt beim Standesamt nicht angegeben. Willy Brandt lernte ihn auch nie persönlich kennen. Das Verhältnis zur Mutter Martha Frahm war ebenfalls distanziert:
„… die Frau, die meine Mutter war …“
Unter Zeitgenossen galt die uneheliche Abstammung jedoch als ein persönlicher Makel. Dieser wurde beispielsweise noch in den 1960er Jahren von der CDU in Wahlkämpfen gegen ihn instrumentalisierte.
Jugend von Herbert Ernst Karl Frahm
Herbert Ernst Karl Frahm wurde als Kind vor allem von seinem Stiefgroßvater Ludwig Frahm betreut, den er auch als „Papa“ ansprach. Das war ein Linker, der auch das Interesse für die Politik und insbesondere für die SPD in dem Jungen weckte.
Willy Brandt trat 1927 in die sozialistische Arbeiterjugend „Die Falken“ ein. (CC-BY-SA 3.0)
Als Teenager trat Herbert Frahm den Falken bei. Das ist ein sozialistischer Jugendverband, der auch heute noch existiert.
1927 erschien ein Beitrag von ihm in der örtlichen SPD-Zeitung. Durch diese Arbeit lernte er als junger Mann auch Julius Leber kennen, einen späteren Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime.
1930 trat Herbert Ernst Karl Frahm in die SPD ein. Es kam jedoch schon im folgenden Jahr zu einem Zerwürfnis, weil der spätere Kanzler die „Mutlosigkeit“ der Partei gegenüber den Konservativen für fatal hielt. Er schloss sich daraufhin der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands an, der SAPD.
Die Schule schloss Herbert Ernst Karl Frahm im Jahr 1932 mit einem Abitur ab. Seinen ersten Job hatte er dann bei einer Reederei und Spedition in Lübeck.
Flucht von „Willy Brandt“ nach Norwegen
Die SAPD wurde nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 in die Illegalität gedrängt. Bereits Ende März erhielt Herbert Ernst Karl Frahm die Aufgabe, die Ausreise eines wichtigen Funktionärs, Paul Frölich, nach Oslo zu organisieren.
Frölich wurde jedoch auf der Insel Fehmarn erwischt und verhaftet. Herbert Ernst Karl Frahm hatte sich bereits den Kampfnamen „Willy Brandt“ zugelegt und übernahm nun den Auftrag des SAPD-Funktionärs, eine Zelle der Partei im Ausland aufzubauen.
Unter seinem neuen „Allerweltsnamen“ reiste er über Dänemark nach Oslo. 1934 nahm Willy Brandt in Norwegen ein Studium der Geschichte auf. Dieses spielte neben seiner publizistischen Tätigkeiten jedoch nur eine geringe Rolle.
Im Sommer 1936 organisierte Willy Brandt eine internationale Kampagne zur Verleihung des Friedensnobelpreises an Carl von Ossietzky. Das war ein deutscher Journalist und Pazifist, der zu diesem Zeitpunkt bereits im KZ Esterwegen inhaftiert war und dort zwei Jahre später an den Folgen von Misshandlungen starb.
„Gunnar Gaasland“ im Spanischen Bürgerkrieg
Ab 1936 nutzte Willy Brandt auch die Identität des befreundeten Norwegers Gunnar Gaasland. Von diesem erhielt er den Ausweis und begab sich zunächst als Kurier nach Deutschland, um Kontakte zu SAPD-Funktionären im Untergrund zu knüpfen.
Willy Brandt gab sich dabei als Journalist aus und verstand es sogar, seine deutsche Muttersprache mit einem norwegischen Akzent zu versehen. Ab 1937 war er dann weiterhin unter dem Namen Gunnar Gaasland als Korrespondent für eine norwegische Zeitung in Spanien und berichtete über den Bürgerkrieg.
Dabei unterstützte er die Revolutionäre Marxistische Partei gegen Francisco Franco. Am 16. Juni 1937 konnte er durch seine Rückkehr nach Oslo mit viel Glück einer großen Verhaftungswelle entgehen.
Besetzung Norwegens und Flucht nach Schweden
Am 05. September 1938 entzog ihm das NS-Regime die deutsche Staatsbürgerschaft. In der Folge war Willy Brandt zunächst staatenlos und wollte deshalb Norweger werden. Diese Staatsbürgerschaft wurde ihm jedoch erst später zuerkannt.
Nach der Besetzung Norwegens ab dem 09. April 1940 geriet Willy Brandt zunächst in deutsche Gefangenschaft. Er wurde jedoch nicht identifiziert, weil er eine norwegische Uniform trug.
Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft floh Willy Brandt in das neutrale Schweden. Dort gründete er mit zwei Journalisten eine Presseagentur und belieferte 70 Tageszeitungen.
Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges blieb Willy Brandt in Stockholm. Dort arbeitete er mit anderen Exilanten an einer Annäherung von SAPD und SPD. Zu diesem Kreis gehörten teils sehr bekannte Personen wie Bruno Kreisky, der spätere Bundeskanzler von Österreich.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte Willy Brandt als Korrespondent und norwegischer Staatsbürger nach Deutschland zurück. Er berichtete beispielsweise von den Nürnberger Prozessen und knüpfte auch wieder Kontakte zur SPD.
Regierender Bürgermeister von West-Berlin
Mit Wirkung zum 24. September 1948 erhielt Willy Brandt von der Landesregierung von Schleswig-Holstein seine deutsche Staatsbürgerschaft zurück. Im darauffolgenden Jahr ließ er sich dann seinen bisherigen Kampfnamen offiziell anerkennen.
Die Berliner SPD stellte Willy Brandt zur Wahl des ersten deutschen Bundestages 1949 auf und er konnte ein Mandat erringen. Darüber hinaus wurde er im folgenden Jahr auch in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt, dem er bis 1971 angehören sollte.
Am 30. August 1957 verstarb Otto Suhr, der damals Regierende Bürgermeister von Berlin. Willy Brandt wurde mit 86 von 118 Stimmen als Nachfolger gewählt. Dabei musste er sich jedoch auch gegen interne Gegner durchsetzen.
Denn Willy Brandt forcierte schon früh die Annäherung der Berliner SPD an den Westen. Dabei scheute er auch nicht die Konfrontation mit der Sowjetunion. Beispielsweise hatte er sich nach dem Aufstand in Ungarn von 1956 an die Spitze einer Demonstration gestellt. Diese zog zur sowjetischen Botschaft im Ost-Sektor und geriet beinahe außer Kontrolle.
Zweite Berlin-Krise und Mauerbau
Willy Brandt war vom 03. Oktober 1957 bis zum 01. Dezember 1966 der Regierende Bürgermeister von Berlin. Trotz absoluter Mehrheiten der SPD bildete er freiwillige Koalitionen mit der CDU, um diese Frontstadt im Kalten Krieg mit Konsenslösungen durch die Krisenzeiten zu führen.
Zur ersten Feuerprobe kam es am 27. November 1958 als Nikita Chruschtschow den westlichen Alliierten ein Ultimatum stellte. In einer diplomatischen Note forderte der Generalsekretär der KPdSU die Entmilitarisierung von Berlin.
West-Berlin sollte in eine Freie Stadt auf dem Boden der DDR umgewandelt werden. Die Außenminister der Westmächte sowie die Regierung von Konrad Adenauer wiesen den tückischen Vorschlag entschieden zurück und es folgten weitere internationale Proteste. Gegebenenfalls war sogar die Drohung mit einem Atomschlag vorgesehen.
In dieser „Zweiten Berlin-Krise“ stand der Regierende Bürgermeister Willy Brandt plötzlich im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit. Denn die Konfliktparteien vereinbarten eine „Deutschlandkonferenz“ und Präsident Dwight D. Eisenhower erklärte die Rechte in West-Berlin als unabdingbare Voraussetzung für ein Verhandlungsergebnis.
Willy Brandt war in der Folge in der großartigen Position, die vier Grundsätze für die internationale Berlin-Politik im Jahr 1959 formulieren zu können. Dabei machte er persönlich eine sehr gute Figur und wurden als besonders verantwortungsbewusst wahrgenommen:
West-Berlin gehört zum freien Teil Deutschlands.
Das Selbstbestimmungsrecht der Berliner darf nicht geschmälert werden.
Vier-Mächte-Verantwortung in und für Berlin.
Recht auf freien Zugang nach Berlin.
Für den Wahlkampf von 1961 wurde Willy Brandt dann als Kanzlerkandidat der SPD gegen Adenauer ins Rennen geschickt. Doch am 13. August begann die DDR entgegen bisheriger Beteuerungen mit dem Bau der Mauer. Brandt brach seine Wahlkampftour ab und konzentrierte sich auf seine Rolle als Regierender Bürgermeister.
Willy Brandt wandte sich an den US-Präsidenten und bat bei einem persönlichen Besuch um Hilfe. Der Wahlkampf ging dann zwar verloren, aber Brandt erwarb sich dennoch über Parteigrenzen hinweg erneut großes Ansehen.
Besuch von John F. Kennedy im Juni 1963
Willy Brandt lernte John F. Kennedy bei seinem Besuch von 1961 in Washington kennen. Bereits seit Jahren war er ein großer Bewunderer und empfand gegenüber dem Amerikaner ein „Gefühl der Geistesverwandtschaft“.
Willy Brandt zwischen Kennedy und Adenauer (Unbekannter Fotograf / CC-BY 3.0)
Inhaltlich war das Gespräch zunächst enttäuschend. Denn Kennedy vermittelte Willy Brandt, dass eine zeitnahe Wiedervereinigung eines freien Deutschlands zu diesem Zeitpunkt einfach unrealistisch war. Doch der Amerikaner entschied sich für eine große Geste von besonderer Strahlkraft.
Am 26. Juni 1963 kam Kennedy nämlich persönlich nach Berlin und hielt öffentlich eine vielbeachtete Rede, die zuvor aufwendig einstudiert wurde. Der Präsident sprach zwar Englisch, doch in der Rede platzierte er gleich zweimal denselben Satz auf Deutsch:
„Ich bin ein Berliner.“
Damit brachte Kennedy zum Ausdruck, dass die USA mit ihrer geballten Militärmacht als Garant für die Freiheit West-Berlins eintreten. Im Hintergrund kam es auch tatsächlich zum Aufbau der Organisation Live Oak.
Dabei handelte es sich um eine geheime Militäroperation der westlichen Siegermächte, die Notfallpläne und -maßnahmen für den Fall eines Angriffs auf West-Berlin vorbereitete. Live Oak wurde erst 1990 eingestellt.
Der Besuch von Kennedy war jedoch auch innenpolitisch von besonderer Bedeutung. Denn Willy Brandt und Konrad Adenauer wetteiferten um die Gunst des charismatischen Amerikaners. Sehr wichtig war beispielsweise die Frage, ob nun der Regierende Bürgermeister von Berlin oder der Kanzler neben Kennedy im offenen Wagen sitzen darf.
Willy Brandt setzte sich durch und ließ sich von den beiden Regierungschefs flankieren. In diesem Wettstreit der Bilder zwischen CDU und SPD machte er einfach eine sehr viel bessere Figur als der hochbetagte Kanzler.
Außenminister und Vizekanzler unter Kiesinger
Adenauer trat 1963 zurück und wurde von Ludwig Erhard ersetzt. Die Regierung des Vaters der sozialen Marktwirtschaft war jedoch von einem unvorhergesehenem Abschwung begleitet. Diese Stahlkrise sollte den Wirtschaftswissenschaftler nach nur drei Jahren das Amt kosten.
Die FDP ließ aufgrund von geplanten Steuererhöhungen die Koalition platzen und zog ihre Minister aus der Regierung ab. Die CDU aktivierte daraufhin mit Kurt Georg Kiesinger einen sehr guten und anerkannten Verhandler für diese politische Krise während der ökonomischen Krise.
Doch „Häuptling Silberzunge“ konnte im bestehenden Bundestag ein neues Bündnis schmieden. Die CDU arbeitete nun mit der SPD zusammen und bildete ab dem 01. Dezember 1966 die erste große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik.
Willy Brandt gab daraufhin sein Amt als Regierender Bürgermeister von Berlin auf und wechselte in die Bundespolitik. Im Kabinett von Kiesinger wurde er zum Außenminister und Vizekanzler ernannt. Diese „Vernunftehe“ von Konservativen und Sozialdemokraten bis zur nächsten Bundestagswahl von 1969 war gemessen an den sachlichen Arbeitsergebnissen sehr erfolgreich.
Bundeskanzler von 1969 bis 1974
Die Parteien lieferten sich 1969 einen harten Wahlkampf. Die Konservativen setzten auf eine Schmutzkampagne gegen Willy Brandt, den „Bastard Herbert Frahm“ und die Bedrohung durch den Kommunismus.
Doch die SPD konnte vom Geist der Studentenbewegung und der Unterstützung durch Künstler profitieren. Während der CDU-Kandidat Kiesinger für die personelle Kontinuität nach dem Dritten Reich stand, war der charismatische Willy Brandt die personifizierte Hoffnung auf eine neue Zeit.
Besondere Bedeutung kam bei der Bundestagswahl von 1969 auch den Splitterparteien zu. Die FDP konnte die 5 %-Hürde des Bundestages wie so häufig nur knapp überwinden.
Die rechtsextreme NPD scheiterte mit 4,3 % am Einzug. Ihre Stimmen verfielen, was diese Nazis dann letztlich sogar zum rechnerischen Steigbügelhalter für die erste SPD-Regierung machte.
Denn obwohl die CDU/CSU stärkste Kraft blieb, reichten die Verhältnisse der Sitzverteilung für ein Bündnis von SPD und FDP. Bereits in der Wahlnacht informierte Willy Brandt deswegen seinen späteren Vizekanzler Walter Scheel, dass er mit den Liberalen in Verhandlungen treten möchte.
Regierungserklärung von Willy Brandt
Die erste Regierungserklärung von Kanzler Willy Brandt vor dem deutschen Bundestag ist die vielleicht größte Rede der deutschen Geschichte. Nur der CDU-Abgeordnete Rainer Barzel hatte den Schuss nicht gehört und störte mit zahlreichen Zwischenrufen.
(Unvollständiger O-Ton der Regierungserklärung von Willy Brandt)
„Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind entschlossen, die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und den Zusammenhalt der deutschen Nation zu wahren, den Frieden zu erhalten und an einer europäischen Friedensordnung mitzuarbeiten. […]“
„Die Politik dieser Regierung wird also im Zeichen der Kontinuität und im Zeichen der Erneuerung stehen. […]“
„Wir wollen mehr Demokratie wagen. Wir werden unsere Arbeitsweise öffnen und dem kritischen Bedürfnis nach Information Genüge tun. […]“
„Wir werden dem Hohen Hause ein Gesetz unterbreiten, wodurch das aktive Wahlalter von 21 auf 18, das passive von 25 auf 21 Jahre herabgesetzt wird. […]“
„Wir können nicht die perfekte Demokratie schaffen. Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverantwortung fordert. […]“
„Aber auf diesem Hintergrund sage ich mit starker Betonung, daß das deutsche Volk Frieden braucht – den Frieden im vollen Sinne dieses Wortes – auch mit den Völkern der Sowjetunion und allen Völkern des europäischen Ostens. […]“
„Niemand kann uns jedoch ausreden, daß die Deutschen ein Recht auf Selbstbestimmung haben, wie alle anderen Völker auch. […]“
„Eine völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch die Bundesregierung kann nicht in Betracht kommen. Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland; ihre Beziehungen zueinander können nur von besonderer Art sein. […]“
„Wir werden die Forderungen des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums erfüllen. Dieses Gesetz […] verpflichtet zum Handeln, wenn das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gefährdet ist. […]“
„Ein wirksamer Wettbewerb nach innen und nach außen ist und bleibt die sicherste Gewähr für die Leistungskraft einer Volkswirtschaft. […]“
„Dabei gilt es insbesondere, das immer noch bestehende Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land abzubauen. Ich bin sicher, daß wir auf diese Weise beträchtliche Leistungsreserven unserer Gesellschaft mobilisieren und die Chancen jedes einzelnen verbessern können. […]“
„Meine Damen und Herren, Solidität wird die Richtschnur unserer Finanzpolitik sein. […]“
„Meine Damen und Herren, die in der vorigen Legislaturperiode angekündigte Steuerreform wird die Bundesregierung verwirklichen. Wir erfüllen damit auch das Verfassungsgebot zur Schaffung des sozialen Rechtsstaates. […]“
„Die Regierung muß bei sich selbst anfangen, wenn von Reformen die Rede ist. […]“
„Im Zivilrecht ist die Reform des Eherechts dringend. […] Weltanschauliche Meinungsverschiedenheiten dürfen uns nicht daran hindern, eine Lösung zu finden, um die Not der in heillos zerrütteten Ehen lebenden Menschen zu beseitigen. Dabei muß verhindert werden, daß im Falle der Scheidung Frau und Kinder die sozial Leidtragenden sind. […]“
„Wir müssen die Bundeswehr als integrierten Teil unserer Gesellschaft verstehen. […]“
„Gleichzeitig muß ein nationales Bildungsbudget […] aufgestellt werden. […] Die Schule der Nation ist die Schule. […]“
„Die Bundesregierung beabsichtigt, verstärkt Haushaltsmittel für die Förderung der Informatik und der Entwicklung von Computer-Sprachen einzusetzen. […] Man übertreibt nicht, wenn man der Computertechnik eine katalytische Wirkung nicht allein für die gesamte wissenschaftlich-technische Entwicklung zuspricht, sondern weit darüber hinaus auch für die industrielle Produktion, die Verwaltung und andere Bereiche. […]“
„Wir werden ein langfristiges Programm des sozialen Wohnungsbaus aufstellen und mit den Ländern abstimmen. […]“
„Für die gesellschaftspolitischen Reformen und die moderne Gestaltung unseres demokratischen Industriestaates will und braucht jede Bundesregierung eine starke Mitwirkung der Frauen. […]“
„Die Regierung kann in der Demokratie nur erfolgreich wirken, wenn sie getragen wird vom demokratischen Engagement der Bürger. […]“
„Wir suchen keine Bewunderer; wir brauchen Menschen, die kritisch mitdenken, mitentscheiden und mitverantworten. […]“
„Das Selbstbewußtsein dieser Regierung wird sich als Toleranz zu erkennen geben. […]“
„Wir sind keine Erwählten; wir sind Gewählte. […] Wir stehen nicht am Ende unserer Demokratie, wir fangen erst richtig an. […]“
„Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein und werden im Inneren und nach außen.“
Rainer Barzel zeterte nach der Rede von Willy Brandt noch eine Weile, doch die Sitzung wurde dann vom Vorsitzenden geschlossen: „Das ist ein starkes Stück, Herr Bundeskanzler! Ein starkes Stück! Unglaublich! Unerhört!“
Neue Ost-Politik (Ende der Hallstein-Doktrin)
Willy Brandt hatte bereits als Außenminister unter Kiesinger die Weichen für eine Abkehr von bisherigen Linien gelegt. Bis 1969 galt die Hallstein-Doktrin, der zufolge die DDR kategorisch ignoriert wurde. Auch die Aufnahme von diplomatischen Beziehungen durch Drittstaaten zur DDR galt als „unfreundlicher Akt“ und legitimierte im Zweifel Gegenmaßnahmen.
Vielmehr galt der Anspruch der Bundesrepublik auf „Alleinvertretung“ der Deutschen. Diese konfrontative Haltung wurden jedoch vor dem Hintergrund des nuklearen Gleichgewichtes schon in den frühen 1960er Jahren zunehmend als potentielle Bedrohung für die Friedensordnung betrachtet.
Auch Willy Brandt wollte die Ablehnung des Regimes der DDR nicht aufgeben. Jedoch sah sein Konzept der „neuen Ost-Politik“ die Aufnahme von Gesprächen vor:
Staats- jedoch nicht völkerrechtliche Anerkennung der DDR: Es wurde zwar die Existenz zweier Staaten anerkannt, die jedoch für einander nicht Ausland sein können.
Der bisherige Alleinvertretungsanspruch wurde mit der neuen Ost-Politik aufgegeben.
Die vom Ostblock geforderte Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE) wurde von westlicher Seite als positiver Schritt in die richtige Richtung aufgenommen.
Es wurden ein Atomwaffensperrvertrag sowie die Grundlagen für eine Abrüstungspolitik entwickelt.
In der Folge kam es unter Bundeskanzler Willy Brandt zu zahlreichen diplomatischen Fortschritten, die als „Ostverträge“ bekannt sind wie beispielsweise:
Im Moskauer Vertrag vom 12. August 1970 verpflichteten sich die Bundesrepublik und die Sowjetunion zur Erhaltung des Friedens sowie zur Förderung der Entspannung in Europa. Zu diesem Zweck wurde die Oder-Neiße-Grenze zur Volksrepublik Polen anerkannt und die Grenzen zwischen den beiden deutschen Staaten für unverletzlich erklärt.
Im Warschauer Vertrag vom 07. Dezember 1970 sicherte die Bundesrepublik Inhalte der Potsdamer Konferenz der Siegermächte zu und verzichtete in Ergänzung zur Unverletztlichkeit der Oder-Neiße-Grenze auf jegliche Gebietsansprüche gegenüber Polen. Am Tag der Ratifizierung dieses Vertrages kam es zum berühmten Kniefall von Willy Brandt in Warschau.
Im Viermächteabkommen vom 03. September 1970 einigten sich die Siegermächte über den Status von Berlin und vereinbarten, dass Änderungen nur durch gemeinsame Beschlüsse zulässig sind.
Im Transitabkommen vom 17. Dezember 1971 wurde ein erster Vertrag auf Regierungsebene zwischen der Bundesrepublik und der DDR geschlossen. Darin wurde die Visa-Vergabe sowie die Kontrollen von Personen geregelt. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die Kosten für die Transitwege über jährliche Pauschalen von der Bundesrepublik getragen werden.
Im Grundlagenvertrag vom 21. Dezember 1972 wurden die Beziehungen der zwei deutschen Staaten in zehn Artikeln weiterentwickelt. Wesentlicher Bestandteil war die Einrichtung von Ständigen Vertretungen. Das waren funktionale Äquivalente zu Botschaften, die man wegen der besonderen Beziehung eben anders nannte.
Im Prager Vertrag vom 11. Dezember 1973 wurde die Nichtigkeit des Münchener Abkommens von 1938 erklärt. Damit verzichtete die Bundesrepublik gegenüber der Tschechoslowakei auf das Sudetengebiet.
Innerhalb von West-Deutschland stieß die neue Ost-Politik von Willy Brandt jedoch auch auf große Widerstände. Das Bundesverfassungsgericht wies jedoch entsprechende Klagen zurück.
Für die internationalen Beziehungen war die neue Ost-Politik von Willy Brandt jedoch ein Meilenstein. Zusammen mit der DDR wurde die Bundesrepublik am 18. September 1973 als neue Mitglieder in die Vereinten Nationen aufgenommen.
Die Ost-Verträge von Willy Brandt erwiesen sich schon bald auch als wirtschaftlicher Segen. Der Außenhandel mit den Ländern der Sowjetunion stieg von 1970 bis 1980 fast um das Vierfache. Dieses Wachstum leistete einen wichtigen Beitrag, dass die Bundesrepublik besser als andere Industrienationen die Ölkrisen und die Stagflation ab Mitte der 1970er Jahre überstand.
Kniefall von Warschau am 07. Dezember 1970
Am 07. Dezember 1970 besuchte Willy Brandt die Stadt Warschau und nahm an einer Gedenkveranstaltung für die Toten des Warschauer Ghettos teil. Dort hatten die Bewohner nach der Besetzung durch das Dritte Reich unter so grausamen Bedingungen zu leiden, dass es ab dem 19. April 1943 zu einem quasi unbewaffneten Aufstand kam.
Mit einer Handvoll Pistolen und Gewehren erhob sich die Bevölkerung gegen die Panzer der SS und die polnischen Kollaborateure in den Diensten der Nazis:
Bereits bei den mehrwöchigen Kämpfen wurden etwa 12.000 Polen getötet.
Weitere 30.000 Polen wurden anschließend erschossen.
Nochmal 7.000 Polen deportierten die Nazis in Vernichtungslager.
Der Tag des Besuches von Willy Brandt am Mahnmal des Aufstandes war bewusst gewählt. Denn zeitgleich wurde der Warschauer Vertrag ratifiziert, in dem die Bundesrepublik auf jegliche Gebietsansprüche gegenüber Polen verzichtet.
Willy Brandt war von der Szene so berührt, dass er in einer spontanen Geste vor dem Mahnmal auf die Knie fiel. Damit hob er sich entscheidend vom üblichen Verhalten eines Regierungschefs ab und machte ein einmaliges politisches Statement. Ein Journalist des Nachrichten-Magazins DER SPIEGEL schrieb anschließend:
„Wenn dieser nicht religiöse, für das Verbrechen nicht mitverantwortliche, damals nicht dabeigewesene Mann nun dennoch auf eigenes Betreiben seinen Weg durchs ehemalige Warschauer Ghetto nimmt und dort niederkniet – dann kniet er da also nicht um seinetwillen. Dann kniet er, der das nicht nötig hat, da für alle, die es nötig haben, aber nicht da knien – weil sie es nicht wagen oder nicht können oder nicht wagen können. Dann bekennt er sich zu einer Schuld, an der er selber nicht zu tragen hat, und bittet um eine Vergebung, derer er selber nicht bedarf. Dann kniet er da für Deutschland.“
Mit einer einfachen Geste wandelte Willy Brandt das Image der Deutschen in der Welt. Auch in Polen wurde der Kniefall von Warschau als wichtiges Symbol der Versöhnung angenommen. In Erinnerung an diesen Moment wurde der Ort in „Willy-Brandt-Platz“ umbenannt.
Misstrauensvotum von Rainer Barzel 1972
Das Grundgesetz sieht vor, dass ein deutscher Bundeskanzler von einer arbeitsfähigen Mehrheit im Parlament gewählt wird. Die sehr knappe Mehrheit von Willy Brandt bestand 1969 aus einer Koalition von der SPD mit der FDP, während CDU/CSU die einzige Oppositionspartei im Bundestag war.
Zur Verhinderung von instabilen Verhältnissen kann gemäß der deutschen Verfassung nur eine andere Mehrheit einen neuen Kanzler wählen. Dieser Mechanismus wird als „konstruktives Misstrauensvotum“ bezeichnet.
Tatsächlich setzte bereits seit 1970 ein schleichender Wandel der Mehrheit im Bundestag ein, weil drei Abgeordnete von der FDP zur CDU wechselten. Zwei Jahre später schloss sich ein Sozialdemokrat der Union an.
Am 23. April 1972 wechselte dann noch ein FDP-Mann zu den Christdemokraten. Zwei weitere Liberale erklärten daraufhin öffentlich, dass sie bei einem Misstrauensvotum gegen ihren Kanzler Willy Brandt stimmen würden.
Die Union rechnete deshalb mit 249 Stimmen bei einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Willy Brandt. Das war rechnerisch gerade ausreichend, um den SPD-Kanzler durch Rainer Barzel zu ersetzen, den Kandidaten von CDU/CSU.
„Wer Regierungsmacht auf dieser moralischen Grundlage aufbauen will, der baut auf Sand.“ (Walter Scheel)
Nach einer emotionalen Aussprache im Bundestag kam es schließlich zur Abstimmung. Aber völlig überraschend erhielt Rainer Barzel nur 247 Stimmen, denn er hatte nicht mit einer Intervention des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) gerechnet.
Die Führung der DDR um Erich Honecker zog es angesichts der neuen Ost-Politik einfach vor, mit Willy Brandt statt mit Leuten wie Franz Josef Strauß zu arbeiten. Die Stasi bestach deshalb unter dem Decknamen „Unternehmen Brandtschutz“ zwei Abgeordnete der CDU/CSU.
Wahrscheinlich erhielten Julius Steiner sowie Leo Wagner, ein enger Freund von Franz Josef Strauß, jeweils 50.000 DM. Die genauen Zusammenhänge sind jedoch bis heute nicht bekannt. Als sicher gilt nur, dass der SPD-Politiker Egon Bahr direkt angesprochen wurde, aber von seiner Seite aus den Eingriff des fremden Geheimdienstes ablehnte.
Besuch des Staates Israel im Juni 1973
Kanzler Ludwig Erhard fällte während seiner dreijährigen Amtszeit nur eine Entscheidung auf Basis seiner Richtlinienkompetenz: Auf seine Initiative hin nahm die Bundesrepublik im Jahr 1965 diplomatische Beziehungen zu dem jungen Staat Israel auf.
Doch Willy Brandt war der erste Kanzler, der Israel einen persönlichen Besuch abstattete beziehungsweise dort empfangen wurde. Im Jahr 2013 wurde ein spannendes Details über diesen Besuch öffentlich.
Die israelische Ministerpräsidentin Golda Meir bat Willy Brandt persönlich um Geheimverhandlungen mit Ägypten über den Sinai. Die Israelis wollten über verdeckte Kanäle ihren Friedenswillen kommunizieren.
Willy Brandt delegierte diese Aufgabe jedoch an das Auswärtige Amt, wo man den Wunsch der Israelis nicht verfolgte. Tatsächlich kam es dann nur wenige Monate später im Oktober 1973 zum Jom-Kippur-Krieg, den Israel nur knapp überstand.
Guillaume-Affäre und Rücktritt 1974
Bereits im Jahr 1972 beförderte Willy Brandt den Referenten für Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik im Bundeskanzleramt Günter Guillaume zu seinem persönlichen Referenten. Hintergrund für diesen Aufstieg war das hohe Engagement und Organisationstalent des SPD-Mannes.
Willy Brandt mit Günter Guillaume (Ludwig Wegmann / Lizenz: Bundesarchiv, B 145 Bild-F042453-0011 / CC-BY-SA 3.0)
Günter Guillaume gehörte in der Folge zum engsten Kreis um Kanzler Willy Brandt und erhielt auch Zugang zu geheimen Akten. Darüber hinaus begleitete Guillaume den Bundeskanzler selbst im Urlaub und gewann damit einen tiefen Einblick in die Privatsphäre des west-deutschen Regierungschefs.
Doch Günter Guillaume war bereits seit 1954 als „IM Hansen“ im Dienste des ost-deutschen Ministeriums für Staatssicherheit tätig. Von der Stasi hatte er eine mehrmonatige nachrichtendienstliche Ausbildung sowie ein Startkapital von 10.000 DM für ein Leben in der Bundesrepublik erhalten.
Günter Guillaume lieferte jedoch kaum wertvolles Material. Die Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) unter dem legendären Spymaster Markus Wolf hielt IM Hansen für eine Quelle von geringem Wert, wie aus den Unterlagen der Behörde hervorgeht. Guillaume berichtete vor allem über Klatsch und Tratsch für den sich wohl eher die Boulevard-Medien interessiert hätten. Aber er hielt sich zumindest selbst für außerordentlich wichtig.
Schon 1973 nahm der west-deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) die Spur von Günter Guillaume auf. Der Auslöser war die erfolgreiche Dechiffrierung von Funksprüchen, die zu diesem Zeitpunkt bereits 17 Jahre alt waren. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) informierte daraufhin Willy Brandt am 29. Mai 1973 über den Verdacht.
Im engsten Zirkel wurde beschlossen, dass man Günter Guillaume zunächst gewähren ließ, um weitere Beweise zu sammeln. IM Hansen war jedoch so unwichtig, dass fast ein Jahr verging, bis entschieden wurde, ihn dann doch irgendwann mal aus dem Verkehr zu ziehen.
Am 24. April 1974 wurde IM Hansen dann mit seiner Frau IM Heinze verhaftet, obwohl immer noch kaum verwertbare Beweise vorlagen. Die west-deutschen Dienste hatten nur die diffuse Hoffnung, dass die Generalbundesanwaltschaft das Problem schon irgendwie für sie lösen würde. Aber Günter Guillaume ließ sich bei seiner Verhaftung zu einem denkbar dummen Spruch hinreißen, der für eine Verurteilung wegen Landesverrat reichte:
„Ich bin Offizier der Nationalen Volksarmee der DDR und Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Ich bitte, meine Offiziersehre zu respektieren.“
Dieser Pathos brachte Günter Guillaume eine Haftstrafe von 13 Jahren ein. Er wurde dann allerdings schon 1981 im Rahmen eines Austausches von Agenten an die DDR übergeben und schwelgte dort in seinem doch etwas lächerlichen Selbstbild.
Ein Zirkel von hochrangigen Beamten der west-deutschen Sicherheitsdienste war nach der Verhaftung von Günter Guillaume jedoch überzeugt, dass pikante Details über den Alkoholkonsum und das Sexleben von Willy Brandt den Kanzler erpressbar machen könnte. Sie traten mit diesen Befürchtungen an SPD-Politiker wie Herbert Wehner heran.
Am Ende dieser Geheimniskrämerei stand der Rücktritt von Willy Brandt als Bundeskanzler am 07. Mai 1974. Nach der Überzeugung seines langjährigen Weggefährten und Nachfolgers Helmut Schmidt waren jedoch schwere Depressionen das eigentliche Motiv für den Rücktritt. Die Agenten-Affäre war wohl letztlich nur ein Vorwand.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Kurt Georg Kiesinger war der dritte deutsche Bundeskanzler und regierte von 1966 bis 1969. Er wurde von politischen Weggefährten für sein diplomatisches Geschick sehr geschätzt. Doch Kiesinger galt aufgrund seiner Mitgliedschaft in der NSDAP auch als Inbegriff eines Alt-Nazis, der in der Bundesrepublik seine Karriere fortsetzen konnte.
Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (Jens Gathmann / Bundesarchiv, B 145 Bild-F024017-0001 / CC-BY-SA 3.0)
Für die 68er Bewegung wurde Kurt Georg Kiesinger durch die Einführung der Notstandsgesetze sowie einem Gesetz zur Verjährung von NS-Verbrechen endgültig zum Feindbild. Während seiner Kanzlerschaft kam es zur Gründung der RAF und damit dann zum bewaffneten Widerstand der Außerparlamentarischen Opposition.
Doch unter Kurt Georg Kiesinger konsolidierte sich auch die Ökonomie nach der Stahlkrise von 1966. In der Folge wurden soziale und wirtschaftspolitische Reformen wie das Stabilitätsgesetz und die einheitliche Lohnfortzahlung im Krankheitsfall realisiert.
Darüber hinaus konnte der damalige Außenminister und spätere Kanzler Willy Brandt die Grundlagen für die neue Ost-Politik entwickeln. Dennoch präsentierte sich Kurt Georg Kiesinger immer wieder als erzkonservativer Politiker.
Statt die eigenen Erfolge in der Vordergrund zu stellen, beschwor der Kanzler bei der Bundestagswahl von 1969 eine Gefahr durch Kommunisten. Mit diesem Ansatz führte Kiesinger die CDU/CSU in eine Niederlage.
Die Union blieb zwar stärkste Kraft. Aber die SPD konnte mit der FDP eine sozialliberale Regierung bilden und einen neuen Kanzler wählen. Die Christdemokraten wurden auf Bundesebene erstmals in die Opposition gedrängt.
In der Folge kam es zu gehässigen Äußerungen von Kurt Georg Kiesinger gegen die Liberalen. Diese verbalen Aussetzer schadeten seinem persönlichen Ansehen auch unter Parteifreunden. Es blieb nur noch das schale Bild eines charakterlosen Karrieristen.
„Die traurige Wahrheit ist, dass das meiste Böse von Menschen gemacht wird, die sich zwischen Böse und Gute nicht entschieden haben.“ (Hannah Arendt)
Entsprechend einheilig ist die meine Meinung in jüngeren Publikationen, dass Kiesinger kein überzeugter oder gar fanatischer Nazi war. Vielmehr hätte er wohl jedem Regime als „Mitläufer“ gedient und war auch um wenig überzeugende Ausreden nicht verlegen.
Kurt Georg Kiesinger und die NSDAP
Kurt Georg Kiesinger wurde am 06. April 1904 in Ebingen in Württemberg geboren. Er entstammte einer liberalen kleinbürgerlichen Sippe. Aufgrund seiner familiären Verhältnisse wurde Kiesinger in jungen Jahren von beiden christlichen Konfessionen geprägt. Er bezeichnete sich selbst als „evangelischen Katholiken“.
In seiner Jugend verfasste Kiesinger einige Gedichte über den Niedergang Deutschlands durch den Vertrag von Versailles. Im April 1925 durfte er dann erstmals an der Wahl des Reichspräsidenten teilnehmen und gab seine Stimme Paul von Hindenburg.
Im darauffolgenden Jahr konnte Kurt Georg Kiesinger sein Abitur in Tübingen nachholen. Dabei besuchte er auch Vorlesungen des rechten Professors für mittelalterliche Geschichte Johannes Haller. Der Akademiker war ein erklärter Feind der Demokratie und gehörte zu den frühen Unterstützern der Nationalsozialisten.
Studentenverbindung & Herrenklub
1926 zog Kurt Georg Kiesinger nach Berlin, um dort Rechts- und Staatswissenschaften zu studieren. Für seine Studentenverbindung, die katholische Ascania, organisierte er Vortragsabende. In diesem Rahmen lernte Kiesinger auch alte Herren wie den damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer kennen.
1931 legte Kurt Georg Kiesinger sein erstes Staatsexamen mit der Note „sehr gut“ ab. Anschließend begann er ein unbezahltes Referendariat am Amtsgericht Köpenick und verdiente sich sein Auskommen durch Nachhilfestunden für Jurastudenten.
Inzwischen gehörte Kurt Georg Kiesinger selbst zu den alten Herren der Verbindung. Im Rahmen von internen Diskussionen wurde der Aufsteiger aus kleinbürgerlichen Verhältnissen zum frühen Verfechter eines Schwenks nach rechts.
In der Folge schloss sich Kurt Georg Kiesinger auch dem Deutschen Herrenklub an. Das war eine Organisation von rechtsextremen Adeligen und Industriellen mit prominenten Mitgliedern wie Franz von Papen, der 1932 ein Präsidialkabinett bildete.
Der Deutsche Herrenklub betätigte sich dabei als ein gesellschaftlicher Türöffner für die Proleten der NSDAP und verschaffte ihnen Zugang zu gehobenen Kreisen der Konservativen. Der Schriftsteller Thomas Mann bezeichnete die Organisation als „Schrittmacher des Elends“.
Eintritt in die NSDAP im Februar 1933
Als Adolf Hitler am 30. Januar 1933 durch Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde, gab es noch einen Unvereinbarkeitsbeschluss seitens der Ascania hinsichtlich einer Mitgliedschaft in der NSDAP. Kurt Georg Kiesinger setzte sich über diesen Beschluss seiner Verbindung hinweg. Er schloss sich bereits Ende Februar 1933 der Nazi-Partei an und erhielt die Mitgliedsnummer 2.633.930.
Kurt Georg Kiesinger trat auch in die SA ein und schloss sich dem Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps an. Im nachhinein machte er zu seinen Motiven ganz unterschiedliche Angaben.
In seinen Memoiren behauptete Kurt Georg Kiesinger beispielsweise, dass er die Ideologie der NSDAP durch seinen Beitritt verändern wollte. Im offenen Widerspruch dazu erzählt er in eben diesen Memoiren auch, er habe anfangs ja gar nichts von seinem Eintritt in die Partei gewusst, bis er irgendwann eine Aufforderung zur Zahlung von Mitgliedsbeiträgen erhalten habe.
Biographen halten diese Angaben von Kurt Georg Kiesinger über seine Mitgliedschaft in der NSDAP für unglaubwürdig. Auch die spätere Tätigkeit als Blockwart für die Nazis in den Jahren 1939/40 werfen ein anderes Licht auf seine damalige Haltung.
Funktionär der Deutschen Studentenschaft
Am 08. Juli 1933 veröffentlichte das NS-Regime einen Erlass zur Gleichschaltung aller studentischen Verbindungen. Das Führer-Prinzip wurde übertragen. Auf dieser Basis schuf man die Rolle des „Kooperationsführers“ an der Spitze einer jeden Verbindung.
Schon drei Wochen später ernannte man Kurt Georg Kiesinger zum Kooperationsführer der Ascania. In dieser Funktion trieb er die Gleichschaltung voran. Beispielsweise kam es zur Einführung des Ariernachweises.
Darüber hinaus wurde eine neue Zeitung für die Studentenverbindung gegründet. Schon in der ersten Ausgabe vom 22. September 1933 erschien ein Artikel aus der Hand von Kurt Georg Kiesinger, in dem er die Entwicklung zur NS-Diktatur ausdrücklich begrüsste.
Des Weiteren war dieser ersten Ausgabe der neuen Zeitung ein Fragebogen beigelegt. Darin sollten die Mitglieder der Verbindung persönliche Daten angeben:
Engagement in der Verbindung
Militärdienst und Kriegsauszeichnungen
Status der Wehrtauglichkeit
Mitgliedschaft in der NSDAP (inkl. Partei-Nummer)
Mitgliedschaft in SA, SS oder Stahlhelm
Religion des Mitglieds sowie der Vorfahren (drei Generationen)
Innerhalb der Studentenverbindung löste dieser Fragebogen einen Aufschrei aus. Doch Kurt Georg Kiesinger schob jegliche Verantwortung von sich und blieb trotz der Proteste auf seinem Posten als Kooperationsführer der Verbindung.
Nach und nach wurden die Mitglieder der Verbindung dann auch gezwungen, Teile ihres privaten Wohnraums für Kameradschaften zur Verfügung zu stellen. Bis Anfang 1937 war die Gleichschaltung soweit vorangetrieben worden, dass sich die Ascania als katholische Studentenverbindung auflöste.
Referatsleiter im Reichsaußenministerium
Als Kurt Georg Kiesinger im Jahr 1940 einberufen wurde, nutzte er sein persönliches Netzwerk. So konnte er sich auf eine Stelle im Reichsaußenministerium retten und dem Wehrdienst entgehen.
Kurt Georg Kiesinger stieg im Reichsaußenministerium zum stellvertretenden Leiter der Rundfunkpolitischen Abteilung auf. Damit war er der Verbindungsmann zum Propagandaministerium. Neben der Manipulation von ausländischem Rundfunk gehörte es dort zu seinen Aufgaben, sich mit dem Ministerium von Joseph Goebbels um Kompetenzen zu streiten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Kurt Georg Kiesinger diese Tätigkeit abgestritten. Aus den Unterlagen der Behörde geht jedoch eindeutig hervor, dass er sogar als Leiter zweier Referate arbeitete und damit Teil der höheren Funktionselite war.
Zu seiner Verteidigung wird angeführt, dass Kurt Georg Kiesinger am 07. November 1944 von zwei Untergebenen beim Sicherheitsdienst der SS denunziert wurde. Der Vorwurf der Mitarbeiter lautete, dass „der […] jetzige stellvertretende Abteilungsleiter Kiesinger, […] die antijüdische Aktion hemmt.“
Aber es passt natürlich nicht zusammen, dass Kurt Georg Kiesinger angeblich Maßnahmen gegen Juden störte, obwohl er an anderer Stelle ebenfalls zu seiner Verteidigung behauptet, er hätte den Judenhass der Nazis „nicht als ernsthafte Gefahr“ eingeschätzt.
Darüber hinaus ließ Kurt Georg Kiesinger diese Quelle unmittelbar vor seiner Wahl zum Kanzler manipulieren. Das Schreiben der Denunzianten wurde als Protokoll des Sicherheitsdienstes dargestellt und damit in ein völlig anderes Licht gerückt. Kiesinger verteilte diese manipulierte Version dann 1966 als Beweis seiner Rechtschaffenheit in der Fraktion im Bundestag.
18 Monate Haft für den „Mitläufer“
Kurt Georg Kiesinger wurde am 30. April 1945 von den Amerikanern verhaftet. Die Alliierten zählten ihn zu jenen Funktionären der NSDAP, die grundsätzlich verdächtig waren.
Er befand sich zunächst für 18 Monate in Lagerhaft. Im Rahmen der Entnazifizierung wurde Kurt Georg Kiesinger als „Mitläufer“ eingestuft.
Damit galt Kurt Georg Kiesinger formal als „minderbelastete Person“. Solche Leute sollten eigentlich Geldstrafen oder Berufsverbote erhalten. Wie viele Alt-Nazis trieb Kiesinger jedoch die gänzliche Befreiung von jeglichen Vorwürfen voran.
1948 hatte der ehemalige Blockwart dann juristischen Erfolg. Ein Spruchkammergericht entlastete ihn vollständig. Anschließend wurde Kiesinger zunächst als Anwalt tätig.
Politiker der Nachkriegsjahre
Mitglied des Bundestags (1949 bis 1959)
Schon ein Jahr nachdem sich Kurt Georg Kiesinger mit Hilfe eines Gerichtes von seiner Nazi-Vergangenheit löste, wurde er für die CDU in den ersten deutschen Bundestag gewählt. Dabei erzielte er im Wahlkreis Ravensburg ein sehr hohes Ergebnis von über 70 % der Stimmen und errang damit ein Direktmandat.
Kiesinger zeichnete sich als MdB durch seine hervorragende Rhetorik aus. Als Unterstützer der frankophilen Außenpolitik von Adenauer lieferte er sich berühmte Duelle mit dem ebenfalls sehr eloquenten Fritz Erler von der SPD.
Kurt Georg Kiesinger bemühte sich sehr aktiv um inhaltliche Schnittmengen mit der Opposition. Ihm wurde deshalb der Vorsitz des Vermittlungsausschusses zur Schaffung des Bundesverfassungsgerichtes übertragen.
Von 1954 bis 1957 war Kurt Georg Kiesinger außerdem auch der Vorsitzende der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft. Das ist eine überparteiliche Organisation von Abgeordneten der Landes-, der Bundes- und der europäischen Ebene.
Darüber hinaus war Kiesinger von 1956 bis 1958 auch Mitglied des Europaparlamentes. Zeitweise fungierte er als Fraktionsvorsitzender der EVP, der Vereinigung der konservativen Parteien auf der europäischen Ebene.
Ministerpräsident von BW (1958 bis 1966)
Im Jahr 1958 wechselte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg Gebhard Müller als Präsident an das Bundesverfassungsgericht. Kurt Georg Kiesinger hatte zu diesem Zeitpunkt auch ein Mandat des Landtages und wurde als Nachfolger gewählt.
Sein vorläufiger Abschied aus der Bundespolitik hatte jedoch auch einen weiteren Grund. Kurt Georg Kiesinger hatte nach der Bundestagswahl von 1957 nämlich keinen Posten in der Regierung von Konrad Adenauer erhalten.
Die Rolle als Ministerpräsident von Baden-Württemberg war deshalb ein attraktiver Trostpreis für den Karrieristen. Seine Nachfolge sollte im Jahr 1966 mit Hans Filbinger ein weiterer Alt-Nazi antreten, der zwar als Richter für das NS-Regime Todesurteile gefällt hatte, sich selbst aber natürlich ebenfalls für gänzlich unschuldig hielt.
Bundeskanzler Kiesinger (1966 bis 1969)
Rücktritt von Erhard und Koalition mit SPD
Während der Kanzlerschaft von Ludwig Erhard erlebte die west-deutsche Wirtschaft einen unerwarteten Abschwung. Aufgrund einer weltweiten Überproduktion kam es zur Stahlkrise von 1966. Diese fand insbesondere in NRW einen heftig politischen Niederschlag.
Aufgrund von geplanten Steuererhebungen ließ die FDP deshalb die Regierungskoalition mit der CDU/CSU platzen. Erhard signalisierte aus diesem Grund ab dem 02. November 1966 seine Bereitschaft zum freiwilligen Rücktritt.
Damit war die Stunde des aalglatten Kurt Georg Kiesinger gekommen. Als respektierter Verhandler schmiedete „Häuptling Silberzunge“ ein Bündnis mit der SPD-Fraktion im Bundestag. Die erste große Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik kam zustande.
Am 01. Dezember 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger dann mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD zum neuen deutschen Bundeskanzler gewählt. Nach der Abstimmung nutzte der Mitläufer seine Regierungserklärung, um erstmal gegen den Vorgänger nachzutreten.
Dennoch konnte die Regierung von Kurt Georg Kiesinger in den folgenden drei Jahren fast alle der gesteckten Ziele erreichen. Prägenden Einfluss hatte dabei die Arbeit des Fraktionsvorsitzenden der SPD und späteren Kanzlers Helmut Schmidt.
Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967
Am 08. Juni 1967 konnte die Regierung von Kanzler Kurt Georg Kiesinger das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums (StabG) verabschieden. Damit wurde das bereits in Art. 109 Grundgesetz formulierte Staatsziel vom gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht konkretisiert.
Die Ziele des Stabilitätsgesetzes formulierte man als Magisches Viereck:
Preisniveaustabilität
Hoher Beschäftigungsstand
Außenwirtschaftliches Gleichgewicht
Stetes und angemessenes Wirtschaftswachstum
Das Stabilitätsgesetz stellte darüber hinaus zwei wichtige Instrumente zur Reaktion auf konjunkturelle Schwankungen bereit. Im Grundsatz verfolgte die Bundesregierung damit eine antizyklische Wirtschaftspolitik:
Die Konjunkturausgleichsrücklage diente der Sammlung von überschüssigen Steuern während einer Hochkonjunktur. Auf dieser Grundlage wurden in guten Zeiten finanzielle Rücklagen gebildet, um in schlechten Zeiten gezielte Maßnahmen zur Wirtschaftsförderung direkt bezahlen zu können.
Der Konjunkturzuschlag hingegen ist ein Instrument, um in Wachstumsphasen bestimmte Steuern zu erhöhen, die dann in schwachen Phasen gesenkt werden können.
Darüber hinaus wurde im Rahmen des StabG auch die mittelfristige Finanzplanung eingeführt. Zu diesem Zweck bildeten die Finanz- und Wirtschaftsminister von Bund und Ländern den Finanzplanungsrat.
Dieser Rat wurde inzwischen im Jahr 2010 durch den Stabilitätsrat abgelöst, der nach wie vor die Haushaltsführung von Bund und Ländern überwacht. Über dieses Gremium werden beispielsweise bei drohenden Haushaltsnotlagen die Sanierungsprogramme vereinbart. Die Beschlüsse des Rates werden veröffentlicht.
Das Stabilitätsgesetz aus der Zeit von Kurt Georg Kiesinger ist bis heute in Kraft. Aufgrund der Entwicklung des europäischen Binnenmarktes hat das StabG jedoch an Bedeutung verloren. Außerdem kritisieren insbesondere SPD und Grüne, dass das Gesetz nicht erfasst, inwiefern das Handeln des Staates auch nachhaltig ist.
Doch nach der Stahlkrise von 1966 konnte das StabG einen wichtigen Beitrag zur wirtschaftlichen Konsolidierung von West-Deutschland leisten. Der nächste konjunkturelle Tiefpunkt wurde dann erst im Rahmen der Ölkrise von 1974/75 erreicht.
Gemeinschaftsaufgaben des Bundes
Zur Wirtschaftspolitik der Regierung von Kurt Georg Kiesinger gehörte auch die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur als Gemeinschaftsaufgabe des Bundes. Das bedeutet, dass Bund und Länder gemeinsam in Regionen investieren können:
Förderung der gewerblichen Wirtschaft bei Errichtung, Ausbau, Umstellung oder grundlegender Rationalisierung.
Förderung der Infrastruktur, soweit diese für die regionale Wirtschaft notwendig ist.
Sonstige Maßnahmen wie Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen oder Unterstützung von regionalen Aktivitäten, soweit sie für die Wirtschaft notwendig sind.
Evaluierung von Maßnahmen sowie regionalpolitische Forschung.
Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Jahr 1900 wurde die gesetzliche Grundlage geschaffen, um die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu gewährleisten. Darüber hinaus gab es Vorgaben im Handelsgesetzbuch (HGB) sowie in der Gewerbeordnung (GewO).
Für Arbeiter und Angestellte ergaben sich daraus jedoch unterschiedliche Regelungen. Vor allem die „Abdingbarkeit“ der Gesetze für Arbeiter sorgte bereits in den 1950er Jahre für lange Streiks beispielsweise durch die Gewerkschaft IG Metall. Es bedeutete nämlich, dass Arbeitsverträge für Arbeiter von der gesetzlichen Norm abweichen konnten.
Vor dem Hintergrund der stabilisierten Wirtschaft konnte Kanzler Kurt Georg Kiesinger einen Kompromiss zur faktischen Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten aushandeln. Seitdem gilt in Deutschland ein unabdingbarer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Wochen.
Im Rahmen des Berufsbildungsgesetzes wurden dann auch Auszubildende gleichgestellt.
Notstandsgesetze vom 30. Mai 1968
Die große Koalition von Kurt Georg Kiesinger nahm mit den Notstandsgesetzen ein weiteres großes Vorhaben auf. Aufgrund der speziellen Erfahrungen mit solchen Gesetzen in Deutschland hatten die Mütter und Väter des Grundgesetzes dieses Thema noch ausgelassen. Dies hatte 1948/49 auch mit Vorbehalten der Besatzungsmächte zu tun.
„Es ist nicht wahr, daß diese Entwürfe dem Geist und Sinn des Grundgesetzes widersprächen. Wahr ist vielmehr, daß sie eine notwendige Ergänzung des Grundgesetzes aus seinem Geist und Sinn darstellen.“
(Kanzler Kurt Georg Kiesinger)
Die große Koalition von Kurt Georg Kiesinger verfügte über eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Deshalb nutzte man die bis dato historische Chance, um eine Notverfassung für außerordentliche Eingriffe während einer staatlichen Notsituation zu schaffen:
Außerdem bot sich mit dem Erlass der Notstandsgesetze eine sehr günstige Gelegenheit, die Souveränität der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Alliierten auszuweiten.
„Bisher hatten die Alliierten auch noch Rechte, die uns als Untermieter im eigenen Haus erscheinen ließen. Das soll jetzt geändert werden.“
Durch das Inkrafttreten der Notstandsgesetze kam es zu zahlreichen formalen Änderungen am Grundgesetz. Es wurden Artikel gestrichen, ergänzt, umformuliert oder auch neu eingefügt. Beispielsweise wurde in Artikel 20 Absatz 4 das Widerstandsrecht der Deutschen eingeführt:
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Dennoch waren die Notstandsgesetze von Kurt Georg Kiesinger innenpolitisch hoch umstritten. Ein Grund war, dass auch mögliche Einschränkungen von vier Grundrechten darin verankert wurden:
Artikel 10 (Post- und Fernmeldegeheimnis)
Artikel 11 (Freizügigkeit)
Artikel 12 (Berufsfreiheit)
Artikel 19 (Rechtswegsgarantie)
Das Inkrafttreten der Gesetze war von großen Demonstrationen begleitet. Beispielsweise kam es am 11. Mai 1968 zu einer Kundgebung des DGB sowie einem Sternmarsch auf Bonn. Diese Proteste verliefen noch weitgehend friedlich.
Große Strafrechtsreform von 1969
Bereits in den 1950er Jahren wurden Gutachten erstellt, um das deutsche Strafrecht zu modernisieren. Unter Kanzler Kurt Georg Kiesinger kam es dann zur Bildung eines Sonderausschusses im Bundestag. Dort wurden zwei Gesetzespakete entwickelt:
Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts (1. StrRG) vom 25. Juni 1969
Zweites Gesetz zur Reform des Strafrechts (2. StrRG) vom 4. Juli 1969
Vor allem der zweite Teil hatte besondere Bedeutung, weil der allgemeine Teil des Strafgesetzbuches (StGB) überarbeitet wurde. Die zentrale Änderung war, dass nur noch die Gefährdung oder Verletzung eines Rechtsgutes bestraft wurde.
In der Folge wurden eine Reihe von „unmoralischen“ Tatbeständen abgeschafft oder zumindest entschärft. Dies betraf vor allem die Sexualität. Beispielsweise war Ehebruch nicht mehr strafrechtlich relevant und die „Unzucht zwischen Männern“ wurde nicht mehr verfolgt.
Studentenbewegung und eine Ohrfeige
Die Regierung von Kurt Georg Kiesinger war gemessen an der Zahl der Arbeitsergebnisse sehr erfolgreich. Doch vor allem unter den Studenten wuchs die Wut. Ein Alt-Nazi als Regierungschef war insbesondere für linke Aktivisten inakzeptabel und zugleich auch ein Ausdruck der Verkommenheit des politischen Systems der Bundesrepublik.
Die deutsch-französische Journalistin und spätere Kandidatin der Linken für das Amt des Bundespräsidenten Beate Klarsfeld gehörte zu den wichtigsten Aktivisten gegen Kurt Georg Kiesinger. Bereits am 02. April 1968 hatte sie von der Besuchertribüne im Bundestag gerufen:
„Nazi, tritt zurück!“
Beate Klarsfeld wurde dafür abgeführt. Im Mai, wenige Wochen vor dem Inkrafttreten der Notstandsgesetze, warb sie auf einer Podiumsdiskussion im Audimax der TU Berlin dafür, Kurt Georg Kiesinger eine Ohrfeige zu verpassen.
Auf dem Parteitag der CDU am 07. November 1968 war dann ihre Stunde gekommen. Sie betrat die Bühne, schlug Kurt Georg Kiesinger ins Gesicht und rief: „Nazi, Nazi, Nazi!“
Beate Klarsfeld wurde noch am selben Tag in einem beschleunigten Verfahren zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Ihr Verteidiger war der berühmte Horst Mahler. Aufgrund ihres französischen Passes musste sie die Strafe jedoch nicht antreten.
Beate Klarsfeld verstand die Ohrfeige als einen Schlag in das „abstoßende Gesicht von zehn Millionen Nazis“. Der spätere Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll schickte ihr dafür einen Strauß roter Rosen nach Paris.
Dennoch gehörte Beate Klarsfeld zum friedlichen Teil der außerparlamentarischen Opposition und der Studentenbewegung gegen Kurt Georg Kiesinger. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Gründungsphase der Rote Armee Fraktion bereits begonnen. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten rollten mehrere Wellen des sozialrevolutionären Terrorismus über die Bundesrepublik.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Ludwig Erhard war bereits unter Konrad Adenauer der Bundesminister für Wirtschaft. Mit seiner Person wird der rasante Aufschwung der west-deutschen Wirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg verbunden, dem Wirtschaftswunder. Sein Markenzeichen war das Rauchen von Zigarren, manchmal 15 bis 20 Stück pro Tag.
Ludwig Erhard – Wohlstand für Alle (Adrian Doris / Lizenz: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004204-0003 CC-BY-SA 3.0)
Nach dem Rücktritt von Adenauer im Jahr 1963 wurde Ludwig Erhard zum zweiten deutschen Bundeskanzler gewählt. Sein Vorgänger wollte dies jedoch bis zuletzt verhindern. Der knochige Adenauer hielt den adipösen Erhard für „zu weich“.
Doch Ludwig Erhard wurde ebenso von der Mehrheit seiner Partei lediglich als „Zwischenlösung“ angesehen. Erhard regierte dann auch nur drei Jahre lang bis 1966. Tatsächlich sollte er als Bundeskanzler keine Führer-Figur sein.
Von ihm kam nur eine echte Entscheidung auf Basis der Richtlinienkompetenz. Ohne formale Zustimmung des Kabinetts nahm Ludwig Erhard Verhandlungen mit Israel auf, um diplomatische Beziehungen zu etablieren. Zahlreiche Staaten im Nahen Osten brachen daraufhin den Kontakt zu der jungen Bundesrepublik ab.
Im Jahr 1966 kam es darüber hinaus zu einer unvorhergesehenen Rezession der deutschen Wirtschaft, der Stahlkrise. Dieser Abschwung beschädigte die Autorität von Ludwig Erhard nachhaltig. Führende Politiker seiner Partei versagten ihm den Rückhalt. Die FDP-Minister in seinem Kabinett traten aus Protest gegen geplante Steuererhöhungen zurück.
Ludwig Erhard signalisierte aus diesem Grund ab dem 02. November 1966 seine persönliche Bereitschaft zum Rücktritt. Die Fraktion von CDU/CSU im Bundestag einigte sich auf Kurt Georg Kiesinger als neuen Kanzlerkandidaten. Dieser konnte eine große Koalition mit der SPD schmieden und wurde am 01. Dezember 1966 zum dritten Kanzler der Bundesrepublik gewählt.
Kiesinger nutzte dann seine Regierungserklärung vom 13. Dezember 1966, um mit Ludwig Erhard abzurechnen: „Der Bildung dieser Bundesregierung […] ist eine lange, schwelende Krise vorausgegangen, deren Ursachen sich auf Jahre zurückverfolgen lassen.“
Ludwig Erhard blieb jedoch anschließend noch bis zu seinem Tod am 05. Mai 1977 ein Mitglied des deutschen Bundestages.
Erhard – der Wirtschaftswissenschaftler
Ludwig Erhard wurde am 04. Februar 1897 in Fürth geboren. Er war das zweite von vier Kindern und wurde evangelisch getauft. Im Alter von zwei Jahren erkrankte er an Polio und hatte deshalb einen deformierten Fuß.
Ludwig Erhard besuchte zunächst die Volks- und Realschule. Anschließend begann er eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, die er im Jahr 1916 abschloss.
Schwere Verwundung im Ersten Weltkrieg
Ludwig Erhard kam nach dem Abschluss seiner Lehre zur Bayerischen Armee. Dort wurde der junge Mann einem Regiment der Feld-Artillerie zugeteilt und zunächst in Rumänien eingesetzt.
Im Jahr 1918 wurde Ludwig Erhard an die Westfront verlegt. Ende September, nur etwa zwei Monate vor dem Ende des Ersten Weltkrieges, wurde Erhard in der Nähe des flandrischen Ypern das Opfer einer Handgranate.
Die Ärzte mussten Ludwig Erhard siebenmal operieren. Sein Kriegstrauma konnte er jedoch nie endgültig überwinden. Das lange Stehen während eines Arbeitstages im Geschäft seines Vaters war ebenfalls nicht mehr möglich.
Akademische Karriere in den 1920ern
Nach der Verwundung schied Ludwig Erhard im Jahr 1919 als Unteroffizier und Offiziersanwärter aus der Armee aus. Er begann daraufhin ohne Abitur ein Studium an der Handelshochschule Nürnberg zum Diplom-Kaufmann.
Anschließend studierte Ludwig Erhard noch BWL und Soziologie an der Universität Frankfurt. Schließlich promovierte er bei dem renommierten Ökonom und Soziologen Franz Oppenheimer. Seine Doktorarbeit trug den Titel: „Wesen und Inhalt der Werteinheit“.
Zunächst wurde Ludwig Erhard dann Geschäftsführer des Betriebes seiner Eltern. Im Jahr 1928 wechselte er jedoch als Assistent zum Institut für Wirtschaftsbeobachtung der deutschen Fertigware. Dort stieg Erhard später bis zum stellvertretenden Leiter auf.
Entgegen des damals vorherrschenden Protektionismus setzte sich Ludwig Erhard für die Öffnung der Märkte ein. Dabei forderte er die Steigerung der Produktion von Verbrauchsgütern und die freie Bildung von Preisen.
Werdegang im Dritten Reich
Ab 1933 war Ludwig Erhard ein Lehrbeauftragter an der Handelshochschule Nürnberg. Er versuchte sich dort an einer Habilitation, an der er nach seinen späteren Angaben von den Nazis gehindert wurde.
Volker Hentschel, Historiker und Biograph von Ludwig Erhard, bezweifelt dessen Aussagen jedoch. Die Nationalsozialisten hatten kein inhaltliches Problem mit der Arbeit des Wirtschaftswissenschaftlers.
Als Assistent von Wilhelm Vershofen organisierte Erhard das erste Marketing-Seminar Deutschlands am Institut für Wirtschaftsbeobachtung. Daraus gingen später die Akademie für Absatzwirtschaft und die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hervor.
Wirtschaftspolitischer Berater im Krieg
Während des Zweiten Weltkrieges war Ludwig Erhard als Berater für Wirtschaftspolitik tätig. Dabei beriet er die Nationalsozialisten zunächst hinsichtlich der wirtschaftlichen Integration der annektierten Gebiete von Österreich, Polen und Lothringen.
Ab 1942 beschäftigte sich Ludwig Erhard mit der Planung der Wirtschaft nach dem Krieg. Die abschließende Fassung seiner Denkschrift sandte Erhard an den SS-Gruppenführer Otto Ohlendorf, der 1951 als Kriegsverbrecher hingerichtet wurde.
Doch Ludwig Erhard sandte eine zweite Fassung seiner Arbeitsergebnisse auch an Carl Friedrich Goerdeler. Das war ein prominenter Verschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler. Im Falle eines Erfolges wäre Goerdeler einer der zivilen Köpfe der dann folgenden Regierung geworden.
Bundesminister für Wirtschaft (1949 bis 1963)
Ludwig Erhard galt nach dem Krieg als unbelasteter Fachmann. Darüber hinaus war Erhard zunächst noch parteilos und gelangte so schnell in bedeutende Ämter.
Der amerikanische Militärgouverneur ernannte Ludwig Erhard bereits im Oktober 1945 zum bayerischen Staatsminister für Handel und Gewerbe. Nach dem Zusammenschluss der amerikanischen und der britischen Besatzungsgebiete zur Bizone wurde Erhard in eine Komission für Geld und Kredite berufen.
Ludwig Erhard betreute in dieser Rolle die Vorbereitung der Währungsreform von 1948. Dabei ging es um die Einführung der D-Mark als einzigem gesetzlichen Zahlungsmittel in den Gebieten der drei westlichen Besatzungsmächte, der Trizone.
Direktor des Wirtschaftsrates der Trizone
Am 02. März 1948 wurde Ludwig Erhard auf Vorschlag der FDP zum Direktor der Verwaltung für Wirtschaft im Vereinigten Wirtschaftsgebiet gewählt. Damit war er bereits zu diesem Zeitpunkt der faktische Wirtschaftsminister auf dem Gebiet der noch zu gründenden Bundesrepublik.
Er wurde von Konrad Adenauer eingeladen, auf dem Parteitag der CDU seine Ideen für eine soziale Marktwirtschaft einzubringen. In den Düsseldorfer Leitsätzen von 1949 fanden diese Gedanken bereits einen Niederschlag und wurden so Teil des Programms für die erste Bundestagswahl.
„In jenem ersten Wahlkampf waren Soziale Marktwirtschaft und CDU zu einer Identität geworden.“ (Ludwig Erhard)
Die Wirtschaftspolitik von Ludwig Erhard war jedoch sehr umstritten. Es kam dann in der Anfangszeit auch noch zu einem hohen Anstieg der Lebenshaltungskosten. Das stellte seine Positionen zusätzlich in Frage.
Die Konflikte gipfelten im November 1948 in einem Generalstreik. Im darauffolgenden Jahr gingen die Preise jedoch wieder zurück.
Im Jahr 1949 war Ludwig Erhard in einen Skandal verwickelt. Er versuchte, die Rückgabe der im Dritten Reich arisierten Rosenthal Porzellan AG an den jüdischen Gründer zu verhindern.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Ludwig Erhard jedoch bereits seit zwei Jahren einen hoch dotierten Beratervertrag bei der Firma. In der Folge wurde Erhard vom amerikanischen Geheimdienst als „bestechlich“ eingestuft.
Minister des Wirtschaftswunders unter Adenauer
VW Käfer – das Symbol von Erhards Wirtschaftswunder (gemeinfrei)
Ludwig Erhard wurde am 20. September 1949 in das Kabinett von Konrad Adenauer berufen. Nach seiner theoretischen Vorstellung, dem Ordoliberalismus, sah er die Aufgabe einer Regierung darin, die Freiheit der Wirtschaftssubjekte zu gewährleisten.
Als Bundesminister für Wirtschaft profitierte Ludwig Erhard jedoch sehr von dem tatsächlichen internationalen Aufschwung. Auch deshalb setzte er sich mit Nachdruck für eine Liberalisierung des Außenhandels ein. Darüber hinaus erarbeitete Ludwig Erhard bedeutende Gesetze:
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegen den Missbrauch von Marktmacht
Gesetz über die deutsche Bundesbank für eine unabhängige Notenbank
Außerdem privatisierte Ludwig Erhard Betriebe in Staatsbesitz wie beispielsweise VW oder Preussag, den Vorgänger von TUI. Sein Verhältnis zum Bundeskanzler war jedoch schwierig.
Konrad Adenauer warf Ludwig Erhard vor, dass er häufig abwesend sei und sein Ministerium nicht im Griff habe. Noch dazu wurden dem Wirtschaftsminister unbedachte Äußerungen vorgehalten.
Bei der Rentenreform von 1957 spitzten sich die Konflikte zu. Der Bundeskanzler setzte sich mit seiner Richtlinienkompetenz gegen den Wirtschaftsminister durch und etablierte das bis heute existierende Umlageverfahren, den sogenannten Generationenvertrag.
Dabei hatte Ludwig Erhard jedoch ganz richtig antizipiert, dass sich die Altersstruktur in Deutschland entscheidend ändern könnte. Er hielt schon in den 1950er Jahren das bis heute bestehende Rentensystem für nicht zukunftsfähig und sollte mit seiner Prophezeiung leider recht behalten.
Bedauerlicherweise sind die Babyboomer mit ihrer Masse an Wählerstimmen die großen Profiteure dieses inzwischen sehr ungerechten Rentensystems. Deswegen ist eine substantielle Reform für die Politik heutzutage offenbar nicht einmal denkbar. Von einem fairen Vertrag der Generationen kann aber natürlich seit Jahrzehnten keine Rede mehr sein.
Soziale Marktwirtschaft – „Wohlstand für Alle“
Während seiner Zeit als Bundesminister für Wirtschaft verfasste Ludwig Erhard ein leicht verständliches Buch, um seine Idee der sozialen Marktwirtschaft zu kommunizieren. Das Werk hatte den eingängigen Titel: „Wohlstand für Alle“.
Der Grundgedanke der sozialen Marktwirtschaft war, dass ein breiter Sockel der Bevölkerung Vermögen bilden soll. Dies würde den Bedarf und die Kosten beispielsweise von Sozialversicherungen reduzieren und dem Wachstum so einen weiteren Schub verleihen.
„Am Ausgangspunkt stand der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden.“
(Ludwig Erhard in „Wohlstand für Alle“)
Bei der Realisierung der sozialen Marktwirtschaft kristallisierten sich viele Merkmale heraus, die die reale Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik nachhaltig prägten:
Flexibilität und Kontinuität zur Verhinderung eines häufigen Wechsels von wirtschaftspolitischen Strategien.
Symbiose von Markt und Staat, um den Wettbewerb funktionsfähig und förderlich für das Sozialwesen zu gestalten.
Produktive Ordnungspolitik in den Bereichen Außenwirtschaft und Infrastruktur auch in Kombination mit einer regionalen Entwicklungspolitik.
Soziales System der Produktion durch Rechte zur Mitbestimmung von Arbeitnehmern und der Koordination von Verbänden.
Sozialpartnerschaft als kooperatives Verhältnis vor allem von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden mit dem Ziel, den Ausgleich der Interessen über Konsenspolitik zu lösen und offene Konflikte zu vermeiden.
Deutschland AG als ein Netzwerk von Verflechtungen zwischen großen Banken, Industrieunternehmen und Versicherungen in Form von gegenseitigen Kapitalbeteiligungen und einer Konzentration von Mandaten für Aufsichtsräte auf wenige Manager, Gewerkschaftler und Politiker.
Weitere Merkmale wie:
Freie Preisbildung für Güter und Dienstleistungen
Gewinnstreben als Leistungsanreiz
Unabhängige Zentralbank für eine stabile Währung
Tarifautonomie für Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände
Aktive Wirtschafts-, Konjunktur-, Steuer- und Bildungspolitik
Soziales Netz zum Schutz vor wirtschaftlicher Not
Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht als Staatsziel
Das übergeordnete Ziel der sozialen Marktwirtschaft war ein sogenanntes gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht. Zu diesem Zweck wurden vier volkswirtschaftliche Ziele in einer Wirtschaftspolitik zusammengeführt, das Magische Viereck:
Preisniveaustabilität (meist gemessen anhand der Inflationsrate)
hoher Beschäftigungsstand (meist gemessen anhand der Arbeitslosenquote)
außenwirtschaftliches Gleichgewicht ( meist gemessen anhand Außenbeitragsquote)
Stetiges und angemessenes Wachstum (meist gemessen anhand des realen BIP)
Im Jahr 1967 wurden diese Ziele sogar noch in das Stabilitäts- und Wachstumsgesetz gefasst. Zusammen mit den Vorgaben aus Art. 109 Grundgesetz bildet das Ideal des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts deshalb auch ein formales Staatsziel der Bundesrepublik.
In der Gegenwart gelten diese Ziele jedoch als veraltet. Insbesondere die SPD und die Grünen fordern eine Umformulierung zugunsten der Nachhaltigkeit des staatlichen Handelns in einem Neuen Magischen Viereck.
Ludwig Erhard – zweiter Kanzler (1963 bis 1966)
Konrad Adenauer hatte bereits bei seiner ersten Wahl zum Bundeskanzler von 1949 ein hohes Alter erreicht. Nach zwölf Jahren im Amt wurde er gemeinhin als „der Alte“ bezeichnet. Er hielt sich zuletzt nur noch dank seiner Hartnäckigkeit als Regierungschef.
Am 15. Oktober 1963 trat Adenauer dann während einer laufenden Legislaturperiode zurück. Entgegen seiner Wünsche einigte sich die Fraktion auf Ludwig Erhard als Nachfolger im Amt des deutschen Bundeskanzlers.
Trotz der Vorbehalte konnte Erhard in der Bundestagswahl vom 19. September 1965 den zweithöchsten Sieg in der Geschichte für seine Partei erringen. Doch vor allem Rainer Barzel, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, war ein mächtiger Konkurrent innerhalb der eigenen Partei.
Außenpolitik des „Atlantikers“
Während Adenauer besonderen Wert auf die Aussöhnung und Annäherung zu Frankreich legte, orientierte sich Ludwig Erhard eher an den trans-atlantischen Beziehungen zu den USA. Er war ein sogenannter „Atlantiker“.
Der damals amtierende Außenminister Gerhard Schröder war ebenfalls ein solcher Atlantiker. Schon früh formulierte deshalb die eigene Fraktion im Bundestag, Erhard und Schröder wären für ein Abkühlen der Beziehung zu Frankreich verantwortlich.
Als Bundeskanzler nahm Ludwig Erhard darüber hinaus diplomatische Gespräche mit Israel auf, dass im Mai 1948 gegründet worden war. Dabei hatte der Kanzler nicht die formale Zustimmung seiner Koalitionsregierung von CDU/CSU und FDP eingeholt.
Diese Entscheidung wird als die einzige echte Nutzung der Richtlinienkompetenz des Kanzlers durch Ludwig Erhard angesehen. Die Konsequenz war jedoch, dass zahlreiche Staaten im Nahen Osten daraufhin ihre Beziehungen zur Bundesrepublik abbrachen.
Strukturkrise der Stahlindustrie
Im Jahr 1966 entwickelte sich die Stahlkrise. Die Ursache war ein ruinöser Preiskampf aufgrund einer weltweiten Überproduktion.
Für Ludwig Erhard wurde die Krise politisch besonders bedrohlich, weil im Juli 1966 auch eine Landtagswahl in NRW anstand. Das Bundesland hatte bis dato schon mit einer kriselnden Kohleindustrie und wachsender Arbeitslosigkeit zu kämpfen.
Bei öffentlichen Auftritten im Ruhrgebiet wurde Ludwig Erhard dann ungewohnt offen attackiert. Der Kanzler regierte auf die Proteste wenig souverän, so dass sein Ansehen weiteren Schaden nahm.
Bruch der Koalition und Rücktritt
In der sich zuspitzenden wirtschaftlichen Lage im Sommer 1966 wandte sich Ludwig Erhard in einer diplomatischen Offensive an den US-Präsidenten. Es ging um die Kosten für die Stationierung der amerikanischen Truppen in West-Deutschland.
Doch Ludwig Erhard hatte bereits 1964 das „leichtsinnige Versprechen“ gegeben, dass Deutschland die Zahlungen vorbehaltlos übernehmen würde. Als die Bundesrepublik nun im Jahr 1966 die Verpflichtungen nicht begleichen konnte, besuchte der Atlantiker Erhard persönlich Lyndon B. Johnson. Er bat um einen Nachlass und wurde abgewiesen.
Ludwig Erhard wollte deshalb Steuern anheben, um die Kosten für den Staatshaushalt ausgleichen zu können. Die Minister der FDP im Kabinett stemmten sich jedoch gegen diesen Vorschlag und traten geschlossen aus der Regierung zurück.
Kanzler Erhard bildete deshalb am 27. Oktober 1966 eine Minderheitsregierung von CDU und CSU. Nur eine Woche später signalisierte er jedoch seine Bereitschaft zum Rücktritt.
Sein Nachfolger Kurt Georg Kiesinger, der damalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, übernahm daraufhin die Zügel und schmiedete ein Bündnis mit der SPD. Ohne Neuwahl gelang deshalb im bestehenden Bundestag die Wahl von Kiesinger zum dritten Kanzler der Bundesrepublik am 01. Dezember 1966.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Konrad Adenauer wurde am 05. Januar 1876 in Köln geboren. Seine politische Karriere begann bereits im Kaiserreich und setzte sich in der Weimarer Republik fort. Von den Nazis wurde Adenauer seiner Ämter enthoben und zeitweise sogar inhaftiert.
Bundeskanzler Konrad Adenauer (Bundesarchiv, B 145 Bild-F005630-0005 / CC-BY-SA 3.0)
Doch nach der Niederlage des Dritten Reiches im Zweiten Weltkrieg wurde Konrad Adenauer zum ersten deutschen Bundeskanzler der jungen Republik gewählt. Mit Pragmatismus und konsequentem Auftreten fügte Adenauer das Land in das westliche Gefüge ein.
Er profitierte dabei sehr von seiner Erscheinung. Bei einer Körpergröße von 1,86 Meter wog Konrad Adenauer nur etwa 70 Kilogramm. Darüber hinaus war er als überzeugter Nichtraucher auch im hohen Alter noch sehr viel gesünder als viele seiner Zeitgenossen.
Ein kleines Geheimnis seines energetischen Auftritts war der gelegentliche Konsum des anregenden Wirkstoffs Pervitin. Dabei handelt es sich um ein Methamphetamin, dass im Zweiten Weltkrieg massenhaft an deutsche Soldaten ausgegeben wurde.
Konrad Adenauer stand inhaltlich für eine europäische Integration wie auch für eine aktive Rolle Deutschlands in der NATO. Unter seiner Führung kam es zur Wiederbewaffnung. Die 1955 gegründete Bundeswehr wurde in das System der kollektiven Verteidigung gegen einen Angriff durch die Sowjetunion eingefügt.
Ein langfristiges Ziel seiner Außenpolitik war die Aussöhnung mit Frankreich. Im Jahr 1962 nahm Konrad Adenauer deshalb zusammen mit dem Präsidenten Charles de Gaulle an einer Gedenkmesse in der Kathedrale von Reims teil. Im darauffolgenden Januar wurde mit dem Élysée-Vertrag die freundschaftliche Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Frankreich beschlossen.
Innenpolitisch prägte Bundeskanzler Adenauer die soziale Marktwirtschaft. Der Begriff stammte von dem Ökonom und Sozialwissenschaftler Alfred Müller-Armack. Dieser sah darin eine Formel, um „… das Prinzip der Freiheit auf dem Markt mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden.“
Die Idee hat sich lange gehalten und gilt als politischer Exportschlager der Bundesrepublik Deutschland. Sogar noch bei der Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde im Staatsvertrag zwischen BRD und DDR die soziale Marktwirtschaft als Kern der gemeinsamen Wirtschaftsordnung definiert.
Konrad Adenauer war nach dem Ende seiner Kanzlerschaft weiterhin politisch aktiv. Bis zu seinem Tod im Alter von 91 Jahren am 19. April 1967 gehörte er als ein Abgeordneter dem Deutschen Bundestag an. An seinem Staatsbegräbnis nahmen Vertreter aus 180 Nationen teil, darunter auch der US-Präsident.
Im Kaiserreich und der Weimarer Republik
Herkunft, Ausbildung und Berufseinstieg
Konrad Adenauer war das dritte von fünf Kindern einer römisch-katholischen Familie. Am 05. März 1894 legte er sein Abitur am Apostelgymnasium in Köln ab. Im darauffolgenden Monat begann er ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften.
Das erste Staatsexamen legte Konrad Adenauer 1897 mit einem „gut“ ab. Im zweiten Staatsexamen erhielt er im Jahr 1901 ein „ausreichend“. Als überzeugter Katholik schloss sich Adenauer während des Studiums auch einer katholischen Studentenverbindung an, der er zeitlebens nahe stand.
Im Jahr 1902 begann er seinen beruflichen Werdegang als Assessor beim Amtsgericht. Im darauffolgenden Jahr wurde Konrad Adenauer beim Oberlandesgericht Köln tätig.
Politische Karriere bei der Zentrumspartei
1906 begann der politische Werdegang von Konrad Adenauer mit dem Eintritt in die Zentrumspartei. Am 07. März diesen Jahres wurde er zum Beigeordneten der Stadt Köln gewählt.
Nach der Wahl zum Ersten Beigeordneten der Stadt Köln am 22. Juli 1912 wurde Konrad Adenauer zugleich Stellvertreter des Oberbürgermeisters Max Wallraff. Dieser war auch der Onkel seiner ersten Ehefrau.
Erfindung von „Kölner Brot“ und „Kölner Wurst“
Während des Ersten Weltkrieges war Konrad Adenauer für die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln verantwortlich. Dies wurde aufgrund der britischen Seeblockade zunehmend schwieriger.
Konrad Adenauer hielt den Ersten Weltkrieg bereits früh für eine verlorene Angelegenheit. Er begann deshalb mit dem Horten von Lebensmitteln und führte Ersatzprodukte zur Ernährung der Bevölkerung ein:
„Kölner Brot“ aus Reis- und Maismehl
„Kölner Wurst“ aus Sojamehl
Des Weiteren etablierte Konrad Adenauer bereits 1915 die Graupen auf dem Speiseplan der Kölner. Dabei handelt es sich um eine Kochgerste, die durch das Mahlen von ganzen Körnern gewonnen wird. Damit kann man beispielsweise eine sättigende Grundlage für Suppen oder Eintöpfe schaffen.
Nach der Kartoffelfäule von 1916 führte er als Ersatz die Knollen der Topinabur ein. Diese Pflanze ist mit der Sonnenblume verwandt. Die Weitsicht des Konrad Adenauer erwies sich dann vor allem im Steckrübenwinter von 1916/17 als sehr wertvoll, denn er konnte die Härten für die hungernde Bevölkerung etwas abfedern.
Seine Erfindungen ließ sich Konrad Adenauer auch patentieren. In der breiten Bevölkerung stießen diese wenig attraktiven Speisen jedoch nur auf eine begrenzte Sympathie. Nachdem die Versorgungslage in den Nachkriegsjahren wieder besser wurde, verschwanden diese Ersatzgerichte vom Speiseplan der Kölner.
Adenauer als Oberbürgermeister von Köln
Am 18. September 1917 wurde Konrad Adenauer ohne Gegenstimme zum Oberbürgermeister von Köln gewählt. Das Amt sollte er ohne Unterbrechung bis 1933 innehaben.
In den 1920er Jahren gehörte Konrad Adenauer darüber hinaus auch zahlreichen Aufsichtsräten an. Dazu gehörten:
RWE AG
Deutsche Bank
Deutsche Lufthansa
Rhein AG für Bergbau
Weitere 12 Unternehmen
Ab 1921 war Konrad Adenauer bis 1933 der Präsident des Preußischen Staatsrates. Dabei stand er als Rheinländer einem starken Preußen jedoch sehr ablehnend gegenüber und pflegte eine Dauerfehde mit dem Ministerpräsidenten Otto Braun.
Preußen war für Konrad Adenauer „der böse Geist Europas, […] der Hort des kulturfeindlichen, angriffslustigen Militarismus.“ Darüber hinaus trug Preußen seiner Meinung nach die Schuld am Ersten Weltkrieg und sei von einer „gewissenlosen militärischen Kaste“ beherrscht, die wiederum Deutschland beherrsche.
Während seiner Zeit als Oberbürgermeister von Köln war Konrad Adenauer auch mehrfach als Kandidat für das Amt des Reichskanzlers im Gespräch. Die unsichere Perspektive dieser Position schien ihm selbst jedoch wenig attraktiv, weil er einen sicheren Posten in Köln hatte.
In der Wirtschaftskrise von 1928 geriet Konrad Adenauer auch persönlich in eine schwere finanzielle Schieflage. Er verspekulierte sein Vermögen mit Aktien der Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG. Über seine Verbindungen zur Deutschen Bank erhielt Adenauer dann aber zwei Aktienpakte im Wert von 1,14 Millionen Reichsmark aus einem schwarzen Fonds, um seine privaten Schulden zu begleichen.
Im Jahr 1931 kam es zu seinem ersten großen Konflikt mit den Nazis. Eine Bande hatte nachts die Rheinbrücken mit Hakenkreuzfahnen beflaggt. Nach seiner eigenen Darstellung ließ Konrad Adenauer die Flaggen umgehend entfernen.
Tatsächlich kam es jedoch zu einer Absprache mit der örtlichen Leitung der NSDAP. Dennoch begann die SA öffentlich Geld für „die Kugel Adenauers“ zu sammeln.
Leben unter der Diktatur des Dritten Reiches
Keine Flaggen, keinen Handschlag für Hitler
Als Adolf Hitler am 18. Februar 1933 die Stadt besuchte, verbot Konrad Adenauer eine Beflaggung von Köln mit den Fahnen der Nazis. Dem Führer verweigerte er darüber hinaus den Handschlag.
Doch bei den Kommunalwahlen am 12. März 1933 unterlag seine Zentrumspartei. Die NSDAP enthob ihn daraufhin seines Amtes. Die Nazis waren so auch in Köln legal an die Macht gekommen.
Flucht in eine Abtei und Inhaftierungen
Die Nazis forderten öffentlich auf Wahlkampfplakaten: „Adenauer, an die Mauer!“. Der entmachtete Oberbürgermeister floh deshalb zunächst zu einem befreundeten Benediktiner-Abt nach Maria Laach.
Von dort aus stellte Konrad Adenauer selbst den Antrag auf ein Dienststrafverfahren, um die Vorwürfe der Nationalsozialisten gegen seine Amtsführung als Oberbürgermeister von Köln zu entkräften. Doch im Zusammenhang mit dem sogenannten Röhm-Putsch von 1934 wurde er in der Abtei verhaftet.
Die Nazis hielten Konrad Adenauer im Jahr 1934 jedoch nur für zwei Tage fest. In einem zehnseitigen Schreiben an den preußischen Innenminister in Berlin verteidigte er im August sein Verhalten mit einem gewissen Erfolg. So konnte er einen Anspruch auf eine reduzierte Pension sichern.
In den folgenden Jahren wechselte Konrad Adenauer häufig seinen Wohnort. Er lebte dabei von seiner reduzierten Pension von 1.000 Reichsmark im Monat.
Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 wurde Konrad Adenauer im Rahmen der Operation Gitter erneut verhaftet. Die Gestapo hatte jedoch keine konkreten Verdachtsmomente gegen ihn. Tatsächlich war Adenauer im Vorfeld von den Verschwörern jedoch mehrfach angesprochen worden. Die Beteiligung an einem Staatsstreich gegen Hitler lehnte der Katholik jedoch strikt ab.
Dennoch wurde Konrad Adenauer im Lager von Köln-Deutz festgehalten. Seine Akte erhielt den Vermerk „Rückkehr unerwünscht“. Adenauer stellte sich jedoch krank und wurde in ein Krankenhaus überstellt. Von dort konnte er fliehen. Konrad Adenauer wurde jedoch erneut gefasst, aber Ende November 1944 endgültig entlassen.
Inzwischen haben sich jedoch auch Kritiker geäußert, die diese Episode im Leben des späteren Kanzlers für wenig plausibel halten.
Nachkriegsjahre und Kanzlerschaft (1949 bis 1963)
Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht wurde Konrad Adenauer von der amerikanischen Besatzungsmacht am 04. Mai 1945 zum Oberbürgermeister von Köln ernannt. Ende August wechselte er darüber hinaus vom Zentrum zur Christlich Demokratischen Partei (CDP). Das war ein regionaler Vorgänger der heutigen CDU.
„Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk und tragen auch die Bischöfe und der Klerus eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern. […] Das deutsche Volk, auch Bischöfe und Klerus zum großen Teil, sind auf die nationalsozialistische Agitation eingegangen. Es hat sich fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung gleichschalten lassen. Darin liegt seine Schuld.“
Am 06. Oktober 1945 wurde Konrad Adenauer jedoch wegen angeblicher Versäumnisse vom Militärgouverneur aus seinem Amt als Oberbürgermeister von Köln entlassen. Der Vorwurf lautete, dass sich Adenauer nicht ausreichend um die Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln bemüht hätte.
Darüber hinaus musste er binnen einer Woche die Stadt verlassen. Außerdem wurde es Konrad Adenauer bis zum 04. Dezember untersagt, einer parteipolitischen Arbeit nachzugehen. Im darauffolgenden Jahr konnte er jedoch für die Christdemokraten kandidieren und wurde deren Fraktionschef im ersten Landtag von Nordrhein-Westfalen.
Präsident des Parlamentarischen Rates 1948/49
Ab Oktober 1946 war Konrad Adenauer der Fraktionsvorsitzende der CDU im Landtag. Das Parlament war zu diesem Zeitpunkt noch abhängig von der Ernennung durch die britische Besatzungsmacht. Diese hatten das Bundesland aus zwei ursprünglich preußischen Provinzen gebildet.
In den folgenden Jahren konnte Konrad Adenauer seine Hausmacht innerhalb der Christdemokraten ausbauen. Für seine Partei wurde er dann im Jahr 1948 als Präsident des Parlamentarischen Rates ernannt. Dabei handelte es sich eigentlich um einen Posten, der fast keine echte Macht hatte.
Deshalb hatten die starken Sozialdemokraten ihren Mann Carlo Schmid als Vorsitzenden des Hauptausschusses platziert. Doch Schmid konnte in dieser Rolle nur im Hintergrund arbeiten, während sich Konrad Adenauer öffentlich als der Vertreter der Deutschen gegenüber den Alliierten präsentierte. Er wurde „erster Mann des zu schaffenden Staates, noch ehe es ihn gab.“
Konrad Adenauer trat als Präsident des Parlamentarischen Rates dann auch sehr geschickt für die Bestimmung von Bonn als erste Hauptstadt des Bundes ein. Dabei wird ihm unterstellt, dass er als Einwohner des unweit gelegenen Rhöndorf vor allem auch seinen eigenen Arbeitsweg im Hinterkopf hatte.
Wahl zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik
Nach dem Verfassungskonvent der Ministerpräsidenten auf Herrenchiemsee und den anschließenden Beratungen wurde das Grundgesetz am 23. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat angenommen. Am darauffolgenden Tag trat es in Kraft.
Damit wurde die Grundlage für die Wahl des 1. Bundestages geschaffen. Konrad Adenauer gewann als Kandidat des Wahlkreises Bonn Stadt und Land mit 54,9 % ein direktes Mandat. Anschließend wählte ihn die gemeinsame Fraktion von CDU und CSU zu ihrem Vorsitzenden.
Als stärkste Fraktion bildete die Union zusammen mit der Deutschen Partei (DP) und der Zentrumspartei (DZP) eine Regierungskoalition. Bei der Wahl in das Amt des Bundeskanzlers erhielt Konrad Adenauer daraufhin 202 von 402 Stimmen.
Damit erzielte er ein denkbar knappes Ergebnis. Im nachhinein wird diese Geschichte gerne dahingehend verdichtet, dass Adenauer nur dank seiner eigenen Stimme zum Kanzler gewählt wurde.
Am 21. September 1949 absolvierte Bundeskanzler Adenauer seinen Antrittsbesuch bei den alliierten Militärgouverneuren. Am selben Tag trat das neue Besatzungsstatut in Kraft, dass die Souveränität der jungen Bundesrepublik und ihres Regierungschef noch stark einschränkte. Die Behörden der Besatzungsmächte hatten dabei vor allem folgende Aufgaben:
Entwaffnung und Entmilitarisierung einschließlich angrenzender Zweige in der Wirtschaft und der Wissenschaft
Überwachung der Ruhr, der Rückerstattung von Raubgut, der Reparationen, der Dekartellisierung, der Dezentralisierung sowie den Abbau von Handelsbeschränkungen
Regelung der auswärtigen Angelegenheiten sowie internationaler Abkommen
Versorgung von Flüchtlingen und entwurzelten Personen wie ehemaligen Zwangsarbeitern
Schutz der alliierten Streitkräfte sowie deren Vertreter, Angestellte und Angehörige
Einhaltung des Grundgesetzes und der Länderverfassungen
Überwachung innerer Vorgänge wie der Verwendung von Geld oder Lebensmitteln
Behandlung und Versorgung von durch Tribunale angeklagte oder verurteilte Personen sowie gegebenenfalls die Überwachung der Vollstreckung von Urteilen
Konrad Adenauer ließ sich von den engen politischen Fesseln jedoch nicht beirren. Bereits bei seinem Antrittsbesuch vertrat der Bundeskanzler selbstbewusst die Interessen der Deutschen. Nach und nach baute er Vertrauen in die neue Republik auf und erreichte damit eine schrittweise Reduzierung der Einschränkungen.
Im Jahr 1951 kam es dann zu einer Revision des Besatzungsstatuts. Der Kriegszustand wurde formal beendet und die Bundesrepublik erhielt vor allem im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten einige Rechte zurück. Nun konnte man selbstständig Beziehungen zu anderen Staaten aufbauen und unterhalten. In der Folge ernannte sich Konrad Adenauer selbst auch zum Außenminister in seinem Kabinett.
Integration in westliche Bündnisse und Strukturen
Konrad Adenauer sah die einzige Chance der Deutschen auf Frieden und Wohlstand in einer Eingliederung in den Westen. Von besonderer Rolle spielte dabei die Aussöhnung mit Frankreich. Ein großes Glück war, dass der französische Präsident Charles De Gaulle und sein Außenminister Robert Schuman diese Annäherung von ihrer Seite aus ebenfalls vorantrieben.
Von besonderer Bedeutung war die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Diese wird häufig auch als Montanunion bezeichnet und ist ein Vorläufer der heutigen EU.
Durch die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit in diesen kriegswichtigen Industrien wurde das Misstrauen gegenüber Deutschland strukturell abgebaut. Eine heimliche Aufrüstung wurde damit nämlich praktisch unmöglich.
Soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftswunder
Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft hatte zahlreiche geistige Väter. Es wird vor allem mit dem Wirtschaftsminister und dann zweiten Kanzler Ludwig Erhard verbunden.
VW Käfer – das Symbol von Erhards Wirtschaftswunder (gemeinfrei)
Erhard vertrat dabei persönlich die Auffassung, dass der freie Wettbewerb am besten geeignet sei, gesellschaftlichen Wohlstand zu schaffen. Je höher wiederum der allgemeine Wohlstand ist, desto weniger Bedarf besteht an klassischer Sozialpolitik.
Der Wirtschaftsminister von Konrad Adenauer träumte von einem Kapitalismus des Volkes. Das Vermögen sollte auf einem breiten Sockel gebildet werden. Hierfür war vor allem die Erhaltung eines stabilen Preisniveaus von besonderer Bedeutung.
Die theoretischen Fragen der sozialen Marktwirtschaft wurden jedoch häufig von praktischen Problemen überlagert. Außerdem griff Konrad Adenauer auch immer wieder direkt in sozial- und wirtschaftspolitische Themen ein. Beispielsweise geht auf den ersten Kanzler die Umlagefinanzierung der Rente zurück.
Generationenvertrag – Umlagefinanzierung und Folgen
Umlagefinanzierung bedeutet, dass die Rente für alte Leute von den laufenden Löhnen der arbeitenden Bevölkerung bezahlt wird. Mit diesem Ansatz wollte Konrad Adenauer die strukturelle Altersarmut aufgrund steigender Verbraucherpreise bei stagnierenden Renten mit einer Reform im Jahr 1957 bekämpfen.
Die Leistungsfähigkeit dieses gesetzlichen Rentensystems hängt zwangsläufig am Verhältnis von Beitragszahlern zu Beitragsempfängern. Die Bedenken von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard hinsichtlich eines demographischen Wandels wischte Adenauer mit einer plakativen Aussage beiseite:
„Kinder kriegen die Leute immer.“
Doch es sind ausgerechnet die geburtenstarken Jahrgänge aus der Zeit seiner Kanzlerschaft, die deutschen Babyboomer, die diesen sogenannten Generationenvertrag nun zu Lasten aller kommenden Jahrgänge missbrauchen. Denn die Nachkriegskinder haben selbst nicht genügend neue Beitragszahler gezeugt. Das Verhältnis der Einzahlenden zu den Empfängern der gesetzlichen Rente verschiebt sich deshalb dramatisch.
Nur leider verzichten die Babyboomer mehrheitlich auch auf die politische Bereitschaft, die Umlagefinanzierung substantiell an den Wandel der Gesellschaft anzupassen. Der Hintergrund ist, dass sie aufgrund der Altersstruktur finanziell mehr profitieren als jüngere Jahrgänge und Reformen deshalb mit der Masse ihrer Wählerstimmen verhindern.
Beispielsweise hätte man schon 1990 die private Altersvorsorge forcieren können, so wie das heute selbstverständlich ist. Doch konkret an den Entscheidungen der damaligen Regierung von Helmut Kohl kann man ablesen, dass die Babyboomer wohl eher die eigenen Kinder über den Tisch ziehen wollen, als selbst adäquat für das Alter vorzusorgen.
Für den Nachwuchs der Nachkriegsjahrgänge bedeutet das Umlageverfahren von Konrad Adenauer nämlich nicht nur, dass sie viel mehr als ihre Eltern beitragen müssen. Aufgrund von zusätzlichen Kosten haben sie dann auch noch sehr viel weniger Geld zur eigenen Vermögensbildung übrig, während auch ihre Renten deutlich niedriger ausfallen werden. Es ist keine Win-Win-, sondern eher eine Lose-Lose-Lose-Situation:
höhere Lebensarbeitszeit
höhere Rentenbeiträge
Private Altersvorsorge
Damit wirkt sich die Rentenreform von Konrad Adenauer inzwischen gegenteilig zur Intention der sozialen Marktwirtschaft aus. Ursprünglich sollte der Staat für einen Aufbau von Vermögen auf einem breiten Sockel sorgen, um den Bedarf an sozialen Transferleistungen zu reduzieren.
Für den künstlichen Erhalt des nicht haltbaren Lebensstandards der Babyboomer werden nachfolgende Jahrgänge jedoch quasi enteignet. Nebenbei wird damit auch der Bedarf an sozialen Leistungen für eben diese zwangsläufig und dauerhaft erhöht. Von einem fairen Vertrag der Generationen dank Konrad Adenauer kann deshalb nicht die Rede sein.
„Was all diese Rentenreformen gemeinsam haben ist, dass sie letztlich eine massive Umverteilung von Jung zu Alt bedeuten. Nur spricht die Politik dies nicht offen und ehrlich an, sondern tut so, als gäbe es diese Gelder umsonst, ohne dass jemand dafür geradestehen muss.“
Marcel Fratzscher, 2019 – Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung
Wie Ludwig Erhard prophezeite, war die Rentenreform von 1957 nicht zukunftsfähig. Dieser sogenannte Generationenvertrag von Konrad Adenauer ist zu einer fundamentalen Bedrohung für die Zukunft geworden. Die Babyboomer, die Verursacher dieser Krise, sind jedoch leider die großen Profiteure und werden Kurskorrekturen wohl auch in Zukunft zum kollektiven Eigennutz blockieren.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Thomas Edward Lawrence wurde am 16. August 1888 in dem kleinen Dorf Tremadog in Wales geboren. Er war der zweite Sohn einer Familie des englischen Landadels. Als junger Mann konnte er Geschichte an der University of Oxford studieren und lange Exkursionen durch den Nahen Osten unternehmen.
Thomas Edward Lawrence von Arabien im Jahr 1918 (gemeinfrei)
Ab Dezember 1914 war T. E. Lawrence dann als Offizier des britischen Nachrichtendienstes SIS in Kairo stationiert. Aufgrund seiner Orts- und Sprachkenntnisse fungierte der Agent als Verbindungsmann zu den Anführern des arabischen Unabhängigkeitskampfes gegen das Osmanische Reich.
„… die Tagträumer sind gefährliche Menschen, denn sie können ihre Träume mit offenen Augen leben, um sie in die Tat umzusetzen.“
In dieser Rolle unterstützte der später als Lawrence von Arabien bekannte Engländer den Aufstand mit Geld und Waffen. Außerdem förderte er die Anwendung von Guerilla-Taktiken und gilt damit als prägend für den Verlauf des Kampfes um die arabische Unabhängigkeit.
Lawrence von Arabien hatte allerdings auch trotz seines militärischen Ranges keine Erfahrung in der symmetrischen Kriegsführung. Außerdem fehlte es den revoltierenden Arabern an entsprechender Organisation. Dafür konzentrierten sie sich besonders auf:
Überraschungsangriffe auf kleine Militärposten
Sprengstoffanschläge auf die Hedschas-Bahn, eine mehr als 1.300 Kilometer lange Eisenbahnlinie von Damaskus in Syrien bis Medina in Saudi Arabien
Städte wurden erst im späteren Verlauf dieser arabischen Revolte angegriffen. Dabei leistete die britische Armee jedoch häufig eine entscheidende Waffenhilfe.
Nach dem Sieg in der Schlacht von Akaba in Jordanien am 6. Juli 1917 genoss Lawrence von Arabien auch das volle Vertrauen von General Sir Edmund Allenby, dem Befehlshaber der britischen Expeditionsstreitkräfte:
„I gave him a free hand. His cooperation was marked by the utmost loyalty, and I never had anything but praise for his work, which, indeed, was invaluable throughout the campaign.“
Für seine Führung in der Schlacht von Tafileh am 23. Januar 1918 wurde er zum Lieutenant Colonel befördert und mit dem Distinguished Service Order (DSO) ausgezeichnet. Später wurde T. E. Lawrence auch in den Most Honourable Order of the Bath aufgenommen.
Am 1. Oktober 1918 führte der britische Agenten die arabischen Rebellen bis zur Einnahme von Damaskus. Doch am selben Tag marschierten auch britische Truppen in die Stadt ein und sollten von nun an die neuen Besatzer im Land sein. Mit diesem Ereignis wurde der schillernde Lawrence von Arabien endgültig zu einer tragischen Figur.
Lawrence von Arabien wusste zu diesem Zeitpunkt von einem bereits zwei Jahre alten Geheimabkommen. Dieses klärte die Aufteilung der Einflusssphären in der Region durch die europäischen Großmächte England und Frankreich. Die Freiheitsliebe der Araber war darin jedoch nicht berücksichtigt worden.
In der Folge versuchte Lawrence von Arabien vergeblich, sich für die Bestrebungen nach einer Unabhängigkeit für die Araber stark zu machen. Dabei fungierte er auch als Berater des späteren Premierministers Winston Churchill. Doch all diese Mühen waren vergeblich und er verfiel einer seelischen Krise, wie spätere Zitate deutlich machen:
„Wir durchlebten viele Leben während dieser verwirrenden Feldzüge und haben uns selbst dabei nie geschont; doch als wir siegten und die neue Welt dämmerte, da kamen wieder die alten Männer und nahmen unseren Sieg, um ihn der früheren Welt anzupassen, die sie kannten.“
Doch für die Engländer war Lawrence von Arabien ein Nationalheld. Bereits im Jahr 1917 hatte ein Journalist begonnen, seine Geschichte filmisch zu verarbeiten. Das Werk wurde in der Nachkriegszeit zu einem Publikumsmagneten.
Unter dem Titel „Die sieben Säulen der Weisheit“ erschienen im Jahr 1926 dann auch seine Erinnerungen an den Krieg. Der Name ist eine Anspielung auf eine Felsenformation in einem Wadi in Jordanien und geht zugleich auf einen Spruch von König Salomo im Alten Testament zurück.
Lawrence von Arabien starb am 19. Mai 1935 im Alter von nur 46 Jahren in Folge einer Kopfverletzung nach einem Motorradunfall. In der Nähe seines Hauses in Clouds Hill bei Wareham hatte er die Kontrolle über seine geliebte Brough Superior SS100 verloren und war über den Lenker geschleudert worden.
Im Jahr 1962 drehte schließlich der Hollywood Regisseur David Lean einen Kinofilm mit dem Titel „Lawrence von Arabien“. Der Streifen wurde mit sieben Oscars und vier Golden Globes ausgezeichnet.
Herkunft und Ausbildung
Bastard eines britischen Landadeligen
Thomas Edward Lawrence wuchs in einer konservativen viktorianischen Familie auf. Zumindest machte dies zunächst den äußeren Anschein.
Doch die beiden leiblichen Eltern hatten keinen Trauschein, weil der Vater bereits mit einer anderen Frau verheiratet war. Die Erkenntnis, ein Bastard zu sein, soll den Jungen erschüttert haben.
Nach den Moralvorstellungen seiner Zeit war er damit ein gesellschaftlicher Außenseiter. Der Junge flüchtete sich in seine Bücher und entdeckte eine Leidenschaft für das Mittelalter.
Außerdem soll der spätere Lawrence von Arabien bereits in seiner Kindheit lange, einsame Ausflüge unternommen haben. Dabei hatte er nur die notwendigsten Dinge bei sich und genoss diesen Minimalismus sehr.
Er begab sich beispielsweise auf eine Reise durch Frankreich. Dabei soll es ihm die Burg Château Gaillard von Richard Löwenherz besonders angetan haben. Die Faszination für Bauten aus der Zeit der Kreuzzüge blieb ihm zeitlebens erhalten.
Studium der Geschichte an der Oxford University
Als junger Mann konnte T. E. Lawrence ein Studium der Geschichte an der University of Oxford aufnehmen. Seine Leidenschaft für das Mittelalter traf dabei mit einer Neugier auf den Orient zusammen. Diese führte zu einem ganz besonderen Interesse an den Spuren der Kreuzfahrer im Nahen Osten.
Lawrence von Arabien studierte an der University of Oxford. (pixabay)
Dabei zeigte Lawrence von Arabien in vielerlei Hinsicht eine rastlose Ader. In seinem Zimmer an der University of Oxford übte er beispielsweise intensiv Schritte mit genau einem Meter Länge. So wollte er den Aufwand für geplante archäologische Vermessungen vor Ort reduzieren, um mehr Zeit für andere Beobachtungen zu haben.
Für seine Abschlussarbeit verbrachte Lawrence von Arabien dann drei Monate mit Vermessungen, Fotografien und genauen Zeichnungen der Burgen der Kreuzfahrer im Nahen Osten. Zu seiner Zeit handelte es sich um eine herausragende und wie man heute weiß auch fast vollständige Sammlung.
Die Arbeit erhielt die Bestnote. Das Original wird immer noch im Archiv der University of Oxford verwahrt.
Archäologie und Handel mit Grabräubern
Nach seinem Studium der Geschichte kehrte Lawrence von Arabien im Jahr 1911 als Archäologe in den Nahen Osten zurück. Die arabische Sprache beherrschte er bald fließend und baute in dieser Zeit wichtige Kontakte zur lokalen Bevölkerung auf.
Dabei hatte Lawrence von Arabien auch intensive Kontakte zu Grabräubern. Dies war ein gängiges Verhalten der westlichen Archäologen in der Region, die im Auftrag von großen Museen unterwegs waren. Auch Deutsche waren vor Ort, die seiner Meinung nach die Preise auf dem Schwarzmarkt unnötig anheizten.
Doch Lawrence von Arabien war trotzdem sehr erfolgreich. Im diplomatischen Gepäck des englischen Konsuls wurden hunderte Objekte nach London verschifft. Dazu gehört beispielsweise eine Sammlung von Siegeln aus der Zeit der Hethiter.
Aber sowohl die Deutschen wie auch die Engländer hatten ebenso ein hohes Interesse an der strategischen Aufklärung der Region. Bereits 1904 war nämlich der Bau einer Eisenbahnlinie von Berlin nach Bagdad beschlossen worden.
Diese Bagdadbahn stellte eine potentielle Bedrohung dar, weil von Aleppo aus eine Abzweigung nach Süden über Damaskus bis nach Medina gebaut wurde. Damit konnte das Osmanische Reich in kurzer Zeit Truppen auf den Sinai schicken, um von dort aus den Suezkanal zu bedrohen.
Die Wasserstraße durch diesen Kanal in Ägypten war jedoch entscheidend für das britische Empire. Den Archäologen wurden deshalb Pioniere als Beschützer und Helfer zugewiesen. Doch die Soldaten hat vor allem auch die Aufgabe, Landkarten zu erstellen und mögliche Routen für Truppenbewegungen zu identifizieren.
Erster Weltkrieg im Nahen Osten
Kooperation von Osmanen und Deutschen
Das Osmanische Reich hatte über Jahrhunderte hinweg den Nahen Osten dominiert. Doch mit der Industrialisierung der westlichen Staaten im 18. und 19. Jahrhundert konnte der antiquierte Staat nicht mithalten.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts führte Sultan Abdülhamid II. jedoch viele Reformen durch und bemühte sich um die Zukunftsfähigkeit seines Reiches. In diesem Zuge wurden neue Bündnisse geschlossen.
In der Riege der europäischen Großmächte stellte das Deutsche Reich einen besonders attraktiven Partner dar. Aufgrund fehlender Kontakte in der Vergangenheit war das Verhältnis unbelastet. Im Rahmen von militärischen Kooperationen machte man jedoch erste positive Erfahrungen miteinander.
Um 1900 kam es dann zur prestigeträchtigen Kooperation bei der Bagdadbahn. Dabei handelte es sich ursprünglich um eine etwa 1.600 Kilometer lange Verbindung von Konya in der Türkei nach Bagdad im heutigen Irak. Diese Linie sollte nun bis nach Berlin verlängert werden.
Dabei wurde argumentiert, dass über die Badadbahn Erdöl aus dem Zweistrom-Land sowie Konsumgüter aus dem Westen gehandelt werden könnten. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten war dieses Projekt jedoch stets fragwürdig. Die politischen Dimensionen waren dafür umso bedeutsamer.
Erweiterung der Bagdadbahn in den Hedschas
Die Bagdadbahn wurde zum Symbol für die Kooperation zwischen dem Osmanischen und dem Deutschen Reich. Sie wurde später auch als argumentative Basis für den Eintritt der Osmanen in den Ersten Weltkrieg auf der Seite von Deutschland und Österreich angeführt.
Lawrence von Arabien attackierte die Hedschas-Bahn. (Schöpfer: Fremantleboy / Lizenz: CC-BY-SA 2.5)
Doch die Briten sahen ihre Interessen im Nahen Osten bedroht. Die Eisenbahnlinie erleichterte nämlich den Transport von Truppen im überdehnten Osmanischen Reich.
Ab dem Jahr 1906 wurde die Bagdadbahn um einen sehr wichtigen Abschnitt erweitert. Von Damaskus in Syrien aus wurde nun eine Strecke nach Süden in Richtung Medina im heutigen Saudi-Arabien gebaut. Diese Linie führte durch die Region Hedschas, wovon auch der Name abgleitet wurde: die Hedschas-Bahn.
Die Hedschas-Bahn führte dabei entlang des Sinai. Die Gegend wiederum war ein ideales Aufmarschgebiet, um den Suezkanal in Ägypten zu bedrohen. Dieser war als verbindende Wasserstraße zwischen Mittelmeer und Rotem Meer von vitaler Bedeutung für die Kolonialpolitik des britischen Empires.
Die Engländer sahen die mit deutscher Unterstützung gebaute Hedschas-Bahn deshalb als eine Art Messer an ihrer imperialen Kehle. Aus diesem Grund intensivierten sie ihre eigenen Aktivitäten in der Region. Dazu gehörten eine Niederlassung des Geheimdienstes wie auch ein Expeditionskorps.
Secret Intelligence Service (SIS) in Kairo
Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde auch Lawrence von Arabien rekrutiert. Wie andere arabisch sprechende Archäologen wurde er dem Büro des Nachrichtendienstes in Kairo unterstellt.
Zunächst war es die Aufgabe des frisch gebackenen Spions, geheime Berichte aus dem Osmanischen Reich auszuwerten. Doch bald wurde er in geheimer Mission ausgesandt, um Aufstände zu schüren.
Lawrence von Arabien machte sich deshalb auf die Suche nach geeigneten Anführern. In Faisal, dem Sohn des Emirs von Mekka, fand er einen idealen Kandidaten.
Doch es brauchte noch weitere Anreize, um die Beduinen für den Kampf zu motivieren. Lawrence von Arabien organisierte deshalb sehr umfangreiche Lieferungen von Waffen und Material.
In „Die sieben Säulen der Weisheit“ erwähnte Lawrence von Arabien beispielsweise sehr häufig zwei kleine Geschütz-Typen:
Hotchkiss-Maschinengewehre
Gebirgsgeschütze
Außerdem flossen große Geldsummen, um eine Revolte zu entzünden. Schätzungen zu Folge investierten die Briten etwa 11 Millionen Pfund und zahlten damit beispielsweise jedem Krieger einen regelmäßigen Sold. Nur so konnten zahlreiche verfeindete Sippen zu einer Guerilla-Armee vereinigt werden.
Ausbruch der Arabischen Revolte 1916
Im Jahr 1916 brach dann die Arabische Revolte zunächst im Hedschas aus. Hussein ibn Ali, der Vater von Feisal, übernahm als Emir die Rolle der Führungsfigur des Aufstandes und bezeichnete sich fortan als König von Hedschas.
Von Süden aus breitete sich die Bewegung immer weiter aus. Schließlich wurden auch Jordanien, Palästina und Syrien ergriffen. Am Ende war fast der gesamte süd-westliche Teil der arabischen Halbinsel betroffen.
Lawrence von Arabien – König der Wüste
Mit dem Ausbruch der Arabischen Revolte rückte Lawrence von Arabien ins Zentrum der Ereignisse. Er stellte die entscheidende Verbindung zwischen den Briten und den Aufständischen dar.
Darüber hinaus war Lawrence von Arabien auch persönlich in die Kämpfe involviert. Seine fehlende militärische Erfahrung war dabei jedoch weniger von Bedeutung, weil auch die Araber über keine reguläre Armee verfügten.
Vielmehr zwangen sie das Osmanische Reich in einen asymmetrischen Konflikt. Dabei nutzten sie insbesondere die weiten, unkontrollierbaren Räume der Wüste für ihre Zwecke.
Dafür profitierte der britische Agent von seinem Verständnis der arabischen Kultur. Die Beduinen schenkten ihm sogar die weiße Kleidung eines Scherifen. Dabei handelt es sich eigentlich um einen religiösen Titel für die Nachkommen der Enkel von Mohammed.
Lawrence von Arabien nahm das Geschenk als Zeichen der besonderen Ehre an. Es war für ihn keine komische Verkleidung, sondern ein Zeichen für den Kampf um die arabische Unabhängigkeit.
Angriffe auf die Eisenbahn und Telegrafenmasten
Das wichtigste und zugleich leichteste Ziel des Lawrence von Arabien war die Hedschas-Bahn. Diese stellte eine wichtige Achse zur Versorgung dar, die jedoch leicht gekappt werden konnte.
Lawrence von Arabien auf einem Kamel im Jahr 1917 (gemeinfrei)
Deshalb kam es zu zahlreichen Angriffen auf die Bahntrasse. Dabei gelang immer wieder die Sprengung dieser vulnerablen Linie durch die Wüste.
Besonders wertvoll waren Sprengungen mit Hilfe von Fernzündern während Züge gerade vorbei fuhren. Das Ziel war dann, nicht nur die Gleise sondern idealerweise auch die teuren Lokomotiven zu zerstören.
Des Weiteren attackierten die aufständischen Araber auch die Linien der Kommunikation. Mit Hilfe ihrer Kamele rissen sie hierfür Telegrafenmasten ein, um die Verbindungen zu unterbrechen.
Eroberung von Al-Wadschh, Akaba und Damaskus
Mit den zunehmenden Erfolgen der Arabischen Revolte konnten die Lawrence von Arabien und die Aufständischen schließlich auch Städte attackieren. Dabei wurden sie teilweise auch von der britischen Marine und der Luftwaffe unterstützt. Diese sorgten für Unterstützungsfeuer beziehungsweise wehrten osmanische Flugzeuge ab:
Im Januar 1917 gelang den Aufständischen die Eroberung der Hafenstadt Al-Wadschh im heutigen Saudi-Arabien.
Am 12. Juni 1917 eroberten die Araber die Hafenstadt Akaba im heutigen Jordanien. Dabei erzielte Lawrence von Arabien einen herausragenden Sieg. Die Osmanen hatten nämlich ihre schweren Geschütze in Richtung des Meeres gegen einen möglichen Angriff der britischen Marine gerichtet. Aber die Araber waren über einen langen Umweg durch die Wüste Nefud gezogen und attackierten die Stadt von der Landseite.
Am 1. Oktober 1918 fiel Damaskus im heutigen Syrien in die Hände der Araber. Am selben Tag marschierten jedoch auch britische Truppen ein. Diese entpuppten sich schon bald als die neue Besatzungsmacht.
Doch Lawrence von Arabien hatte für diese militärischen Erfolge einen hohen persönlichen Preis gezahlt. Mehrfach musste er Situationen durchstehen, die ihn psychisch bis an seine Grenze und darüber hinaus trugen.
Beispielsweise gerieten zwei Sippen unter seiner Führung auf dem Weg nach Akaba in einen schwierigen Streit. Es hatte einen Totschlag gegeben, der normalerweise die Blutrache nach sich gezogen hätte. Doch die Parteien einigten sich dahin gehend, dass Lawrence von Arabien um des Friedens Willen den Täter persönlich exekutieren musste.
Aber Lawrence von Arabien fiel bei Daara im heutigen Syrien auch kurzzeitig in feindliche Hände. Bei der Auskundschaftung eines Rangierbahnhofs wurde er von osmanischen Soldaten entdeckt und gefangen genommen.
Sie hielten ihn für einen Deserteur. Lawrence von Arabien wurde daraufhin gefoltert und vergewaltigt. Doch ein Wärter verhalf ihm aus unbekannten Gründen wenig später zur Flucht. Diese schrecklichen Erfahrungen ließen ihn jedoch nie wieder los.
Leben und Heroisierung nach dem Krieg
Lawrence von Arabien hatte sich im Ersten Weltkrieg um das Empire sehr verdient gemacht. In London wurde der Agent als Nationalheld empfangen.
Lawrence von Arabien im Jahr 1919 (gemeinfrei)
Der amerikanische Journalist Lowell Thomas hatte bereits 1917 begonnen, einen Film über ihn und die arabischen Truppen zu drehen. Die Vorführung des Films zog die Leute ins Kino und ein Mythos wurde geboren.
Doch Thomas Edward Lawrence hatte als britischer Offizier wissentlich den Freiheitsdrang der Araber ausgenutzt, um den Interessen seines Landes zu dienen.
„… die höchsten Ideale und die Freiheitsliebe der Araber als bloße Werkzeuge Englands ausgebeutet…“
Obwohl die Araber wohl mehrheitlich aus persönlichem Eigennutz gehandelt hatten, war Lawrence von Arabien nicht aufrichtig gewesen. Die ihm nach dem Krieg zu teil werdende Heroisierung empfand er deshalb als sehr unangenehm.
„… in der Not des Krieges verkaufte ich um der Erhaltung Englands Willen meine Redlichkeit…“
Die sieben Säulen der Weisheit
Lawrence von Arabien verarbeitete seine Erinnerungen an den Krieg in einem autobiografischen Werk. Dieses nannte er „Die sieben Säulen der Weisheit“.
Der Name ist eine Anspielung auf eine Felsenformation im größten jordanischen Wadi Rum. Ein Wadi ist ein Tal oder ein Flusslauf in einer Wüste, der nur bei starken Regenfällen für kurze Zeit Wasser führt.
Der Titel bezieht sich aber auch auf einen Ausspruch von König Salomo im Alten Testament: „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut, ihre sieben Säulen behauen.“
Lawrence von Arabien verlor jedoch die erste Fassung des Buches aus dem Jahr 1919 bei einer Zugfahrt. Im darauf folgenden Jahr verfasste er aus der Erinnerung eine neue Version, die mit etwa 335.000 Wörtern grob 1.000 Seiten lang war.
1926 erschien dann eine gekürzte Fassung mit etwa 250.000 Wörtern. Das Werk war aufwendig gebunden und illustriert. Den Deckel schmückten zwei gekreuzte Säbel. Es wurden jedoch nur 200 Stück verkauft, so dass das Buch ein wirtschaftlicher Misserfolg wurde.
Deshalb veröffentlichte er 1927 die stark gekürzte Version: „Aufstand in der Wüste“. Damit erreichte Lawrence von Arabien nun ein breites Publikum und erzielte einen internationalen Erfolg.
Dienst als einfacher Soldat bei der Luftwaffe
In den Jahren nach dem Krieg litt der sensible Lawrence von Arabien unter einem psychischen Verfall. Der Wirbel um seine Person machte ihm schwer zu schaffen.
Mit Hilfe eines Freundes im Kriegsministerium konnte sich Lawrence von Arabien jedoch unter einem falschen Namen bei der britischen Luftwaffe verstecken. Als „T. E. Shaw“ diente er trotz seines Ranges als Lt. Colonel bis zum März 1935 als einfacher Soldat.
Motorradunfall und Kopfverletzung
Lawrence von Arabien war ein leidenschaftlicher Motorradfahrer und -sammler. In den Jahren von 1922 bis 1926 soll er über 100.000 Kilometer gefahren sein.
Lawrence von Arabien auf seiner Brough Superior (gemeinfrei)
Vom britischen Hersteller Brough Superior hatte er sieben Stück. Diese nannte er wie alle seine Motorräder „King George“ und nummerierte sie entsprechend durch. Es handelte sich dabei um Sportmaschinen, die sehr leistungsstark waren. Eine modifizierte Version stellte sogar einen damaligen Geschwindigkeitsrekord von etwa 273 km/h auf.
Mit George VII. war Lawrence von Arabien dann am 13. Mai 1935 mit hoher Geschwindigkeit auf einer Landstraße in der Nähe seines Wohnsitz unterwegs. In einer unübersichtlichen Kurve kamen ihm zwei Radfahrer entgegen. Doch beim Ausweichen verlor er die Kontrolle über seine Brough Superior SS100.
Lawrence von Arabien wurde über den Lenker geschleudert und erlitt eine schwere Kopfverletzung. Er fiel ins Koma und verstarb dann sechs Tage später am 19. Mai 1935.
In Erinnerung an den Kriegshelden wurde die Unglücksmaschine restauriert. Seitdem gehört George VII. zur Ausstellung des Imperial War Museum in London.
Film – Lawrence von Arabien (7 Oscars)
Im Jahr 1962 nahm sich der britische Regisseur Sir David Lean der Geschichte des britischen Agenten an. Der Filmemacher schuf auch Werke wie „Doktor Schiwago“ und „Die Brücke am Kwai“.
Mit „Lawrence von Arabien“ drehte David Lean ein bildgewaltiges Epos über den Offizier. Der Film wurde im darauffolgenden Jahr mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Darunter waren sieben Oscars:
Bester Film
Beste Regie
Bestes Szenenbild
Beste Kamera
Bester Schnitt
Beste Musik
Bester Ton
Außerdem erhielt der Film „Lawrence von Arabien“ auch vier Golden Globes:
Bestes Filmdrama
Beste Regie
Bester Nebendarsteller
Beste Kamera
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Benito Mussolini entwickelte sich von einem sozialistischen Redakteur zum Führer des rechtsextremen Faschismus (Duce del Fascismo) in Italien. Im Jahr 1922 wurde er zum Ministerpräsidenten gewählt. Drei Jahre später rief er eine totalitäre Diktatur aus.
Der Duce zeigte allen, wie man sich in einer angeschlagenen Demokratie von ganz rechts außen einen legalen Weg an die Macht bahnen konnte.
Als erfolgreicher Führer des italienischen Faschismus wurde Mussolini so auch zum großen Vorbild für Adolf Hitler.
Wie eine Muster-Vorlage konnten die deutschen Nationalsozialisten die politischen Strategien von Benito Mussolini auf ihre eigene Situation übertragen. Zentrale Merkmale dieser Diktaturen waren:
Gewalttätige Massenorganisation
Einschüchterung und Terror auf den Strassen
Verfolgung von politischen Gegner
Inszenierung der Herrschaft
Instrumentalisierung der Massenmedien
Raubkriege gegen andere Länder
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland gingen Hitler und Mussolini ein enges politisches Bündnis ein. Ab 1936 unterstützen sie gemeinsam den spanischen Diktator Franciso Franco.
Auch dank der gegenseitigen Rückendeckung von Deutschland und Italien entwickelten beide Länder eine hoch aggressive Außenpolitik. Im 2. Weltkrieg wurden sie gemeinsam zu den Achsenmächten gegen ein internationales Bündnis aus freiheitlichen und kommunistischen Staaten.
Doch Benito Mussolini entglitt bereits im Frühjahr 1943 die Kontrolle. Nach einem Putsch wurde er gefangen genommen. Ein Kommando deutscher Fallschirmjäger konnte ihn zwar befreien, doch der Duce war von da an nur noch eine Marionette.
Gegen Ende des Weltkrieges floh Mussolini vor dem alliierten Vormarsch in Italien nach Norden. Doch er geriet am Comer See in eine Straßenkontrolle von aufständischen Partisanen und wurde dabei erkannt. Am 28. April 1945 haben die Freiheitskämpfer den gefallenen Diktator dann am Rande eines kleinen Ortes erschossen.
Herkunft, Ausbildung, Beruf
Benito Mussolini wurde am 29. Juli 1883 in dem kleinen Dorf Predappio in Nord-Italien, in der Emilia-Romagna, geboren. Die Mutter war Lehrerin. Der Vater war ein Schmied und in der lokalen wie auch regionalen Politik aktiv. Er hatte eine sozialistische Gesinnung, aber vermischte diese auch mit kommunistischen und anarchistischen Elementen.
Mit neun Jahren kam der junge Benito auf ein bürgerliches Internat. Mit elf Jahren zog er bei einem Streit mit einem Klassenkameraden ein Messer und verletzte diesen schwer. Daraufhin wurde er der Schule verwiesen.
Er kam dann an eine staatliche Schule. Diese schloss er als ein sehr guter Schüler mit einem Diplom ab, welches ihn zur Erteilung von Unterricht bevollmächtigte.
Schweizer Jahre und Rückkehr
Benito Mussolini nach einer Verhaftung durch die Schweizer Polizei im Jahr 1903 (gemeinfrei)
Im Jahr 1902 trat Benito Mussolini zunächst eine Lehrstelle an. Er wurde jedoch nach kurzer Zeit entlassen und emigrierte daraufhin in die Schweiz.
Dort hatte er nur einfache Jobs, aber er bekam auch Geld von seinen Eltern. Während dieser Zeit wurde Benito Mussolini erstmals politisch aktiv.
Er schloss sich der Auslandsorganisation der italienischen Sozialisten an und schrieb Artikel für das Parteiblatt L’Avvenire del Lavoratore.
Er fand in der Organisation auch Förderer. Diese begeisterten ihn für einen revolutionären Marxismus. 1904 kehrte er nach Italien zurück. Er studierte, lehrte, leistete seinen Wehrdienst und schloss 1907 die Universität von Bologna ab.
Sozialistischer Redakteur
1910 wurde Benito Mussolini der Anführer der Bologneser Sozialisten und übernahm als Redakteur die Leitung der Partei-Zeitung. Nach der italienischen Kriegserklärung gegen die Türkei im darauffolgenden Jahr rief er zum Generalstreik auf.
Im Herbst 1911 wurde Mussolini daraufhin verhaftet und mit anderen Sozialisten zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Doch nach seiner Freilassung machten ihn seine Genossen zum Chefredakteur eines noch größeren Blattes, der Avanti.
Der junge Redakteur war auf dieser Position äußerst erfolgreich. Die Auflage konnte er binnen weniger Monate vervielfachen und die 100.000 Exemplare pro Ausgabe überschreiten. Dem aufziehenden 1. Weltkrieg stand er dabei sehr kritisch gegenüber.
Wiederholt forderte Mussolini als Chefredakteur der Avanti die Neutralität Italiens. Dabei überspannte er jedoch nach Kriegsausbruch den Bogen. Er wurde nach einem kritischen Artikel aus der Parteiführung ausgeschlossen und kündigte daraufhin seine Position bei der Zeitung.
Beginn des Faschismus
Mitte Juni 1914 traten dann erstmals rechte Bürgerwehren, die fasci, auf, die mit Waffengewalt auf Kriegsgegner losgingen. Benito Mussolini begann jedoch ab dem 15. November 1914 zunächst für eine andere Zeitung zu arbeiten.
Diese gab sich zwar noch sozialistisch, doch entgegen der Mehrheit der Arbeiter sprach sich das Blatt für einen Kriegsbeteiligung aus. Ende November 1914 wurde Benito Mussolini dann aus der sozialistischen Partei ausgeschlossen, woraufhin er sich im Dezember einer fasci anschloss.
Popolo d’Italia
Doch in der neuen rechten Bewegung hatten aristokratische Wortführer die Macht. Diese gehörten zu einem komplexen System der gegenseitigen Patronage. Doch die fascisti versorgten Benito Mussolini als talentierten Redakteur mit Aufgaben und Mitteln.
Benito Mussolini als Soldat des Ersten Weltkrieges im Jahr 1917 (gemeinfrei)
Mussolini etablierte eine neue Zeitung, die Popolo d’Italia. Sowohl von Mitgliedern des Staatsapparates wie Ferdinando Martini, dem Minister für Kolonien, wie auch aus der Wirtschaft erhielt das schrille Hetzblatt viele Zuwendungen.
Von 1915 bis 1917 musste Benito Mussolini im Militär dienen. Während dieser Zeit publizierte er jedoch immer weiter. Schließlich wurde er schwer verwundet und musste nicht mehr an die Front zurückkehren.
Als das italienische Heer im Herbst 1917 vor dem Zusammenbruch stand, begann der britischen Geheimdienst Mussolini mit einem Betrag von etwa 6.500 € pro Woche zu fördern. Zu sehr fürchtete man eine Wiederholung der russischen Oktoberrevolution im Herzen Europas.
Während auch in Italien die Sozialisten sehr große Gewinne bei den Wahlen verbuchen konnten, entwickelte sich die Popolo d’Italia zur Zeitung für nationalistische Ex-Soldaten und die bürgerliche Rechte.
Fasci di combattimento
Am 23. März 1919 rief Benito Mussolini die Anführer von 20 Bürgerwehren zusammen. Auf dem Treffen gründeten sie eine gemeinsame Dachorganisation, die Fasci di combattimento. Bis Ende des Jahres waren jedoch erst 870 Mitglieder in diesem Verband organisiert.
„…nicht republikanisch, nicht sozialistisch, nicht demokratisch, nicht konservativ, nicht nationalistisch…“
Politisch waren sie nicht erfolgreich und vermieden zu diesem Zeitpunkt auch jeden genauere Zuordnung zu einem politischen Lager. Doch es erfolgten erste Anschläge. Mussolini wurde als Anstifter verdächtigt und verhaftet.
„…eine Million Schafe werden immer vom Brüllen eines einzigen Löwen zerstreut werden.“
Zu diesem Zeitpunkt stellten die Faschisten jedoch noch eine kleine Splittergruppe dar. Sie wurden aber immer radikaler und versuchten über diese Schiene zu punkten.
Partito Nazionale Fascista
Im Herbst 1920 drehte jedoch die politische Großwetterlage in Italien. Die Sozialisten erhielten soviel Zulauf, dass große Teile des Bürgertums ihr Vertrauen in den Staat verloren. Zugleich zeigte die Führung der Sozialisten jedoch keine Ambitionen, tatsächlich eine Revolution herbeizuführen.
Dann kam es zu einem Überfall von mehreren hundert Faschisten auf den sozialistischen Gemeinderat von Bologna. In dieser Schlacht von Bologna wurden neun Menschen getötet. Es folgten zahlreiche weitere Angriffe auf Sozialisten und deren Infrastruktur.
Plötzlich setzte ein ungeahnter Zustrom zu den Faschisten ein. Sowohl enttäuschte Arbeiter wie auch besorgte Bürger ließen die faschistische Partei ab dem Herbst 1920 innerhalb von einem Jahr zu einer Massenpartei anschwellen.
Mit großen regionalen Unterschieden und ohne einen wesentlichen Beitrag von Benito Mussolini breiteten sich die Faschisten in Italien aus. Dabei wurden sie besonders von den Ministern für Krieg und Justiz gefördert.
Es gab eine schriftliche Anweisung an Gerichte, die Verfahren gegen Faschisten einschlafen zu lassen. Zur Parlamentswahl im Jahr 1921 bildete sich dann breites Bündnis von rechts, der blocco nazionale.
Die Faschisten hatte sich damit nicht nur wichtige Unterstützung gesichert. Sie war salonfähig geworden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Marsch auf Rom
Im Jahr 1922 eskalierte der Terror der Faschisten immer mehr. Gerade im sozialistischen Norden von Italien traten die militanten squadristi der Faschisten wie Besatzungstruppen auf. Hierfür wurde teils mehrere tausend Mann in einzelnen Provinzen konzentriert.
Benito Mussolini rief schließlich zu einem symbolischen Putsch auf, um den italienischen König zu einer Reaktion zu zwingen. Im strömenden Regen marschierten etwa 5.000 squadristi ab dem 25. Oktober 1922 für drei Tage gen Rom.
Doch der König ließ sich beeindrucken. Am 29. Oktober 1922 rief er Benito Mussolini zu sich und vereidigte ihn als Ministerpräsidenten.
Mussolini als Ministerpräsident
Das erste Kabinett von Benito Mussolini umfasste ein breites Lager von Liberalen über Konservative bis hin zu den Rechten. Bei der ersten Sitzung des Parlamentes drohte er bereits dem Haus, es durch seine squadristi besetzen zu lassen.
Benito Mussolini als Politiker (gemeinfrei)
Er brachte ein Gesetz ein, dass ihm bis Ende 1923 Sondervollmachten einräumte. In der Folge kam es zu vielen schweren Übergriffen gegen sozialistische Politiker. Die Polizei unterstand Mussolini direkt und griff nicht ein.
Im Laufe des Jahres 1923 verschmolzen die unterschiedlichen rechten Gruppen nun endgültig unter dem Dach der Faschisten. Die Mitgliederzahl der Partei stieg in diesem Jahr von etwa 300.000 auf etwa 800.000.
Benito Mussolini bekämpfte in der Folge die politische Opposition mit aller Härte. Dabei betonte er jedoch selbst, dass der Terror von Staat ausgehen muss und übernahm ab 1925 selbst den Begriff vom Totalitarismus.
Die Partei richtete Benito Mussolini in diesen Jahren voll auf seine Person aus. Lokale und regionale Parteizeitungen ließ er einstellen und baute zugleich einen Kult um seine Person auf. Im kleinen Kreis zeigte er jedoch seine volle Verachtung für die einfache Bevölkerung.
Viel Propaganda, wenig Politik
Benito Mussolini inszenierte sich als hoch geschäftigen Staatsmann. Er blendete die Bevölkerung mit wahllosen Entscheidungen zu Detailfragen. Beispielsweise entschied er persönlich, wie viele Knöpfe Uniformen haben oder wie lange ein Orchester abends spielen darf.
Tatsächlich kümmerte sich Mussolini jedoch kaum darum, ob seine Entscheidungen tatsächlich befolgt wurden. Auch gegenüber seinen Ministern legte er sich als Regierungschef nicht fest und ließ diese im Wesentlichen tun, was sie wollten.
Darüber hinaus förderte Benito Mussolini faule Beamte. Fleißige, eigenständige Köpfe wurden jedoch zielsicher aus dem Staatsapparat verdrängt. In der Folge nahm die Qualität des Führungspersonals in Italien dramatisch ab.
Doch Mussolini ging es vor allem darum, dass er der Entscheider war. Die Qualität der Entscheidung oder gar die Folgen waren ihm jedoch scheinbar ziemlich egal. Zu diesem Zweck nahm er häufig auch einfach die Meinung eines Gegenübers an, damit ein Widerspruch nicht entstehen konnte.
Persönliche Diktatur des Duce
Ab 1927 entwickelte sich das faschistische Regime zur persönlichen Diktatur von Benito Mussolini. In der Partei waren nun mehr als eine Million Mitglieder organisiert und es gelang, die internen Wahlen abzuschaffen.
Der Duce steuerte auf den Höhepunkt seiner Macht zu. Die gesamte Staatsbürokratie hing von seinem persönlichen Willen ab. Manchmal geriet die Arbeit völlig ins Stocken, sobald Mussolini auch nur außerhalb der Hauptstadt weilte.
Zerschlagung der Gewerkschaften
Ebenfalls im Jahr 1927 wurden die Gewerkschaften zerschlagen. Damit fielen auch die letzten Bastionen der Sozialisten. Nur noch die Katholiken konnten sich als letzte Massenorganisation in Italien halten.
Die Arbeiterschaft wurde ab 1928 in sechs unabhängige Industrieverbände zerschlagen. Diese wurden einer faschistischen Kontrolle unterstellt. Vertreter der Arbeitnehmer wurde in der Folge auch in anderen Gremien zu Gunsten der Arbeitgeber geschwächt.
Italienisches Imperium
Benito Mussolini entwickelte eine sehr aggressive Außen- und Kolonialpolitik. Bereits seit 1923 tobte der zweite italienisch-lybische Krieg. Dieser endete mit einem vollständigen Sieg der Italiener im Januar 1932.
1935 bot sich ein Anlass für einen Krieg gegen Äthiopien, der Abessinienkrieg. Am 3. Oktober griffen italienische Truppen an. Doch Benito Mussolini hatte sich verkalkuliert. Die internationale Gemeinschaft stellte sich gegen ihn. Der Völkerbund erklärte Italien zum Aggressor.
Italien ging dennoch als Sieger aus diesem Krieg hervor. Der Duce verkündete daraufhin am 9. Mai 1936 „…die Rückkehr des Imperiums auf die heiligen Hügel von Rom.“
Bündnis der Achsenmächte
Das partnerschaftliche Verhältnis von Adolf Hitler und Benito Mussolini hatte sich im Laufe der Jahre entscheidend gewandelt. Der Führer der italienischen Faschisten war ursprünglich das große Vorbild gewesen.
Benito Mussolini im Gleichschritt mit Adolf Hitler bei einer Parade in Berlin im Jahr 1937 (Foto: Ladislav Luppa / Lizenz: CC-BY-SA 3.0)
Doch die Machtverhältnisse hatte sich geändert. Das Dritte Reich hatte sich massiv an den Privatvermögen von Juden und anderen Minderheiten bereichert. Während Deutschland vor Kraft strotzte war der korrupte Faschismus in Italien viel weniger leistungsfähig.
Dennoch entschlossen sich beide Mächte, eine gemeinsame Achse zu bilden. Graf Ciano, ein Schwiegersohn von Mussolini sowie Außenminister des Landes, und Joachim von Ribbentrop handelten 1936 den fatalen Pakt zwischen den beiden Ländern aus.
Doch Benito Mussolini verlor immer mehr an Bedeutung. Den unerwünschten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im Jahr 1938 musste er hinnehmen. In die Angriffspläne auf Frankreich wurde der Duce nicht einmal mehr eingeweiht.
Zum großen Unmut von Hitler sollte Mussolini jedoch später noch auf eine Beteiligung am Krieg gegen Stalin und die Sowjetunion bestehen. Doch der Duce und Italien waren unzuverlässige Partner für die Nationalsozialisten.
Sturz von Mussolini
Der 2. Weltkrieg wendete sich nach anfänglichen Erfolgen gegen die beiden Achsenmächte. Am 10. Juli 1943 begann die Operation Husky. Amerikanische, britische und kanadische Truppen landeten völlig überraschend mit 160.00 Mann in Sizilien. Die Insel war nicht zu verteidigen und die Stellung des Duce nahm kritischen Schaden.
Der faschistische Großrat, das höchste Parteigremium, trat daraufhin am 25. Juli zusammen. Benito Mussolini trat völlig apathisch auf und ließ eine Abstimmung zu. Es wurde beschlossen, dass er den Oberbefehl und das Außenministerium abgeben solle.
König Viktor Emanuel III. nahm überraschenderweise den Vorschlag des Rates einfach an und entließ Mussolini zugleich auch als Ministerpräsident. Am 29. Juli 1943 wurde der Duce verhaftet und in einer Kaserne der Carabinieri interniert.
Wenige Wochen später wurde Benito Mussolini in ein Hotel im Gran-Sasso-Massiv verlegt. Italien unterzeichnete in der Folge einen Waffenstillstand mit den Alliierten. Deshalb wurde Mussolini dann auf persönlichen Befehl von Adolf Hitler durch ein Kommando deutscher Fallschirmjäger befreit.
Die deutschen Truppen in Italien wurden daraufhin zur Besatzungsmacht. Der einstmals stolze Duce der Faschisten machte sich zur bereitwilligen Marionette der Deutschen in Nord-Italien.
Flucht und Tod
Am 25. April 1945 erfuhr Benito Mussolini, dass der SS-General Karl Wolff heimlich mit den Alliierten über einen Waffenstillstand in Italien verhandelte. Mit einigen Anhängern versuchte er daraufhin nach Norden zu fliehen.
Entweder versuchten die Faschisten in die Schweiz zu gelangen oder planten möglicherweise einen letzten heroischen Kampf. Auf der Flucht schlossen sie sich einer kleinen deutschen Flak-Einheiten an und verkleideten sich als einfache Landser.
Die Gruppe geriet in der Nähe des Comer Sees in eine Straßensperre von kommunistischen Partisanen. Sie wurden erkannt und festgehalten. Am folgenden Tag trafen Vertreter der Kommunisten aus Mailand mit einem Todesurteil ein.
Am Nachmittag des 28. April 1945 wurde Benito Mussolini dann mit seiner Geliebten und einigen Anhängern am Stadtrand des kleinen Ortes Mezzegra erschossen. Die Leichen wurden nach Mailand transportiert und kopfüber an einer Tankstelle aufgehängt.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Josef Stalin wurde am 18. Dezember 1878 als Iosseb Dschughaschwili in Georgien geboren. Er war schon als junger Mann ein radikaler Berufsrevolutionär.
Josef Stalin im Jahr 1942 (gemeinfrei)
Ab 1922 war Stalin der Generalsekretär der Kommunistischen Partei und baute als skrupelloser Apparatschik den Totalitarismus aus. Seinem Roten Terror fielen Millionen zum Opfer.
Die breite Bevölkerung der Sowjetunion knechte er mit einer rigiden Kommandowirtschaft und Zwangskollektivierungen. So forcierte Stalin einen brachialen Übergang vom Agrar- zum Industriestaat. Die folgenden Hungersnöte kosteten sechs Millionen Menschenleben.
Als „Generalissimus“ war Josef Stalin zunächst im Winterkrieg gegen Finnland und dann im Zweiten Weltkrieg ein blutiger Oberbefehlshaber. Es fielen mehr als zehn Millionen Soldaten.
Bis zu seinem eigenen Tod am 05. März 1953 prägte dieser „Stalinismus“ die Sowjetunion. Doch binnen 24 Stunden nach seinem Ableben wandelte sich bereits der Parteiapparat. Der Schreckensherrschaft folgte eine Phase der relativen Entspannung unter dem im Vergleich gemäßigteren Nikita Chruschtschow:
„Verbrecherische Handlungen wurden von Stalin begangen, Handlungen, die in jedem Staat der Welt, außer in faschistischen Staaten wie denen Hitlers und Mussolinis, strafbar gewesen wären.“
Häufige Fragen zu Josef Stalin (FAQs)
War Josef Stalin ein Held oder ein Tyrann? Er war ein Tyrann dessen systematischer Terror gegen die eigene Bevölkerung Millionen von Menschenleben kostete. Doch vor allem für den Sieg im Großen Vaterländischen Krieg gegen das Dritte Reich wird er teils auch heute noch als Held verehrt.
Wie regierte Stalin die Sowjetunion? In der Frühphase seiner Herrschaft ließ er massenhaft tatsächliche oder auch nur vermeintliche Gegner töten. Der Marxismus-Leninismus wurde zur verbindlichen Ideologie wie auch die Planwirtschaft. Nach den extrem blutigen Fehlschlägen im Winterkrieg gegen Finnland gestattete er einzelnen bewährten Militärs wie Georgi Schukow etwas mehr Freiraum.
Wie viele Menschen ließ Stalin töten? Die Zahl der Opfer des Terrors von Josef Stalin lässt sich nicht genau beziffern. Schätzungen bewegen sich zwischen mindestens drei Millionen und bis zu mehr als 20 Millionen Toten.
Wie starb Stalin und was passiert dann? Josef Stalin verstarb am 05. März 1953 an den Folgen eines Schlaganfalls. Die Regierung übernahm Nikita Chruschtschow, der die „Entstalinisierung“ der Sowjetunion einleitete.
Josef Stalin und die Russischen Revolutionen
Josef Stalin wuchs als Einzelkind auf und lernte früh ein hartes Leben kennen. Der Vater war beruflich zunächst sehr erfolgreich und führte einen Betrieb mit zehn Angestellten. Aber dann verfiel er dem Alkohol, ruinierte sein Geschäft und wurde gewalttätig.
Josef Stalin Jahr 1902 (gemeinfrei)
„Diese unverdienten und schrecklichen Prügel machten den Jungen genauso hart und gefühllos wie seinen Vater.“(Jugendfreund über Stalin)
Mit sieben Jahren zeichneten Windpocken das Gesicht von Stalin. Mit zehn Jahren wurde er von einer Kutsche überfahren. Sein linker Arm brach dabei mehrfach und wuchs verkrümmt zusammen. Im selben Jahr verließ der Vater die Familie.
Aber Josef Stalin war lesefreudig und beendete im Jahr 1884 als Bester seines Jahrgangs die Schule. Daraufhin wurde er für ein orthodoxes Priesterseminar in Tiflis vorgeschlagen.
Dort lernte er die Welt des korrupten Klerus kennen. Der intelligente junge Mann wendete sich schnell anderen Gesinnungen zu.
Bald wurde er in geheime marxistische Zirkel aufgenommen und entwickelte sich in diesem Umfeld zu einem revolutionären Geist.
Messame-Dassi-Gruppe (1897/98)
Mit 18 Jahren gehörte Stalin zu der Messame-Dassi-Gruppe. Der Name bedeutet einfach nur „Die-Dritte-Gruppe“. Das war die erste sozialistische Organisation in Georgien. Der junge Josef leitete in deren Namen dann Lesezirkel für Arbeiter.
Auf der Literaturliste standen Autoren wie Marx, Engels, die frühen Werke von Lenin und andere sozial-revolutionäre Autoren wie Georgi Plechanow. Im Jahr 1898 trat Josef Stalin dann offiziell in die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands (SDAPR) ein.
Arbeiterpartei (1898 – 1903)
Seine politischen Aktivitäten verdrängten schnell das Interesse am Werdegang als Priester. Bereits ein Jahr später wurde Josef Stalin wegen Abwesenheit bei Prüfungen exmatrikuliert. Dafür machte er Öffentlichkeitsarbeit für die Partei:
„Bis zur Revolution müssen wir Gesetze brechen.“
Er legte sich den Decknamen „Koba“ zu und organisierte Demonstrationen und Streiks. 1902 wurde Josef Stalin erstmals verhaftet und nach Sibirien verbannt. Das war jedoch kein Hindernis für kommunistische Aktivitäten. Die Flucht sollte ihm zwei Jahre später gelingen.
Doch 1903 spaltete sich die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands. Josef Stalin schloss sich daraufhin den Bolschewisten an. Diese strebten nicht nur nach Reformen. Sie wollten den Zar stürzen und den Kommunismus einführen.
Acht Verbannungen (1903 – 1917)
Josef Stalin konnte 1904 aus seiner ersten Verbannung in Sibirien entkommen. Daraufhin wurde er wieder im Untergrund aktiv. Neben propagandistischen Tätigkeiten war er im Laufe der Jahre auch an zahlreichen Banküberfällen beteiligt.
Sein größter Coup war der Überfall auf die Bank von Tiflis im Juni 1907. Dabei wurden 40 Menschen getötet und über 250.000 Rubel erbeutet. Das entsprach einem heutigen Wert von mehreren Millionen Euro.
Die zaristische Polizei konnte ihn jedoch auch immer wieder verhaften. Stalin wurde insgesamt achtmal in die Verbannung geschickt und konnte jeweils zurückkehren. Für dieses absurde Spiel gibt es zwei Erklärungen:
Die Polizei war sehr schlecht organisiert. Zahlreiche Kommunisten entkamen aus einer sibirischen Verbannung. Darüber hinaus erhielten die Revolutionäre sehr viel Unterstützung von lokalen Bauern.
Josef Stalin wurden aber auch Kontakte zum zaristischen Geheimdienst nachgesagt.
Seinem Aufstieg im linken Lager waren diese Verbannungen und anschließende Fluchten jedoch sehr zuträglich. Ab 1912 gehörte er zum Zentralkomitee der Bolschewiki und nahm erstmals den Kampfnamen „Stalin“ an.
Februarrevolution (1917)
Die großen Umbrüche von 1917 begannen mit der sogenannten Februarrevolution. Der Aufstand begann nach dem heute gängigen Gregorianischen Kalender allerdings erst am 08. März 1917.
Letztes Foto von Kaiser Nikolaus II. von Russland aus dem Jahr 1917 (gemeinfrei)
Der tiefer liegende Grund war die extreme Spaltung der Gesellschaft. Hinzu kamen nun die schweren Rückschläge im Ersten Weltkrieg sowie akute Versorgungsengpässe.
Es erhoben sich Soldaten und große Teile der Bevölkerung. Der letzte Kaiser von Russland wurde zur Abdankung gezwungen. Vorübergehend entstand eine Doppelherrschaft.
In Moskau regierte fortan eine Provisorische Regierung, die vom Parlament gestützt wurde. In Sankt Petersburg hatte sich hingehend ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet.
Solche Räte wurden als Sowjet bezeichnet. Es waren Organe zur Verwaltung, aber auch Plattformen für die Kämpfe der linken Flügel untereinander.
Josef Stalin hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits eine inner-parteiliche Machtbasis aufgebaut. Er war eine Führungsfigur mit einem umfangreichen persönlichen Netzwerk.
Im Juni 1917 wurde Josef Stalin auf dem ersten Sowjetkongress von ganz Russland in das Zentralexekutivkomitee (ZEK) gewählt. Zusammen mit Lew Kamenew und Grigori Sinowjew bildet er in dem Gremium ein Triumvirat.
Damit nahm Stalin schon sehr früh eine vorteilhafte Position innerhalb der kommunistischen Thronfolge ein. Den späteren Konflikt mit dem eher ideologisch angehauchten Leo Trotzki konnte er als der mächtigere Funktionär entsprechend gewinnen.
Oktoberrevolution (1917)
Im September 1917 gab es dann einen rechten Putsch in Russland. Der brach zwar schnell in sich zusammen, beschädigte jedoch nachhaltig die konservative Regierung des Parlamentes unter Alexander Kerenski in Moskau.
Alexander Kerenski führte die zweite Provisorische Regierung. (gemeinfrei)
Im Oktober 1917 kam es dann zu einem Handstreich der Roten Garden gegen den Regierungssitz von Kerensiki im Winterpalais von Sankt Petersburg, der ehemaligen Hauptresidenz der Zaren.
Darüber hinaus wurden Behörden sowie Bahnhöfe und Telegraphenämter besetzt. Stalin war an der Organisation des Aufstandes maßgeblich beteiligt.
Die Oktoberrevolution entwickelte sich zum politischen Doppelschlag zu Gunsten der Radikalen. Gemäßigte Sozialisten verließen nämlich daraufhin aus Protest den Sowjet.
Damit hatten sie sich jedoch überschätzt und ihren politischen Gegnern kampflos das entscheidende Gremium überlassen. Die Bolschewisten griffen anschließend endgültig nach der Macht und bildeten eine neue Regierung.
Die tatkräftige Beteiligung von Josef Stalin zahlte sich umgehend für ihn aus. Der nun führende Lenin machte ihn in der neuen Regierung zum Volkskommissar für Nationalitätenfragen.
Kommunistischer Terror (ab 1917)
„Roter Terror“ (ab 1917)
Die Bolschewiki bauten nach der Oktoberrevolution schnell einen neuen Sicherheitsapparat auf. Man sah die Revolution durch innere und äußere Feinde bedroht. Das selbst so gerne genutzte Streikrecht wurde umgehend abgeschafft, um Massenansammlungen zu verhindern. Lenin rief zum Roten Terror auf.
Feliks Dzierżyński im Jahr 1918 (gemeinfrei)
Unter Feliks Dzierżyński wurde die Außerordentliche Allrussische Kommission zur Bekämpfung von Konterrevolution, Spekulation und Sabotage ins Leben gerufen, kurz: Tscheka.
Diese politische Polizei ermordete bereits in den ersten sechs Wochen über 50.000 Menschen. Außerdem wurde die Personalstärke binnen kürzester Zeit in die Höhe gefahren.
Innerhalb von drei Jahren baute Feliks Dzierżyński die Tscheka von anfangs 600 auf 280.000 Mann aus. Im Vergleich dazu erreichte die deutsche Gestapo in ihrem Zenit eine Stärke von 31.000.
Die Aufgabe von Josef Stalin war dabei die Eingliederung der Gebiete von Minderheiten des alten Zarenreiches unter die Diktatur der Sowjets.
Russischer Bürgerkrieg (ab 1918)
Die Mittelmächte des Ersten Weltkrieges wussten die Instabilität von 1917/18 zu nutzen. Die geheime Finanzierung der Bolschewiki und die angestrebte „Dekomposition“ des russischen Staates war letztlich eingetreten.
Mit der Operation Faustschlag begann am 08. Februar 1918 eine deutsche Großoffensive mit etwa 50 Divisionen. Nach drei Tagen wurde bereits Minsk in Weißrussland eingenommen. Anfang März fiel dann Kiew in der Ukraine an die Deutschen.
Leo Trotzki im Jahr 1918 (gemeinfrei)
General Erich Ludendorff konnte daraufhin der russischen Delegation unter Trotzki im Frieden von Brest-Litwosk seine Bedingungen aufdrücken. Die nachteilhafte Vereinbarung wurde in Russland als Demütigung aufgenommen.
Außerdem gaben sich konservative Kreise den Kommunisten noch nicht geschlagen. Unter der Führung des rechten Generals Kornilow formierte sich die „Weiße Bewegung“.
In der Folge wurden die Milizen der Roten Garden von Leo Trotzki zur Roten Armee ausgebaut. Ursprünglich war das ein bunter Haufen aus desertierten Soldaten und Arbeitern.
Doch numerisch vereinigte sich eine Überlegenheit gegen die alte Ordnung. Ein besonderer Aspekt war, dass auch vormals im russischen Kaiserreich unterdrückte Nationalitäten integriert wurden.
Es begann der Russische Bürgerkrieg mit letztlich etwa acht Millionen Toten. Der Blutzoll war höher als im Ersten Weltkrieg.
„Selbst wenn wir halb Russland niederbrennen und das Blut von drei Vierteln der Bevölkerung vergießen müssen, wir werden es tun, wenn es zu Russlands Rettung notwendig sein sollte.“ (General Kornilow)
Josef Stalin gehörte bereits ab Juni 1918 zum „Revolutionären Kriegsrat“. Einen Monat später wurde er als Politkommissar nach Wolgograd entsandt, um die Loyalität der Einheiten im wichtigsten Anbaugebiet für Getreide zu sichern.
Generalsekretär (ab 1922)
Die Bolschewisten überstanden die Krisen nach der Oktoberrevolution. Im Juni 1922 zog sich der mythisch verklärte Lenin aber aus gesundheitlichen Gründen weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück.
Lenin und Stalin im Jahr 1922 (gemeinfrei)
An der Spitze der KPdSU entstand eine Lücke, die Josef Stalin als führender Apparatschik einer wuchernden Partei sehr gut nutzen konnte.
Zunächst wurde er Generalsekretär. Damit konzentrierte Stalin bereits viele Fäden in seiner Hand. Nach der offiziellen Gründung der Sowjetunion am 30. Dezember 1922 wurde er faktisch Regierungschef.
Mit Leo Trotzki hatte er in dieser Phase jedoch noch einen prominenten Gegner. Josef Stalin war aber kein Ideologe, sondern ein Repräsentant des ausufernden Parteiapparates und besetzte nach und nach alle entscheidenden Gremien.
Seine Vergangenheit als aktiver Revolutionär kam ihm dabei zu Gute. Vor allem gelang es auch, die letzten Kommentare von Lenin vor seinem Tod zu unterdrücken:
„Stalin ist zu grob, und dieser Fehler, der in unserer Mitte und im Verkehr zwischen uns Kommunisten erträglich ist, kann in der Funktion des Generalsekretärs nicht geduldet werden. Deshalb schlage ich den Genossen vor, sich zu überlegen, wie man Stalin ablösen könnte […].“
Ab 1924 entfaltete sich seine inner-parteiliche Macht dann immer stärker. Die Tscheka war dabei sehr wichtig und ging nicht nur gegen Feinde außerhalb der Partei vor. Sie entwickelte sich auch zum Instrument des Terrors gegen Parteigegner und arbeitete häufig einfach nur nach Quote.
Neue Partner (ab 1924)
Es folgten weitere drei Jahre der Flügelkämpfe innerhalb der Kommunistischen Partei. In dieser Zeit baute Josef Stalin seine persönlichen Bündnisse um.
Er sicherte sich die Loyalität von Feliks Dzierżyński, dem Gründer der Tscheka, und anderen militärischen Führern aus dem Bürgerkrieg. In seinem Treiben wandte er sich aber auch gegen alte Partner wie Lew Kamenew und Grigori Sinowjew, die er 1926 aus der Partei drängte.
Ein Jahr später konnte sich auch Trotzki nicht mehr halten. Er wurde als Verräter nach Kasachstan verbannt und 1940 von einem sowjetischen Agenten mit einem Eispickel erschlagen.
Ära des Stalinismus (1927 – 1953)
Mit Leo Trotzki hatte Stalin seinen letzten großen Konkurrenten aus dem Weg geräumt. Anschließend verfügte er über uneingeschränkte Macht und verwandelte die Sowjetunion endgültig in einen totalitären Staat.
Ab 1928 forcierte Josef Stalin den radikalen Umbau vom Agrar- zum Industriestaat. Der Grundbesitz von Bauern wurde enteignet und zwangsweise kollektiviert. Das zentrale Argument für diesen Schritt war, dass die russischen Bauern als Ersatz für fehlende Kolonien einen Tribut leisten müssen.
Stalin griff dabei auch zu Hungerexporten. Obwohl das Land unter Nahrungsknappheit litt, wurde dennoch Getreide ins Ausland verkauft. Mit den Erlösen wiederum kaufte die Sowjetunion dann Maschinen ein.
In der Ukraine entstand 1932 der Begriff Holodomor. Damit wurde die von Josef Stalin verursachte Hungersnot bezeichnet. Der Begriff bedeutet in der Übersetzung soviel wie „Tötung durch Hunger“.
Dennoch konnte Stalin so die Wirtschaft anschieben und ein hohes Wachstum erzielen. Auch legte er die Basis für die enorme Waffenproduktion der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg.
„Großer Terror“ (1936 – 1938)
Die alte Tscheka wurde bereits seit 1922 als GPU, als Geheimpolizei der Sowjetunion, bezeichnet. 1934 war die Organisation in das neue Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (NKWD) umbenannt worden. Es folgten noch viele Neubezeichnungen im Laufe der Zeit.
Nikolai Iwanowitsch Jeschow im Jahr 1937 (gemeinfrei)
Doch in diesem Jahr bot die Ermordung des Leningrader Parteisekretärs einen Anlass für großangelegte Säuberungen. Die Leitung der Maßnahmen lag nun beim Innenministerium. Das NKWD unter der Führung von Nikolai Jeschow übernahm die Vorbereitung und Durchführung.
„Ein Mensch ein Problem, kein Mensch kein Problem.“ (Josef Stalin)
Ab 1936 kam es sowohl in den Städten wie auch in den ländlichen Gebieten der Sowjetunion zu zahllosen Schauprozessen. In Großoperationen ging der NKWD gegen Personen in allen Bereichen des öffentlichen und privaten Lebens vor.
Nach Schätzungen wurden etwa 1,5 Millionen Menschen verhaftet. Die Hälfte davon wurde direkt erschossen. Die andere Hälfte wurde in Arbeitslager, die Gulags, deportiert und hatte dort nur eine geringe Überlebenschance.
Diese „Stalinschen Säuberungen“ bluteten die Partei und vor allem auch das Militär aus. In der Folge fehlte es an fähigen Offizieren in den mittleren und hohen Rängen, was sich während des Winterkrieges gegen Finnland und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges sehr negativ auswirken sollte.
Die Episode ging als „Großer Terror“ in die Geschichte ein. Nikolai Jeschow wurde 1940 in einem Keller exekutiert.
Hitler-Stalin-Pakt (1939)
Seit 1933 war Adolf Hitler in Deutschland, dem Gegner aus dem Ersten Weltkrieg, an der Macht. Zwischen den Großmächten lag zu dieser Zeit mit Polen jedoch ein Staat als Puffer.
Um jeweils besser expandieren zu können, schlossen das Dritte Reich und die Sowjetunion am 24. August 1939 einen Nichtangriffspakt. Für diesen Vertrag kursieren drei synonyme Begriffe:
Deutsch-Sowjetischer Nichtangriffspakt
Molotow-Ribbentrop-Pakt
Hitler-Stalin-Pakt
In einem geheimen Zusatzprotokoll wurden Einflusssphären für eine „territorial-politische Umgestaltung“ vereinbart. Die Sowjetunion erhob Anspruch auf:
Ostpolen
Finnland
Estland
Lettland
Auf der Landkarte verblieben Westpolen und Litauen, was den Deutschen zu gesprochen wurde. Man einigte sich auf Grenzen, die vor allem entlang der Flüsse Narew, Weichsel und San verliefen.
Am 01. September 1939 begann der deutsche Überfall auf Polen. Am 17. September fiel die Rote Armee in den Osten des Landes ein. Ende November griff Stalin dann Finnland an und der Winterkrieg begann.
Winterkrieg gegen Finnland (1939/40)
Die Sowjetunion wollte die Karelische Landenge nördlich von Sankt Petersburg einnehmen. Das Gebiet gehörte zu Finnland. Mit dem Argument eines unbedingten Sicherheitsinteressen griff Stalin das kleine Land an.
Der Winterkrieg von 30. November 1939 bis zum 13. März 1940 (ODbL)
Es folgte der finnisch-sowjetische Winterkrieg vom 30. November 1939 bis zum 13. März 1940. Mit voller Macht griff die industrialisierte Sowjetunion mit mehreren Armeen die finnische Mannerheim-Linie an.
Josef Stalin befahl den Generälen, eine Welle nach der anderen zu schicken. Doch die Unfähigkeit vieler Offiziere wie auch der insgesamt schlechte Zustand der Roten Armee führten nicht zu den gewünschten Erfolgen.
Nach extremen Verlusten folgte eine zweite Großoffensive von Nordosten gegen die lange finnisch-sowjetische Grenze. In der 100-tägigen Schlacht von Kollaa konnten sich die Finnen jedoch bis zu einem Friedensschluss behaupten.
Vor allem die hohe Beweglichkeit der Finnen durch den Schnee brachte immer wieder die entscheidenden Vorteile. Darüber hinaus hatten sie exzellente Scharfschützen wie den legendären Simo Häyhä in ihren Reihen. Auf sowjetischer Seite hingegen mussten zahllose Offiziere die Konsequenzen für die Misserfolge mit ihrem Leben bezahlen.
Diese beiden Lektionen würden später entscheidend zur Niederlage der Wehrmacht vor Moskau im Großen Vaterländischen Krieg beitragen. Die Verbesserungen der Roten Armee wie auch die Spezialisierung auf den Winterkrieg entging den deutschen Planern.
Großer Vaterländischer Krieg (1941 – 1945)
Doch Josef Stalin schätzte auch die Nazis falsch ein. Am 22. Juni 1941 begann die Offensive des Dritten Reiches gegen die Sowjetunion.
Trotz aller Vorzeichen war Stalin bis zuletzt überzeugt, dass es gar keinen Angriff geben würde oder wenn überhaupt, dann erst ein Jahr später. Aber Adolf Hitler wollte unbedingt neuen Lebensraum im Osten erschließen.
Dieses „Unternehmen Barbarossa“ war eine Großoffensive entlang der kompletten Grenzlinie. Der Angriff bestand aus drei Keilen:
Die Heeresgruppe Nord unter Wilhelm Ritter von Leeb stieß ins Baltikum vor.
Die Heeresgruppe Mitte unter Fedor von Bock griff Weißrussland an.
Gerade in den ersten Tagen nach dem Überfall kam es zu keiner konzertierten Gegenwehr. Die Ungläubigkeit Stalins und der blinde Gehorsam seiner Generäle begünstigte die deutsche Offensive. Nur die einfachen sowjetischen Soldaten waren von Anfang an sehr hartnäckig.
Die deutschen Verbände konnten sehr schnell Gelände gewinnen. Bereits im Oktober begann die Bombardierung von strategischen Zielen rundum Moskau.
Doch im Dezember 1941 geriet der Vormarsch ins Stocken. Die Wehrmacht und das Material war nicht für einen russischen Winter gemacht. Außerdem blieb der Blutzoll der deutschen Armee entgegen der Erwartungen fortlaufend auf einem hohen Niveau. Monat für Monat starben etwa 100.000 Mann.
Dafür konnte Josef Stalin mit schnellen Divisionen von sibirischen Gebirgsjäger die deutschen Linien weiträumig umgehen. Nur 40 Kilometer vor Moskau scheiterte der Angriff auf die Sowjetunion. Dennoch sollte die Rote Armee noch Jahre brauchen, um die deutschen Truppen im Großen Vaterländischen Krieg zurückzudrängen.
Stalin im Kalten Krieg (1945 – 1953)
Konferenz von Jalta
Als das Ende des Zweiten Weltkrieges absehbar wurde, traf sich Josef Stalin mit Franklin D. Roosevelt und Winston Churchill Anfang 1945 zur Konferenz von Jalta.
Churchill, Roosevelt und Stalin während der Konferenz von Jalta am 9. Februar 1945 (gemeinfrei)
Sie planten die Aufteilung Deutschlands sowie die Abgrenzung ihrer Einflussgebiete in Europa. Bereits zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ein Folgekonflikt des Zweiten Weltkrieges ab.
Nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht am 07. Mai 1945 expandierte die Sowjetunion bis in die Mitte Europas. Die kommunistische und die kapitalistische Welt prallten nun direkt aufeinander. Die ehemalige Reichshauptstadt Berlin wurde dabei zum Symbol der Teilung.
Der Kalte Krieg zwischen den ehemaligen Verbündeten begann bereits in den letzten Zügen des Zweiten Weltkrieges. Josef Stalin und der Westen lieferten sich ein Rennen um deutsches Know-How und verwertbares Material.
Eiserner Vorhang in Europa
Josef Stalin versuchte so viel wie möglich aus den eroberten Gebieten heraus zu pressen. Damit fühlte er sich auch völlig im Recht. Die deutsche Zivilbevölkerung musste bei der Demontage von Maschinen helfen.
Darüber hinaus wurden tausende Facharbeiter und Wissenschaftler in die Sowjetunion deportiert. In Mittel-Europa setzten sich Millionen von Flüchtlingen in Bewegung. Stalins eiserner Wille traf aber nicht nur die Deutschen.
Polen wurde beispielsweise als ganzer Staat auf der Landkarte nach Westen versetzt. Die Sowjetunion übernahm dann die östlichen Gebiete. Polen erhielt im Westen neue Gebiete von Deutschland. Auf die Bevölkerung wurde keinerlei Rücksicht genommen.
In der Folge wurden in den neuen Satelliten-Staaten umgehend Partei- und Geheimdienst-Strukturen aufgebaut. Die neue Einflusssphäre wurde nach den Vorgaben von Josef Stalin gestaltet. Er hatte mit dem Sieg im Großen Vaterländischen Sieg die Sowjetunion zu einer Supermacht erhoben.
Die Rote Armee war die größte Armee der Welt. Am 29. August 1949 zündete die Sowjetunion dann auch die erste Atombombe.
In der Weltordnung gab es von da an zwei bestimmende Pole, die USA und die Sowjetunion. Deren Verhältnis wiederum war von Stellvertreter-Kriegen geprägt.
Koreakrieg (1950 – 1953)
Als Gegenspieler der amerikanischen Präsidenten wurde Josef Stalin zum Patron der kommunistischen Welt. Vor allem die chinischen Genossen unter dem großen Vorsitzenden Mao Zedong profitierten schon lange von der Unterstützung durch die Sowjets.
Die Chinesen wiederum unterstützten ihre roten Brüder in Nordkorea. 1950 sahen diese ihre Chance, den kapitalistischen Süden des Landes zu überfallen. Deren Schutzmacht war jedoch die USA.
Stalin und Mao garantierten Nordkorea seine Existenz, falls die Amerikaner zum Gegenschlag ausholen sollten. Tatsächlich entwickelte sich der Krieg denkbar ungünstig für den kapitalistischen Süden und die amerikanischen Truppen.
Der US-Oberbefehlshaber wollte daraufhin die Freigabe für den Einsatz von Atomwaffen gegen Nordkorea. Aber die Sowjetunion trat nun erstmals als atomare Schutzmacht auf. Ein Gleichgewicht des Schreckens hatte sich etabliert, als Josef Stalin am 05. März 1953 verstarb.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Anmerkung des Autors: Ich distanziere mich ausdrücklich von extremistischem Gedankengut. Die verwendeten Bilder mit verfassungsfeindlichen Symbolen dienen der Visualisierung historischer Ereignisse und veranschaulichen die Bildsprache einer mörderischen Diktatur, die insgesamt etwa 50 Millionen Menschen den Tod brachte.
Fritz Erich von Lewinski genannt von Manstein wurde 1887 geboren und verstarb im Jahr 1973. Er war ein deutscher Generalfeldmarschall während des 2. Weltkrieges und gilt als einer der größten Strategen des 20. Jahrhunderts.
Erich von Manstein als Generalmajor im Jahr 1938 (Bundesarchiv, Bild 183-H01758 / CC-BY-SA 3.0)
Erich von Manstein entwickelte vor allem das Konzept für den „Sichelschnitt“ – für den Angriff auf Frankreich. Bis 1944 war Erich von Manstein dann auch an zahlreichen weiteren Fronten aktiv.
Dabei wurde er besonders für die Belagerung von Sewastopol sowie als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd an der Ostfront bekannt.
Im Deutschland der Nachkriegszeit wurde von Manstein neben Graf von Stauffenberg als einziger hoher Offizier der Wehrmacht sowohl von der Bundeswehr wie auch von der Politik gewürdigt.
Während seine militärischen Leistungen unbestritten und sogar von Winston Churchill anerkannt wurden, sind um seine Person dennoch Diskussionen entstanden. Er war zwar keine treibende Kraft der nationalsozialistischen Ideologie. Aber Erich von Manstein warf dennoch einen Mantel des Schweigens über die Verbrechen der Nazis im Osten.
Generalsränge der Wehrmacht (Übersicht)
Generalmajor
Generalleutnant
General einer Waffengattung
Generaloberst
Feldmarschall
Häufige Fragen zu Erich von Manstein (FAQs)
Was war der Sichelschnitt? So bezeichnete Churchill den durch Erich von Manstein erdachten Angriff der Deutschen auf Frankreich, bei dem die Versorgungslinien der alliierten Truppen in Belgien durchtrennt wurden. Damit war der Krieg im Westen binnen weniger Wochen gewonnen.
Was war „Mansteins Miracle“? Dabei handelte es sich um eine meisterhaft ausgeführte Rotation von Großverbänden, die den Sieg in der dritten Schlacht um Charkow im Februar und März 1943 ermöglichte. Das war der letzte große deutsche Erfolg an der Ostfront.
War Erich von Manstein ein Kriegsverbrecher? Er wurde im letzten der Nürnberger Prozesse angeklagt und verurteilt. Die Anklage lautete aber nicht wie bei vielen Nazis auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern begründete sich mit Verstößen gegen das Kriegsrecht sowie Mitverantwortung für Verbrechen in 17 Punkten.
General von Manstein im 2. Weltkrieg
Theorie von der Sturmartillerie
Ein Sturmgeschütz III in der Schlacht um Stalingrad (Bundesarchiv, Bild 183-J21826 / CC-BY-SA 3.0)
Erich von Manstein beschäftigte sich bereits früh in seiner Karriere mit neuen Konzepten und erdachte die „Sturmartillerie“.
Das sind Artillerie-Kräfte, die zur Panzertruppe gezählt wurden, um einen infanteristischen Angriff zu begleiten.
Diese Artillerie leistete unmittelbare Unterstützung mit direktem Feuer. Der Gedanke entsprang den Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg.
Reine Infanterie-Verbände hatten große Probleme, wenn sie befestigte Positionen erobern mussten. Vor allem gegnerische MG-Stellungen forderten einen sehr hohen Blutzoll.
Steilfeuer durch normale Artillerie hatte oft keine ausreichende Wirkung. Erich von Manstein erdachte deshalb eine mobile Artillerie, die Sturmangriffe der Infanterie mit Panzerung und direktem Schuss begleiten konnte.
Solche „Sturmgeschütze“ wurden während des gesamten Zweiten Weltkrieges sehr intensiv von der Wehrmacht und der Waffen-SS eingesetzt. Ein prominentes Beispiel war die Verwendung durch Michael Wittmann, der während des Feldzuges auf dem Balkan eines der ersten sechs Sturmgeschütze führte.
Der Sichelschnitt und der GröFaZ
Der ursprüngliche Plan des Angriffs auf Frankreich durch Nazi-Deutschland ähnelte sehr dem Schlieffen-Plan aus dem Ersten Weltkrieg.
Ein schneller Angriff der Heeresgruppe B unter Fedor von Bock durch Belgien und die Niederlande sollte Frankreich von Nordwesten aus bedrohen.
Dann sollte sich die deutsche Armee bis nach Paris vorkämpfen und die Hauptstadt der Franzosen einnehmen. Hitler rechnete ursprünglich mit einem mehrjährigen Krieg gegen Frankreich.
„Mein Führer, Sie sind der größte Feldherr aller Zeiten.“ – Wilhelm Keitel
Erich von Manstein war der geistige Schöpfer einer alternativen Strategie. Diese sah vor, dass parallel zum Vormarsch durch Belgien ein Überraschungsangriff mit Panzern durch die Ardennen durchgeführt werden soll.
Erich von Manstein erfand den „Sichelschnittplan“ für den Westfeldzug. (gemeinfrei)
Die Panzer beispielsweise unter Heinz Guderian sollten die Maas bei Sedan überschreiten und dann schnell durch den Norden von Frankreich bis zur Kanalküste vorstoßen.
Das strategische Ziel des „Sichelschnitts“ war ein Durchtrennen der Versorgungslinien der französischen Armee in Belgien und Nordfrankreich.
Erich von Manstein wollte eine komplette Armee kampfunfähig machen, damit der Hauptangriff der deutschen Streitkräfte ohne Widerstand durch Belgien und die Niederlande nach Frankreich vordringen konnte.
Die deutsche Armee hatte schon beim Aufmarsch für den Sichelschnitt den Vorteil, dass sie Panzer in einem Gebiet zusammenziehen konnte, welches von den Alliierten für ungefährlich gehalten wurde. Außerdem waren die Panzer der Deutschen zwar schneller, aber schwächer als die Panzer der Franzosen, weswegen diese Bedrohung grundsätzlich unterschätzt wurde.
Der Sichelschnittplan von Erich von Manstein war allerdings auch sehr riskant, weil sich die Franzosen erwartbar verhalten mussten. Aber der Erfolg gab ihm Recht und der britische Premierminister Winston Churchill prägte schließlich die Rede vom „Sichelschnitt“.
Belagerung von Sewastopol (Krim)
Erich von Manstein war dann beim Feldzug gegen die Sowjetunion dabei. Mit Kontingenten der Heeresgruppe Süd (ca. 350.000 Mann) erreichte er Sewastopol auf der Krim im Herbst 1941.
Die Stadt wurde von den Russen (ca. 155.00 Mann) verteidigt. Am 30. Oktober begann die Belagerung unter dem Motto:
„Wir machen dem Führer ein Geschenk zu Weihnachten.“
Die ersten Angriffe scheiterten jedoch. Erich von Manstein konnte nur wenige Kilometer vorstoßen und wurde dann sogar auf seiner Hauptlinie zurückgedrängt. Es begann eine Belagerung der Festung von Sewastopol, die acht Monate dauern sollte. Am 25. Dezember mussten sogar die Kräfte abgezogen werden, weil die Rote Armee auf Befehl Stalins eine große Gegenoffensive auf der gesamten Krim startete.
Die Festung „Maxim Gorki“ wurde von der „dicken Dora“ während der Belagerung von Sewastopol zerstört. Bundesarchiv, N 1603 Bild-117 / Horst Grund / CC-BY-SA 3.0)
Der zweite Großangriff auf Sewastopol erfolgte erst im Juni 1942. Erich von Manstein konnte 200.000 Mann und sehr viel Artillerie konzentrieren.
Die Offensive wurde von der „dicken Dora“ begleitet, einer riesigen 80-cm-Kanone auf Eisenbahnschienen. Außerdem setzten die Deutschen etwa 600 Flugzeuge ein.
In den ersten fünf Tagen konnten die Verteidiger den Ansturm aushalten. Sie verschossen dabei jedoch einen großen Teil ihrer Munition. Nach und nach konnten vorgelagerte Elemente wie die mächtige Stellung „Maxim Gorki“ zerstört werden. Am 30. Juni war die Festung endgültig gebrochen.
Entscheidend war wiederum ein großer Angriff an einer unerwarteten Stelle: Erich von Manstein attackierte über einen Fluss im Norden der Stadt, der eigentlich sehr leicht zu verteidigen und deshalb kaum mit Verteidigern besetzt war.
Nur wenige Angehörige der Roten Armee konnten evakuiert werden. Erich von Manstein wurde am 01. Juli 1942 zum Generalfeldmarschall befördert. Hitler stiftete den erfolgreichen Truppen den „Krimschild“ als Kampf-Abzeichen.
Oberbefehl über Heeresgruppe Süd
Stadtzentrum von Stalingrad am 02. Februar 1943 (RIA Novosti archive, image #602161 / Zelma / CC-BY-SA 3.0)
Am 12. Februar 1943 wurde Erich von Manstein zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd befördert. Der Russland-Feldzug steckte zu diesem Zeitpunkt in einer tiefen Krise.
Die Schlacht von Stalingrad war zehn Tage zuvor verloren gegangen. Der Verlust der gesamten 6. Armee hatte ein riesiges Loch in die deutsche Linie gerissen. Die Sowjets nutzten die Chance und stießen unter Georgi Schukow sogleich vor.
In den nächsten Monaten trug die Heeresgruppe Süd die Hauptlast der Kämpfe. Erich von Manstein erwies sich dabei als ein begnadeter Spezialist der Defensive. Vor allem ermöglichte er die Rettung der Truppen in der Kaukasus-Region und bewahrte damit die Heeresgruppe vor der Spaltung.
„Mansteins Miracle“ bei Charkow
Schließlich gelang Erich von Manstein sogar die Organisation eines Gegenangriffs. Mit einer Rochade der 1. Panzerarmee führte er die deutsche Armee in der dritten Schlacht von Charkow zu einem letzten großen Erfolg gegen die Sowjetunion.
Erich von Manstein begrüßt Hitler an der Ostfront im Jahr 1943. (Bundesarchiv, Bild 146-1995-041-23A / CC-BY-SA 3.0)
Der Sieg erhielt international die Bezeichnung „Mansteins Miracle“. Das Manöver gilt als eine der eindrucksvollsten Operationen des 20. Jahrhunderts. Hierfür ließ er zunächst einen tiefen russischen Vorstoß zu. Adolf Hitler war außer sich.
Erst als die Rote Armee schon 60 Kilometer vor seinem Hauptquartier stand, schlug der Feldmarschall zu. Die deutschen Verbände fielen über die Flanken in die überdehnten Linien der Russen.
Daraufhin konnten Panzertruppen schnell bis Charkow vordringen und die Stadt erneut einnehmen. Die Rote Armee verlor dabei insgesamt fast 90.000 Mann. Die ganze Ostfront der Deutschen stabilisierte sich für ein weiteres Jahr.
Konflikt mit Hitler und Entlassung
Nachdem sich das Blatt im Russlandfeldzug gewendet hatte, traten auch die Widersprüche zwischen dem Offizier und dem Regime hervor. Während sich Erich von Manstein als ein sehr fähiger Stratege des Rückzugs erwies, erhielt er von Adolf Hitler teils völlig absurde Befehle.
Im März 1944 wendete sich Erich von Manstein schließlich eindeutig gegen eine Anweisung. Er befahl der 1. Panzerarmee, einen Rückzug anzutreten. So entgingen mehr als 200.000 Mann einer Einkesselung.
Für Hitler war das ein Fehler und er entließ Erich von Manstein am 30. März 1944 als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Süd. Das verlief aber sehr ehrenvoll: Ihm wurden die Schwerter zum Eichenlaub des Ritterkreuzes verliehen und man versetzte ihn in die Führerreserve.
Alle Ordensstufen des Ritterkreuzes (Übersicht)
Ritterkreuz
Ritterkreuz mit Eichenlaub
Ritterkreuz mit Eichenlaub und Schwertern
Ritterkreuz mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten
Ritterkreuz mit goldenem Eichenlaub, Schwertern und Brillanten
Der General und das NS-Regime
Erich von Manstein galt als große Hoffnung des Widerstands um Stauffenberg gegen das NS-Regime. Man weiß, dass er im Widerspruch zum Führer stand und die Verschwörer sprachen ihn an.
Erich von Manstein verstand sich jedoch als unpolitischer Soldat, der sich auf seine militärischen Aufgaben zu konzentrieren hatte. Diese Position wiederholte er auch in Bezug auf die Kriegsverbrechen in von ihm eroberten Gebieten. Er lehnte eine Beteiligung am Attentat auf Hitler mit den Worten ab:
„Feldmarschälle meutern nicht!“
Anklage wegen Kriegsverbrechen
Erich von Manstein musste sich nach der deutschen Kapitulation einer Anklage wegen Kriegsverbrechen stellen: In den von ihm eroberten Gebieten hatten die etwa 600 Mann der Einsatzgruppe D gewütet und beispielsweise alleine beim Simferopol-Massaker mindestens 13.000 Menschen ermordet.
Erschießung von Juden durch die Einsatzgruppe D in der Ukraine 1942 (gemeinfrei)
Er bestritt vor Gericht eine konkrete Kenntnis der Aufgaben und Taten dieser Verbände. Erich von Manstein bemühte sich außerdem, die Wehrmacht aus den Vorwürfen herauszuhalten:
„Ich bin fest entschlossen, die Ehre der deutschen Armee zu verteidigen!“
Aber es gibt Zeugenaussagen, die ihn belasten. Ein damaliger Hauptmann aus dem Stab von Erich von Manstein berichtete, dass er Zeuge von Erschießungen war und dies meldete.
Der Hauptmann sagte weiter aus, dass Erich von Manstein ihn harsch in seine Schranken wies. Er befahl ihm explizit, nie wieder über die Arbeit der Einsatzgruppe D oder andere Kriegsverbrechen zu sprechen, die beispielsweise von SS-Einheiten unter Kommandeuren wie Joachim Peiper verübt wurden.
Während der Nürnberger Prozesse gab es eine Spendenaktion zur Finanzierung seiner juristischen Verteidigung.
Josef Stalin, Harry Truman und Winston Churchill bei der Potsdamer Konferenz 1945 (gemeinfrei)
Der erste Spender war Winston Churchill, der sich auch später nochmal für Erich von Manstein stark machen sollte. Hintergrund dürfte die Angst des britischen Premierministers vor der Sowjetunion gewesen sein.
Dem Feldmarschall wurden jedoch vor allem Duldungen von Kriegsverbrechen, aber auch ein Befehl angelastet, der seine Truppen auf Verbrechen gegen Juden einstimmte. Die erste Verurteilung lautete 18 Jahre.
Die Kriegsgefangenschaft wurde ihm zunächst nicht angerechnet. Die Haft wurde mehrfach verkürzt und auf Drängen von Churchill entließ man Erich von Manstein im Jahr 1953.
Im Dienste der Bundesrepublik
Berater beim Aufbau der Bundeswehr
Erich von Manstein wurde dann auf Bestreben des Amt Blank in den Aufbau der Bundeswehr einbezogen. 1956 referierte er vor dem Verteidigungsausschuss des Bundestages.
Er wurde zwar nicht formal in ein neues militärisches Amt berufen. Aber de facto hatte von Manstein großen Einfluss und wurde von der Bundeswehr beziehungsweise der damaligen politischen Führung um Konrad Adenauer gehört.
Später würdigte ihn die Bundeswehr mit einer Ehrenformation und einem großen Zapfenstreich. Zu seinem 80. und seinem 85. Geburtstag erschien jeweils die gesamte Spitze der Bundeswehr, um Erich von Manstein zu gratulieren.
Militärische Laufbahn (Übersicht)
Erich von Manstein war mehr als ein halbes Jahrhundert lang für deutsche Armeen aktiv. Er begann als junger Offizier unter Kaiser Wilhelm II., wurde zum Meister-Strategen des Dritten Reiches und sprach noch zu Zeiten von Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag über Sicherheitspolitik.
Kaiserzeit
1903 trat er als Fähnrich in die preußische Armee ein.
1914 – beim Ausbruch des 1. Weltkrieges – war er bereits Oberleutnant und wurde schon am 17. November diesen Jahres schwer verwundet.
1915 folgte die Beförderung zum Hauptmann und die Versetzung in einen Generalstab.
1918 wurde Erich von Manstein nach dem Untergang des Kaiserreiches in die auf 100.000 Mann reduzierte Reichswehr übernommen. Während der Zeit der Weimarer Republik diente er in verschiedenen (infanteristischen) Einheiten.
1927 wurde er zum Major befördert.
1932 kommandierte er ein Jägerbataillon.
Drittes Reich
1933 – in dem Jahr als Hitler legal die Macht ergreifen konnte – wurde er zum Oberst befördert. In dieser Zeit begann er militärische Denkschriften zu verfassen.
1936 wurde Erich von Manstein wegen seiner großen Talente zum Generalmajor und Oberquartiermeister ernannt. Dieser Posten war zentral. Er wurde der wichtigste Mitarbeiter und planmäßige Nachfolger für den Generalstabschef des Heeres Ludwig Beck. Der war jedoch angeblich schwul und wurde von Hitler entlassen. Davon war auch Erich von Manstein betroffen. Er wurde erstmal „weg befördert“.
1939 nahm Erich von Manstein als Generalleutnant und Chef der Heeresgruppe Süd am Überfall auf Polen teil.
1940 erhielt er den Befehl über ein Korps im Feldzug gegen Frankreich. Für seine Leistungen wurde er zum General der Infanterie befördert. Auch erhielt er erstmalig das Ritterkreuz.
1941/42 wurde Erich von Manstein in den Feldzügen gen Osten eingesetzt. Er kämpfte auf der Krim und eroberte Sewastopol. Diese Stadt galt damals als stärkste Festung der Welt. Hierfür wurde er zum Generalfeldmarshall befördert. Nach der Niederlage des Dritten Reiches bei Stalingrad, zeigte er seine Talente in der strategischen Verteidigung.
1944 trat der intellektuelle Konflikt zwischen Erich von Manstein und Hitler immer deutlicher hervor. Der letzte Erfolg des Offiziers im Zweiten Weltkrieg war die Vermeidung der Einkesselung von etwa 200.000 Mann durch die Rote Armee. Wenig später wurde Erich von Manstein in die Führerreserve versetzt.
1945 inhaftierten britische Truppen den Feldmarschall.
Bundesrepublik
1946 musste er sich als Kriegsverbrecher in den Nürnberger Prozessen verantworten und kam nach der Verurteilung direkt ins Gefängnis. Seine ursprüngliche Strafe wurde jedoch mehrfach verkürzt.
1953 entließ man Erich von Manstein auf Bestreben von Winston Churchill aus der Haft und er half fortan als inoffizieller Berater beim Aufbau der Bundeswehr.
Der General wurde zwar nicht juristisch, aber faktisch rehabilitiert. Zu seinen Geburtstagen im hohen Alter gratulierte ihm die Führung der jungen Bundeswehr persönlich und zu seiner Beerdigung gab es ebenfalls Ehrenbezeigungen durch die deutsche Armee.
Neben Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg war er der einzige deutsche Offizier des Dritten Reichs, der in dieser öffentlichen Form von der Bundeswehr anerkannt wurde.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Freiherr Manfred Albrecht von Richthofen wurde am 2. Mai 1892 geboren. Er war ein deutscher Jagdflieger im Ersten Weltkrieg und erzielte mit 80 bestätigten Abschüssen die meisten Luftsiege eines einzelnen Piloten in diesem Krieg.
Weil Manfred von Richthofen seine Maschinen häufig rot lackieren ließ, erwarb er sich die Bezeichnung als der „Rote Baron“.
Rittmeister Manfred von Richthofen mit Pour le Mérite im Jahr 1917 (gemeinfrei)
Dem Flieger-Ass war es jedoch nicht vergönnt, den Ersten Weltkrieg zu überleben. Am 21. April 1918 wurde der talentierte Taktiker jedoch über feindlichem Gebiet getroffen und erlag seiner Verletzung.
Seinen rot-lackierten Dreidecker hatte Manfred von Richthofen jedoch mit letzten Kräften noch sicher auf einem Feld landen können. Dort wurden seine sterblichen Überreste von englischen Soldaten entdeckt.
Englische Flieger-Offiziere begruben den feindlichen Kriegsheld dann mit militärischen Ehren und sandten eine historische Depesche:
„An das deutsche Fliegerkorps. Rittmeister Baron Manfred von Richthofen wurde am 21. April 1918 in einem Luftkampf getötet. Er wurde mit allen militärischen Ehren begraben.“
Der Freiherr von Richthofen hatte sich bis dato als ein Musterschüler und wichtigster Interpret der Lehren von Oswald Boelcke präsentiert. Das war ebenfalls eine Flieger-Legende, dessen Leitsätze in den Dicta Boelcke zusammengefasst wurden.
Nach dem Hungerwinter 1916/17 wurde Manfred von Richthofen dann zum bedeutenden Instrument der deutschen Propaganda. Man nutzte seine Person, um die Begeisterung für den Ersten Weltkrieg neu zu entfachen. In diesem Zug wurden ihm „ritterliche“ Eigenschaften angedichtet, die der wissenschaftlichen Überprüfung jedoch nicht mehr standhalten.
Doch Manfred von Richthofen war nicht nur ein begnadeter Kampf-Pilot. Darüber hinaus bewährte er sich als Kommandeur der Jagdstaffel 11, die als Fliegender Zirkus bekannt wurde. Die Einheit erreichte beeindruckende Abschusszahlen und wurde an zahlreichen Kriegsschauplätzen eingesetzt.
Nach dem Tod des Manfred von Richthofen wurde Hermann Göring der übernächste Kommandant von dessen Jagdgeschwader. Diese eigentlich nicht existente Verbindung zu einer Nazi-Größe wurde dann ebenfalls sehr intensiv für die deutsche Propaganda genutzt, um Begeisterung für den Zweiten Weltkrieg zu schüren.
Aus heutiger Sicht müssen die taktischen Errungenschaften der Jagdflieger im Ersten Weltkrieg jedoch relativiert werden. Im Vergleich beispielsweise zur Thach-Schleife, die erstmals in der Schlacht von Midway eingesetzt wurde, handelte es sich noch um sehr primitive Luftkämpfe.
Häufige Fragen zu Manfred von Richthofen (FAQs)
Wie viele Flugzeuge schoss der Rote Baron ab? Manfred von Richthofen werden 80 bestätigte Abschüsse zugerechnet.
Wie wurde der Rote Baron ein so hervorragender Pilot? Manfred von Richthofen war ein begeisterter Schütze und außerdem ein talentierter, aber auch sehr gut geschulter Kampfpilot.
Woran ist Manfred von Richthofen gestorben? Er wurde vom Boden aus beschossen: Die tödliche Kugel drang von rechts in den Oberkörper ein. Sie verletzte Leber, Lunge und Herz.
Wer tötete Manfred von Richthofen? Der australische Sgt. Cedric Popkin hat wahrscheinlich mit seinem Flugabwehr-MG die tödliche Kugel abgefeuert.
Wo ist das Grab von Manfred von Richthofen? Seine sterblichen Überreste wurden in das Familiengrab auf dem Südfriedhof von Wiesbaden umgebettet. Die Luftwaffe der Bundeswehr stiftete einen Grabstein.
Frühe Jahre des Freiherrn von Richthofen
Spross einer preußischen Offiziersfamilie
Manfred von Richthofen wurde in der Nähe von Breslau geboren und wuchs dort auf dem schlesischen Landsitz der Familie auf. Er stammte aus altem deutschen Adel, die bereits zahlreiche Offiziere hervor gebracht hatte. Ein besonders bekannter Vorfahre war der Feldmarschall und Heeresreformer Leopold von Anhalt-Dessau.
Links stehend Freiherr Manfred von Richthofen mit seiner Familie (gemeinfrei)
Nach der Sichtung des Familien-Archivs derer von Richthofen kam der Historiker Joachim Castan zu der Einschätzung, dass die Mutter Kunigunde eine treibende Kraft hinter dem Werdegang ihres ältesten Sohnes war.
Sie projizierte ihren persönlichen Ehrgeiz auf Manfred von Richthofen, der stets versuchte, ihren Ansprüchen gerecht zu werden.
Hintergrund für diese soziale Tragödie war ihre Angst um den sozialen Stand, weil ihr Mann weniger begütert als ihre eigene Familie war.
Noch dazu musste er vorzeitig seine Karriere beim Militär beenden. Im Jahr 1960 verfasste Kunigunde von Richthofen dann ein Manuskript, in dem sie ihren ganzen Frust verarbeitete.
Ausbildung in einem Ulanen-Regiment
Der Vater des Manfred von Richthofen hatte bei der Kavallerie gedient. Er schickte seinen Jungen von 1903 bis 1911 auf die Kadettenschule. Nach seinem Abschluss trat Manfred von Richthofen dann als Fähnrich in ein Ulanen-Regiment ein.
Regiment württembergischer Ulanen um 1909 (Richard Knötel / gemeinfrei)
Ulanen waren Lanzenreiter, die als sehr elitäre oder gleich Garde-Einheiten in Preußen erstmals von Friedrich dem Großen aufgestellt wurden.
Ursprünglich stellten sie vor allem eine Antwort gegen die polnische und ungarische Kavallerie dar. Seit 1884 führten preußische Ulanen jedoch einen Karabiner als Hauptwaffe.
Manfred von Richthofen war zunächst in der Stadt Militsch in Niederschlesien stationiert. Dort besuchte der junge Offiziersanwärter auch die Kriegsschule.
Diese schloss er im Jahr 1912 ab und wurde zum Leutnant ernannt. In der Folge bliebt er zunächst auch weiterhin bei dem Regiment und wurde der 3. Eskadron zugeteilt.
Bereits früh hatten sich dabei seine besonderen Talente und Schießkünste gezeigt. Während seiner Heimaturlaube ging Manfred von Richthofen mit seinem Vater häufig auf die Jagd und trainierte auch daheim mit großer Leidenschaft seine Fähigkeiten als Schütze.
Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 wurde Manfred von Richthofen mit seiner Einheit zunächst an die Ost-Front verlegt. Dort versah er in einem ruhigen Abschnitt einen berittenen Patrouillen-Dienst, was ihn wohl sehr enttäuschte.
„Ich bin nicht in den Krieg gezogen, um Käse und Eier zu sammeln.“ (angebliches Zitat)
Seine Einheit wurde jedoch nach kurzer Zeit an die West-Front verlegt. Dort war Manfred von Richthofen erstmals als – berittener – Aufklärer hinter den feindlichen Linien.
Ab dem 1. September 1914 diente der junge Leutnant als Nachrichtenoffizier der 4. Armee vor Verdun. Nach einer weiteren Station als Ordonnanz bei der 18. Infanterie-Brigade ließ er sich zur Fliegertruppe versetzen.
Manfred von Richthofen im Ersten Weltkrieg
Erfindung des synchronisierten Maschinengewehres
Die Luftwaffe war zu diesem Zeitpunkt noch in einer sehr frühen Phase ihrer Entwicklung. Die ersten Kampfflieger hatten nämlich immer noch das Problem, dass wegen des zentralen Propeller-Antriebes nur zur Seite oder nach hinten geschossen werden konnte.
Unterbrechergetriebe für das MG eines Jagdflugzeuges im Ersten Weltkrieg (Gsl / gemeinfrei)
Nur wenige französische Maschinen stellten eine Ausnahme dar. Doch mit der Erfindung des synchronisierten Maschinengewehres änderte sich der Luftkrieg für immer.
Der deutsche Ingenieur Anton Fokker erfand im April 1915 mit dem Unterbrechergetriebe einen Mechanismus zur Synchronisierung des MG-Feuers mit den sich drehenden Propellern.
In der Dynamik des Krieges zogen andere Parteien bald nach, so dass erstmals ein großer Bedarf an echten Kampf-Piloten entstand. Etwa zeitgleich mit dem technologischen Durchbruch bei den MGs wurde Manfred von Richthofen ab dem 30. April 1915 bei der Fliegertruppe zum Aufklärer ausgebildet.
Aufklärer an der Ost-Front
Bereits am 21. Juni 1915 wurde Manfred von Richthofen an die Ostfront geschickt. Seine Aufklärungsflüge in einem 2-Sitzer über Feindesland nutzte er dabei mehrfach, um russische Soldaten am Boden anzugreifen.
„Wir gingen auf möglichst niedrige Höhe herunter. Mein Beobachter schoss feste mit dem Maschinengewehr unter die Brüder und wir hatten einen wilden Spaß daran.“
(Manfred von Richthofen in einem Brief an seine Mutter)
Jagdflieger an der West-Front
Hauptmann Oswald Boelcke mit Pour le Mérite um 1916 (gemeinfrei)
Bereits im Sommer 1915 wechselte er zu einem Kampfgeschwader. Auf einer Zugfahrt lernte er dann den bereits legendären Ausbilder und Kommandeur Oswald Boelcke kennen. Zunächst absolvierte Manfred von Richthofen jedoch die Ausbildung zum Flugzeugführer.
Er bestand die Prüfung erst beim dritten Mal. Dennoch erhielt Manfred von Richthofen am 24. Dezember 1915 sein Diplom als ausgebildeter Jagdflieger. Ab dem 1. März 1916 war er dann bei Verdun im Einsatz.
„Jetzt bin ich ein Kampfpilot, Mama! Es ist kein Schießen mit der Büchse, sondern ein Zielen mit dem ganzen Flugzeug.“
(Manfred von Richthofen an seine Mutter)
Ab September 1916 war Manfred von Richthofen dann bei der Jagdstaffel 2 unter dem Befehl von Oswald Boelcke. Nur etwas mehr als zwei Wochen später konnte er seinen ersten Abschuss feiern.
Oswald Boelcke war eine zentrale Figur unter den deutschen Jagdfliegern des Ersten Weltkrieges. Kurz bevor Manfred von Richthofen in seine Einheit wechselte, hatte er für seinen achten Abschuss von Kaiser Wilhelm II. den Pour le Mérite erhalten. Boelcke fiel dann allerdings am 28. Oktober 1916 im Kampf.
Dicta Boelcke – Maxime des Luftkampfes
Seine Erfahrungen fasste Oswald Boelcke in den Dicta Boelcke zusammen. Diese wurden zum Leitfaden für den Luftkampf der deutschen Jagdflieger im Ersten Weltkrieg:
Sichere dir die Vorteile, bevor du angreifst.
Wenn du einen Angriff begonnen hast, bringe ihn zu Ende.
Feuere aus nächster Nähe und nur, wenn du den Gegner genau im Visier hast.
Lass den Gegner nie aus den Augen.
Bei allen Angriffen ist die Annäherung von hinten erforderlich.
Wenn der Gegner dich im Sturzflug angreift, wende dich ihm zu.
Wenn du über feindlichen Gebiet bist, behalte immer deinen Rückzug im Auge.
Erste Abschüsse und Pour le Mérite
Am 17. September hatte Manfred von Richthofen seinen ersten Abschuss erzielt. Dieser Erfolg löste bei ihm offenbar sehr starke Emotionen aus. Er entwickelte eine Gier nach Luftsiegen und wurde zum regelrechten Trophäen-Sammler.
Sobald er einen Flieger abgeschossen hatte, landete er sein eigenes Flugzeug und schnitt das Kennzeichen seines Gegners aus den Trümmern. Außerdem ließ er sich für jeden Luftsieg einen Silberbecher mit passender Gravur herstellen. Mit diesen Devotionalien schmückte er dann sein Jugendzimmer auf dem familiären Landgut.
Als Manfred von Richthofen 16 Abschüsse vorweisen konnte, erhielt er seinen Pour le Mérite. Dabei handelte es sich um die höchste Auszeichnung für Tapferkeit. Der Orden war ursprünglich von Friedrich dem Großen gestiftet worden.
Roter Baron – Propaganda und Legende
Ritter der Lüfte mit weißem Seidenschal
Gegen Ende des Jahres 1916 hatte sich die Begeisterung für den Krieg längst gelegt. Millionen von Soldaten waren bereits gefallen, ohne dass militärische Fortschritte zu verzeichnen waren. Aber auch in der Zivilbevölkerung hatte sich ein großer Mangel eingestellt in diesem sogenannten Steckrübenwinter.
In dieser prekären Situation suchte General Erich Ludendorff nach einer PR-Strategie, um die Bevölkerung und die Soldaten wieder für den Krieg zu begeistern. Der erfolgreiche Jagdflieger Manfred von Richthofen passte perfekt in die Rolle als strahlender Held.
Die Propaganda-Maschine des Deutschen Reiches verwandelt ihn deshalb in den „Ritter der Lüfte“. Als besonderes Accessoire wurde ihm noch ein weißer Seidenschal verliehen. Man gab ihm sogar extra Heimaturlaub, um ein Buch zu schreiben.
Autobiographie – „Der rote Kampfflieger“
Zur weiteren Marken-Bildung verfasste Manfred von Richthofen das Buch „Der rote Kampfflieger“. Dieses Werk wurden als angebliche Autobiographie dargestellt und drei Ausgaben aufgelegt: 1917, 1920 und 1933. Vor allem die letzte Version entwickelte sich zum Bestseller mit über einer Million verkauften Exemplaren.
Tatsächlich handelte es sich bei dem Buch um ein Diktat, dass anschließend propagandistisch überarbeitet wurde. Seine Begeisterung für das Töten wurde zu Gunsten von ritterlichen Eigenschaften zurückgestellt. Beispielsweise wurde seine Faszination von Kopfschüssen nicht aus den Notizen der Sekretärin übernommen.
An einer anderen Stelle soll er einen feindlichen Flieger zur Landung gezwungen haben. Anschließend habe er den wehrlosen Gegner in ritterlicher Manier geschont. Im Kriegstagebuch erzählte Manfred von Richthofen aber eine andere Version dieses Ereignisses. Er habe solange auf den gelandeten Piloten gefeuert, bis dieser endlich tot gewesen sei.
Der Historiker Joachim Castan hat jedoch im Auftrag eines großen Verlages die unterschiedlichen Fassungen dieser sogenannten Autobiographie ausgewertet. Überraschenderweise fanden sich teils große Abweichungen. Insbesondere die Ausgabe von 1933 weist Besonderheiten auf. Beispielsweise wurde eine pathetische Einleitung von Hermann Göring beigefügt.
Doch die Wirkung dieser Schrift war im Jahr 1917 nicht zu unterschätzen. Zunächst war Kunigunde von Richthofen glücklich wie nie. Sie wurde jetzt als „Helden-Mutter“ bezeichnet.
Aber Manfred von Richthofen entwickelte sich auch zu dem Frauenschwarm seiner Zeit, was ihn jedoch wohl völlig kalt ließ. Es gibt keine Hinweise auf eine Freundin oder eine Affaire.
Jagdstaffel 11 – der fliegende Zirkus
Mitte Januar 1917 übertrug man Manfred von Richthofen das Kommando über die Königlich Preußische Jagdstaffel Nr. 11. Die Einheit war bis dato nicht besonders erfolgreich. Doch der ehrgeizige Mann trimmte seine Piloten auf die Dicta Boelcke und baute eine sehr erfolgreiche Einheit auf.
Bereits in den ersten drei Monaten schoss die Staffel unter dem Befehl von Richthofens über 100 feindliche Flugzeuge ab. Alleine im April 1917 waren es dann mehr als 200 Luftsiege.
Im selben Monat wurde Manfred von Richthofen zum Rittmeister befördert. Dieser Rang entsprach einem Hauptmann bei der Infanterie.
Manfred von Richthofen und die Jagdstaffel 11 (Bundesarchiv, Bild 183-2004-0430-501 / CC-BY-SA 3.0)
Zur Abschreckung des Feindes ging die Jagdstaffel 11 dazu über, die Flugzeuge bunt zu bemalen. Damit konnten sie im Luftkampf besser identifiziert werden. Außerdem hatten sie mit dieser Art von Kriegsbemalung eine große psychologische Wirkung auf ihre Gegner.
Manfred von Richthofen ließ seine Maschine vorzugsweise rot lackieren. Seine französischen Feinden bezeichneten ihn deshalb als den roten Teufel oder als Roter Baron.
Darüber hinaus war im strategischen Konzept der Einheit eine hohe Mobilität der Flugzeuge vorgesehen, um die Unterlegenheit von 1:3 zu kompensieren. Das bedeutete, dass die Jagdstaffel 11 häufig verlegt wurde und dafür auch über einen entsprechenden logistischen Unterbau verfügte.
Hierfür konnten die Flugzeuge zerlegt werden, so dass man mit Hilfe von Lastwagen zwischen Einsätzen den Standort wechselte. Auf diese Art entwickelte sich in der Wahrnehmung des Feindes auch eine scheinbare Omnipräsenz. Unter den feindlichen Kräften etablierte sich deshalb die Bezeichnung als Flying Circus.
350 Luftsiege konnte die Jagdstaffel 11 schließlich vorweisen. Dabei hatte die Einheit selbst nur sehr geringe Verluste zu verzeichnen:
17 Gefallene
19 Verwundete
2 Gefangene
2 Verunglückte
Verwundung im Luftkampf
Im Juni 1917 wurde aus den Jagdstaffeln 4, 6, 10 und 11 das Jagdgeschwader 1 gebildet. Die vier Staffeln standen nun unter dem Befehl des Manfred von Richthofen. Doch nur wenige Wochen später wurde er selbst schwer verwundet.
Im Juli 1917 traf ihn eine Kugel am Kopf. Manfred von Richthofen konnte seine Maschine zwar noch notlanden, jedoch erblindete er kurzzeitig aufgrund der schweren Verletzung.
Von diesem Treffer hat er sich dann nie wieder ganz erholt. Dabei lehnte Manfred von Richthofen auch ärztliche Ratschläge ab und trat ohne vollständige Genesung bereits nach 40 Tagen wieder zum Dienst an.
Nach den Recherchen von Joachim Costan zeigte der Freiherr von Richthofen nach dieser Verwundung deutliche Veränderungen in seinem Verhalten. Wo vorher beispielsweise eine Begeisterung für Kopfschüsse war, entstand nun einen Faszination für brennende Feindflugzeuge.
Manfred von Richthofen schien parallel auch psychisch abzubauen. Die sich abzeichnende Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg würde auch das Ende seines heldenhaften Lebens als Jagdflieger bedeuten.
Als roter Baron stürzte er sich deshalb mit vollem Elan in seine letzten Kämpfe. 20 % seiner Abschüsse gelangen ihm erst in den vier Wochen vor seinem Tod.
Der rote Dreidecker – Fokker DR.I
In der zweiten Hälfte des Ersten Weltkrieges entwickelten die Alliierten eine technische Überlegenheit bei ihren Flugzeugen. Vor allem bei der Motoren-Leistung konnten die deutschen Maschinen nicht mehr mithalten.
Rekonstruktion einer Fokker DR.I für die ILA 2004 (Noop1958 / CC-BY-SA 3.0)
Anton Fokker entwickelte deshalb für das Deutsche Reich einen extrem wendigen Dreidecker. Vorbild war das britische Jagdflugzeug Sopwith Triplane. Das deutsche Flugzeug hatte dann zwar nur 130 PS und war deshalb verhältnismäßig langsam. Die Maschine erreichte eine Geschwindigkeit von nur etwa 160 km/h.
Aber dank der Flügelkonstruktion konnte die Fokker DR.I beispielsweise sehr steil steigen. Die Maschine geriet jedoch leicht ins Trudeln, so dass es zu vielen Unfällen kam.
Dennoch war die Fokker DR.I sehr gut für ein Flieger-Ass wie Manfred von Richthofen geeignet. Mit diesem Flugzeug erzielte er 19 seiner 80 Abschüsse.
Tod des roten Barons im April 1918
Das Konzept des Flying Circus war bereits aus der höchsten Not geboren. Die deutschen Flieger waren ihren Feinden zuletzt im Verhältnis von 1:3 unterlegen. Mit den vielen Einsätzen des Geschwaders ging dann auch eine Überbelastung der Piloten einher.
Am 21. April 1918 kam es schließlich zu einem Luftkampf, in dem Manfred von Richthofen erst seine eigenen Regeln missachtete und dann tödlich getroffen wurde. Am Morgen startete er vom Flughafen Cappy in Nord-Frankreich und es kam zunächst zu einem erfolgreichen Kampf gegen kanadische Piloten.
Im Zuge des Luftkampfes flüchtete einer der kandischen Jagdflieger. Der Rote Baron verfolgte ihn bis tief in das feindliche Hinterland. Dabei überflog Manfred von Richthofen drei australische MG-Schützen. Dabei wurde er wahrscheinlich vom Boden aus getroffen.
Die tödliche Kugel drang von rechts in den Oberkörper ein. Sie verletzte Leber, Lunge und Herz. Anschließend verursachte das Geschoss noch eine große Austrittswunde auf der linken Seite. Es ist zwar nicht gesichert, jedoch gilt Sgt. Cedric Popkin als wahrscheinlichster Schütze.
Es gelang Manfred von Richthofen noch, seine fast unversehrte Maschine sicher zu landen. Dann verstarb er an Ort und Stelle. Seine Feinde zollten dem Rittmeister jedoch so großen Respekt, dass er mit militärischen Ehren im nord-französischen Bertangles beigesetzt wurde.
Überführung auf den Invalidenfriedhof
Gedenkstein für Manfred von Richthofen auf dem Invalidenfriedhof in Berlin-Mitte
Anfang der 1920er Jahre wurde der rote Baron erstmals umgebettet. Die französische Regierung ließ seine sterblichen Überreste auf den deutschen Soldatenfriedhof im nord-französischen Fricourt bringen.
Im Jahr 1925 wurden schließlich die Gebeine in einem großen Staatsakt auf den Invalidenfriedhof in Berlin überführt. Anwesend waren neben zahllosen Soldaten und Offizieren auch der Reichspräsident Paul von Hindenburg.
Das Gelände lag jedoch im Bereich des Grenzstreifens der späteren DDR. Aus diesem Grund wurden die sterblichen Überreste des Manfred von Richthofen im Kalten Krieg erneut umgebettet. Heute finden sie sich auf dem Südfriedhof in Wiesbaden.
„Richthofen“ als Ehrenname
Von den Nazis bis zur NATO wurde der legendäre Ruf des Manfred von Richthofen verwendet, um bestimmten Einheiten einen Ehrennamen zu geben.
Jagdgeschwader 2 „Richthofen“ (Wehrmacht)
Trotz der Beschränkungen durch den Versailler Vertrag begann das Dritte Reich bereits in den 1930er Jahren mit dem Aufbau von Luftstreitkräften. Die erste Einheit dieser neuen Luftwaffe wurde das Jagdgeschwader „Richthofen“.
Bereits 1935 sprach Adolf Hitler bei der Aufstellung der Einheit vom „heiligen Vermächtnis“ des roten Barons. Der Verband wurde dann an sehr vielen Schauplätzen des Zweiten Weltkrieges eingesetzt.
Polenfeldzug
Westfeldzug
Afrikafeldzug
Luftschlacht um England
Ardennen-Offensive
Unternehmen Bodenplatte
Reichsluftverteidigung
Mit Johannes Steinhoff und Gerhard Limberg brachte das Jg2 „Richthofen“ gleich zwei spätere Inspekteure der bundesdeutschen Luftwaffe hervor.
Luftwaffengeschwader 71 „Richthofen“ (Bundeswehr)
Das TaktLwG 71 „R“ ist ein Traditionsverband der deutschen Luftwaffe. Die Einheit wurde bereits 1959 von Erich Hartmann aufgestellt. Das war der mit 352 Luftsiegen erfolgreichste Kampfpilot aller Zeiten.
Das Geschwader ist auf dem Fliegerhorst Wittmundhafen stationiert. Sie wird von einem Oberst oder einem Oberstleutnant kommandiert und führt Patrouillen beispielsweise über der Ostsee durch. Darüber hinaus stellt das Geschwader bereits seit 1960 eine Alarmrotte der NATO für den nord-deutschen Raum.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
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