Adolf von Nassau wurde vor 1250 geboren. Ein genaues Geburtsdatum ist leider nicht bekannt. Er entstammte der Walramischen Linie des Geschlechts der Nassauer. Dabei handelte es sich um eine bedeutende Dynastie des deutschen Adels sowie Vorfahren der Herzöge von Luxemburg.
ADOLFVS DEI GRACIA ROMANORVM REX SEMPER AVGVSTVS
Siegel von König Adolf von Nassau (gemeinfrei)
Adolf von Nassau wurde als zweiter „Grafenkönig“ wie schon sein Vorgänger Rudolf I. von Habsburg nicht aufgrund einer starken Hausmacht, sondern wegen seiner relativen Schwäche zum römisch-deutschen König gewählt.
Ebenso wie sein Vorgänger nutzte er seinen Einfluss als König zum Ausbau der persönlichen Macht. Aber Adolf von Nassau überreizte letztlich sein Blatt.
Im Rahmen seines Engagements in Thüringen verscherzte er sich mit vier Kurfürsten zugleich. Die bemühten sich dann noch nicht einmal um eine Exkommunikation seiner Person durch den Papst.
In der Schlacht bei Göllheim am 02. Juli 1298 wurden Fakten geschaffen und Adolf von Nassau erschlagen. Sein Nachfolger wurde mit Albrecht von Österreich der Sohn seines Vorgängers.
Die Herrschaft des Adolf von Nassau war damit nur ein kleines Intermezzo in der deutschen Geschichte, aber gespickt mit vielen spannende Details und tiefen Einblicken in die machtpolitischen Verhältnisse um das Jahr 1300.
Graf Adolf – aus Haus der Nassauer
Ottonische & Walramische Linie
Das Haus Nassau kann man bis ins 11. Jahrhundert zu einem Graf Dudo zurückverfolgen. Dessen „Laurenburg“ und die namensgebende „Burg Nassau“ wurden 1093 erstmals urkundlich erwähnt. Es handelt sich dabei allerdings um eine Stiftungsurkunde, die als Fälschung gilt.
Lufbild der Burg Nassau aus dem Jahr 2007 von Fritz Geller-Grimm (CC-BY-SA 3.0)
Der Inhalt der Urkunde wird von Wissenschaftlern nicht als historisch anerkannt. Die Ursprünge der Burgen werden dennoch auf um 1100 geschätzt. Überreste sind auch heute noch erhalten und liegen in Rheinland-Pfalz.
Im Laufe des 12. Jahrhunderts konnten die Nassauer ihre Besitzungen deutlich erweitern. Dabei profitierten sie von Begünstigungen durch den Wormser Bischof. Sie verdichten ihre Territorien an der unteren Lahn und im Raum Siegen zu einer zusammenhängende Fläche.
In der Mitte des 13. Jahrhunderts spalteten sich die Nassauer im Zuge einer Erbteilung. Den nördlichen Teil erhielt Graf Otto und seine ihm folgende ottonische Linie. Den südlichen Teil erhielt Graf Walram, der zum Begründer der walramischen Linie wurde.
Die Stammburg der Nassauer wurde dabei zwischen den Brüdern aufgeteilt und wurde damit zur „Ganerbenburg“. Das ist ein Begriff für solche Burgen, die von mehreren Familien bewohnt wird.
Lehnsmann von König Rudolf I.
1277 trat Adolf seine Erbe als Graf von Nassau an. In den folgenden Jahren war er vor allem mit einer Fehde beschäftigt, die in seinen Besitzungen verheerende Folgen hatte. Dazu gehörte beispielsweise die Zerstörung von Wiesbaden.
Sein Onkel Graf Eberhard I. von Katzenelnbogen holte Adolf von Nassau schließlich an den Hof von König Rudolf I. von Habsburg. Der belehnte ihn 1286 und im drauffolgenden Jahr mit weiteren Burgen. Dazu gehörte beispielsweise die imposante Burg Gutenfels im Rheintal nahe der Loreley.
Der König verstarb schließlich im hohen Alter von 73 Jahren am 15. Juli 1291 und wurde in Anknüpfung an die Tradition der Salier und Staufer im Dom zu Speyer bestattet. Der erste Habsburger auf dem römisch-deutschen Thron hatte zwar zu Lebzeiten versucht, die Nachfolge zu Gunsten seines Sohnes Albrecht zu sichern, aber vor allem der wahlberechtigte König von Böhmen wusste dies zu verhindern.
König Adolf von Nassau – Aufstieg & Fall
Ablehnung Albrechts & Wahlversprechen
Der verstorbene König Rudolf I. war ein enorm geschickter Politiker und hatte noch dazu die entscheidende Schlacht seines Lebens militärisch klar gewonnen. Er scheiterte eigentlich nur bei zwei Anliegen: Rudolf erlangte nicht die Kaiserwürde und war ebenso wenig in der Lage, eine solide Mehrheit für die Königswahl seines Sohnes Albrecht von Österreich als Nachfolger zu organisieren.
König Wenzel II. von Böhmen im Codex Manesse aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts (gemeinfrei)
Das wesentliche Problem des ersten Habsburgers auf dem Thron war mit Ottokar II. Přemysl der damalige König von Böhmen. Dem nahm Rudolf erst bedeutende Herzogtümer und dann das Leben. Entsprechend war Ottokars Sohn Wenzel II. von Böhmen auch nicht besonders gut auf Rudolfs Sohn zu sprechen.
Der konnte dann im Kreis der Kurfürsten ein solides Bündnis gegen Albrecht von Österreich schmieden. Letztlich war mit Ludwig dem Strengen nur noch der Herzog von Bayern und zugleich Pfalzgraf bei Rhein aus dem Haus der Wittelsbacher für den Vertreter der Habsburger.
Außerdem hatte die Ablehnung eines Kandidaten mit starker Hausmacht noch dazu den Vorteil, dass man einen schwachen König installieren konnte, der vor allem den Interessen der Fürsten dienen würde.
Adolf von Nassau wurde dann vom Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg als Kandidat vorgeschlagen und machte umgehend große Ankündigungen für den Fall seiner Wahl. Es war dann auch der Kölner Erzbischof, der sich wenige Tage vor der Königswahl sogar per Urkunde diese Wahlversprechen dokumentieren ließ.
Dieses Schreiben vom 27. April 1292 war eine lange Liste von materiellen Schenkungen, aber auch der Bestätigung von Rechten bis hin zu politischen Versprechen wie dass der königliche Rat nicht mit Personen besetzt werden durfte, die Hochwürden feindlich gesinnt waren.
Wesentliche Sicherheit bot dem Kölner Erzbischof hierbei die Krönung: Adolf von Nassau sollte nach seiner Königswahl zunächst seine Versprechen erfüllen und erst anschließend offiziell gekrönt werden. Die anderen Kurfürsten hatten eine solche protokollarische Sicherheit nicht, mussten sich entsprechend auch mit „kleineren“ Wahlversprechen begnügen, wurden aber immer noch sehr üppig bedacht.
Beispielsweise erhielt der Mainzer Erzbischof die beiden Reichsstädte Mühlhausen und Nordhausen in Thüringen sowie ebenfalls finanzielle Schenkungen und politische Garantien. Am 05. Mai 1292 wurde Adolf von Nassau dann gewählt und am 24. Juni in Aachen gekrönt.
Salamitaktik & Bündnispolitik
Die abgenötigten Wahlversprechen ließen Adolf von Nassau kaum Handlungsspielraum als römisch-deutscher König. Praktischerweise hatte er aber auch gar nicht vor, sich an alle seine Zusagen zu halten.
Vielmehr setzte der neue Monarch bei der Ausstellung von Urkunde auf eine systematische Salamitaktik: Er rückte Stück für Stück von seinen Versprechen ab, war dabei aber so vorsichtig, dass ihm kein offener Wortbruch einfach so vorgeworfen werden konnte.
Darstellung des Kölner Erzbischofs in der Schlacht von Worringen in den Brabantsche Yeesten aus der ersten Hälfte 14. Jahrhundert (gemeinfrei)
Beispielsweise wollte der Kölner Erzbischof Siegfried von Westerburg wieder mehr Einfluss über die Stadt Köln. Den hatte er wenige Jahre zuvor durch die Niederlage in der Schlacht von Worringen im Zuge eines Limburger Erbstreits verloren. Aber stattdessen bestätigte Adolf von Nassau einige Stadtrechte sowie Rechte des dortigen Adels.
Bei seiner Metamorphose von der schwachen Marionette hin zu einem selbstbewussten Herrscher ging Adolf von Nassau auch durchaus geschickt vor: Er veranstaltete viele Hoftage und präsentierte sich als Schutzmacht für jene, die von den Fürsten des Reiches bedrängt wurden.
Der allgemeine Landfrieden wurde erneuert und Adolf von Nassau erschloss eine spannende Einnahmequelle: Die Vergabe von Lehen verknüpfte er mit teils sogar sehr schmerzhaften Zahlungen.
Ebenso rasierte er den englischen König: Adolf von Nassau ließ sich von dem legendären „Hammer der Schotten“ Edward I. Plantagenet für ein Bündnis gegen Frankreich die enorme Summe von 90.000 Goldmark zahlen und kam dann seinen Verpflichtungen einfach nicht nach.
Praktischerweise wurde der Papst dabei zu seinem Erfüllungsgehilfen. Bonifatius VIII. untersagte Adolf von Nassau nämlich unter Androhung der Exkommunikation einen Kriegseintritt gegen Frankreich.
Thüringen als Stolperstein
In Thüringen ging Adolf von Nassau dann zu weit: Zunächst kaufte er von dem Markgrafen Albrecht II. „dem Unartigen“ eine Landgrafschaft mit Geldern aus dem Deal mit Edward I. von England. Außerdem zog er die Markgrafschaft Meißen ein.
Das war juristisch zulässig, aber politisch legte sich Adolf von Nassau gleich mit vier Kurfürsten an: Der Erzbischof von Mainz, der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg. Im Sommer 1296 verkündete der König dann noch stolz auf einem Hoftag, dass er die Besitzungen des Reiches vermehrt habe.
Zu Pfingsten 1297 verschworen sich die vier Kurfürsten gegen ihn und auf einmal senkte auch das Schicksal den Daumen: Der böhmische König Wenzel II. und Albrecht von Österreich hatten trotz des blutigen Streits ihrer Väter zu Absprachen gefunden.
Nun erhob der Habsburger Ansprüche und das vom Mainzer Erzbischof einberufene Reichsgericht im Januar 1298 scheiterte. Es folgten schwere Kämpfe zwischen Albrecht von Österreich und Adolf von Nassau im Rheintal, die jedoch keine militärische Entscheidungen brachten.
Für Mai 1298 lud der Mainzer Erzbischof die beiden Kontrahenten erneut vor. Es kam dann sogar zu zwei Treffen im Frühsommer, die jedoch ebenfalls ergebnislos endeten.
Anklage und Absetzung
Im Juni 1298 versammelten der Kölner Erzbischof, der König von Böhmen, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg hinter dem Mainzer Erzbischof Gerhard II. von Eppstein und der klagte Adolf von Nassau nun selbst an. Ihm wurden zahlreiche Verbrechen sowie vor allem Landfriedensbruch in Thüringen vorgeworfen.
Wappen derer von Eppstein (gemeinfrei)
Sehr spannend war dabei, dass der Papst bei diesem juristischen Frontalangriff auf König wohl gar keine Rolle spielte. Adolf von Nassau wurde vor seiner Absetzung auf jeden Fall nicht exkommuniziert, was bei vergleichbaren Vorgängen normalerweise immer der Fall war.
Formal waren damit die Treuschwüre der Fürsten gegenüber Adolf von Nassau noch in Kraft. Der Bruch eines solchen Schwurs war wiederum ein schweres Verbrechen.
Deshalb musste Gerhard II. von Eppstein seine anklagende Worte sehr vorsichtig wählen. Der Mainzer Erzbischof lehnte sich deshalb an die Formulierungen von Papst Gregor IX. aus dem Jahr 1227 gegenüber Friedrich II. dem Staufer an.
Kleriker berief sich konkret auf Vorwürfe wie beispielsweise „Schändung von Hostien“ und „Simonie“ (= Verkauf kirchlicher Ämter). Hilfsweise schuf Gerhard II. von Eppstein damit eine juristische Konstruktion, die den Bruch der Treueschwüre quasi legalisieren sollten.
Letztlich leiteten die Kurfürsten jedoch aus ihrem Wahlrecht nun auch das Recht ab, den König abzusetzen: Es war die reale Machtpolitik der Kurfürsten, die den hochmittelalterlichen „Rechtsstaat“ nach ihrem Willen formten.
Im Grunde wurde Adolf von Nassau von demselben Klüngel kalt gestellt, der ihn anfangs als schwache Marionette auf den Thron setzen wollte. Die Kurfürsten zeigten mit aller Deutlichkeit, wo im Heiligen Römischen Reich das Gravitationszentrum der politischen Macht lag – zumindest zu diesem Zeitpunkt und in dieser Frage.
Tod in der Schlacht bei Göllheim
Auf einen König konnte man im Heiligen Römischen Reich aber dennoch nicht verzichten, weil sonst das Wahlrecht der Kurfürsten ja auch obsolet gewesen wäre. Das heißt die formale Unterordnung unter einen Monarch brachten ein Machtgewinn für die Fürsten mit sich.
Wie genau die Königswahl des Albrecht von Österreich ablief, weiß man nicht genau. Es stellt sich auch ein bisschen die Frage, ob das nicht relativ egal war, weil die letzte Entscheidung militärisch fiel:
Historisierende Darstellung von 1829 vom Tod des Adolf von Nassau (Simon Meister / gemeinfrei)
Am 02. Juli 1298 trafen die Heere von Albrecht und des Adolf von Nassau in der Schlacht bei Göllheim aufeinander. Der Ort liegt im heutigen Bundesland Rheinland-Pfalz zwischen Kaiserslautern und Worms.
Der Habsburger vermied zunächst das Gefecht, bis er eine günstige Position auf dem Hasenbühl, einem 250 Meter hohen Hügel, konnte. Die Schlacht begann der Überlieferung nach um 9 Uhr morgens und wurde in drei Treffen bis 15 Uhr ausgetragen.
Im letzten Treffen wurde Adolf von Nassau erschlagen und sein Heer löste sich in der Folge auf. Das Ergebnis wurde als „Gottesurteil“ bewertet und der neue, zu diesem Zeitpunkt unumstrittene König hieß Albrecht von Österreich aus Haus Habsburg.
Dem gefallenen Adolf von Nassau wurde zunächst eine Beerdigung im Dom zu Speyer verweigert. Erst nach der Ermordung von Albrecht im Jahr 1308 sollte er dorthin überführt werden und liegt seitdem in ewiger Ruhe neben seinem alten Konkurrenten.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Rudolf I. wurde am 01. Mai 1218 geboren. Er war zunächst ein Graf von Habsburg, aber wurde 1273 zum ersten römisch-deutschen König aus diesem Geschlecht gewählt. Damit war er auch der erste der sogenannten „Grafenkönige“.
RUDOLFUS DEI GRACIA ROMANORUM REX SEMPER AUGUSTUS
Siegel von König Rudolf I. von Habsburg (Wolfgang Sauber / gemeinfrei)
Damit endete das sogenannte Interregnum, welches seit dem Tod von Friedrich II. dem Staufer im Jahr 1250 das Reich in seinem unsicheren Griff hielt.
König Rudolf I. von Habsburg koppelte dann vor allem in Süddeutschland sehr erfolgreich die seit dem Tod Friedrichs verlorenen Reichsgüter (Ländereien, Immobilien, Rechte, etc.) wieder an die römisch-deutsche Krone. Damit stärkte er unabhängig von seiner Person ganz grundsätzlich die Position des römisch-deutschen Königs für sich und für folgende Generationen.
Gegenüber seinem ärgsten Konkurrenten, dem böhmischen König Ottokar II. Přemysl, müsste er sich jedoch militärisch durchsetzen. Der Sieg von König Rudolf I. in der Schlacht bei Dürnkrut am 26. August 1278 trug dabei wesentlich zur Festigung der Herrschaft seiner Dynastie bei.
Mit dem Sieg über Ottokar gelangte Rudolf auch an die bis dahin von Böhmen gehaltenen Herzogtümer von Österreich und der Steiermark. So schuf er die Jahrhunderte währende Dominanz der Habsburger in diesen Regionen.
Innenpolitisch erkannte König Rudolf I. die wachsende Bedeutung der Städte. Er engagierte sich sehr für deren Förderung, was schon an der Zahl der ausgestellten Urkunden leicht erkennbar ist. Seine Steuerpolitik erzeugte aber vor allem viel Widerstand, so dass die Städte es ihm nicht mit Gegenliebe dankten.
Rudolf I. starb dann im biblischen Alter von 73 Jahren und ließ sich in der royalen Tradition der Salier und Staufer im Dom zu Speyer bestatten. Dort befindet sich bis heute eine Grabplatte, die noch zu seinen Lebzeiten als möglichst realistisches Abbild geschaffen wurde.
Als nächster römisch-deutscher König wurde zunächst Adolf von Nassau gewählt. Der sollte jedoch am 02. Juli 1298 in der Schlacht bei Göllheim gegen den Sohn Rudolfs und Gegenkönig Albrecht von Österreich fallen. Die Habsburger hatten sich in der Königsklasse etabliert und sollten bis ins 20. Jahrhundert hinein in der Champions League der europäischen Adelshäuser spielen.
Rudolf aus dem Geschlecht der Habsburger
Abstammung von den Etichonen
Der Stammbaum der Habsburg lässt sich bis zu „Guntram dem Reichen“ aus der Mitte des 10. Jahrhunderts zurückverfolgen. Laut den europäischen Stammtafeln handelte es sich dabei um ein Mitglied der Grafen von Nordgau. Das lag im Unterelsass beziehungsweise im heute französischen Département Bas-Rhin.
Diese Grafen von Nordgau waren wiederum eine Nebenlinie der Etichonen. Dabei handelte es sich um die Herzöge von Elsass, die wiederum bis in die Mitte des 7. Jahrhunderts zurückverfolgt werden können.
Radbot & Errichtung der Habsburg
Entstehung der Habsburg (Micha L. Rieser)
Das Erbe von Guntram dem Reichen ging über dessen Sohn Lanzlin an den Enkel Radbot. Der erblickte im Jahr 985 das Licht der Welt und errichtete später mit der Habsburg oder auch „Habichtsburg“ den Stammsitz des legendären Geschlechts.
Die Habsburg wurde ab etwa 1020 erbaut. Es handelte sich dabei um eine Wehranlage mit militärischem Mehrwert und nicht um ein prachtvolles Palais zu Repräsentation eines einflussreichen Geschlechts.
Genau um diesen Aspekt rankt sich auch eine Sage aus der Entstehungszeit. Bei dem Bruder von Radbot handelte es sich mit Werner I. nämlich um den Bischof von Straßburg, der zunächst mit den Fortifikationen sehr unzufrieden war:
„[Radbot] soll die Habichtsburg errichtet haben, kein weitläufiges, respektgebietendes Schloß mit Palas, Kemenaten und Ringmauern, sondern einen schlichten Turm, allein dem Zwecke der Verteidigung dienend. Die Sage berichtet, Radbot habe sein Schloß absichtlich ohne Wachtürme und Ringmauern gelassen. Wegen dieses Leichtsinns sei er von [seinem Bruder] Bischof Werner von Straßburg scharf getadelt worden, worauf er mit dem Kirchenfürsten eine Wette einging: Binnen einer Nacht, versprach Radbot, werde er das Versäumte nachholen und seine Burg mit einer festen Schutzwehr versehen. Als der Bischof am nächsten Morgen ans Fenster seines Gemachs trat, da traute er seinen Augen nicht! Rings um die Burg waren Radbots Dienstmannen aufgestellt, eine lebende Schutzwehr, und Türmen gleich ragten schwer gepanzerte Reiter aus den dicht geschlossenen Reihen.“ (Johann Franzl: Rudolf I. Der erste Habsburger auf dem deutschen Thron, Verlag Syria, Graz Wien Köln 1986, S. 10)
Die Habsburg diente den Habsburgern dann etwa 200 Jahre lang als Wohnsitz. Als sie immer mächtiger wurden, kümmerten sie sich um repräsentativere Anlagen und verliehen ihre Stammburg an Dienstleute. Im Jahr 1415 eroberten die Eidgenossen das Aargau. Die Burg ging verloren und gehört seitdem zur Schweiz.
Wirtschaftliche Basis für den Aufstieg
Grundriss des Kloster Muri mit Bauphasen ab 1027 (Voyager / CC-BY-SA 3.0)
Die frühen Habsburger waren nicht einfach nur Grafen. Sie verfügten mit der Habsburg und weiteren Gütern über erheblichen „Allod“. Das ist ein frühmittelalterlicher Begriff für Privateigentum.
Das heißt, die Habsburger waren in ihrem wirtschaftlichen Auskommen als Dynastie nicht zwangsläufig auf die „Belehnung“ durch einen Lehnsherrn angewiesen. Solche Lehen waren nämlich häufig nur an die Lebenszeit der belehnten Person geknüpft, so dass die nächste Generation – so ähnlich wie bei Monopoly – wieder zurück zum Start musste.
Vielmehr waren die Habsburger eine reiche Familie, die ihr Eigentum vererben konnte. Aus dieser Wirtschaftskraft heraus stifteten sie in ihrer Frühphase zwei Klöster (Muri und Ottmarsheim), denen sie als Vögte vorstanden.
Entsprechend verfügte die Familie über erhebliche Einkünfte, konnte leicht Überschüsse generieren und damit ihr Allodialbesitz weiter ausbauen. Dieses Spiel spielten sie dann 200 Jahre lang und konnte dann wortwörtlich in der Königsklasse des deutschen Adels antreten.
Rudolf – Graf von Habsburg (1240 – 1273)
Der spätere König Rudolf I. von Habsburg hatte zwei Brüder und zwei Schwestern. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1240 übernahm er dann die Hauptlinie der Habsburger. Zu dieser Zeit herrschte Friedrich II. der Staufer, dessen treuer Parteigänger seine Dynastie schon traditionell war.
Kaiser Friedrich II. mit Falke um 1240 (gemeinfrei)
Im Streit mit dem Papsttum standen die Habsburger treu an der Seite der Staufer. Rudolfs jüngerer Bruder Hartmann beteiligte sich 1246/47 sogar an einem Kriegszug von Friedrich nach Oberitalien, geriet in Gefangenschaft und starb Jahre später im Kerker.
Nach dem Tod von Friedrich II. dem Staufer im Jahr 1250 hielt Rudolf von Habsburg mit Konrad IV. auch dem letzten Herrscher aus dem alten Königshaus die Treue. Es begann jedoch eine Phase von mehr als zwei Jahrzehnten, die als Interregnum bekannt wurden. Der Grund ist eine schnelle Abfolge von Herrscherwechseln.
Man darf ein Interregnum jedoch nicht zwangsläufig mit absolutem Chaos gleichsetzen. Vielmehr wuchs in Ermangelung einer königlichen Entscheidung beispielsweise die Bedeutung von Schiedsverfahren zur Konfliktlösung. Dennoch wuchsen die Spielräume für eine „gewaltsamen Selbsthilfe“.
1253 heiratete Rudolf I. mit Getrud von Hohenberg aber erstmal die später als „Königin Anna von Habsburg“ bekannte Stammmutter des Geschlechts. Die Dame stammte aus einer Nebenlinie der Hohenzollern. Aus der Ehe gingen 14 Kinder hervor, sechs Söhne und acht Töchter.
Ab 1254 nahm der Aufstieg des Rudolf von Habsburg wieder richtig Fahrt auf. Er setzte sich in seinem regionalen Umfeld militärisch gegen schwächere Konkurrenten durch und erweiterte sein Territorium beispielsweise gegen den Bischof von Basel um die Vorherrschaft über das Kloster Sankt Blasien.
1262 bekam dann der Bischof von Straßburg sein Fett weg und 1264 kassierte Graf Peter II. von Savoyen ordentlich Dresche. In der Folge gelangten zahlreiche Städte wie Winterthur und auch die Grafschaft Thurgau unter Rudolfs Kontrolle. Der Graf von Habsburg entwickelte sich so zu einem der mächtigsten Territorialherrscher des Heiligen Römischen Reiches.
Rudolf I. als römisch-deutscher König (HRR)
Kandidatenauswahl & Königswahl von 1273
Der Vorgänger von Rudolf I. von Habsburg als römisch-deutscher König hieß Alfons X. von Kastilien und der hatte das Reich nie besucht. Die wahlberechtigten Fürsten wurden deshalb bei Papst Gregor X. vorstellig, um eine Neuwahl anstreben.
Fresco von Papst Gregor X. in der Kathedrale von Arezzo aus dem 14. Jahrhundert (Eccekevin / gemeinfrei)
Der Stellvertreter Gottes auf Erden stand dem grundsätzlich auch sehr aufgeschlossen gegenüber. Allerdings wollte der Pontifex keinesfalls einen übermächtigen Player jenseits der Alpen erschaffen. Mächtige Kandidaten wie beispielsweise Karl I. von Anjou aus einer Nebenlinie der Kapetinger und König von Sizilien fielen deshalb durch.
Auch der junge König Philipp III. von Frankreich war so gar nicht nach dem Geschmack des Heiligen Vaters in Rom. Ebenfalls abgelehnt wurde der äußerst mächtige König Ottokar von Böhmen, dessen Besitzungen vom Erzgebirge bis zur Adria reichten. Aus dynastischen Gründen fielen noch lebende Staufer und auch die treuen Wittelsbacher beim Papst durch.
Der Erzbischof von Mainz brachte deshalb mit Siegfried von Anhalt und Rudolf von Habsburg zwei relativ „kleine Grafen“ als ganz frische Kandidaten ins Spiel. Die beiden waren weder übermächtig, noch in kritischem Maße durch ihre Historie vorbelastet.
Die Wahl der Kurfürsten am 01. Oktober 1273 in Frankfurt am Main fiel dann einstimmig auf Rudolf von Habsburg. Etwa dreieinhalb Wochen später wurden er und seine Gemahlin in Aachen vom Kölner Erzbischof gekrönt.
Dabei trat mit Ottokar von Böhmen auch bereits sein ärgster Konkurrent auf den Plan. Der versuchte allerdings vergeblich die Approbation durch den Papst zu verhindern. Das war jedoch erst der Auftakt für ein sehr viel größeres Kräftemessen.
Als König stellte sich Rudolf von Habsburg dann auch umgehend mit der Kurie gut: Er verzichtete auf eine Fortsetzung der staufischen Politik in Italien und wurde am 26. September 1274 vom Papst offiziell anerkannt.
Herrschaftssicherung durch Heiratspolitik
Rudolf I. von Habsburg nutzte noch den Krönungstag, um seine Herrschaft abzusichern. Zunächst verheiratete er dafür zwei seiner Töchter mit mächtigen Kurfürsten. So band er mit Ludwig II. dem Strengen den Herzog von Oberbayern an sich und mit Albrecht II. auch den Herzog von Sachsen.
Später kam es noch zu einer Hochzeit einer Tochter mit dem Markgrafen Otto V. von Brandenburg. Zu guter Letzt ehelichte eine weitere Tochter den Sohn des böhmischen Königs. Damit waren alle weltlichen Wähler des römisch-deutschen Königs durch eheliche Bande mit den Habsburgern verknüpfte.
Restaurierung der Krongüter
Nach dem langen Interregnum war es eine fundamentale Aufgabe für Rudolf I. von Habsburg die königlichen Güter wiederherzustellen. Diese „Revindikationen“ zielten auf Ländereien, Immobilien, Wertgegenstände, aber auch auf Vorrechte.
Stammbaum des König Rudolf I. von Habsburg (gemeinfrei)
Dabei begegnete König Rudolf I. den Kurfürsten – bis auf Ottokar – jedoch sehr kooperativ. Sofern diese sich am Besitz des staufischen Königsgüter vergriffen hatten, sah er konziliant darüber hinweg. Vielmehr sprach er den Kurfürsten sogar das Recht zu, dass eine künftige Veräußerung von königlichen Gütern nur mit ihrer schriftlichen Zustimmung in Form eines „Willebriefs“ erfolgen konnte.
Bereits zwei Tage nach seiner Krönung wurde allen seit dem Tod von Friedrich II. dem Staufer erhoben Zölle annulliert. König Rudolf I. ging anschließend sogar militärisch gegen unberechtigte Zollstätten vor wie beispielsweise in Selz im Einflussgebiet des Markgrafen von Baden.
Die Umsetzung war jedoch schwierig, weil das römisch-deutsche Reich im Gegensatz zu England (Exchequer) oder Frankreich (Chambre des Comptes) keine Finanzbehörde hatte. Deshalb setzte König Rudolf I. vor allem auf die Vogteien. Dabei handelte es sich um lokale oder auch regionale Einrichtungen zur Verwaltung durch Beamte, die seit den Karolingern sehr verbreitet waren.
Im Umfeld der habsburgischen Stammlandes nutzte Rudolf I. diese Revindikationen zur Erweiterung des familiären Einflussgebietes. Es wurde Gefolgsleute in den entsprechenden Gebieten installiert, die den Habsburgern die Treue hielten.
Ottokar in „Acht und Bann“
Das größte Problem von Rudolf I. hieß Ottokar II. Přemysl. Das war der König von Böhmen sowie der Herzog von Österreich, der Steiermark und Kärnten mit Krain und Pordenone. 1274 ging der neue römisch-deutsche König zunächst politisch in die Offensive.
Juristisch korrekt erhob Rudolf I. eine Klage gegen den böhmischen König, so dass dieser neun Wochen zu einer Reaktion vor einem Richter auf dem Hoftag zu Würzburg bekam. Statt persönlich zu erscheinen, schickte dieser nur einen Gesandten, der dann die Wahl Rudolfs und damit dessen Königtum in Frage stellte.
Darstellung von König Ottokar II. von Böhmen im Gelnhausenův Kodex aus dem 15. Jahrhundert (gemeinfrei)
Damit hatte Ottokar selbst einen formalen Grund geliefert, die „Reichsacht“ über ihn zu verhängen. Am 24. Juni 1275 war es soweit und Ottokar war damit im gesamten Reichsgebiet geächtet.
Im darauffolgenden Jahr sprach der Mainzer Erzbischof den „Kirchenbann“ über Ottokar aus. Das war die Exkommunikation, so dass der König von Böhmen auch aus der Kirche ausgeschlossen war.
Die militärische Position von Rudolf I. von Habsburg war in dieser Phase noch dazu sehr stark, weil er die Unterstützung der Reichsfürsten hatte. Außerdem nutzte der Adel in Böhmen die Gelegenheit für einen Aufstand, so dass Ottokar schnell einlenken musste.
Rudolf I. von Habsburg erwies sich dabei erneut als geborener Politiker. Statt den mächtigen Ottokar komplett zu enteignen, belehnte er diesen erneut mit dem Königtum von Böhmen und nutzte den Moment für überragende Symbolpolitik.
Ottokar und seinen Gemahlin Kunigunde waren bekanntermaßen sehr eitel und erschienen dann auch in prachtvollen Gewändern zur Belehnungszeremonie. Rudolf I. hingegen nahm diese Geste der Unterwerfung in demonstrativ schlichter Kleidung entgegen, und statt auf dem Thron nur auf einem Holzschemel sitzend.
Er inszenierte sich als demütigen Herrscher, aber tatsächlich demütigte er seinen hochnäsigen Gegner, der sich im feinsten Zwirn vor einem vermeintlichen Bettler verneigen musste. Außerdem schnappte sich Rudolf I. zwar nicht das Königtum von Böhmen, aber die zahlreichen Herzogtümer.
Seitdem waren die Habsburger die traditionellen Träger des Herzogtums Österreich. Formal hielten sie den Titel von 1282 bis 1918 und wurden so zum „Haus Österreich“.
Schlacht bei Dürnkrut (1278)
Karte der Schlacht von Dürnkrut (DerBasti / CC-BY-SA 3.0)
Ganz so einfach war es dann aber doch nicht: Der Konflikt zwischen König Rudolf I. und Ottokar ging noch in eine zweite Runde. Der Rückhalt für den Habsburger im Reich war rückläufig und der böhmische König wollte sich für die Demütigungen rächen.
Rudolf I. verfügte inzwischen jedoch über eine erhebliche Hausmacht und die Unterstützung des Königs von Ungarn. Am 26. August 1278 kam es dann zur Schlacht bei Dürnkrut. Dabei standen mit Vertretern der Hohenzollern und der Wittelsbacher zwei weitere deutsche Herrscherdynastien auf Seiten des Habsburgers.
Rudolf I. war inzwischen 60 Jahre alt, aber führte sein Heer persönlich in Schlacht. Auf beiden Seiten standen jeweils grob etwa 30.000 Mann. Aber der deutsche König hatte zwei taktische Vorteile auf seiner Seite: Leicht berittene Kumanen, die mit ihren Bögen die Gegner drangsalierten sowie schwere Panzerreiter als taktische Reserve.
Das Ende war blutig: Ottokar, auch bekannt als der „Löwe von Prag“, fiel auf eine Finte herein. Seine Linie zogen sich auseinander, die schweren Reiter aus Rudolfs Reserve spalteten das Heer und kesselten einen Teil ein. Das Ergebnis waren knapp 12.000 Tote auf böhmischer Seite und auch ihr König fiel in dem Gemetzel.
Tod und Nachfolge (1291)
Grabplatte von König Rudolf I. von Habsburg im Speyerer Dom (Haselburg-müller / CC-BY-SA 3.0)
König Rudolf I. von Habsburg regierte 18 Jahre lang und hatte sechs Söhne. Davon verstarben jedoch fünf vorzeitig und der verbliebene Albrecht bekam zunächst keinen ausreichenden Rückhalt von den Fürsten des Reiches.
Da Rudolf aber nicht die Kaiserwürde erlangte, konnte er seinen Sohn auch nicht wie in der Vergangenheit üblich als Mitherrscher erheben und so dessen Legitimität stärken. Als er im Sommer 1291 erkrankte, zog er sich nach Speyer zur traditionellen Grablege der Salier und Staufer zurück.
Dort verstarb König Rudolf I. von Habsburg im hohen Alter von 73 Jahren am 15. Juli 1291. Er wurde dort neben Philipp von Schwaben im Dom zu Speyer bestattet und schuf damit eine weitere Verknüpfung seiner Dynastie mit den Altvorderen.
Seine Grabplatte wurde noch zu seinen Lebzeiten angefertigt und gilt als eine der realitätsnächsten Darstellungen eines römisch-deutschen Königs überhaupt.
Als Nachfolger wählten die Fürsten zunächst Adolf von Nassau. Entscheidend war hier der Einfluss des inzwischen regierenden Wenzel II. von Böhmen. Das war der Sohn des in der Schlacht von Dürnkrut gefallenen Ottokar, der natürlich noch eine Rechnung mit den Habsburger offen hatte.
Dieser Adolf von Nassau war jedoch ein schwacher König und sollte nur sieben Jahre reagieren. Er fiel in der Schlacht bei Göllheim am 02. Juli 1298 gegen den nächsten Habsburger: Die Stunde des Albrecht I. von Österreich war gekommen.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Anselm von Canterbury – Leben, Werke & Gottesbeweis
Anselm von Canterbury wurde um das Jahr 1033 in Aosta nördlich von Turin geboren. Er wuchs dort an einer bedeutenden Pilgerroute auf und entwickelte sich zu einem der wichtigsten Theologen des Mittelalters.
Anselm von Canterbury gilt als „Vater der Scholastik“. Verehrer halten ihn für den scharfsinnigsten Geist zwischen Augustinus von Hippo und Thomas von Aquin.
Anselm von Canterbury (Gravur aus dem 16. Jahrhundert / gemeinfrei)
Anselm von Canterbury begann seine klerikale Karriere als Schüler des Lanfrank von Bec in einem normannischen Kloster der Benediktiner. Nach der Invasion von Wilhelm dem Eroberer wechselte er mit seinem Mentor nach England.
Lanfrank von Bec war dann ab 1070 der Erzbischof von Canterbury. Nach dessen Tod war Anselm der Favorit der Benediktiner für diesen Posten. Er wurde jedoch erst vier Jahre später von dem inzwischen regierenden König Wilhelm II. bestätigt.
Ein Hintergrund dieser mehrjährigen Verzögerung war der damals tobende Investiturstreit. Nach seiner Ernennung zum Erzbischof von Canterbury im Jahr 1093 trug Anselm diesen Konflikt für die Kirche in England aus.
Er war dabei wenig erfolgreich und hatte darüber hinaus großes Pech mit dem Timing. Gleich zweimal musste Anselm von Canterbury deshalb für mehrere Jahre im Exil verharren.
Währenddessen verfasste er mit der Cur deus homo jedoch eines seiner größten Werke. Mit Thomas Becket forderte dann einer seiner Nachfolger als Erzbischof von Canterbury bereits 1163 die Heiligsprechung von Anselm.
1494 erfolgte dies durch Papst Alexander VI. dann tatsächlich. Im 18. Jahrhundert wurde Anselm von Canterbury schließlich auch der Ehrentitel des „Kirchenlehrers“ verliehen.
Weltlicher Werdegang des Heiligen Anselm
Adeliger Spross aus dem Aostatal
Karte der Via Francigena (Paulusburg / CC-BY-SA 3.0)
Die Eltern des Anselm von Canterbury gehörten zu regionalen Adelsfamilien aus Aosta. Der Ort lag in einem Tal nördlich von Turin und war eine Station der „Via Francigena“.
Bei dieser Via Francigena handelte es sich um eine der wichtigsten Pilgerrouten in Europa. Der Weg führte von Canterbury bis nach Rom.
Die älteste Beschreibung der Via Francigena wurde um das Jahr 990 von dem damaligen Erzbischof Sigerich „dem Ernsten“ von Canterbury verfasst.
Deshalb kann man davon ausgehen, dass der junge Anselm bereits früh in Kontakt mit Pilgern aus Canterbury kam. Möglicherweise entwickelte er deshalb schon früh ein Fernweh nach diesem heiligen Ort der Christenheit.
Bereits mit 15 Jahren wollte Anselm von Canterbury in ein Kloster eintreten. Sein Vater verhinderte dies jedoch, wohl weil der Junge eine politische Karriere anstreben sollte. Später konnte er ihn aber nicht mehr daran hindern.
Schüler des Lanfrank von Bec
Lanfrank von Bec mit Berengar von Tours zu seinen Füßen (Gemälde aus dem 18. Jahrhundert / gemeinfrei)
Dank seiner adeligen Abstammung stand dem jungen Anselm von Canterbury die mittelalterliche Welt offen. Mit 23 verließ er das Aostatal und reiste für drei Jahre durch Frankreich.
Die Faszination für das Christentum ließ ihn dabei offenbar nicht los. Ab 1059 hielt er sich im Kloster Le Bec in der Normandie auf.
Der damalige Prior Lanfrank von Bec war eine theologische Größe dieser Zeit. Beispielsweise setzte er sich im „Abendmahlstreit“ mit Berengar von Tours für die Auffassung der „Realpräsenz“ ein.
de corpore et sanguine domini
Mit einem Bezug auf Aristoteles ging es dabei um die Annahme, dass der Blut und der Leib Christi bei der Eucharistie tatsächlich gegenwärtig seien.
1060 trat Anselm von Canterbury dann selbst in den Orden der Benediktiner ein. Er entwickelte sich zum wichtigsten Schüler von Lanfrank von Bec , der drei Jahre später zum Abt von Sankt Stephan in Caen befördert wurde.
Normannische Besetzung von England
Im Jahr 1066 fiel Wilhelm der Eroberer bekanntermaßen in England ein. Im Zuge der normannischen Besetzung wurden weite Teile des angelsächsischen Adels durch Gefolgsleute des neuen Königs ersetzt.
Dazu gehörte auch der Austausch von Bischöfen. Lanfrank von Bec erhielt dann 1070 das Erzbistum von Canterbury. Die dortige Abtei war zu dem Zeitpunkt schon fast 500 Jahre alt.
Lanfrank von Bec sollte diesen Posten bis zu seinem Tod am 28. Mai 1089 innehaben. Anselm von Canterbury war anschließend der große Favorit für die Nachfolge. Aber so einfach waren die politischen Verhältnisse nicht.
Anselm als Erzbischof von Canterbury
Entstehungsgeschichte des Klosters
Kathedrale von Canterbury (Peggy Ng / CC-BY-SA 3.0)
Auf Weisung von Gregor dem Großen gründeten die Benediktiner im Jahr 597 mit der Abtei St. Augustinus ein erstes Kloster in Canterbury.
Der Ort entwickelte sich schnell zur prominenten Grablege angelsächsischer Könige des frühen Mittelalters.
Im 9. oder 10. Jahrhundert wurde die Anlage zu einer Kathedrale erweitert. Der Zeitgenosse des Anselm von Canterbury und Chronist Eadmer beschrieb sie als einen Bau, der der Sankt Peters Basilika in Rom nachempfunden war.
Investiturstreit in England
Nach dem Tod des Lanfrank von Bec am 28. Mai 1089 war Anselm der Favorit der Benediktiner als neuer Erzbischof von Canterbury. Dieser Ernennung stimmte der inzwischen regierende Wilhelm II. jedoch erst 1093 zu.
Der englische König hatte auch sehr gute Gründe, sich die Ernennung des Erzbischofs von Canterbury ganz genau zu überlegen: Nicht nur in Deutschland tobten Streitigkeiten um die Investitur.
Papst Gregor VII. (Paul von Bernried / gemeinfrei)
In der ganzen christlichen Welt wurde in diesen Jahren um die Abgrenzung von irdischen und kirchlichen Autoritäten gerungen. Dies galt insbesondere für die Ernennung von Bischöfen, die sich primär der klerikalen Hierarchie und eben nicht der königlichen Autorität verpflichtet sahen.
Der deutsche Herrscher Heinrich IV. hatte erst kurz zuvor im Jahr 1076 seinen berühmten Gang nach Canossa absolviert. Allerdings war dieser Schlagabtausch mit Gregor VII. letztlich zu Gunsten des weltlichen Monarchen ausgegangen.
„Ich liebte die Gerechtigkeit und hasste das Unrecht, so sterbe ich in der Verbannung.“
(Grabinschrift von Papst Gregor VII.)
Insofern musste Wilhelm II. vor allem entscheiden, wenn er als Gegner im englischen Investiturstreit haben wollte. Die vierjährige Vakanz auf dem Stuhl des Erzbischofs von Canterbury dürfte politisch sehr opportun für den englischen König gewesen sein.
Anselm von Canterbury war dann nach seiner Ernennung durch den König im Jahr 1093 auch unmittelbar dessen politischer Widersacher. Nach weiteren vier Jahren des Streits reiste der Erzbischof schließlich nach Rom. Er wollte für mehr Unterstützung durch den inzwischen amtierenden Papst Urban II. zu werben.
Zweimaliges Exil in Frankreich
Denkmal für Papst Urban II. vor der Kathedrale von Clermont (Mussklprozz / CC-BY-SA 3.0)
Das war allerdings jener Papst, der am 27. November 1095 zum Ersten Kreuzzug aufgerufen hatte. Mit seiner Reise im Jahr 1097 wählte Anselm von Canterbury deshalb einen denkbar ungünstigen Zeitpunkt.
Der Fokus des römischen Papstes lag auf der Eroberung des Heiligen Landes, aber nicht auf dem Investiturstreit in England. Anselm von Canterbury erhielt dann nicht nur keine Unterstützung.
Vielmehr war Wilhelm II. sogar in der Lage, den Erzbischof an einer Rückkehr nach England zu hindern. Die Zeit bis zum Tod des Königs am 02. August 1100 musste Anselm von Canterbury deshalb im Exil in Frankreich verbringen.
Er hielt sich in dieser Zeit in Lyon auf und kehrte erst nach der Erhebung von Heinrich I. nach England zurück. Bereits 1103 wurde Anselm von Canterbury jedoch erneut ins Exil nach Frankreich verbannt.
Der Erzbischof konnte erst 1107 nach England zurückkehren und starb bereits zwei Jahre später am 21. April 1109. Anselm wurde in der Kathedrale von Canterbury bestattet. Sein Grab wurde allerdings während der Herrschaft von Heinrich VIII. zerstört.
Werke des Anselm von Canterbury
Anselm von Canterbury verfasste zahlreiche Gebete und Schriften. Diese lassen sich grob in dogmatische und spirituelle Werke einteilen. Darüber hinaus ist er für seinen ontologischen Gottesbeweis zu einem prägenden Philosophen des Mittelalters geworden.
Kritische Analysen halten jedoch nur einen Bruchteil der ihm zugeschriebenen Texte für authentisch. Diese stellen jedoch immer noch sehr bedeutendes Lebenswerk dar.
Dogmatische Schriften
Anselm von Canterbury schrieb drei zentrale Schriften zur christlichen Dogmatik:
Das Monologion entstand 1076 und beschäftigte sich mit rationalen Gottesbeweisen und folgt in vielerlei Hinsicht dem Werk „De Trinitate“ von Augustinus. Allerdings verzichtete Anselm von Canterbury auf autoritäre Aussagen und fand neue Argumente für alte Erkenntnisse.
Das Proslogion entstand 1077/78 und war das erste Werk der westlichen Philosoph mit einem ontologischen Gottesbeweis.
Das Cur deus homo verfasste er zwischen 1094 und 1098. Inhaltlich geht es um die Menschwerdung Gottes zur Aufhebung der Erbsünde. Im Gegensatz zur ursprünglichen Argumentation des Augustinus von Hippo aus der Spätantike betonte Anselm von Canterbury dabei die „Notwendigkeit“ der Menschwerdung. Der Ansatz setzte sich nicht durch. Beispielsweise widersprach Bernhard von Clairvaux dieser „Necessitas“. Der betonte vielmehr, dass der Allmächtige die Erbsünde auch anders hätte lösen können. An dieser Stelle sei leise angemerkt, dass das Konzept von der Erbsünde (Generatianismus) ohnehin im fundamentalen Widerspruch zur Schöpfung (Kreatianismus) steht. Die Annahme einer Erbsünde der Menschen wird nur für den institutionellen Erhalt der heiligen Mutter Kirche propagiert. Das wussten christliche Theologen wie der Kirchenvater Laktanz schon um das Jahr 300. Aber Kleriker erzählen aus naheliegenden Gründen lieber, dass Neugeborene sofort in die Gemeinschaft der Gläubigen (Taufe) aufgenommen werden müssen. So sichern Pfaffen ihre Arbeitsplätze.
Ontologischer Gottesbeweis
Anselm von Canterbury war überzeugt, dass man die Existenz Gottes rational beweisen kann. In seinen Werken finden sich mehrere Ansätze.
Aufbau des ontologischen Gottesbeweis
Sein „ontologischer Gottesbeweis“ hatte über die Jahrhunderte großen Einfluss auf zahlreiche weitere Philosophen wie beispielsweise René Descartes.
Der Begriff „Ontologie“ steht dabei für die „Lehre des Seins“. Diese Methodik wurde bereits in der Antike verwendet und findet sich beispielsweise bei Aristoteles.
Der ontologische Gottesbeweis des Anselm von Canterbury ist dabei allerdings abhängig von mehreren Prämissen, die als solche bestritten werden:
Wenn sich zwei Wesen in allen Eigenschaften gleichen, abgesehen davon, dass ein Wesen existiert und das andere Wesen nicht, dann ist existierende Wesen vollkommener als das nicht-existierende.
Wenn Gott aber nicht existieren würde, könnte man sich vorstellen, dass er vollkommener wäre, als er ist. Das steht im Widerspruch zur ersten Prämisse.
Daraus ergab sich für Anselm von Canterbury die Schlussfolgerung, dass Gott zwangsläufig existieren muss.
Kritik am ontologischen Gottesbeweis
Die Bezeichnung als „ontologischer Gottesbeweis“ brachte erst Immanuel Kant ein. Der holte dann auch gleich zum vernichtenden Schlag gegen die Logik des Anselm von Canterbury aus.
Zunächst darf man aber vielleicht kurz anmerken, dass dieser Gottesbeweis auch als ein Beweis für die Existenz von Satan genutzt werden kann. Dabei wäre das höchste Böse und das höchste Gute dann gleichrangig.
Das wiederum wäre eine dualistische Lehre und Anselm von Canterbury wäre in einem anderen historischen Kontext wohl einfach als Ketzer verbrannt worden.
Kant hingegen berief sich in seiner Kritik an der reinen Vernunft auf den nur vermeintlich analytischen Charakter der Prämissen des Anselm von Canterbury. Im Kern geht es darum, dass die reale „Existenz“ kein definierendes Merkmal ist: Ob man nun beispielsweise eine Million Euro hat oder nicht hat, ändert am Wesen von einer Million Euro nichts.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Thomas Becket wurde am 21. Dezember 1118 in London geboren. Er stammte aus dem normannischen Adel und studierte in Paris, dann in Auxerre und schließlich in Bologna.
Ermordung von Thomas Becket – British Library um 1200 (gemeinfrei)
1154 ernannte ihn der damalige Erzbischof Theobald von Canterbury zum Erzdiakon. In dieser einflussreichen Position stieg Thomas Becket zum Berater und Lordkanzler von Heinrich II. von England auf.
Der englische König übertrug dem eng befreundeten Thomas Becket sogar die Erziehung seiner Söhne, darunter auch Richard Löwenherz.
1161 wurde Thomas Becket der Nachfolger von Theobald als Erzbischof von Canterbury. Er war damit der oberste Kleriker in ganz England und begann die politischen Interessen der Kirche zu vertreten.
Die enge Freundschaft zu Heinrich II. wandelte sich in einen erbitterten Streit um hoheitliche Rechte und Zuständigkeiten. Der Konflikt zwischen dem König und dem Erzbischof von Canterbury fand schließlich ein blutiges Ende.
Thomas Becket wurde von vier Rittern des Königs am 29. Dezember 1170 regelrecht abgeschlachtet. Demonstrativ hieben sie in der Kathedrale von Canterbury auf die Tonsur des Erzbischofs ein.
„Ich bin bereit für meinen Gott zu sterben, damit durch mein Blut die Kirche Freiheit und Frieden erlangen möge.“ (Letzte Worte)
Damit zertrümmerten die vier Ritter demonstrativ dieses Zeichen der Zugehörigkeit von Thomas Becket zum Klerus. Sie wollten dann ganz sicher gehen, dass sie ihm den Schädel eingeschlagen hatten und verteilten sein Gehirn auf dem Boden der Kathedrale von Canterbury.
Die Ermordung von Thomas Becket hatte jedoch ein Nachspiel. Die Öffentlichkeit war in Aufruhr und Papst Alexander III. sollte den Erzbischof binnen dreier Jahre als Märtyrer heilig sprechen.
Das englische Königshaus verhielt sich letztlich jedoch sehr geschickt. Die vier Mörder wurden als Kreuzritter ins Heilige Land geschickt.
König Heinrich II. hingegen gab sich reuig. Er förderte die Verehrung von Thomas Becket sehr demonstrativ. Bis heute ist die Kathedrale von Canterbury deshalb ein so bedeutender Wallfahrtsort.
Erzdiakon und Lordkanzler von Heinrich II.
Familiärer Hintergrund und Studium
Zum Leben von Thomas Becket gibt es zahlreiche zeitgenössische Quellen. Dabei handelt es sich neben den Erwähnungen in Chroniken auch um Biographien von teils unbekannten Autoren. Insgesamt ist sein Leben gut dokumentiert.
Der Vater Gilbert Becket stammte aus Thierville in der Normandie. Er war als Tuchhändler zu Wohlstand und Landbesitz gekommen. Auch die Mutter Matilda Becket hatte normannische Wurzeln und stammte aus der Nähe von Caen.
Memorial Plakette für Thomas Becket in Cheapside (Ethan Doyle White / CC-BY-SA 3.0)
Zur Zeit der Geburt von Thomas Becket lebte die Familie in Cheapside. Entgegen der vermeintlich intuitiven Übersetzung war das jedoch keineswegs ein „billiges Viertel“.
Der Name „Cheapside“ stammt vielmehr aus dem Altenglischen und bedeutet Marktplatz. Die Londoner Cheapside hat als Straßenabschnitt zwischen dem White Tower und Westminister bis heute sogar eine denkbar prominente Lage.
Gilbert Becket war dann zeitweise sogar Sheriff in London. Die Eltern sollten schließlich ihre letzte Ruhe in Old St Paul’s Cathedral finden, was ihren hohen gesellschaftlichen Stand ebenfalls unterstrich.
Der junge Thomas Becket wurde akademisch ausgebildet, führte aber wohl ein recht entspanntes Leben als Student: Er konzentrierte sich voll auf die Grundlagen.
Im Alter von 20 verbrachte er ein Jahr an der prominenten Universität von Paris. Thomas Becket besuchte aber keine Seminare und beherrschte Latein zeitlebens nur rudimentär.
Erzdiakon des Theobald von Canterbury
Der Vater Gilbert Becket musste jedoch eines Tages finanzielle Rückschläge hinnehmen. Der junge Thomas Becket hatte deswegen keine Wahl und musste letztlich für seinen Unterhalt selbst aufkommen. Zunächst arbeitete er als Angestellter im Geschäft eines Verwandten.
Kathedrale von Canterbury (Peggy Ng / CC-BY-SA 3.0)
Dann konnte Thomas Becket jedoch eine Stelle bei Theobald von Bec ergattern. Der war zu diesem Zeitpunkt bereits der Erzbischof von Canterbury und damit höchstrangiger Kleriker in England.
Thomas Becket genoss offenbar sehr früh das Vertrauen des Erzbischofs. Der sandte ihn mehrfach in wichtigen Angelegenheiten nach Rom.
Außerdem schickte Theobald von Canterbury seinen Schützling für weitere Fortbildungen an die Universitäten von Auxerre und Bologna. 1154 wurde Thomas Becket von Theobald zum Erzdiakon ernannt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Priesterweihe, aber bekam dann noch weitere kirchliche Ämter.
Beispielsweise erhielt Thomas Becket auch Pfründe von Lincoln Cathedral und der St Pauls Cathedral. Außerdem wurde er Probst des Münsters von Beverly.
Trotz der kirchlichen Titel hatte Thomas Becket aber eine politisch-administrative Rolle. Das wiederum machte er offenbar so gut, dass ihn Heinrich II. im Jahr 1155 zu seinem Lordkanzler ernannte. Damit stieg er in den engsten Zirkel um den König von England auf.
Lordkanzler von Heinrich II.
Als Lordkanzler von Heinrich II. füllte Thomas Beckett vor allem dessen Schatztruhen. Er setzte die königlichen Steuern gegenüber alle Landbesitzern konsequent durch. Das betraf auch die Kirche.
Aus der Perspektive des englischen Königs war Thomas Becket deshalb ein sehr fähiger und vor allem auch verlässlicher Administrator. Zeitgenossen berichten von einem sehr engen und freundschaftlichen Verhältnis.
Heinrich II. übergab sogar seine Söhne zur Erziehung in den Haushalt von Thomas Becket. Dazu gehörte auch der spätere Richard Löwenherz. Doch mit der nächsten Beförderung für den Aufsteiger sollte es zu einer schicksalshaften Wendung in der Beziehung kommen.
Thomas Becket – Erzbischof von Canterbury
Wappen von Thomas Becket (gemeinfrei)
Theobald von Bec starb am 18. April 1161. Er war für die Krone stets ein verlässlicher Partner gewesen und zumindest Heinrich II. wollte eine solche Zusammenarbeit mit dem Nachfolger fortsetzen.
Einige Wochen später wurde dann Thomas Becket zum neuen Erzbischof von Canterbury gewählt. Erst dafür erhielt er am 02. Juni 1162 die Priesterweihe und einen Tag später die Bischofsweihe.
Bereits latente Meinungsverschiedenheiten mit dem König traten nun offen zu Tage. Thomas Becket selbst legte alle Tätigkeiten als Lordkanzler nieder.
Er entwickelte eine asketische Haltung und konzentrierte sich fortan ausschließlich auf seine Rolle als Erzbischof von Canterbury.
Daraus ergab sich auch umgehend ein Streit mit der Krone: Es ging um die gerichtliche Zuständigkeit für kriminelle Kleriker. Thomas Becket und Heinrich II. waren sich zwar hinsichtlich einer harten Linie einig, man hielt jedoch jeweils die eigenen Gerichte für zuständig.
Constitutions of Clarendon (1164)
Der Konflikt gipfelte schließlich in den 16 Artikeln – den Constitutions of Clarendon. Mit dieser Urkunde wollte sich Heinrich II. die Zuständigkeit seiner Gerichte sichern.
Thomas Becket rief die anderen Bischöfe von England zunächst zum Widerstand auf. Als der König ihm jedoch Druck machte, gab er selbst klein bei und stimmte den Forderungen zu.
Doch dann intervenierte schließlich noch der römische Papst. Alexander III. wies den Anspruch von Heinrich II. zurück und in dessen Folge wechselte auch Thomas Becket wieder das Lager.
Diese Wankelmütigkeit beschädigte sein Ansehen schwer. Das königliche Hofgericht verurteilte ihn sogar als meineidigen Verräter. Thomas Becket floh daraufhin in der Nacht des 13. Oktober 1164 nach Frankreich.
Thomas Beckets Exil in Frankreich
Thomas Becket wurde in Paris von König Ludwig VII. herzlich willkommen geheißen. Der flüchtige Erzbischof reichte von dort aus ein Rücktrittsgesuch beim Papst ein.
Alexander III. lehnte jedoch ab. Über Jahre hinweg verhandelten dann der Papst und Heinrich II. über die Rückkehr von Thomas Becket nach England.
Im Dezember 1170 konnte er schließlich nach Canterbury zurückkehren. Die breite Bevölkerung empfing ihn jubelnd. In höchsten Kreisen war Thomas Becket aber nicht mehr erwünscht.
Ermordung, Folgen & Heiligsprechung
Ort der Ermordung von Thomas Becket in der Kathedrale von Canterbury (Jordy Schaap / CC-BY-SA 4.0)
König Heinrich II. unterlief dann ein schwerer Lapsus. Wegen politischer Themen bekam er einen Wutanfall über das Verhalten von Thomas Becket.
Vier Ritter vom königlichen Hof nahmen die Worte als expliziten Mordbefehl auf und schritten zur Tat. Sie stürmten die Kathedrale von Canterbury und töteten Thomas Becket am 29. Dezember 1170 vor einem Altar.
Sie schlugen ihm die Schädeldecke ab und schändeten damit die Tonsur – das Zeichen seines klerikalen Standes. Es war ein symbolischer Angriff gegen die ganze Kirche.
Um ganz sicher zu gehen, verteilten die vier Ritter das Gehirn von Thomas Becket dann auch noch auf dem Boden vor dem Altar. Mit Edward Grim war ein Mönch aus Cambridge Augenzeuge der Bluttat.
Dem wurde der Arm fast abgeschlagen. Edward Grim sollte die Untersuchung des Mordfalls jedoch noch vorantreiben und ein Buch über das Leben von Thomas Becket veröffentlichen.
Heiligsprechung durch Alexander III.
Nach dem Tod von Thomas Becket entwickelte sich schnell das Narrativ von einem Märtyrer-Tod. Bei der Vorbereitung seiner Bestattung sollen Mönche sogar ein Cilicium entdeckt haben.
Thomas Becket und Papst Alexander III. im Jahr 1165 (gemeinfrei)
Dabei handelte es sich um ein Büßerhemd aus rauem Stoff oder Tierfasern wie es viele Heilige und schon Johannes der Täufer getragen haben sollen:
„Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig.“ (Mk 1,6)
Darüber hinaus vollzog das gesamte Königshaus eine politische Wende in Bezug auf Thomas Becket.
Mit Herzogin Mathilde setzte sich beim Papst wohl die Tochter von Heinrich II. und zugleich Ehefrau von Heinrich dem Löwen für die Heiligsprechung von Thomas Becket ein.
Dafür schuf Alexander III. im Jahr 1171 oder 1172 zunächst mit „Audivimus“ eine Dekretale. Das ist eine spezielle Urkundenform mit der er Heiligsprechungen allgemein als päpstliches Vorrecht sicherte.
Am 21. Februar 1173 erfolgte dann die Erhebung von Thomas Becket in die Reihen der Heiligen. Sein Gedenktag in der römisch-katholischen, evangelischen sowie anglikanischen Kirche ist der 29. Dezember.
Bußgang nach Canterbury
Thomas Becket und Heinrich II. (gemeinfrei)
Ob Heinrich II. tatsächlich einen expliziten Mordbefehl gab, ist bis heute umstritten. Aber die öffentliche Meinung war zunächst klar gegen ihn.
Doch der König und seine Familie reagierten politisch sehr klug auf die delikate Lage. Sie demonstrierten nach Kräften ihr Bedauern über den Tod von Thomas Becket.
Die Mörder wurden als Kreuzritter ins Heilige Land geschickt. 1174 trat Heinrich II. dann selbst einen Bußgang nach Canterbury an.
Einem reuigen Sünder darf im Christentum die Vergebung nicht verweigert werden. Das wusste schon der deutsche König Heinrich IV. bei seinem Gang nach Canossa fast genau hundert Jahre zuvor.
Heinrich II. erklärten den ermordeten Thomas Becket sogar zu seinem Schutzpatron. Er instrumentalisierte die Heiligsprechung für seine politischen Zwecke.
Dieser Auftritt des englischen Königs kam in der Öffentlichkeit offenbar auch sehr gut an. Die Kathedrale von Canterbury entwickelte sich zu einem bedeutenden Wallfahrtsort. Darüber hinaus etablierte sich die Verehrung seiner Überreste als Reliquien.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Eleonore von Aquitanien war eine der einflussreichsten Frauen des Mittelalters. Sie wurde um 1124 in Poitiers geboren und war durch Heirat erst Königin von Frankreich und dann von England.
Sie entstammte einem Zweig der Karolinger und brachte selbst zahlreiche bedeutende Kinder zur Welt. Dazu gehörten beispielsweise Richard Löwenherz und Johann Ohneland.
Eleonore von Aquitanien – Öl auf Leinwand von 1858 (gemeinfrei)
Ihre Tochter Mathilde heiratete Heinrich den Löwen. Darüber hinaus war Eleonore von Aquitanien die Schwiegermutter der Könige von Kastilien und Sizilien, des Herzogs der Bretagne und des Grafen von Blois.
Dem französischen Hof der Kapetinger brachte Eleonore von Aquitanien einen neuen modischen Stil. Mit Bernhard von Clairvaux provozierte die selbstbewusste Frau damit sogar den wohl einflussreichsten Kleriker ihrer Zeit.
Die Hasstiraden des Heiligen Bernhard gehören zu den detailliertesten Quellen über das Leben der Eleonore von Aquitanien. Er war dann auch eine treibende Kraft bei der Annullierung ihrer Ehe mit dem französischen König Ludwig VII. durch drei Bischöfe am 21. März 1152.
Das Ende der ersten Ehe kam Eleonore von Aquitanien sehr gelegen. Sie selbst hatte dem König von Frankreich bereits Jahre zuvor mit der Auflösung gedroht.
Außerdem guckte sich die mondäne Edelfrau längst einen neuen Ehemann aus. Heinrich aus dem Haus Anjou-Plantagenêt war damals Herzog der Normandie und designierter Erbe der englischen Krone.
Eleonore von Aquitanien heiratete ihren zweiten Ehemann bereits am 18. Mai 1152. Die Beziehung mit Heinrich II. war leidenschaftlich und anfangs sehr vertrauensvoll.
Das sollte aber nicht halten. 1173 verschwor sich Eleonore von Aquitanien mit ihren Söhnen gegen den Mann. Die Rebellion schlug fehl und sie verbrachte die folgenden 15 Jahre bis zum Tod von Heinrich II. in einer Art Hausarrest.
In ihren letzten Lebensjahren war Eleonore von Aquitanien als Königinmutter auf mehreren diplomatischen Mission. Sie brachte beispielsweise das Lösegeld für Löwenherz im Jahr 1194 nach Speyer.
Herkunft der Herzogin von Aquitanien
Wilhelm IX. – der „Troubadour-Herzog“
Herzog Wilhelm IX. von Aquitanien (gemeinfrei)
Der Großvater der Eleonore von Aquitanien wurde als „erster Troubadour“ bekannt. Er war der Herzog von Aquitanien und führte einen sehr modernen Hof in Poitiers.
Dort lernten junge Knappen nicht nur das Kämpfen, sondern auch höfisches Verhalten. Die Mode entsprach dem letzten Schrei und von Wilhelm IX. persönlich sind elf, teils sehr frivole Minnegesänge überliefert.
Er selbst hatte zahlreiche Affären. Wohl um einer Liebschaft die Ehre zu erweisen, verheiratete er die Tochter der Loverin mit seinem jüngsten Sohn.
Aus dieser Verbindung ging Eleonore von Aquitanien hervor. Sie galt als sehr attraktiv, lernte mehrere Sprachen, war intelligent und witzig.
Eleonores Erbe & Erbansprüche
Eleonore von Aquitanien wurde wahrscheinlich 1124 geboren. Ihr Vater erbte vom legendären Großvater drei Jahre später das Herzogtum Aquitanien wie auch die benachbarte Grafschaft von Toulouse.
Karte des Herzogtums der Eleonore von Aquitanien um 1154 (Sémhur / CC-BY-SA 3.0)
Wilhelm X. „der Heilige“ knüpfte an die Hofkultur von Poitiers an und förderte ebenfalls den Minnegesang. Aber vor allem führte er zahlreiche Konflikte mit Vasallen und unterstützte zunächst den damaligen Gegenpapst.
Die ersten Regierungsjahre von Wilhelm X. waren entsprechend turbulent. Unter dem Einfluss des Heiligen Bernhard wechselte er jedoch schließlich in das Lager des römischen Papstes.
1137 trat Wilhelm X. eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela an und starb auf der Reise. Das Geschlecht erlosch in der männlichen Linie und Eleonore erbte das Herzogtum von Aquitanien wie auch einen Anspruch auf die Grafschaft von Toulouse.
Aber das weckte sofort Begehrlichkeiten: Vor allem der französische König Ludwig VI. „der Kämpfer“ sah seine Chance, die königlichen Ländereien zu vergrößern. Diese bestanden damals nur aus wenigen Gebieten im Herzen Frankreichs. Die Krondomäne war sehr viel kleiner als das Herzogtum Aquitanien.
Ehe mit Ludwig VII. von Frankreich
Hochzeit der Eleonore von Aquitanien und Ludwig VII. – Chroniken von Saint-Denis (gemeinfrei)
Eleonore von Aquitanien befand sich nach dem Tod ihres Vaters in der Obhut des Erzbischofs von Bordeaux. Der sollte eine Entführung oder erzwungene Eheschließung verhindern. Genau das tat der Kirchenmann dann selbst.
Im Gegenzug für große Privilegien lieferte er sie an König Ludwig VI. aus. Eleonore von Aquitanien und der Sohn des französischen Königs heirateten am 25. Juli 1137 in der Kathedrale von Bordeaux.
Der fettleibige König starb eine Woche später an der Ruhr. Bereits am 08. August 1137 wurde Eleonore von Aquitanien zur Königin und ihr Mann zu Ludwig VII. von Frankreich gekrönt.
Der junge König war wohl sehr verliebt in seine schöne Frau. Zugleich war er jedoch von seiner Ausbildung in einem Kloster und der cluniazensischen Mönchsbewegung geprägt. Entsprechend trafen in dieser Ehe völlig unterschiedliche Lebenswelten aufeinander.
Leben am französischen Hof
Im Vergleich zum schillernden Hof von Poitiers war die Residenz der französischen König auf der Île de la Cité in Paris aber ein muffiges Nest – voll mit Männern ohne Manieren.
Eleonore von Aquitanien führte Tischdecken und Servietten ein. Die Pagen mussten sich fortan die Hände waschen, bevor sie Essen servierten.
Den Leiter des Chors in der königlichen Kapelle hat sie rausgeschmissen, weil er nicht dirigieren konnte. Damit stieß sie natürlich aber auch auf große Widerstände. Der berühmte Bernhard von Clairvaux regte sich besonders über Eleonore von Aquitanien auf.
Ihr politischer Einfluss war jedoch sehr begrenzt. Mächtige Berater vor allem aus dem Klerus drängten ihren Einfluss auf König Ludwig VII. permanent zurück.
Eleonore und der Zweite Kreuzzug
Auslöser des Zweiten Kreuzzugs
In Folge des Ersten Kreuzzuges von 1096 bildeten sich vier Kreuzfahrerstaaten in der Levante heraus. 1144 fiel mit der Grafschaft Edessa eine dieser christlichen Bastionen an die Muslime.
Im folgenden Jahr erließ der römische Papst eine Bulle. Er forderte alle Christen auf, den Kreuzfahrern im Nahen Osten beizustehen.
Ludwig VII. bei der Kreuzzugspredigt des Bernhard von Clairvaux – Miniatur aus dem 15. Jhd. (gemeinfrei)
Besonders adressierte Eugen III. den deutschen und den französischen König. Darüber hinaus warb Bernhard von Clairvaux intensiv für eine Beteiligung:
„Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen; noch ruhiger stirbt er. Wenn er stirbt, nützt er sich selber; wenn er tötet, nützt er Christus.“
Ludwig VII. sah dies als Chance, seinen Ruf in der christlichen Welt zu verbessern. Im Juni 1147 brach seine Kolonne dann von Metz auf.
Um die Rolle der Eleonore von Aquitanien beim Aufbruch in den Zweiten Kreuzzug ranken sich zahlreiche Legenden. So soll sie auf einem weißen Ross mit gezogenem Schwert und wehendem Banner galoppiert sein.
Laut einem griechischen Chronisten zog sie an der Spitze einer berittenen Legion von Amazonen in Konstantinopel ein. Unstrittig ist allerdings nur, dass Eleonore von Aquitanien beim Zweiten Kreuzzug tatsächlich dabei war.
Scheitern des Zweiten Kreuzzugs
Der Zweite Kreuzzug entwickelte sich jedoch zu einem Debakel. Bereits auf der Anreise hatte Ludwig VII. große Probleme mit der Disziplin.
Karte der Kreuzfahrerstaaten um 1135 (MapMaster / CC-BY-SA 3.0)
Die Kreuzfahrer plünderten entlang ihrer Route. Im Gegenzug wurde sie immer wieder attackiert oder erhielten zumindest nicht ausreichend Proviant. In Anatolien wurden sie dann von den Seldschuken dezimiert.
Im März 1148 erreichten sie Antiochia und das Heer hatte nur noch etwa ein Zehntel der ursprünglichen Stärke. Vor Ort residierte ein Onkel der Eleonore von Aquitanien.
Dieser Raimund von Antiochia verfolgte im Schatten des Zweiten Kreuzzuges eigene Ziele. Er wollte nicht nur die Grafschaft Edessa zurückerobern, sondern vor allem auch Aleppo einnehmen.
In Antiochia kam es dann auch zum Zerwürfnis zwischen Eleonore und ihrem Mann. Zunächst ging es „nur“ darum, dass sie vor Ort bleiben wollte, während der Feldzug weiter ging.
Aus der Diskussion über ihre Reisepläne entwickelte sich ein Streit über die Legalität der königlichen Ehe aufgrund des Grades ihrer Verwandtschaft. Dank dem zeitgenössischen Chronisten Johannes von Salisbury sind einige Details überliefert:
„Und als der König Druck ausübte, um sie loszureißen, erwähnte sie ihre Blutsverwandtschaft und sagte, sie könnten von Gesetz wegen nicht als Mann und Frau zusammenbleiben, da sie im vierten und fünften Grad miteinander verwandt seien.“
Letztlich zwang Ludwig VII. seine Frau zur Reise bis ins damals noch christliche Jerusalem. Die Beziehung war nachhaltig beschädigt und auch Raimund von Antiochia ereilte das Schicksal. Er wurde im Kampf getötet und man schickte seinen Kopf in einem silbernen Kasten als Geschenk an den Kalifen von Bagdad.
Annullierung der Ehe mit Ludwig VII.
Die Ehe von Eleonore von Aquitanien und Ludwig VII. brachte nicht die erhofften männlichen Erben hervor. Darüber hinaus war die persönliche Beziehung der beiden schwer angeschlagen.
Am 21. März 1152 wurde die Ehe von drei Bischöfen annulliert. Als formales Argument wurde ein zu enger Verwandtschaftsgrad angegeben.
Das war jedoch nur ein vorgeschobenes Argument, weil Ludwig VII. später eine noch enger verwandte Frau heiratete. Aber auch der Papst interveniert nicht, wohl aufgrund der Einflussnahme des Bernhard von Clairvaux.
Eleonore von Aquitanien kam diese Entwicklung wohl jedoch ganz recht. Wahrscheinlich guckte sie sich bereits 1151 ihren neuen Mann aus.
Ehe mit Heinrich II. von England
Krönung zur Königin von England
Im Oktober 1154 starb Stephan, der damalige König von England. Damit endete eine lange Phase von Kriegen um den Thron, die in der Geschichtsschreibung als „The Anarchy“ bekannt wurde.
König Heinrich II. von England – Historia Anglorum aus dem 13. Jhd. (gemeinfrei)
Eleonore von Aquitanien und Heinrich II. wurden dann am 19. Dezember 1154 in Westminister Abbey von dem Erzbischof von Canterbury, gekrönt. Die politische Situation war jedoch heikel.
Die englischen Barone hatten sich bereits im Jahr 1100 mit der „Charter of Liberties“, dem Vorläufer der Magna Carta, umfangreiche Rechte gegenüber dem König gesichert. Doch Eleonore von Aquitanien stärkte mit ihrem Herzogtum ganz wesentlich die realpolitische Position des englischen Königs.
Sie selbst hatte eine tragende Rolle in der Regierung. Eleonore von Aquitanien konnte beispielsweise über die Staatskasse verfügen und Zahlungen anweisen.
In Abwesenheit des Königs übte sie stellvertretend sogar die Regentschaft über England aus. Bis 1155 konnte sich Heinrich II. gegenüber den aufmüpfigen Baronen gänzlich durchsetzen.
Das königliche Paar genoss in dieser Zeit auch ein intensives Liebesleben. Eleonore von Aquitanien gebar 1155, 1156, 1157 und 1158 jeweils ein Kind.
Rückkehr ins Herzogtum Aquitanien
Wappen von Sir William Marshal, 1. Earl of Pembroke (Bluebear / CC-BY-SA 3.0)
Die gute persönliche Beziehung zwischen Eleonore von Aquitanien und Heinrich II. hielt etwas mehr als zehn Jahre. Die Weihnachtstage von 1165 und 1166 verbrachten sie getrennt, was von Historikern als Zeichen der Entfremdung gewertet wird.
Darüber hinaus war Eleonore von Aquitanien eine machtbewusste Frau aus einem alten und mächtigen Haus. Sie kehrte 1167 in ihr Herzogtum zurück, um die Herrschaft dort selbst auszuüben.
Auf der Reise wurde sie angegriffen: Gottfried von Lusignan wollte sie als Geisel nehmen und dann Heinrich II. erpressen.
Eleonore von Aquitanien hatte jedoch exzellenten Personenschutz dabei. Mit dem damals noch sehr jungen William Marshal war der beste Turnierkämpfer der Epoche an ihrer Seite. Marshal sollte später ein treuer Ritter für ihre Söhne werden und stellvertretend für Eleonores Enkel Heinrich III. von 1216 bis 1219 sogar die Regentschaft über England ausüben.
Die Herzogin von Aquitanien übte die Herrschaft in ihren Erblanden dann sehr eigenständig aus. Eleonore nahm Lehnseide ab, bestätigte Rechte und gründete Märkte.
In Urkunden verwendete Eleonore von Aquitanien explizite Formulierungen, die ihren Anspruch als souveräne Fürstin unterstrichen. Als Erbe für ihr Herzogtum setzte sich auch deshalb nicht den ersten Sohn Heinrich, sondern den zweiten ein: Richard Löwenherz.
Ermordung von Thomas Becket
Der Segen im englischen Königshaus geriet in den 1170er Jahren immer weiter in Schieflage. Eleonores Ehemann verscherzte es sich zunächst mit dem ältesten Sohn Heinrich.
Ermordung von Thomas Becket – British Library um 1200 (gemeinfrei)
Der wurde als Kind von William Marshal zum Ritter ausgebildet. Nach seiner Schwertleite im Jahr 1170 ließ der Vater diesen „Heinrich den Jüngeren“ zum Mitkönig krönen.
Aber Heinrich II. beteiligte seinen designierten Nachfolger nicht an der Regierung. Der älteste Königssohn erhielt nicht mal ein paar Ländereien und besaß effektiv gar nichts.
Darüber hinaus unterlief Heinrich II. ein schwerer Lapsus. Wegen politischer Themen bekam er einen Wutanfall über das Verhalten von Thomas Becket, dem Erzbischof von Canterbury.
Vier Ritter vom königlichen Hof nahmen die Worte als expliziten Mordbefehl auf und schritten zur Tat. Sie stürmten die Kathedrale von Canterbury und töteten Becket vor einem Altar.
Sie schlugen ihm die Schädeldecke ab und schändeten damit die Tonsur als Zeichen seines klerikalen Standes. Es war ein symbolischer Angriff gegen die ganze Kirche. Um ganz sicher zu gehen, verteilte man das Gehirn von Thomas Becket auf dem Boden vor dem Altar.
Diese schon fast zeremonielle Hinrichtung des Erzbischofs von Canterbury diskreditierte Heinrich II. in der Öffentlichkeit. Darüber hinaus begann der König damit, seinen jüngsten Sohn Johann Ohneland zu Lasten der älteren Brüder mit Ländereien auszustatten.
Verschwörung mit den Söhnen
Von 1170 bis 1172 brachte Heinrich II. die Öffentlichkeit und wesentliche Teile seiner Familie gegen sich auf. Mit Eleonore von Aquitanien verscherzte er sich dann endgültig mit einem Empfang für den Grafen Raimund von Toulouse.
„Indem Heinrich die Huldigung Raymonds für Toulouse entgegennahm, beging er in Eleonores Augen Verrat an ihren seit Langem bestehenden Ansprüchen auf Toulouse als Bestandteil ihres rechtmäßigen Erbes und säte Zweifel daran, dass die Grafschaft ein Vasallenstaat Aquitaniens war. Zugleich anerkannte er Raymond […] als rechtmäßigen Herrscher von Toulouse an und setzte implizit den Anspruch Eleonores auf die Grafschaft […] außer Kraft.“
(Ralph V. Turner – Eleonore von Aquitanien)
Spätestens Anfang 1173 wurde Heinrich II. dann erstmals über eine Verschwörung gegen ihn informiert. Die drei ältesten Söhne (Heinrich, Gottfried und Richard) und Eleonore von Aquitanien selbst rebellierten ab März 1173.
Dabei machte die Herzogin gemeinsame Sache mit ihrem Ex-Mann. König Ludwig VII. von Frankreich unterstützte die letztlich allerdings erfolglose Rebellion.
Eleonores Hausarrest bis 1189
Burg Chinon an der Loire (Franck Badaire / CC-BY-SA 3.0)
Eleonore von Aquitanien wurde im November 1173 auf dem Weg nach Chartres geschnappt. Gefolgsleute von Heinrich II. brachten sie zunächst auf die Burg Chinon.
Das war eine Höhenburg über einem kleinen Zufluss der Loire und wurde häufig für adelige Häftlinge genutzt. Jacques de Molay und die Führung des Templer-Ordens wurde beispielsweise dort im Jahr 1308 ebenfalls festgehalten.
Im folgenden Sommer wurde sie nach England überführt. Bis zum Tod von Heinrich II. im Jahr 1189 hinterließ Eleonore von Aquitanien nur noch relativ wenige Spuren.
Sie stand wohl unter einer Art Hausarrest mit einem kleinen Gefolge. In den Büchern der englischen Staatskasse, den „Great Rolls“, wurden einige Ausgaben vermerkt.
Beispielsweise wurde Geld für Polster und Mäntel ausgegeben. 1179 kaufte sich Eleonore von Aquitanien einen vergoldeten Sattel.
In Winchester traf sie auf ihre Tochter Matilda und deren Ehemann Heinrich den Löwen. Hinzu kamen im späteren Verlauf der 1180er Jahre einige öffentliche Auftritte.
In diesen Jahren starben ihre beiden ältesten Söhne: Heinrich den Jüngeren raffte die Ruhr im Mai 1183 dahin. Gottfried wurde in Paris bei einem Turnier von einem Pferd zu Tode getrampelt.
Eleonore von Aquitanien als Königinmutter
Königliche Insignien auf dem Siegel
Siegel der Eleonore von Aquitanien ab 1189 (Acoma / gemeinfrei)
Heinrich II. von England starb am 04. Juli 1189 auf der Burg von Chinon. Zwei Tage zuvor bestimmte er Richard Löwenherz als alleinigen Erben.
Damit waren für Eleonore von Aquitanien auch die Jahre im Schatten vorbei. Ihre Söhne, zunächst Richard und dann Johann, räumten ihr eine zentrale Position ein. Sie stellten die Mutter über die jeweiligen Ehefrauen.
Eleonore von Aquitanien ließ sich auch ein neues Siegel erstellen. Dies zeigte sie mit zusätzlichen Insignien und der expliziten Ansage: „Eleonore von Gottes Gnaden Königin von England und Herzogin der Normandie.“
Ihr genauen Besitzverhältnisse sind nicht klar, weil ihr Sohn Richard längst zum Herzog von Aquitanien ernannt worden war. Aber sie verfügte über ein royales Einkommen.
Eleonore von Aquitanien konnte sich wieder einen repräsentativ Hof leisten. Darüber hinaus gab sie zahlreichen Schenkungen und Stiftungen.
In die Regierungsgeschäfte war sie jedoch nicht mehr involviert. Als Richard Löwenherz zum Dritten Kreuzzug aufbrach, übernahm mit William de Longchamp ein Geistlicher die Regentschaft über England.
Auslösung von Richard Löwenherz
Eleonore von Aquitanien war jedoch trotz ihres fortschreitenden Alters einige Male in Europa als Diplomat unterwegs. Als Richard Löwenherz jedoch in Gefangenschaft geriet, übernahm sie erneut exekutive Aufgaben.
Zunächst drängte sie mehrfach, allerdings vergeblich den Papst zu einer Intervention. Als das Lösegeld für König Richard vereinbart war, übertrug dieser seiner Mutter Eleonore die Vollmacht, das Geld in England einzutreiben.
Sie reiste dann sogar persönlich ins Heilige Römische Reich. Im Januar 1194 kam sie mit 100.000 Mark in Speyer an. Im März landete Eleonore von Aquitanien dann mit ihrem Sohn wieder in England.
Thronfolge von Johann Ohneland
Darstellung von König Johann Ohneland von 1255 (gemeinfrei)
König Richard wurde am 25. März 1199 bei einer Belagerung der Burg Châlus-Chabrol im Herzen Frankreichs mit einer Armbrust getroffen. Er starb wenige Tage später am Wundbrand.
Eleonore von Aquitanien setzte dann alle Hebel für eine reibungslose Nachfolge auf ihren vierten Sohn Johann Ohneland in Bewegung. Mit Söldnern führte sie sogar eine Strafexpedition durch Anjou, wo man einen anderen Kandidaten anerkannt hatte.
Im Herzogtum Aquitanien nahm Eleonore persönlich die Treueeide der Vasallen entgegen. Diese übertrug sie urkundlich und vollständig an ihren Sohn, den sie zugleich auch als ihren rechtmäßigen Erben einsetzte.
Auch in den damals noch andauernden Krieg zwischen England und Frankreich war sie involviert. Eleonore von Aquitanien wurde dabei im Juli 1202 sogar auf der Burg Mirebeau eingekesselt. Nur ein schneller Befreiungsschlag durch Truppen von König Johann rettete sie vor der Gefangenschaft.
Grabmal in der Abtei Fontevraud
Grabmal der Eleonore von Aquitantien (ElanorGamgee / CC-BY-SA 3.0)
Eleonore von Aquitanien starb am 01. April 1204 im Alter von etwa 80 Jahren. Sie wurde neben ihrem Ehemann Heinrich II. von England in der Abtei Fontevraud bestattet.
In dem Kloster in Anjou befand sich die traditionelle Grablege des Haus Anjou-Plantagenêt. Neben Eleonore von Aquitanien und ihrem Mann wurden dort auch Richard sowie Johann bestattet.
Die Gräber wurden mit Liegefiguren geschmückt. Diese „Gisants“ aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gehören zu den ältesten Grabplastiken ihrer Art.
Eleonore von Aquitanien wurde dabei in der Blüte ihres Lebens als schöne Frau dargestellt. Sie hält ein Buch als Zeichen ihrer Bildung. Die ursprünglichen Farben der Grabmäler sind bis heute erhalten. Sie bilden einen starken Kontrast zum weiß-gräulichen Ton des Gebäudes.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
William Marshal entstammte einer anglo-normannischen Familie und wurde um das Jahr 1144 geboren. Er war ein legendärer Turnierkämpfer und gehörte zu den bekanntesten Rittern seiner Zeit.
Wappen von Sir William Marshal, 1. Earl of Pembroke (Bluebear / CC-BY-SA 3.0)
Bereits als junger Recke gewann er hoch dotierte Preise. Im Laufe seiner Karriere nahm William Marshall während solcher Turniere mehr als 500 Ritter gefangen. Er konnte dann deren Ausrüstung sowie Lösegeld kassieren.
Zusammen mit anderen sehr erfolgreichen Kämpfern wie Baudouin de Béthune bildete William Marshal eine Mannschaft. Sie arbeiteten zusammen und teilten die Gewinne. Die Gruppe hat mal binnen einer Saison das Lösegeld für 103 Ritter sowie deren Ausrüstungen gewonnen.
Diese sportlichen Erfolge ermöglichten William Marshal einen steilen gesellschaftlichen Aufstieg. Er heiratete mit Isabel de Clare eine reiche Erbin und bekam schließlich erbliche Titel verliehen.
Am königlichen Hof war er lange Zeit der „Earl Marschal“. Das Amt gibt es heute noch und gehört zu den Great Officers of State des Vereinigten Königreiches von Großbritannien.
Der Earl Marshal war ursprünglich für die königlichen Pferde verantwortlich. Dann kam noch die Leitung des „College of Arms“ hinzu. Das entspricht einem Heroldsamt und war für Geneaologie und Heraldik zuständig.
Darüber hinaus saß er im „Court of Chivalery“. Das war ein Gericht zur Bestimmung von Lösegeldern, der Verteilung von Beute, aber auch der Ahndung des Missbrauchs von Wappen. Bis heute ist der Earl Marshal außerdem für die Krönungszeremonie mitverantwortlich.
Auf dem Totenbett ernannte König Johann Ohneland ihn schließlich sogar zum Vormund und Regenten für seinen damals noch minderjährigen Sohn. Stellvertretend für diesen König Heinrich III. besiegte William Marshal eine französische Armee und befriedete rebellische Barone.
Im hohen Alter von über 70 Jahren trat William Marshal in den Templer-Orden ein. Seine letzte Ruhe fand er dann in Temple Church in London. Dort kann man noch heute sein Grabmal sehen.
Familiäre Abstammung und Aufstieg
Englischer Bürgerkrieg – „The Anarchy“
William Marshal wurde zur Mitte eines etwa 20-jährigen Bürgerkrieges geboren. Nachfahren von Wilhelm dem Eroberer aus dem Haus der Rolloniden stritten um den englischen Thron.
Die „Kaiserin Mathilda“ – Darstellung aus dem 15. Jahrhundert (gemeinfrei)
Nach dem Tod des englischen Königs Heinrich I. im Jahr 1135 usurpierte dessen Neffe Stephan von Blois. Der verstorbene Monarch hatte mit Mathilda jedoch eine gut vernetzte Tochter.
Sie war ursprünglich mit dem deutschen Kaiser Heinrich V. verheiratet und ehelichte nach dessen Tod Gottfried „den Schönen“ Plantagenêt. Mit wechselndem Erfolg attackierte dann die sogenannte „Kaiserin Mathilda“ die Herrschaft ihres Cousins König Stephan.
Die Jahre von 1135 bis 1154 werden deshalb in der Geschichtsschreibung als „The Anarchy“ bezeichnet. Die Familie von William Marshal war dabei tief verstrickt.
Williams Vater John FitzGilbert war ursprünglich der Marshal am Hof von König Stephan und hielt zu diesem. Durch den Einfluss seiner zweiten Frau wechselte er aber schließlich in das Lager von Kaiserin Mathilda.
Diese Zeit der Anarchie endete erst mit einen Herzinfarkt von König Stephan im Oktober 1154. Dann kam mit Heinrich II. erstmals ein Vertreter von Haus Anjou-Plantagenêt an die Macht. Die wurden dann erst 1399 vom Haus Lancaster abgelöst.
Schwertleite und erste Aufgaben
Nach dem Bürgerkrieg kam mit Heinrich II. der älteste Sohn von Mathilda auf den englischen Thron. Der junge William Marshal wurde in etwa zu dieser Zeit als Knappe zu Guillaume de Tancarville in die Normandie geschickt.
Château de Tancarville (gemeinfrei)
Das Haus Tancarville gehörte ebenfalls zum normannischen Adel und hatte die Invasion von Wilhelm dem Eroberer unterstützt. 1164 erhielt William Marshal die Schwertleite. Er schloss sich anschließend seinem Onkel Patrick of Salisbury an.
William Marshal gehörte damit schon als junger Ritter zum Personenschutz des Königs. 1168 begleitete er Königin Eleonore von Aquitanien auf einer Reise in ihre Heimat Aquitanien.
Dort wurden sie von Gottfried von Lusignan angegriffen. Das war ein älterer Bruder des berühmten Guido von Lusignan. Der sollte 20 Jahre später in der Schlacht bei Hattin eine krachende Niederlage gegen Sultan Saladin kassieren und das Königreich Jerusalem verlieren.
Bei diesem Überfall im Jahr 1168 durch Gottfried von Lusignan wurde jedoch erstmal Earl Patrick of Salisbury mit einem Speer getötet. Der junge William Marshal behielt jedoch die Nerven und konnte Königin Eleonore von Aquitanien retten. Er brachte sie nach Poitiers in Sicherheit.
Ausbilder von Heinrich dem Jüngeren
Damit hatte sich William Marshal einen Ruf als tapferer und loyaler Ritter erworben. Er wurde daraufhin zum Ausbilder des ältesten Königssohns Heinrich dem Jüngeren.
Der erhielt 1173 die Schwertleite und unterstützte seinen Vater Heinrich II. als Mitkönig. In den folgenden Jahren kämpfte William Marshal weiterhin sehr erfolgreich auf zahlreichen Turnieren. Er war vor allem an französischen Höfen wie Lagny-sur-Marne oder in Joigny.
In dieser Zeit lernte er mit Baudouin de Béthune einen sehr bedeutenden französischen Ritter kennen. Ihre Wege sollten sich immer wieder kreuzen.
Heinrich der Jüngere stürzte sich jedoch in Kriege um die Nachfolge als König. William Marshal stand ihm dabei zur Seite. Sein royaler Schützling erkrankte 1183 jedoch an der Ruhr.
William Marshal konnte Heinrich dem Jüngeren dann nur noch die letzte Ehre in der Kathedrale von Rouen erweisen. Er zog anschließend ins Heilige Land. Für die kommenden beiden Jahre kämpfte er gegen die Sarazenen.
Loyaler Ritter für König Heinrich II.
Nach seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land übernahm König Heinrich II. den erfahrenen Ritter wieder in seinen Dienst. William Marshal unterstütze ihn dann in den weiteren Kämpfen gegen den rebellischen Sohn Richard Löwenherz und dessen Verbündeten König Philipp II. von Frankreich.
Am 12. Juni 1189 musste König Heinrich II. überhastet vor seinem Sohn aus Le Mans fliehen. William Marshall und Baudouin de Béthune deckten die Flucht. Sie standen etwa vier Wochen später auch gemeinsam als letzte Getreue am Totenbett des Königs.
William Marshal und Richard Löwenherz
William Marshall genoss ein sehr hohes Ansehen und wurde auch von dem nun neuen König Richard Löwenherz respektiert. Er konnte deshalb am Hof bleiben und Isabel de Clare heiraten.
Das war eine der reichsten Erbinnen ihrer Zeit. Die Ehe brachte William Marshal die Grafschaft Pembroke im Südosten von Wales sowie weitere Ländereien in Irland.
Mitglied des regierenden Rates
Während Löwenherz auf dem Dritten Kreuzzug war, gehörte William Marshal zum regierenden Rat. Dort unterstützte er zunächst Johann Ohneland beim Sturz des Regenten William de Longchamp.
Bei William de Longchamp handelte es sich um einen normannischen Geistlichen. Er hatte das Vertrauen von König Richard und dafür die Abtei von Ely im Erzbistum von Canterbury erhalten.
Doch William de Longchamp war ein unbeliebter Aufsteiger aus dem niederen Adel. Obwohl er wie viele Mächtige des Reiches aus der Normandie stammte, warf man ihm dies als ausländische Herkunft vor.
Es kam zum offenen Konflikt, als sich Johann Ohneland schriftlichen Anweisungen von Löwenherz widersetzte. Während William de Longchamp die Burg von Lincoln belagerte, besetzte der jüngere Bruder des Königs die Burgen von Nottingham und Tickhill.
Beschwerden über Longchamp erreichten Richard in der Ferne. Der sandte mit Walter de Coutances den Erzbischof von Rouen mit umfassenden Vollmachten nach England.
1191 setzten dann Walter de Coutances und der regierende Rat mit William Marshal den bisherigen Regenten Longchamp ab. Laut dem Bischof von Coventry versuchte der dann als Prosituierte verkleidet nach Frankreich zu fliehen. Das flog jedoch auf, als Longchamp in Frauenkleidern auf einen interessierten Seemann traf.
Gefangenschaft von Löwenherz
Im Dezember 1192 geriet Richard Löwenherz bei seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land in die Gefangenschaft des Herzogs von Österreich. Unter seinen wenigen Begleitern war William Marshals guter Freund Baudouin de Béthune.
In England versuchte Johann Ohneland diese Chance zu nutzen. William Marshal unterstützte ihn anfangs dabei. Doch bereits im Laufe des Jahres 1193 wechselte er wieder in das Lager der Königstreuen.
Löwenherz verzieh ihm auch seine zeitweise Unterstützung. Ein Hintergrund war vielleicht, dass Richard bereits mit dem „Würzburger Vertrag“ vom 14. Februar 1193 die Bedingungen seiner Freilassung aushandelte.
Der englische König war spätestens ab diesem Zeitpunkt trotz Gefangenschaft wieder regierungsfähig. Aus der Ferne steuerte Löwenherz beispielsweise die Wahl eines Wunschkandidaten zum Erzbischof von Canterbury.
Bei den Regierungsgeschäften wurde Richard von seinem damaligen Justiziar unterstützt. Für William Marshal muss klar gewesen sein, dass eine Rückkehr des rechtmäßigen Königs nur eine Frage der Zeit war.
Master-Marshal & Earl of Pembroke
Löwenherz wurde am 04. Februar 1194 auf dem Hoftag zu Mainz aus der Gefangenschaft entlassen. Er kehrte nach England zurück und fand eine weitgehend gut funktionierende Verwaltung vor.
Auch politisch konnte sich der König schnell wieder stabilisieren. William Marshal trat noch in diesem Jahr in der Nachfolge seines älteren Bruders das Amt des Master-Marshals am Hof an.
1199 erhielt William Marshal das Earltum von Pembroke als erblichen Titel. Aufgrund verschiedener Verleihungen im Laufe der Jahrhunderte ist die Liste der Earls of Pembroke nicht ununterbrochen fortlaufend.
William Marshall wurde der zweite sogenannte „1. Earl of Pembroke“. Das alte Fort aus Holz in Pembroke baute er in eine mächtige Burg aus Stein aus.
William Marshall konnte wenige Jahre später noch einen weiteren Anspruch seiner Frau Isabel de Clare verwerten. Er erhielt die Grafschaft von Longueville, ein späteres Herzogtum in der Normandie.
Seine Linie sollte dann aber schon mit dem Tod seines fünften und jüngsten Sohnes Anselm Marshal, dem 6. Earl of Pembroke, im Jahr 1245 enden.
Johann Ohneland & Revolte der Barone
Darstellung von König Johann Ohneland von 1255 (gemeinfrei)
König Richard Löwenherz starb am 06. April 1199 an den Folgen eines Wundbrands. Man hatte ihn während einer Belagerung in Frankreich mit einer Armbrust erwischt.
Damit wurde Johann Ohneland der rechtmäßige König. Problematisch war der von Löwenherz vererbte Krieg in Frankreich, der viele Ressourcen und die Aufmerksamkeit verschlang.
William Marshall setzte sich jedoch in England sehr erfolgreich für die Anerkennung von Johann ein und zog beispielsweise den Erzbischof von Canterbury auf seine Seite.
Für Johann Ohneland verlief die Herrschaftsfolge in England dann ohne größere Probleme. Zwei Tage nach seiner Ankunft in England wurde er am 27. Mai 1199 in Westminster Abbey gekrönt.
In den folgenden Jahren verlor der englische König jedoch zahlreiche Besitzungen in Frankreich. Das einstmals so mächtige angevinische Reich schmolz dahin.
William Marshals Rebellion in Irland
1207 begab sich William Marshal nach Irland. Er kümmerte sich um die Ländereien aus dem Erbe seiner Frau und kam damit einer Regierungspraxis von König Johann in die Quere.
Der englische König spielte kleinere Lords systematisch gegeneinander aus. William Marshal verbündete sich deshalb mit Adeligen aus dem Haus Lacy, die seit der anglo-normannischen Eroberung in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts dort ansässig waren.
Gemeinsam stellten sie sich nun erfolgreich gegen den Justiziar von Johann in Irland. Der König stellte daraufhin eine Flotte von 700 Schiffen auf und bereitete einen großen Feldzug vor.
William Marshal wollte das lieber nicht ausfechten. Er unterwarf sich König Johann, der anschließend weitere rebellische Lords in einem nur 9-wöchigen Feldzug hinweg fegte.
Weg zur Magna Carta Libertatum
William Marshal kam nach seiner kleinen Revolte wieder ins Gefolge von König Johann. 1212 begleitete er diesen nach Irland und Wales.
In etwa zeitgleich setzte der römische Papst den eigenen Kandidaten Stephen Langton als neuen Erzbischof von Canterbury ein. Das führte zum Konflikt und in der Folge zur Exkommunikation von König Johann.
Auch innenpolitisch stand er wegen der hohen Steuern für zahlreiche Feldzug unter massiver Kritik. Im Februar 1214 erlitt König Johann dann in Frankreich eine schwere Niederlage.
Skulptur von Hew Locke auf Runnymede zum 800. Jubiläum der Magna Carta (Antony McCallum / CC-BY-SA 3.0)
König Johann wollte daraufhin erneut weitere Steuern eintreiben. Stephen Langton wies die Barone dabei auf die „Charter of Liberties“ von 1100 hin.
Darin hatte bereits Heinrich I. den Baronen verbrieften Schutzrechte gewährt. Diese wurden jedoch von den folgenden Königen weitgehend missachtet.
Aber im November 1214 bildete sich eine Gruppe von Baronen heraus, die sich auf ihre Rechte aus der Charter of Liberties beriefen. Im Januar griffen sie dann zu den Waffen.
Unter der Führung von Robert FitzWalter und Eustace de Vesci marschierten sie in London auf. Schließlich wurde sogar die königliche Burg von Northampton belagert.
William Marshal riet dem König zur Annahme der Forderungen. Im Gegensatz zu seinem Sohn, William Marshal, der 2. Earl of Pembroke, blieb er aber loyal gegenüber Johann und trat als Vermittler auf.
Nachdem sich auch die City of London auf die Seite der rebellischen Barone stellt, blieb dem König auch keine andere Wahl mehr. Die Unterzeichnung der Magna Carta Libertatum fand dann auf Runnymede statt. Das ist eine Wiese in der Nähe einer Furt über die Themse, die schon zu Zeiten von Alfred dem Großen für Ratsversammlungen genutzt wurde.
Sir William Marshal als Regent
Die Unterzeichnung der Magna Carta brachte jedoch keinen dauerhaften Frieden. Keine der Parteien war mit dem Inhalt glücklich und wollte sich an das Verhandlungsergebnis halten.
Schon im Oktober 1215 brach der Bürgerkrieg erneut aus. Im folgenden Jahr luden unzufriedene Barone darüber hinaus den französischen Prinzen Ludwig den Löwen aus dem Haus der Kapetinger ein, die englische Krone zu erobern.
1216 brachte dann zahlreiche militärische Rückschläge für König Johann. William Marshal blieb dabei jedoch unerschütterlich an der Seite des Königs und bestätigte seinen Ruf als loyaler Ritter.
Johann wurde Mitte Oktober jedoch plötzlich krank. Auf seinem Totenbett bestimmte er William Marshal zum Vormund für seinen damals noch minderjährigen Sohn.
Als Johann Ohneland am 16. Oktober 1216 verstarb, wurde William Marshal zum Regenten von England. Er versuchte jedoch keinen Vorteil aus der Situation zu schlagen. Vielmehr kümmerte er sich sofort um die Krönung von Heinrich III. zum König.
Schlacht von Lincoln (20. Mai 1217)
William Marshal sammelte als Regent von England das Heer. Mit seinen inzwischen über 70 Jahren stellte er sich selbst an die Spitze.
Ludwig der Löwe machte dann einen strategischen Fehler: Er teilte seine Armee und wollte selbst die Hafenstadt Dover einnehmen.
Darstellung der Schlacht von Lincoln aus dem 13. Jahrhundert (gemeinfrei)
Die zweite Hälfte seiner Armee sandte er unter dem Befehl von Thomas von Le Perch nach Norden. Der traf mit etwa 600 Ritter sowie etwa 1.000 Fußsoldaten in Lincoln ein und begann mit einer Belagerung der Burg.
William Marshal attackierte dann mit etwa 400 englischen Rittern und etwa 350 Bogenschützen die französische Streitkraft. Die Schlacht entwickelte sich in der Stadt erst am Westtor und dann auch am Nordtor.
Schließlich trafen Thomas von le Perch und William Marshal im Zweikampf aufeinander. Der französische Befehlshaber bekam einen schweren Treffer mit einer Lanze gegen den Helm.
Tödliche Splitter bohrten sich durch die Sehschlitze in seinen Kopf. Mit über 70 Jahren hatte William Marshal nochmal seine Qualitäten im Duell bewiesen.
Die französischen Verbände zogen sich daraufhin durch das Südtor zurück. William Marshal und seine Truppen nahmen jedoch etwa 300 Ritter sowie 46 Barone gefangen. Es war ein grandioser Sieg.
Nach weiteren Erfolgen sowie päpstlicher Einmischung zu Gunsten von Heinrich III. gab Ludwig der Löwe seine Ambitionen in England auf.
Eintritt in den Templer-Orden
Grab von William Marshal in Temple Church (Kjetil Bjørnsrud / CC-BY-SA 3.0)
Kurz vor seinem Tod im Jahr 1219 trat William Marshal in den Templer-Orden ein. Darüber hinaus regelte er seine Nachfolge als Vormund des minderjährigen König Heinrich III. und damit als Regent von England.
Er traute weder englischen Baronen noch Bischöfen. William Marshal übergab die Aufgabe vielmehr an einen päpstlichen Legaten.
William Marshal starb am 14. Mai 1219 friedlich im Kreis seiner Familie. Er wurde als einer von neun Rittern in Temple Church in London bestattet. Das Grab von William Marshal erhielt eine Liegefigur aus Marmor.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Harald III. Hardrade – „der Harte“ – wurde 1015 geboren. Er war ein Halbbruder von Olav dem Heiligen, einem norwegischen König, der in der Schlacht von Stiklestad erschlagen wurde. Das Reich fiel daraufhin zunächst an Dänemark.
Harald Hardrade – König von Norwegen (Colin Smith / CC-BY-SA 3.0)
Der damals erst 15 Jahre alte Harald Hardrade floh dann erstmal nach Schweden. Von dort aus zog es ihn weiter gen Osten nach Nowgorod und dann tiefer in das Reich der Kiewer Rus.
Auf den Handelsrouten der schwedischen Wikinger verschlug es ihn bis nach Byzanz. Dort diente er in der legendären Warägergarde, der Leibwache der Kaiser und machte Karriere als Offizier.
1042 kehrte Harald Hardrade als reicher Mann zurück in das nordische Großfürstentum am Dnepr. Er heiratete mit Elisabeth von Kiew eine Tochter des Herrschers aus dem Haus der Rurikiden.
Ab 1045 versuchte er seinen Anspruch auf den norwegischen Thron durchsetzen. Als König Magnus der Gute zwei Jahre später verstarb, konnte sich Harald Hardrade schließlich als König von Norwegen etablieren. Die inneren Machtkämpfe zur Durchsetzung seiner Herrschaft zogen sich jedoch noch deutlich länger hin.
Nachdem aber am 05. Januar 1066 der englische König Edward der Bekenner starb, verbündete sich Harald Hardrade im folgenden Thronstreit mit dem adeligen Toste Godwinson. Das war ein Bruder von Harald Godwinson, der ebenfalls die Krone beanspruchte.
Mit angeblich etwa 300 Schiffen segelte Harald Hardrade schließlich nach England und landete in der Nähe von York. Dort gewann er zunächst die Schlacht bei Fulford.
In der entscheidenden Schlacht von Stamford Bridge wurde Harald Hardrade jedoch getötet. Mit seiner gescheiterten Invasion begünstigte er allerdings den letztlich erfolgreichen Angriff von Wilhelm dem Eroberer.
In der letzten großen Schlacht des Jahres 1066 bei Hastings hatten die Angelsachsen nicht mehr ausreichende Reserven. Sie erlitten eine Niederlage, Harald Godwinson wurde getötet und die normannische Besetzung von England begann.
Die Folgen für die norwegischen Wikinger waren jedoch katastrophal. Nach dem Tod von Harald Hardrade in der Schlacht an der Stamford Bridge wurde das Königreich Norwegen unter seinen beiden Söhnen aufgeteilt.
Die Brüder verbrachten ihre Zeit jedoch mit Kämpfen gegeneinander. Es kam nie wieder zu großen Angriffen, weswegen das Jahr 1066 auch als das Ende der Wikingerzeit gilt.
Harald Hardrade im Osten
Harald Hardrade war ein Halbbruder von König Olav dem Heiligen von Norwegen. Der wurde in der Schlacht von Stiklestad im Jahr 1030 erschlagen.
Das war eine der bekanntesten Schlachten der norwegischen Geschichte: Der Kontext lag in der Christianisierung, obwohl zwei letztlich mehrheitlich christliche Heere aufeinander trafen. Die politischen Folgen waren jedoch erheblich, weil nicht nur der König erschlagen wurde, sondern Norwegen in der Folge an Dänemark fiel.
Der damals erst 15 Jahre alte Harald Hardrade floh anschließend zunächst nach Schweden. Von dort aus folgte er der Route nach Osten und kam über Nowgorod ins das Reich der Kiewer Rus.
Dort war man längst mit den Wikingerschiffen über die Flüsse bis zum Schwarzen Meer vorgestoßen und stand im Austausch mit Byzanz. Der junge Harald Hardrade zog bis dorthin weiter und begann eine Karriere im Dienst der Kaiser am Bosporus.
Offizier der Warägergarde
Die Warägergarde war eine nordische Elite-Einheit zum Schutz der byzantinischen Kaiser. Sie entstand im Jahr 988 mit der Entsendung von 6.000 Mann durch einen Fürsten der Kiewer Rus zum Schutz von Basileios dem Bulgarentöter.
Harald Hardrade diente dann seiner Zeit in Byzanz gleich unter mehreren Kaisern. In der Warägergarde hatte er zunächst den Rang eines Manglabites, womit er bereits ein hervorgehobenes Mitglied war.
Für seine Beteiligung an einem erfolgreichen Feldzug gegen den Bulgarenaufstand von 1040/41 wurde Harald Hardrade zum Spatharokandidatos befördert, einem Offizier der Warägergarde.
König Harald III. von Norwegen
1042 kehrte Harald Hardrade als reicher Mann in das Fürstentum der Rurikiden am Dnepr zurück. Dort heiratete er mit Elisabeth von Kiew die Tochter von Großfürst Jaroslaw dem Weisen.
Nachfolger von Magnus I.
Münze von König Harald III. Hardrade von Norwegen (C. I. Schive / gemeinfrei)
Das dänische Haus der Jellinge hatte zuletzt unter der Führung von Knut dem Großen über ein nordisches Großreich geherrscht. Mit dessen Tod am 12. November 1035 zerfiel dieses Imperium der Wikinger.
Als zentraler Nachfolger kristallisierte sich Magnus der Gute zunächst als König von Norwegen heraus. Das war ein Sohn von Olav dem Heiligen und damit auch der Neffe von Harald Hardrade.
Ab 1042 regierte Magnus der Gute über Dänemark, nachdem er dort einmarschierte und zahlreiche Kämpfe gewonnen hatte. Sein zentraler Gegner in dieser Phase war der dänische Sven Estridsson aus dem Haus der Jellinge, einem Urenkel von Harald Blauzahn.
1047 hatte Magnus der Gute einen tödlichen Reitunfall und das Großreich zerfiel wieder. Sven Estridsson wurde König in Dänemark und Harald Hardrade in Norwegen.
Als norwegischer König ließ er Münzen mit seinem Angesicht prägen. Aber vor allem führte Harald Hardrade viele Kriegszüge innerhalb seines Reiches, um sein Heer zu unterhalten und Privilegien von einzelnen Regionen abzubauen.
1050 führte Harald Hardrade die Zerstörung von Haithabu im heutigen Schleswig-Holstein an. In der Folge floh Sven Estridsson nach Schweden und scheiterte mit zahlreichen Attacken gegen den norwegischen König.
Darüber hinaus hatte Harald Hardrade seine Konflikte mit der Kirche. Er setzte Bischöfe ein, die nicht geweiht waren und nutzte Opfergaben zur Finanzierung seiner Armee.
Gründung von Oslo
Zur Zeit von Harald Hardrade lag der Meeresspiegel etwa vier bis fünf Meter niedriger. Der heutige Oslo-Fjord war damals eine breite Bucht, die für Schiffe gut erreichbar war.
Obwohl spätestens unter Harald Blauzahn auch ein militärischer Stützpunkt dort errichtet wurde, gilt Harald Hardrade dennoch als Gründer der heutigen Hauptstadt von Norwegen.
Harald „der Harte“ in England
Von 1042 bis zu seinem Tod am 05. Januar 1066 regierte Edward der Bekenner als angelsächsischer König von England. Nach seinem Ableben entbrannte ein blutiger Thronstreit.
In drei großen Schlachten kämpften der Earl of Wessex Harald Godwinson, der norwegische König Harald Hardrade und der Herzog der Normandie Wilhelm der Eroberer um den Thron.
Dieses Triell dreier Fürsten wurde jedoch auch maßgeblich von einem Bruderzwist geprägt. Es war nämlich mit Toste Godwinson der Bruder des Earl of Wessex, der Harald Hardrade nach England holte, um selbst Earl zu werden.
Der formale Anspruch wurde dann aus einem Erbe von Knut dem Großen abgeleitet, der über das nordische Großreich geherrscht hatte.
Der norwegische König brach deshalb mit bis zu 300 Schiffen auf. Nach einem Zwischenstopp auf den Orkney Inseln landete Harald Hardrade im September 1066 in der nähe von York.
Die Hauptstreitkraft der Angelsachsen unter Harald Godwinson eilte daraufhin in einem Gewaltmarsch vom Süden in den Norden von England. Die erste große Schlacht sollten sie jedoch verpassen.
Schlacht bei Fulford
Die überlieferten Details zur Schlacht bei Fulford sind zumindest teils widersprüchlich. Relativ klar ist jedoch, wer sich gegen wen stellte und was die Folgen waren.
Die Brüder Morcar (Earl of Northumbria) und Edwin (Earl of Mercia) mobilisierten ihre Aufgebote und stellten sich den Norwegern zur Schlacht, bevor die angelsächsische Unterstützung unter Harold Godwinson in der Region eintraf.
In der Schlacht bei Fulford am 20. September 1066 etwa drei Kilometer südlich von York trafen dann etwa 8.000 Krieger unter dem Befehl von Harald Hardrade auf etwa 5.000 Mann unter Edwin und Morcar.
Die zahlenmäßig überlegenen Nordmänner konnten sich wohl noch dazu auf einer Anhebung auf dem Schlachtfeld positionieren und ließen sich dort von den Angelsachsen attackieren. Der Angriff soll auf dem rechten Flügel von Edwin eröffneten worden sein.
Dort gewannen die Angelsachsen gegen Harald Hardrade zunächst an Boden. Dies sollte sich jedoch als fatal verweisen. Die Norweger konnten durch eine Verlagerung der Truppen ihre Linie stabilisieren.
Diese Offensive der englischen Verteidiger führte so zu einer Überdehnung ihrer Linie, die in einer Zerschlagung der Streitkraft mündete. Damit gewann Harald Hardrade zunächst die Region um York, doch die eigentliche Entscheidung sollte fünf Tage später fallen.
Schlacht von Stamford Bridge
Harald Hardrade unterschätzte dramatisch das Tempo von Harald Godwinson. Als fünf Tage nach der Schlacht bei Fulford das angelsächsische Heer in der Nähe von York auftauchte, war den Norwegern zunächst gar nicht klar, wer das überhaupt war.
Die Armee von Harald Hardrade war zu diesem Zeitpunkt sogar auf zwei Lager verteilt. Eine große Abordnung war nämlich zur Sicherung der Schiffe an der Küste abgestellt.
Obwohl Harald Hardrade eigentlich meinte, den Überraschungseffekt auf seiner Seite zu haben, wurde er durch den Gewaltmarsch der Angelsachsen auf dem falschen Fuß erwischt. Er stellte sich dann wohl aus Angst um seine Reputation zur Schlacht von Stamford Bridge.
Doch zunächst hatte Harald Hardrade das Glück auf seiner Seite: Ein Wikinger stellte sich auf der Stamford Bridge dem feindlichen Heer entgegen. Selbst die Angelsachsen berichten, dass er 40 Krieger tötete, bevor er niedergestreckt werden konnte.
So hatten die Norweger zumindest etwas Zeit gewonnen, um sich zur Schlacht aufzustellen. Der genaue weitere Verlauf ist unklar, war jedoch sehr blutig und brachte Harald Hardrade und Tostig Godwinson den Tod. Je nach Quelle starb der König der Norweger durch einen Pfeil oder durch einen Stich in den Hals.
Doch auch die Tage von Harald Godwinson waren gezählt. Nur drei Wochen später fand er selbst den Tod in der Schlacht bei Hastings und Wilhelm der Eroberer ging als großer Sieger aus dem Jahr 1066 hervor.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Gottfried von Bouillon – Kreuzfahrer und „Beschützer des Heiligen Grabes“
Gottfried von Bouillon wurde um 1060 geboren. Er war eine der führenden Figuren des Ersten Kreuzzuges und schließlich der erste Fürst des Königreiches von Jerusalem.
Gottfried von Bouillon in einem Fresko von 1420 in der Burg von Manta (gemeinfrei)
Doch bevor er dem Aufruf von Urban II. im Jahr 1095 folgte, war Gottfried von Bouillon ein treuer Gefolgsmann seines Königs während der großen Umbrüche dieser Zeit.
Gottfried von Bouillon war nicht nur Zeitzeuge, sondern erlebte hautnah den Epochenwechsel vom Früh- zum Hochmittelalter. Im Investiturstreit mit Gregor VII. hielt er seinem salischen Monarchen trotz dessen Exkommunikation die Treue.
Gottfried von Bouillon kämpfte an der Seite von König Heinrich IV. beispielsweise gegen Rudolf von Rheinfelden. Auch bei der Eroberung von Rom im Jahr 1084 war er persönlich dabei.
Dennoch war Gottfried von Bouillon ein tiefgläubiger Christ. Zu Beginn des Ersten Kreuzzuges verkaufte er all seine Güter und brach mit 20.000 Mann gen Jerusalem auf. Als erster Kreuzfahrer erreichte er Konstantinopel, wo sich mehrere Kolonnen sammelten.
Gottfried von Bouillon war ab dieser Wegmarke ein nachrangiger Heerführer, gehörte aber zum Führungskreis. Über weite Strecken des Ersten Kreuzzuges dominierten jedoch vor allem Bohemund von Tarent und später Raimund von Toulouse.
Nur aufgrund von des letzteren Verzicht wurde Gottfried von Bouillon nach der Eroberung von Jerusalem im Jahr 1099 zum ersten Herrscher über das neu geschaffene Königreich. Der „Beschützer des Heiligen Grabes“ entwickelte sich so zu einer sagenumwobenen Figur.
Im Spätmittelalter entstand mit dem Epos „Neun Gute Helden“ beispielsweise eine idealisierte Darstellung von ritterlichen Idealen: Neben den antiken Figuren Hektor, Alexander dem Großen und Cäsar sowie drei jüdischen Helden wurde in diesem Epos der Kreuzfahrer Gottfried von Bouillon auf Augenhöhe mit Artus und Karl dem Großen als einer der drei christlichen Vertreter aufgeführt.
Aufstieg unter König Heinrich IV.
Ermordung von Gottfried IV.
Der spätere „Fürst von Jerusalem“ war ein Zweitgeborener ohne unmittelbare Aussichten auf einen Titel. Allerdings hatte sein Onkel – Herzog Gottfried IV. von Niederlothringen – keine Kinder und bestimmte ihn als Nachfolger.
Am 27. Februar 1076 wurde der Onkel ermordet. Die Umstände waren selbst für mittelalterliche Verhältnisse recht speziell:
Burg Bouillon in Belgien (Jean-Pol Grandmont / CC-BY-SA 3.0)
Herzog Gottfried IV. starb beim Verrichten seines Geschäfts auf dem Abort, durch einen Stich von unten, dahin wo keine Sonne scheint.
Aber König Heinrich IV. verweigerte dem jungen Gottfried zunächst das volle Erbe. Statt des ganzen Herzogtums bekam der spätere Kreuzfahrer zunächst nur die Grafschaft Antwerpen und die Burg Bouillon, mit der man die Hauptachse zwischen Ober- und Niederlothringen kontrollierte.
Es ist eine Höhenburg im heutigen Belgien. Sie liegt oberhalb einer Flussschleife. Die Anlage wurde im 11. Jahrhundert von Herzog Gottfried III. errichtet und im 17. Jahrhundert zur Festung ausgebaut.
Der junge Gottfried musste sich jedoch umgehend gegen Ansprüche von weiteren Verwandten und auch gegen äußere Feinde wehren. Entscheidend wurde seine erfolgreiche Verteidigung der Burg Bouillon im Jahr 1077.
Seitdem trug Gottfried den Beinamen „von Bouillon“. Sein volles Erbe erhielt er für treue Dienste im Jahr 1088.
Gang nach Canossa (1077)
Doch seit 1075 spielte sich im Heiligen Römischen Reich vor allem ganz große Politik ab: Die Spannungen zwischen dem Papsttum und der weltlichen Herrschaft eskalierten.
Der als „Zuchtrute Gottes“ bekannte Gregor VII. erließ zunächst mit seinen Dictatus Papae insgesamt 27 Leitsätze, die das theokratische Selbstverständnis des Bischofs von Rom voll zum Ausdruck brachten:
Heinrich IV. in einer Chronik aus dem 12. Jahrhundert (gemeinfrei)
„Dass die römische Kirche niemals in Irrtum verfallen ist und nach dem Zeugnis der Schrift niemals irren wird.“
König Heinrich IV. ließ sich jedoch nicht einfach so den Schneid abkaufen. Er versammelte 24 loyale Bischöfe und schrieb einen wenig diplomatischen Brief:
„Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern falscher Mönch. […] du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; […] Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab!“
Der Papst exkommunizierte daraufhin den rebellischen König. Zugleich löste er damit dessen Vasallen aus ihrem Treueeid. Die Chance nutze Rudolf von Rheinfelden, der sich als Gegenkönig erhob.
In dieser Krise erwies sich der junge Gottfried von Boullion jedoch als loyaler Gefolgsmann. Er blieb dem König treu, der sich mit seinem berühmten „Gang nach Canossa“ zunächst vom päpstlichen Bann befreien konnte.
Beginn des Hochmittelalters (1080)
Das politische Kräftemessen zwischen dem König und dem Papst war nach dem Gang nach Canossa jedoch keinesfalls beendet. Spätestens ab 1080 senkte sich die Wagenschale wieder zu Gunsten des Saliers.
Rudolf von Rheinfelden wurde in der Schlacht bei Hohenmölsen tödlich verwundet. Der kritische Treffer verletzte den Gegenkönig ausgerechnet an der rechten Hand, der Schwurhand. Damit verlor die Opposition nicht nur ihre Führungsfigur.
Da Rudolf von Rheinfelden seinen Treueschwur gegenüber Heinrich VI. gebrochen hatte, war die Art des Todes symbolisch enorm aufgeladen. Wenig später stolperte Gregor VII. dann über die Kirchenpolitik.
Auf der Synode von Brixen wurde Wibert von Ravenna zum Gegenpapst gewählt. Die einstmals so dominante Zuchtrute Gottes sollte diesen „Erzhäretiker“ auch nicht mehr in den Griff bekommen.
Auch wenn der Übergang von Epochen durch viele Entwicklungen geprägt wird, gilt die Synode von Brixen als ein singuläres Ereignis, mit dem man den Übergang vom Früh- zum Hochmittelalter benennen kann.
Im Jahr 1084 eroberte Heinrich IV. dann sogar Rom und ließ sich vom Gegenpapst zum Kaiser krönen. Gottfried von Bouillon war an seiner Seite. Fünf Jahre später erhielt er für seine treuen Dienste das Herzogtum Niederlothringen.
Heerführer im Ersten Kreuzzug
Aufruf von Urban II. (1095)
Seit 1088 amtierte Urban II. als Papst. Das war wieder ein Vertreter der cluniazensischen Bewegung, der einst als Schützling der Zuchtrute Gottes in der Kirche aufgestiegen war.
Denkmal für Papst Urban II. vor der Kathedrale von Clermont (gemeinfrei)
Am 27. November 1095 rief Urban II. aber eher wegen interner Machtkämpfe zur „Befreiung“ von Jerusalem auf. Dafür inszenierte der Papst während einer Synode in Clermont eine dramatische Rede.
Er sprach aber nicht nur zu den Bischöfen, sondern vor einer großen Menschenmenge auf freiem Feld vor der Kathedrale von Clermont:
Als Claqueur trat dann mit Adhemar de Monteil der Bischof von Le Puy-en-Velay hervor und bat demonstrativ um die Erlaubnis des Papstes, in den Krieg zu ziehen. Davon ließen sich viele Anwesende mitreißen und die Lawine war losgetreten.
Außer dem aufziehenden Krieg gegen Muslime hatte dieser Aufruf des Papstes noch einen weiteren Effekt: Es kam beispielsweise in Mainz, Speyer und Worms zu blutigen Pogromen gegen Juden mit hunderten Toten.
Beginn des „Volkskreuzzugs“
Der Erste Kreuzzug war zu Beginn kein einheitlicher Angriff auf Palästina. Vielmehr zogen eine Reihe von Kolonnen teils parallel und teils zeitlich versetzt in den Nahen Osten. Einen dieser Züge führte Gottfried von Bouillon.
Peter der Einsiedler (Jean-Pol Grandmont / CC-BY-SA 3.0)
Die meisten Kreuzfahrer waren dabei keinesfalls ausgebildete Soldaten. Vielmehr zog der Aufruf zur Eroberung von Jerusalem vor allem fanatisierte Bauern an.
Diese machten sich ohne ausreichende Vorbereitung als bewaffnete Pilger unter der Führung von Predigern wie Peter dem Einsiedler auf den beschwerlichen Weg.
Deshalb sollte sich der „Volkskreuzzug“ auch für die Christen zu einer Tragödie entwickeln.
Von den geschätzten 130.000 Kreuzfahrern starben grob etwa 90 % an Hunger, Krankheiten und natürlich bei Gefechten. Dabei sollte sich dann beispielsweise der Mangel an Rüstungen als verheerende Schwäche gegen Pfeile erweisen. Selbst siegreiche Schlachten forderten immer wieder einen enormen Blutzoll.
Aber auch die Prominenz des Ersten Kreuzzuges war nicht vor Ausfällen geschützt. Der erste Kreuzfahrer Adhemar de Monteil starb beispielsweise am 01. August 1098 in Antiochia an Typhus.
Zug des Gottfried von Bouillon
Gottfried von Bouillon führte mit seinen beiden Brüdern Eustach und Balduin ein Heer von 20.000 Mann zunächst von Lothringen an den Rhein. Die Kolonne bewegte sich anschließend die Donau entlang bis auf den Balkan, wo es bereits zu ersten Plünderungen durch die Kreuzfahrer kam.
Gottfried von Bouillon erreichte dann Konstantinopel als erster Heerführer. Seine Armee wurde jedoch keinesfalls freudig begrüßt. Vielmehr begegnete man diesen Plünderern mit größtem Misstrauen und verweigerte zunächst die dringend benötigte logistische Unterstützung.
Erst nachdem Gottfried von Boullion dem byzantinischen Kaiser Alexios I. einen Treueid schwor, erhielten seine Truppen die notwendigen Versorgungsgüter.
Nachdem dann auch weitere Kolonnen der Kreuzfahrer eintrafen, schwand die Bedeutung des Gottfried von Boullion als Heerführer. Die Lenkung der Geschicke ging zunächst an Bohemund von Tarent und Raimund von Toulouse.
Seinen wichtigsten Beitrag im Jahr 1097 leistete Gottfried von Bouillon in der Schlacht bei Doryläum in Anatolien. Dort waren die Truppen des Bohemund von Tarent eingekesselt worden, aber es gelang ein Befreiungsschlag.
Belagerung von Antiochia (1097/98)
Gottfried von Bouillon rückte erst bei der Belagerung von Antiochia ab dem 21. Oktober 1097 wieder stärker in den Mittelpunkt.
Antiochia war stark befestigt: Die Mauer war rund 12 Meter hoch und verfügte über etwa 400 Türme. Die Bogenschützen der Verteidigung hatten deshalb leichtes Spiel gegen Angreifer. Darüber hinaus verfügte die Stadt auch noch über eine Zitadelle.
Der Historiker Yuval Noah Harari hat in seinem Werk „Fürsten im Fadenkreuz“ sehr schön herausgearbeitet, wie die Eroberung von Antiochia dennoch gelingen konnte. Zunächst zog sich die Belagerung jedoch mehr als ein halbes Jahr ohne wesentliche Fortschritte hin.
Im Mai 1097 konnte jedoch ein Überläufer gewonnen werden, der für einen der Türme auf der Bergseite der Stadt verantwortlich war. In der Nacht vom 02. auf den 03. Juni schlichen sich dann zwei Kommandos von insgesamt etwa 700 Mann an.
Bohemund von Tarent führte den größeren Trupp. Er sollte den Turm und einen möglichst großen Abschnitt der Mauer einnehmen, was dann auch gelang.
Gottfried von Bouillon führte eine kleinere Einheit, die auf ein Hornsignal des ersten Trupps hin direkt die Zitadelle angriff. Diese Attacke scheiterte jedoch, so dass Antiochia in diesem Zug zwar besetzt, aber nicht vollständig eingenommen werden konnte.
Fund einer Heiligen Lanze (1098)
Während die Kreuzfahrer im Laufe des Juni 1098 die Zitadelle von Antiochia belagerten, kam von außen ein feindliches Entsatzheer unter dem Befehl von Kerboga herbei. Nach den hohen Verlusten und Strapazen des bisherigen Weges drohte den Kreuzfahrern nun die totale Vernichtung.
Dann trat der Mönch Peter Bartholomäus auf den Plan. Er war ein Mystiker und gab an, in Visionen den Aufenthaltsort der Heiligen Lanze in der St.-Petrus-Grotte in Antiochia gesehen zu haben.
Mit dieser Waffe soll der römische Legionär Longinus in die Seite von Jesus gestochen haben, als dieser am Kreuz starb. Deshalb gilt die Heilige Lanze als eine der bedeutendsten Reliquien des Christenheit.
Im Laufe der Jahrhunderte tauchten jedoch zahlreiche angebliche Exemplare dieser Reliquie auf. Beispielsweise nutzte bereits Otto der Große im Jahr 955 ein solches Ding in der Schlacht auf dem Lechfeld.
Die Anführer der Kreuzfahrer glaubten Peter Bartholomäus zwar nicht, ließen ihn dennoch suchen. Wenig überraschend fand der Mönch am 14. Juni 1098 in der St.-Petrus-Grotte ein passendes Stück Eisen.
Gleichwohl feierte man am folgenden Tag ein großes Fest. Die Moral der Kreuzfahrer stieg dadurch jedoch tatsächlich.
Anschließend siegte man dann wirklich gegen Kerboga auf freiem Feld vor Antiochia. Gottfried von Bouillon führte dabei unter dem Befehl des Bohemund von Tarent eine der christlichen Divisionen.
Eroberung von Jerusalem (1099)
Die Führung der Kreuzritter war jedoch sehr verstritten. Trotz des Sieges über Kerboga verzögerte sich der Weitermarsch um viele Monate.
Außerdem ließ sich lange Zeit kein Herrscher für das eroberte Antiochia finden. Letztlich blieb der bis dato dominierende Bohemund von Tarent zurück.
Der übergeordnete Befehl ging an Raimund von Toulouse. Gottfried von Bouillon begleitete ihn auf dem weiteren Weg nach Jerusalem als Heerführer.
Beim dann erfolgreichen Angriff konnte der Trupp des Gottfried von Bouillon als erstes in Jerusalem eindringen. Es folgte ein Massaker an der Zivilbevölkerung: „Gott will es!“.
Schlacht von Askalon (1099)
Der Erste Kreuzzug endete jedoch erst nach der Eroberung von Jerusalem. In der letzten großen Schlacht hatte Gottfried von Bouillon dann schon als Fürst des frisch gegründeten Königreiches von Jerusalem den Oberbefehl.
Er musste nämlich eine Armee aus Ägypten zurückschlagen. Am 12. August 1099 trafen dann bei Askalon grob zehntausend Christen auf etwa zwanzigtausend Muslime.
Das Gefecht begann mit einem wechselseitigen Beschuss durch Bogenschützen. Die Entscheidung fiel jedoch im Nahkampf zu Gunsten der schwer gepanzerten und inzwischen auch sehr erfahrenen Kreuzritter.
Gottfried von Bouillon spielte während der Schlacht jedoch eine besondere Rolle: Er wehrte eine Überflügelung durch die zahlenmäßig weit überlegenen Gegner ab.
Die Stadt Askalon blieb jedoch in muslimischer Hand und wurde immer wieder hart umkämpft. Die Christen konnten den Ort erst 1153 einnehmen.
Dennoch sahen viele Kreuzfahrer ihr Gelübde nach der Schlacht bei Asaklon als erfüllt an und kehrten in die Heimat zurück. Damit wurde die personelle Basis der Christen in der Region soweit geschwächt, dass eine dauerhafte Behauptung des Heiligen Landes unrealistisch wurde.
Zunächst profitierten jedoch jene Kreuzfahrer von den Eroberungen ganz besonders, die vor Ort blieben. Dazu gehörten eben auch Gottfried von Bouillon sowie sein Bruder und späterer Erbe Balduin. Aber die Saat für eine Rückeroberung von Jerusalem durch Sultan Saladin im Jahr 1187 war zu diesem Zeitpunkt bereits gelegt.
Fürst des Königreiches von Jerusalem
Gottfried von Bouillon war über die wesentlichen Teile des Ersten Kreuzzuges hinweg nicht der übergeordnete Feldherr. Entsprechend wurde nach der Eroberung von Jerusalem die Krone des neu geschaffenen Königreiches zunächst einem anderen angetragen.
Schwert des Gottfried von Boullion in der Grabeskirche (Deror avi / CC-BY-SA 3.0)
Der erste Kandidat war Raimund von Toulouse. Der lehnte jedoch ab, weil er sich nicht in der Stadt zum König krönen lasse wolle, in der Jesus von Nazareth die Dornenkrone trug.
Gottfried von Bouillon kristallisierte sich dann als zweiter Kandidat heraus, auch allem weil er sich im Kreis der stets verstrittenen Anführer nicht ganz so viele Feinde gemacht hatte.
Er konnte sich jedoch aus symbolischen Gründen auch nicht einfach über das Argument des Raimund von Toulouse hinweg setzen.
Deswegen wurde für die Rolle des Regenten über das Königreich von Jerusalem die niedrigere Bezeichnung als Fürst gewählt oder manchmal auch etwas klangvoller als „Beschützer des Heiligen Grabes“.
Gottfried von Bouillon starb dann aber bereits ein Jahr später. Seine Zeit als Herrscher über das Königreich von Jerusalem war vor allem von politischen Konflikten mit dem Papst geprägt, der die Kreuzfahrer nur als ausführende Gewalt im Heiligen Land sehen wollte.
Die Nachfolge des kinderlosen Gottfried von Bouillon als Herrscher über das Königreich von Jerusalem trat sein Bruder Balduin an. Der regierte dann allerdings noch 18 Jahre lang und führte wichtige Schlachten wie um Akkon und andere strategische Punkte im Heiligen Land.
Insbesondere um die erste Phase nach der Eroberung von Jerusalem ranken sich jedoch zahlreiche Legenden. Beispielsweise wurde mal wieder das „Wahre Kreuz Christi“ gefunden, in einer silbernen Kiste in der Grabeskirche.
Bruderschaft vom Berge Zion
Eine weitere Legende um Gottfried von Bouillon ist, dass er nach der Eroberung von Jerusalem die geheime Bruderschaft vom Berg Zion gründete. Zu dieser Prieuré de Sion sollen später noch so Leute wie Leonardo da Vinci und Isaac Newton gehört haben.
Maria Magdalena gemalt von Tizian. (gemeinfrei)
Die Geschichte wurde in den 1950er Jahren erfunden und mit gefälschten Dokumenten unterfüttert. Thematisch geht es um den „Heiligen Gral“.
Es soll sich dabei nicht um ein Gefäß, sondern um die leiblichen Nachkommen Jesu Christi aus der Verbindung mit Maria Magdalena handeln.
Zur weiteren Ausschmückung der Story wurde dann noch eine fiktive Genealogie entworfen, die bis auf die Merowinger zurückgeht.
Die Geschichte dieser angeblich durch Gottfried von Bouillon gegründeten Geheimloge wurde von Verschwörungstheoretikern aufgenommen und führte zu einem großen Prozess im Umfeld des damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand.
Darüber hinaus diente die Geschichte der Prieuré de Sion als Vorlage für den verfilmten Roman: The Da Vinci Code – Sakrileg.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Saladin war ein Kurde, der 1137 oder 1138 in Tikrit, im heutigen Irak, geboren wurde. Ab 1171 war er der erste Sultan von Ägypten und wurde nur drei Jahre später zum Sultan von Syrien.
Doch die Befreiung von Jerusalem aus der Hand der Christen im Jahr 1187 machte Saladin berühmt. Aus europäischer Sicht war er damit der große muslimische Gegenspieler. Für seinen strategischen Sieg gegen Richard Löwenherz im Dritten Kreuzzug und einen gütlichen Waffenstillstand wurde Sultan Saladin endgültig zur Legende.
Sultan Saladin gemalt von Cristofano dell’Altissimo (gemeinfrei)
Dabei positionierte sich Sultan Saladin auch in der muslimischen Welt geschickt als „Freund Gottes“. Er war der große Anführer im Dschihad, im Heiligen Krieg, gegen die Christen.
Etwa 90 Jahre nach dem Aufruf zum Ersten Kreuzzug durch Papst Urban II. konnte er die Eindringlinge soweit zurückdrängen, dass ihnen am Ende nur noch ein schmaler Streifen an der Küste als letzte Bastion im heiligen Land blieb.
Doch trotz seiner großen Erfolge lebte Sultan Saladin selbst lange in großer Furcht. Es waren jedoch weniger die Christen, sondern die ismailitischen Assassinen.
Sie verübten mehrere Anschläge auf ihn. Eine militärische Kampagne gegen die Bruderschaft im Jahr 1176 blieb erfolglos.
Auch die Nachfolge von Sultan Saladin gestaltete sich sehr problematisch. Er hatte zwar zahlreiche Nachkommen, jedoch keine legitimen Kinder aus der Ehe mit Ismataddīn Khātūn. Obwohl er vor allem seine ältesten Söhne intensiv auf eine Führungsrolle vorbereitete, setzte sich am Ende sein Bruder als Sultan al-Adil durch. Sein Reich zerfiel dennoch binnen weniger Jahrzehnte.
Abstammung und frühe Jahre von Saladin
Nadschmuddin Ayyub und die Seldschuken
Der Vater von Saladin hieß Nadschmuddin Ayyub und kam aus dem kurdischen Dvin. Diese Stadt wurde im 13. Jahrhundert aufgegeben und verfiel zur Ruine, die sich im heutigen Armenien in der Provinz Ararat befindet.
Doch der Vater verließ ohnehin seinen Heimatort, um als Soldat und Politiker in den Diensten der Seldschuken zu arbeiten. Das war eine Dynastie von türkischen Fürsten, die in ihrer Hochphase von etwa 1047 bis 1157 ein Großreich regierten.
Das Seldschuken-Reich erstreckte sich dabei über die größten Teile der Türkei, an der Mittelmeerküste bis hinunter über die Grenzen von Israel hinaus. Im Osten reichte ihr Einfluss über den Iran und bis jenseits von Turkmenistan. Außerdem kontrollierten sie am südlichen Ufer des persischen Golfes auch Gebiete der heutigen Vereinigten Arabischen Emirate und des Oman.
Nadschmuddin Ayyub gelangte zunächst in die bedeutende Rolle als Gouverneur von Tikrit am Tigris im heutigen Irak. Später wurde ihm noch die Kontrolle von Baalbek im Libanon und von Damaskus in Syrien übertragen. Nach ihm wurde das Fürstengeschlecht von Sultan Saladin auch als Ayyubiden bezeichnet.
Ausbildung von Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub
Die europäisierte Bezeichnung als „Saladin“ für den späteren Sultan ergab sich aus der Umschrift des arabischen Alphabets in lateinische Lettern für Salah ad-Din Yusuf ibn Ayyub ad-Dawīnī oder kurz Yusuf, Sohn des Ayyub.
Saladin wuchs in Baalbek, im heutigen Libanon, auf. Er war zwar nicht der älteste Sohn. Dennoch wurde er bereits im Alter von 14 Jahren in den Militärdienst aufgenommen und erhielt ein eigenes Lehen.
Mit 18 Jahren wurde Saladin bereits zum Chef der städtischen Polizei von Damaskus ernannt. Wegen seiner Abneigung gegen die Korruption in der Verwaltung kehrte er jedoch bald zum Militär zurück.
Dort wurde er in den Stabsdienst von Sultan Nur ad-Din aufgenommen. Das war ein türkischer Fürst, der über Syrien herrschte.
Als Verbindungsoffizier zwischen dem Sultan und den Kommandeuren der Armee erhielt Saladin wertvolle Einblicke in die feudale Organisation der Armee. Im Jahr 1163 war er während einer Expedition nach Ägypten erstmals selbst in der Rolle eines Befehlshabers.
Sultan Saladin und der Heilige Krieg (Dschihad)
Ernennung zum Sultan von Ägypten (1171)
Im März 1169 verstarb Saladins Onkel Schirkuh. Als dessen Nachfolger erhielt er daraufhin den Oberbefehl über Ägypten als Wesir des letzten Kalifen der Fatamiden mit dem Namen Sultan al-ʿĀdid. Bei dieser Person handelte es sich zugleich um den 24. Imam der Schiiten.
Saladins Zitadelle in Kairo gehört seit 1979 zum UNESCO-Welterbe. (Ahmed Al.Badawy / CC-BY-SA 2.0)
Im Jahr 1171 verstarb al-ʿĀdid. Von da an herrschte Saladin als Sultan über Ägypten. Dort etablierte er zunächst wieder das Sunnitum als grundsätzliche Glaubensrichtung.
Zu dieser Religionspolitik von Sultan Saladin gehörte beispielsweise die Einrichtung von theologisch-juristischen Hochschulen. Außerdem setzte er den obersten Richter ab und installierte dafür einen sunnitischen Rechtsgelehrten.
In Kairo ließ er die „Zitadelle von Saladin“ errichten. Außerdem baute er die Stadtmauer aus und schuf damit ein mächtiges Zeichen der Macht der Ayyubiden über Ägypten.
Machtübernahme in Syrien (ab 1174)
Im Jahr 1174 kam es zum Bruch zwischen Sultan Saladin und seinem alten Gönner Sultan Nur ad-Din. Doch dieser starb noch im selben Jahr.
In dieser Zeit kam es auch zum ersten Anschlag durch Assassinen auf das Leben von Saladin. Der Hintergrund war, dass diese Ismailiten eine kleine, jedoch sehr verachtete Glaubensströmung in der islamischen Welt waren.
Die Ismailiten überlebten vor allem dank geschickter Bündnisse und taten sich zeitweise sogar mit dem Johanniter-Orden zusammen. Sultan Saladin und seine Träume von einem geeinten muslimischen Großreich stellten deshalb eine kritische Bedrohung für sie dar.
Doch der junge Sultan reagierte schnell. Zunächst setzte er seine Ansprüche über Syrien gegen die minderjährigen Erben von Nur ad-Din durch. Bis 1176 führte er darüber hinaus auch erfolgreiche Feldzüge gegen angrenzende Gebiete:
Hama wurde im Dezember 1174 erobert.
Homs und Baalbeck nahm Saladin im März 1175 ein.
Türkische Zengiden wurden im April 1175 und dann nochmal im April 1176 besiegt.
Buzāʾa und Aʿzāz konnte er dann im Mai und Juni 1176 erobern.
Im Feldlager vor Aʿzāz kam es zu einem erneuten Anschlag durch Assassinen auf das Leben von Sultan Saladin. Nun begann er eine Kampagne gegen die Ismaeliten und ihren Anführer Rashid al-Din Sinan, den „Alten vom Berg“.
Burg Masyaf – der Sitz des Assassinen-Anführers Rashid al-Din Sinan (Mewes / gemeinfrei)
Der Feldzug vom August 1176 gegen die Assassinen war jedoch wenig erfolgreich. Sultan Saladin konnte die Bergfestungen nicht einnehmen, aber plünderte dafür im Tiefland im heutigen Gouvernement Hama in Syrien.
Einer Legende nach soll sich Sultan Saladin jedoch freiwillig zurückgezogen haben, weil die Assassinen eine deutliche Botschaft hinterließen. Trotz umfassender Sicherheitsvorkehrungen schlich sich ein Attentäter in sein Zelt.
Er hinterließ das Zeichen der Bruderschaft und einen Dolch als eindeutige Warnung, dass man Saladin andernfalls auf kurz oder lang töten würde.
Im September 1176 heiratete Sultan Saladin dann Ismataddīn Khātūn, die Witwe Nur ad-Dins. Damit untermauerte er seinen Anspruch auf die Herrschaft über Syrien.
Damaskus wurde zum Zentrum seiner Herrschaft. Ägypten hingegen nutzte Sultan Saladin vor allem als Geldgeber für seine Kriegsführung. In einem Brief schrieb er, dass das ungeliebte Reich am Nil für ihn nicht mehr als eine „Hure“ sei.
1183 gelang Sultan Saladin dann endlich die ersehnte Eingliederung von Aleppo in sein Herrschaftsgebiet. In der Folge musste er zunächst lange mit einer schweren Erkrankung kämpfen.
Doch 1186 konnte er auch Mossul vereinnahmen. Damit verfügte Sultan Saladin über ein großes und prosperierendes Reich. Er war nun stark genug, um das christliche Königreich von Jerusalem herauszufordern.
Schlacht bei Hattin am 4. Juli 1187
Das Königreich von Jerusalem war einer von vier Kreuzfahrerstaaten und wurde 1099 im Rahmen des Ersten Kreuzzuges gegründet. Der erste Regent war der legendäre Gottfried von Bouillon.
Guy de Lusignan – König von Jerusalem (François-Edouard Picot / gemeinfrei)
Doch der religiöse Eifer der christlichen Kreuzfahrer war natürlich keine strukturelle Grundlage für einen tragfähigen Staat. Vor allem fehlte es an wirtschaftlicher Substanz und personeller Kontinuität, um ein dauerhaft wehrhaftes Reich zu erhalten.
Die eingesessenen Nachfahren der ersten Kreuzfahrer wollten deshalb friedliche Beziehungen zu den Muslimen. Doch als König Balduin V. im Jahr 1186 starb, übernahm mit Guy de Lusignan ein heißsporniger Neuankömmling die Macht im Königreich von Jerusalem.
Mit der Unterstützung des ebenfalls neu angekommenen Renaud de Châtillon, dem Fürst von Antiochia, kam es deshalb noch 1186 zu ersten Attacken seitens der Christen auf das Reich von Sultan Saladin.
Damit boten die Christen Sultan Saladin auch noch den idealen Vorwand, um seinen Traum von einem islamischen Großreich zu erfüllen. Er sammelte ein Heer von etwa 45.000 Mann und zog gegen das Königreich von Jerusalem.
Das christliche Bündnis bestehend aus dem Königreich von Jerusalem, der Grafschaft Tripolis, dem Johanniter- und dem Templerorden konnte nur 22.000 Mann mobilisieren. Die Armeen trafen sich am 4. Juli 1187 in der Schlacht bei Hattin am See Genezareth.
Die Christen erlitten dort unter der Führung von Guy de Lusignan eine vernichtende Niederlage gegen Sultan Saladin. Dabei verloren sie auch das „Wahre Kreuz Christi“. Bei diesem Holzsplitter handelte es sich um eine sogenannte Reliquie erster Ordnung, aufgrund des unmittelbaren Kontaktes mit Jesus von Nazareth.
Besonders problematisch war jedoch, dass in der Schlacht bei Hattin auch Besatzungen von Burgen eingesetzt und eben getötet wurden. Die Standorte der Christen fielen deshalb in den folgenden Wochen und Monaten wie Dominosteine.
Eroberung von Jerusalem am 2. Oktober 1187
Nur etwa drei Monate nach der Schlacht von Hattin konnte Sultan Saldin deshalb schon die Stadt Jerusalem einnehmen beziehungsweise aus muslimischer Sicht befreien.
Sultan Saladin stiftete der al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg in Jerusalem das Minbar – eine Redekanzel (gemeinfrei)
Umgehend wurden christliche Kirchen in muslimische Moscheen umgewandelt. Auch religiöse Inschriften wurden beseitigt. Nur die Grabeskirche blieb unangetastet.
In der al-Aqsa-Moschee ließ er eine Minbar, eine muslimische Redekanzel, aufstellen. Dort wurde auch eine Inschrift über Sultan Saladin eingraviert, die bis heute seinen Namen prägt: „Freund Gottes“. Eine solche Bezeichnung ist im Islam eigentlich Heiligen vorbehalten.
In den kommenden zwei Jahren zerschlug Sultan Saladin beinahe alle christlichen Gebiete im Heiligen Land. Erst der Beginn des Dritten Kreuzzuges konnte diesen Trend aufhalten.
Dritter Kreuzzug und Niederlagen (1189 – 1192)
Sultan Saladin zerschlug die Staaten der Kreuzfahrer (Daelian / CC-BY-SA 4.0)
Die Nachricht von den Niederlagen im Heiligen Land soll die Todesursache von Papst Urban III. gewesen. Vor lauter Schreck fiel er tot um und war nicht mehr.
Sein Nachfolger erließ umgehend am 29. Oktober 1187 mit der „Audita tremendi“ eine neue Kreuzzugsbulle. Damit wurde zum allgemeinen Waffenstillstand im christlichen Abendland sowie zum Zug ins Heilige Land aufgerufen.
Den meisten christlichen Fürsten kam dieser erneute Aufruf zum Kreuzzug sehr gelegen. In dieser Zeit führte man untereinander verlustreiche Kriege, die man nun ohne Gesichtsverlust einfach beenden konnte.
Zunächst schickten die Normannen aus Sizilien einige Galeeren zur Verteidigung von Tripolis. Dann zog der Staufer Friedrich I. Barbarossa los. Nach der siegreichen Schlacht bei Iconium am 18. Mai 1190 in der heutigen Türkei ertrank er jedoch in einem Fluss.
Mit einiger Verzögerung begaben sich auch die Engländer, Franzosen und Österreicher auf den Kreuzzug. Doch Richard Löwenherz beleidigte bereits auf dem Hinweg seine Alliierten. Dies sollte später entscheidend zur strategischen Niederlage gegen Sultan Saladin führen.
Belagerung von Akkon (1189–1191)
Am 08. Juni 1191 trafen die englischen Truppen bei der Hafenstadt Akkon ein. Die Christen versuchten sich unter dem Befehl von Leopold dem Tugendhaften zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren vergeblich an der Rückeroberung.
Mit den Kontingenten von Löwenherz war man jedoch stark genug für die Entscheidung. Fünf Wochen später kapitulierten die Verteidiger. Für die Gefangenen wurden Lösegelder gefordert. Als man diese nicht rechtzeitig bezahlte, wurden 3.000 Muslime hingerichtet.
Doch statt die Rückeroberung dieser entscheidenden Bastion gemeinsam zu feiern, kam es zum persönlichen Streit zwischen den christlichen Heerführern. Die Franzosen und die Österreicher zogen daraufhin wieder aus dem Heiligen Land ab. Damit war der Dritte Kreuzzug in militärischer Hinsicht bereits zu diesem Zeitpunkt zum Scheitern verurteilt.
Schlachten bei Arsuf und Jaffa (1191 – 1192)
Daraufhin führte Richard Löwenherz den Dritten Kreuzzug nur noch mit Hilfe von lokalen Kräften weiter. Damit begründete er seinen positiven Ruf in der Christenheit, der vor dem Hintergrund historischer Ereignisse unverdient ist.
In der Schlacht bei Arsuf am 07. September 1191 errangen die Kreuzfahrer jedoch zunächst einen Sieg gegen eine zahlenmäßig weit überlegene Armee von Sultan Saladin. Die Hauptursache war, dass die berittenen Bogenschützen auf muslimischer Seite kaum Schaden bei den gepanzerten Rittern der Christen anrichteten.
Des Weiteren verhielt sich die schwere Kavallerie der Kreuzfahrer insgesamt recht diszipliniert. Zwischen einzelnen Attacken gelang es ihnen immer wieder, eine klare Schlachtordnung einzunehmen. Die schnellen Attacken von Saladins Reiterei konnten deshalb keinen nachhaltigen Schaden anrichten.
In der Schlacht von Jaffa im August 1192 konnte Löwenherz erneut einen Sieg gegen Sultan Saladin erringen. Das Gefecht ereignete sich im Rahmen der Belagerung von Jaffa.
Die Stadt wurde von Christen gehalten, die Verteidiger hatten sich aber bereits in die Zitadelle von Jaffa zurückziehen müssen. Gerade noch rechtzeitig erreichte Löwenherz mit einigen hundert Mann die Stadt und begann einen Befreiungsangriff.
Parallel starteten die christlichen Verteidiger von Jaffa einen Ausfallangriff. So konnten die Soldaten von Sultan Saladin aus der Stadt vertrieben werden.
Waffenstillstand für drei Jahre (September 1192)
Die Christen hatten trotz der Erfolge bei Akkon, Arsuf und Jaffa jedoch keine reale Chance, das Primärziel Jerusalem zu erreichen. Sultan Saladin hingegen musste sich parallel mit Problemen wie dem Kalifen von Bagdad in seinem Herrschaftsbereich beschäftigen.
Am 08. September 1192 schloss Sultan Saladin deshalb einen Waffenstillstand mit den Christen. Als Dauer wurden drei Jahre und acht Monate vereinbart. Den Ablauf dieser Frist sollte er nicht mehr leben.
Christliche Pilger erhielten freien Zugang zur heiligen Stadt Jerusalem. Nachträglich wurde sogar noch gestattet, dass zwei lateinische Priester in der Grabeskirche die Messe halten durften. Seitdem hat Sultan Saladin im Westen einen Ruf als „edler Heide“.
Saladins Mausoleum in Damaskus
Mausoleum von Sultan Saladin in Damaskus (unbekannt / CC-BY-SA 2.0)
Sultan Saladin starb Anfang März 1193 in Damaskus. Er vermachte seinen drei ältesten Söhnen Damaskus, Kairo und Aleppo. Sein Bruder al-Adil erhielt die restlichen Gebiete.
In Damaskus wurde in der Umayyaden-Moschee ein prächtiges Mausoleum für Sultan Saladin errichtet. Dort fand er im Dezember 1195 seine letzte Ruhe.
Doch das Reich von Sultan Saladin drohte schon bald zu zerfallen, weil seine vielen Nachkommen und Verwandten um das Erbe stritten. Um 1200 konnte jedoch al-Adil seine Alleinherrschaft durchsetzen.
Er regierte noch bis zu seinem Tod im Jahr 1218. Das Reich der Ayyubidden zerfiel anschließend innerhalb von drei Jahrzehnten.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Gregor VII. wurde als Hildebrand von Soana zwischen 1025 und 1030 geboren. Er war vom 22. April 1073 bis zu seinem Tod im Jahr 1085 ein römischer Papst.
Papst Gregor VII. (Paul von Bernried / gemeinfrei)
„Ich liebte die Gerechtigkeit und hasste das Unrecht, so sterbe ich in der Verbannung.“
(Grabinschrift von Papst Gregor VII.)
Als Nachfolger von Alexander II. wurde Gregor VII. einer der wichtigsten, aber auch umstrittensten Reformer in der Kirchengeschichte. Seine Gegner fanden deshalb gleich eine ganze Reihe von alternativen Namen: „Heiliger Satan„, „Zuchtrute Gottes“ oder auch „Höllenbrand“.
Die Konflikte mit König Heinrich IV. um die Einsetzung von kirchlichen Würdenträgern blieb in besonderer Erinnerung. Dessen „Gang nach Canossa“ ist bis heute als Sprichwort erhalten.
Seine großen Erfolge konnte Papst Gregor VII. jedoch nicht konservieren. Die Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem deutschen König schwand ab 1080.
Mit Clemens III. wurde dann ein Gegenpapst erhoben, der auch innerhalb der Kirche viel Zuspruch fand. Als sogar Rom von seinen Feinden eingenommen wurde, musste sich Papst Gregor VII. in der Engelsburg im Vatikan verschanzen.
Erst das militärische Eingreifen der sizilianischen Normannen ermöglichte ihm die Flucht. Anschließend zog er sich ins Exil nach Salerno zurück, wo er auch im Jahr 1085 verstarb.
Häufige Fragen zu Papst Gregor VII. (FAQs)
Was war der Investiturstreit? Das war ein Konflikt zwischen Kaisern und Päpsten in den Jahren von 1073 bis 1122 um das Recht der Amtseinsetzung (= Investitur) von Bischöfen und Äbten, die im Mittelalter auch weltliche Machthaber waren.
Was war der Gang nach Canossa? Das war ein Bußgang von Heinrich IV. im Winter 1076/77, der mit dieser Geste Papst Gregor VII. zwang, den Kirchenbann gegen ihn aufzuheben.
Was waren die Dictatus Papae? Das waren 27 Leitsätze ohne besondere Ordnung, die den absoluten Machtanspruch von Gregor VII. formulierten wie beispielsweise: „Dass allein der römische Papst mit Recht universal genannt wird.“
Hildebrand – der reformatorische Mönch
Kind des „Dunklen Jahrhunderts“
Der spätere Papst Gregor VII. wurde zwischen 1025 und 1030 in der Toskana geboren. Er hieß Hildebrand und wurde zunächst ein einfacher Mönch.
Diese Zeit war für die christliche Kirche eine wechselhafte Epoche. Mit dem Mord an Papst Johannes VIII. im Jahr 882 hatte ein „Dunkles Jahrhundert“, das Saeculum Obscurum, begonnen.
Abtei von Cluny (gemeinfrei)
Der Begriff wurde im 16. Jahrhundert von einem Kirchenhistoriker geprägt. Damit bezeichnete er eine Phase von sogar 164 Jahren, in der es zu einem dramatischen Verfall der Moral und der Sitten in den Klöstern gekommen war.
Ein historischer Hintergrund für diesen Niedergang war der parallele Verfall des Frankenreichs. Reiche Klöster und hohe Würden wurden dann zum leichten Opfer für korrupte Adelige.
Von 45 Päpsten in diesen Jahren wurden je etwa ein Drittel ermordet oder landete im Kerker. Während des „Weiber- und Hurenregiments“ schloss man zahllose krumme Deals wie die Bestätigung der Konstantinischen Schenkung durch Otto den Großen.
Doch der spätere Papst Gregor VII. erlebte als Mönch Hildebrand eine Phase der reformatorischen Bewegung. Ausgehend von der Abtei von Cluny in Burgund breitete sich bereits seit dem 10. Jahrhundert eine neue inner-kirchliche Strömung aus.
Mit der Wahl von Clemens II. am 25. Dezember 1046 endete das Dunkle Jahrhundert. Er kam aus Sachsen und galt deshalb als „deutscher Papst“.
Papst Clemens II. war wie später Gregor VII. für Reformen der Kirche. Doch der Teufel steckte auch schon damals im Detail.
Cluniazenser und Kanoniker
Die ältere Forschung ging davon aus, dass Hildebrand als Mönch zu einem Orden der cluniazensischen Bewegung gehörte. Inzwischen wird dies bezweifelt. Er kam wahrscheinlich „nur“ aus einer ordensähnlichen Gemeinschaft.
Die Forderung nach einer Reformation der korrupten Kirche war jedoch in vielen Kreisen weit verbreitet. Sie verlangte nicht notwendigerweise eine unmittelbare Zugehörigkeit zu einem Orden. Vor allem ging es um folgende Gebote:
Strenge Beachtung der Regeln des Heiligen Benedikt
Größte Gewissenhaftigkeit beim täglichen Gottesdienst
Vertiefung der Frömmigkeit des einzelnen Mönchs
Erinnerung an die Vergänglichkeit des Irdischen
Außerdem forderten vor allem die Cluniazenser auch Verbote:
Simonie – Kauf und Verkauf von geistlichen Ämtern
Nikolaitismus – Sexuelle Freizügigkeit unter Priestern
Laieninvestitur – Besetzung geistlicher Ämter durch Nicht-Geistliche
Aufstieg zum Archidiakon
Hildebrand machte als Mönch schnell Karriere. Wahrscheinlich wurde er schon vor seinem 30. Lebensjahr zum Archidiakon ernannt. Damit wurde der spätere Papst Gregor VII. bereits in der Mitte des 11. Jahrhunderts zu einer Schlüsselfigur der Kirche.
Ein Archidiakon oder auch Erzdiakon war ein Stellvertreter eines Bischofs. Deren Aufgabe war die Kontrolle der Disziplin von Priestern und Gläubigen.
Hierfür verfügten sie auch über disziplinarische Gewalt. Ein Archidiakon konnte Geistliche von Ämtern entbinden und sogar die Exkommunikation aussprechen.
Bereits seit dem 9. Jahrhundert verdrängten Archidiakone die eigentlich höherrangigen Chorbischöfe. Heutzutage spricht man von Weihbischöfen. Das sind Oberpriester, die keine eigene Diözese haben.
Synode von Sutri (1046)
Hildebrand hatte als Archidiakon jedoch eine ganz besondere Stellung. Er wurde ein enger Gefolgsmann des reformatorischen Papstes Gregor VI., gegen den jedoch der Vorwurf des Ämterkaufs erhoben wurde.
Papst Gregor VII. von Giuseppe Franchi im 17. Jahrhundert (gemeinfrei)
Im Jahr 1046 kam schließlich Heinrich III. von Deutschland nach Italien, um sich zum Kaiser krönen zu lassen. Die Legitimität dieser Krönung war ihm sehr wichtig, weswegen er erst in Pavia und dann in Sutri jeweils Synoden einberief.
Papst Gregor VI. wurde schon von Zeitgenossen als naiv beschrieben. Er gab dann tatsächlich während der Synode an, dass er angeblich ohne böse Absicht seinem noch lebenden Vorgänger Zahlungen geleistet hatte.
In der Folge wurde Gregor VI. verbannt und begab sich ins Exil nach Köln. Hildebrand begleitete ihn dabei.
Die Synode von Sutri von 1046 hatte für das damalige Rechtsverständnis jedoch einen epochalen Charakter. Der Sieg der Reformer über die Herrschaft des Geldes wurde zur Grundlage der Suprematie der päpstlichen Gewalt über Könige und Kaiser.
Das Ereignis gilt in der Forschung deshalb als Beginn des Hochmittelalters. Mit Clemens II. begann das erste Pontifikat eines echten Reformers. Er wurde allerdings schon ein Jahr später ermordet.
Papstwahl von Leo IX.
Hildebrand blieb jedoch eine sehr einflussreiche Person in kirchlichen Kreisen. Nach der Ermordung von Papst Clemens II. im Jahr 1047 wollte der Salier Heinrich III. den nächsten Pontifex wieder einfach ernennen.
Der gewünschte Nachfolger Papst Leo IX. bestand jedoch wohl auf Anraten von Hildebrand auf eine Wahl durch den Klerus. Sein Pontifikat dauerte dann bis 1054.
Förderer von Alexander II.
Bereits 1054 wurde die Erhebung von Hildebrand zum römischen Papst erwogen. Es kamen jedoch erst noch andere Kandidaten zum Zuge:
Hildebrand spielte jedoch stets eine Rolle. Vor allem für Alexander II. war er der maßgebliche Förderer im Hintergrund.
Papst Alexander II. hatte die Unterstützung auch nötig. Sogar der Weg zu seiner Inthronisation in der Kirche San Pietro in Vincoli musste mit Waffengewalt erzwungen werden.
In die Jahre des Pontifikats von Alexander II. fiel mit der normannischen Eroberung von Britannien ab dem Jahr 1066 ein internationales Großereignis. Der Papst unterstützte dabei schon früh die Pläne von Wilhelm dem Eroberer.
Zu diesem Zweck ließ er sogar ein päpstliches Banner an die Normannen schicken. Die brutale Unterdrückung der bereits christianisierten Angelsachsen hatte damit den Segen aus Rom.
Diese Unterstützung durch den Schützling von Hildebrand wurde mit einer Darstellung auf dem Teppich von Bayeux verewigt.
Pontifikat von Gregor VII. (1073 – 1085)
Alexander II. starb am 21. April 1073. Schon bei seiner Beerdigung soll die Bevölkerung von Rom die Erhebung von Hildebrand gefordert haben.
Tatsächlich kam es dann nicht zu einer regulären Wahl durch das Konklave. So war es eigentlich durch das Papstwahldekret von 1059 vorgeschrieben. Auch die vorgesehene Zustimmung des römisch-deutschen Königs wurde nicht eingeholt.
Vielmehr wurde Hildebrand per Akklamation inthronisiert. Das heißt, er wurde von einem Kardinal vorgeschlagen und es kam spontan zu zustimmendem Beifall. Hildebrand gab sich den Namen Gregor VII. und knüpfte damit bewusst an Gregor VI. an.
Pläne für einen Kreuzzug
Papst Gregor VII. startete sehr ambitioniert in sein Pontifikat. Schon im ersten Jahr wollte er an der Spitze eines christlichen Heeres gegen die Seldschuken ziehen.
Von einigen Historikern wird dieser Vorstoß als erster Aufruf für einen Kreuzzug interpretiert. Lokale Konflikte in Italien und vor allem die Weigerung des französischen Königs Philipp I. verhinderten jedoch die Realisierung.
Zum ersten Kreuzzug kam es dann erst nach dem Aufruf von Papst Urban II. im Jahr 1095.
Investiturstreit ab 1075
Unter Papst Gregor VII. eskalierten auch wieder reformatorische Konflikte. Vor allem die Beschränkung von weltlichen Einflüssen und die Suprematie der päpstlichen Gewalt prägten sein Pontifikat.
Im Jahr 1075 erließ Gregor VII. insgesamt 27 Leitsätze, die Dictatus Papae. Damit formulierte er die Ansprüche seiner päpstlichen Überlegenheit. Dabei ging er sogar noch sehr viel weiter als der keinesfalls bescheidene Papst Gregor der Große:
Dass die römische Kirche vom Herrn allein gegründet worden ist.
Dass allein der römische Papst mit Recht universal genannt wird.
Dass er allein Bischöfe absetzen und wieder einsetzen kann.
Dass sein Gesandter auf einem Konzil den Vorrang vor allen Bischöfen hat, auch wenn er einen niedrigeren Weihegrad hat, und dass er gegen sie ein Absetzungsurteil fällen kann.
Dass der Papst Abwesende absetzen kann.
Dass wir mit von ihm Exkommunizierten unter anderem nicht in demselben Haus bleiben dürfen.
Dass es allein ihm erlaubt ist, entsprechend den Erfordernissen der Zeit, neue Gesetze zu erlassen, neue Gemeinden zu bilden, ein Kanonikerstift zur Abtei zu machen und umgekehrt, ein reiches Bistum zu teilen und arme zu vereinigen.
Dass er allein die kaiserlichen Herrschaftszeichen verwenden kann.
Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen.
Dass in den Kirchen allein sein Name genannt wird.
Dass dieser Name einzigartig ist auf der Welt.
Dass es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen.
Dass es ihm erlaubt ist, bei dringender Notwendigkeit Bischöfe von einem Sitz zum anderen zu versetzen.
Dass er jeden beliebigen Kleriker aus allen Diözesen weihen kann.
Dass ein von ihm Geweihter einer anderen Kirche vorstehen, aber ihr nicht dienen kann; und dass er von einem anderen Bischof keinen höheren Weihegrad annehmen darf.
Dass keine Synode ohne sein Geheiß universal genannt werden darf.
Dass kein Rechtssatz und kein Buch ohne seine Autorisierung für kanonisch gilt.
Dass sein Urteilsspruch von niemandem widerrufen werden darf und er selbst als einziger die Urteile aller widerrufen kann.
Dass er von niemandem gerichtet werden darf.
Dass niemand es wage, jemanden zu verurteilen, der an den apostolischen Stuhl appelliert.
Dass die wichtigen Streitfragen jeder Kirche an ihn übertragen werden müssen.
Dass die römische Kirche niemals in Irrtum verfallen ist und nach dem Zeugnis der Schrift niemals irren wird.
Dass der römische Bischof, falls er kanonisch eingesetzt ist, durch die Verdienste des heiligen Petrus unzweifelhaft heilig wird, nach dem Zeugnis des heiligen Bischofs Ennodius von Pavia, dem viele heilige Väter beistimmen, wie aus den Dekreten des heiligen Papstes Symmachus hervorgeht.
Dass es auf sein Geheiß und mit seiner Erlaubnis Untergebenen erlaubt ist Klage zu erheben.
Dass er ohne Synode Bischöfe absetzen und wieder einsetzen kann.
Dass nicht für katholisch gilt, wer sich nicht in Übereinstimmung mit der römischen Kirche befindet.
Dass er Untergebene vom Treueid gegenüber Sündern lösen kann.
Mit diesen Leitsätzen ging Gregor VII. auf direkten Konfrontationskurs mit weltlichen Herrschern. Er wollte das Christentum endgültig in eine totalitäre Diktatur verwandeln.
Außerdem legte sich Papst Gregor VII. mit vielen Bischöfen an, deren Rechte durch seinen Zentralismus teils massiv beschnitten wurden. Tatsächlich wurden gleich im Anschluss eine Reihe von Personen nach Rom geladen und abgeurteilt.
Aber vor allem König Heinrich IV. ließ sich diese theokratische Führerideologie nicht einfach so bieten. Er versammelte seine treuen Bischöfe und schrieb an Papst Gregor VII. einen Brief, der zur historischen Machtprobe wurde:
„Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern falscher Mönch. […] du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; […] Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab!“
Doch Heinrich hatte sich in diesem Machtpoker verzockt. Papst Gregor VII. sprach eine Exkommunikation aus, die der Opposition im Heiligen Römischen Reiches viel Auftrieb verschaffte. Mit diesem Schritt wurden die Glaubigen nämlich gemäß §27 der Dictatus Papae aus ihrer eidlichen Treuepflicht entlassen.
Der stolze König geriet unter Zugzwang, denn deutsche Adelige setzten ihm eine Frist. Er musste sich von der Exkommunikation befreien oder würde seine Krone verlieren.
Gang nach Canossa 1077
Doch König Heinrich IV. war offenbar ein sehr cleverer Mensch, der noch dazu in der Bibelstunde aufgepasst hatte. Der christliche Glaube verlangt nämlich, dass einem reuigen Sünder vergeben werden muss.
Heinrich machte sich deshalb auf den Weg nach Italien und schuf mit dieser Reise eine fabelhafte Inszenierung. Er überquerte bei widrigem Wetter die Alpen, um die Vergebung von Papst Gregor VII. zu erbitten.
Papst Gregor VII. durchschaute dieses Manöver offenbar sehr früh. Er versuchte deshalb, einer persönlichen Begegnung aus dem Weg zu gehen. Dafür zog er sich in die entlegene Burg von Canossa zurück.
Ruine der Burg von Canossa (Franz Xaver / CC-BY-SA 3.0)
Heinrich holte ihn dort jedoch ein. Als „reuiger Sünder“ kesselte er mit seinem Gefolge Papst Gregor VII. in der Burg ein. In der Folge weigerte sich der Pontifex dennoch zunächst, den König zu empfangen.
Aber König Heinrich IV. stellte sich wirklich sehr geschickt an. Bei Schnee und Sturm kniete er im Büßergewand lauthals flehend drei Tage vor der Burg von Canossa. So wurde die Szene zumindest später von Papst Gregor VII. selbst in einem Brief beschrieben.
Das war ein ziemlich fieses Manöver. Gregor VII. musste ihn empfangen, um nicht seine eigene Autorität als Oberhirte der Christenheit zu verlieren.
„[…] der Plan Heinrichs IV. ging auf. Auf diese Weise zwang er den Papst, ihn am 28. Januar 1077 wieder in Kirche aufzunehmen. Den Büßer durfte der Papst nicht zurückweisen.“
(Stefan Weinfurter, Professor für Mittelalterliche Geschichte)
Mit dem sprichwörtlichen „Gang nach Canossa“ meint man zwar die demütige und auch demütigende Abbitte nach einem schweren Fehler. Aber was Heinrich machte, war vielmehr eine raffinierte Art der Selbstviktimisierung.
So konnte der König den Spieß letztlich sehr erfolgreich umdrehen. Dass der Gang nach Canossa nur ein abgekartetes Spiel war, zeigte sich bereits zwei Monate später.
Gegenpapst Clemens III.
Im Januar 1077 hatte Heinrich noch vor Canossa um Vergebung gebeten. Bereits im Frühjahr brach der Konflikt wieder auf. Papst Gregor VII. stellte sich nun offen auf die Seite der Opposition gegen den König.
Der opponierende Adel im Heiligen Römischen Reiches erhob sich trotz der erfolgreichen Ex-Exkommunikation von Heinrich. Sie formierten sich unter dem Gegenkönig Rudolf von Rheinfelden. Der starb jedoch wenig später und die Rebellion fiel in sich zusammen.
Papst Gregor VII. flüchtete in die von Kaiser Hadrian als Mausoleum errichtete Engelsburg. (gemeinfrei)
Nun war es Papst Gregor VII., der sich in dem Machtpoker verzockt hatte. Die Initiative hingegen lag beim deutschen König, der im Jahr 1080 mit einem Heer nach Italien zog.
In Brixen rief König Heinrich IV. eine Synode von Bischöfen ein. Diese ernannten seinen alten Kumpel, den Erzbischof Wibert von Ravenna, unter dem Namen Clemens III. als Gegenpapst.
Gemeinsam marschierten sie auf Rom. Papst Gregor VII. musste sich daraufhin in die Engelsburg im Vatikan zurückziehen.
Zu seinem Glück sahen Normannen aus Sizilien anschließend ebenfalls die Chance, gegen Rom zu ziehen. Während die Nordmänner plündernd durch die ewige Stadt zogen, konnte Gregor VII. entkommen.
Tod im Exil in Salerno
Papst Gregor VII. hat nur noch ein kleines Gefolge, als er sich ins Exil nach Salerno flüchtete. Dort verstarb er am 25. Mai 1085 ohne je wieder großen Einfluss nehmen zu können.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Papst Urban II. hieß ursprünglich Odo de Châtillon und wurde um das Jahr 1035 geboren. Nach einer klerikalen Karriere wurde er im Jahr 1088 zum römisch-katholischen Papst erhoben. Der Nachwelt ist er bis heute für seinen Aufruf zum Ersten Kreuzzug bekannt.
Am 27. November 1095 rief Urban II. zur Befreiung von Jerusalem und der damit verbundenen Vertreibung der Muslime auf. Dafür inszenierte der Papst während einer Synode eine dramatische Rede. Diese hielt er aber nicht nur vor Bischöfen, sondern vor einer großen Menschenmenge auf freiem Feld vor der Kathedrale von Clermont.
Denkmal für Papst Urban II. vor der Kathedrale von Clermont (Foto: Mussklprozz / CC-BY-SA 3.0)
In einem abgesprochenen Manöver trat unmittelbar nach dem Aufruf Adhemar de Monteil, der Bischof von Le Puy, vor und bat als erster Kreuzritter um die Erlaubnis in das Heilige Land zu ziehen. In der Folge wurde der Aufruf zum Kreuzzug noch auf Synoden in Rouen und Tours verbreitet.
Der Aufruf zum Kreuzzug stieß unter den Christen jedoch nicht nur aus religiösen Gründen auf großen Anklang, denn zugleich wurde der „Gottesfriede“ verkündet. Unter diesem Schlagwort forderte Papst Urban II. das Ende aller Fehden und Kriegen zwischen Christen.
Für das damals stark gebeutelte Europa ergab sich damit eine Chance, kostenintensive Konflikte ohne einen Verlust des Ansehens einfach zu beenden. Dafür eröffnete sich insbesondere für den Adel die Möglichkeit, in der Fremde gemeinsam Beute zu machen.
Das Primärziel des Ersten Kreuzzuges von 1096 bis 1099, die Eroberung von Jerusalem, wurde dann auch tatsächlich erreicht. Die Verluste zeichnen jedoch bis heute ein schockierendes Bild von der Brutalität und Grausamkeit dieses Konfliktes, zu dem Papst Urban II. aufgerufen hatte. Alleine auf der christlichen Seite starben deutlich mehr als 100.000 Menschen. Dies entsprach einer Todesrate von mehr als 90 %. Opferzahlen der Muslime sind nicht überliefert.
Besonders bedauerlich war dabei, dass interne Machtkämpfe sehr stark in die Motivation von Papst Urban II. zu diesem Aufruf hinein spielten. Die mittelalterlichen Anhänger des Jesus von Nazareth waren jedoch keinesfalls in der Lage, ihre internen Streitigkeiten mit Hilfe eines äußeren Feindes tatsächlich beizulegen.
Auch die militärischen Siege im Nahen Osten waren nur von kurzer Dauer. Doch die Lernfähigkeit der europäischen Fürsten und Kleriker hatte enge Grenzen. Schon im 12. Jahrhundert kam es deshalb unter dem alten Schlachtruf: „Gott will es!“ zu weiteren Kreuzzügen, die letztlich noch weniger erfolgreich waren.
Besonders einprägsam war ein Zitat des Bernhard von Clairvaux, dem wichtigsten Agitator für den Zweiten Kreuzzug von 1147 bis 1149:
„Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen und stirbt dann noch ruhiger!“
Odo de Châtillon und die Reformbewegung
Schüler des Bruno von Köln
Odo de Châtillon gehörte zu einem Geschlecht des niederen Adels in Frankreich. Er stammte vom Rittergut Lagery im Département Marne und war der einzige Angehörige seiner Familie mit einer besonderen historischen Bedeutung.
Als junger Mann besuchte der spätere Papst Urban II. die Kathedralschule in Reims. Dort war er ein Schüler des Bruno von Köln. Dieser ist bis heute für seine Gründung des Kartäuserordens bekannt.
Die Kartäuser existieren nach wie vor. Der Orden zeichnet sich durch einen kollektiven (=zönobitisch) Rückzug (=eremitisch) der Mönche und Nonnen aus. Ihr Wahlspruch lautet:
„Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht.“
Odo de Châtillon selbst machte dann bereits in Reims Karriere. Er wurde sowohl Domherr wie auch Erzdiakon der Kathedrale.
Mönch im Kloster Cluny
Im Jahr 1070 oder 1071 wurde der spätere Papst Urban II. von Abt Hugo im Kloster von Cluny aufgenommen. Diese Einrichtung war bereits seit der Mitte des 10. Jahrhunderts der Ausgangspunkt der nach ihr benannten Cluniazensischen Reform.
Kloster von Cluny – Zentrum einer monastischen Reformbewegung des Mittelalters (gemeinfrei)
Dabei handelte es sich um eine Reformbewegung, die das Dunkle Jahrhundert der Kirche beenden wollte. Damit war der vorläufige moralische Tiefpunkt der christlichen Kirche während des Niedergangs des Frankenreiches gemeint.
Dieses Dunkle Jahrhundert begann mit der Ermordung von Papst Johannes VIII. im Jahr 882 und endete mit der Absetzung von drei konkurrierenden Päpsten im Jahr 1046. Insofern handelte es sich eigentlich um einen Zeitraum der insgesamt 164 Jahre dauerte.
In seinem klerikalen Werdegang war Odo de Châtillon deshalb stark von den damaligen Reformbewegungen innerhalb der Kirche geprägt. Diese orientierten sich vor allem an den Regeln des Heiligen Benedikt, den Regula Benedicti. Sein Aufenthalt in Cluny war jedoch nur von kurzer Dauer, denn er wurde schon bald als Prior nach Rom entsandt.
Kardinalbischof von Ostia
Als Odo de Châtillon nach Rom kam, war Gregor VII. der damals amtierende Papst. Das war ebenfalls ein Reformer.
Insofern waren der amtierende Papst in Rom sowie der spätere Papst Urban II. in theologischer Hinsicht auf einer Wellenlänge. Im Jahr 1078 folgte dann eine wichtige Beförderung.
Odo wurde von Gregor VII. zum Kardinalbischof von Ostia ernannt. Damit gehörte er nun zur obersten Riege im Klerus.
Papst Urban II. – der Gotteskrieger
Schwierige Nachfolge von Gregor VII.
Der spätere Papst Urban II. galt ursprünglich als überlegter Theologe, der auch für seine Konzilianz geschätzt wurde. Darüber hinaus bewährte er sich noch unter dem Namen Odo de Châtillon immer wieder als eine diplomatische Person, die in Diskussionen auch verhärtete Front auflockern konnte.
Doch nach dem Tod seines Vor-Vorgängers Papst Gregor VII. im Jahr 1086 trat Urban II. ab 1088 ein immer noch herausforderndes Erbe an. Die reformatorische Bewegung im Klerus war unter Druck geraten.
Die inneren Machtkämpfe und äußeren Einflüsse wie durch Heinrich IV. hatten zu einer Spaltung der Kirche geführt. Bereits im Jahr 1080 war es deshalb auf der Synode von Brixen zur Wahl eines Gegenpapstes gekommen.
Gegenpapstum von Clemens III. in Ravenna
König Heinrich, der für seinen „Gang nach Canossa“ berühmt wurde, tat alles, um das Papsttum zu schwächen. Ein idealer Kandidat für diese Ambitionen war der bereits früh protegierte Erzbischof Wibert von Ravenna.
Dieser Wibert war 1072 von Heinrich IV. als Erzbischof von Ravenna eingesetzt und im darauf folgenden Jahr von der Kirche anerkannt worden. Anfangs verhielt er sich auch noch sehr versöhnlich gegenüber Rom.
Doch im Zuge des Investiturstreites hatte sich Wibert von Ravenna ab 1074 auf die Seite des deutschen Königs geschlagen. Im Jahr 1080 kam es während der Synode von Brixen schließlich zur Eskalation der inneren Spannungen.
Es hatten sich 30 Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches versammelt. Sie wählten Wibert als Gegenpapst und stellten Autorität des bisherigen Oberhirten damit grundsätzlich in Frage.
Wibert gab sich den Namen Clemens III. und blieb bis zu seinem Tod am 08. September 1100 der Gegenpapst des Kaisers im Konflikt mit Rom. In dieser Zeit entwickelte er sich zu einem einflussreichen Widersacher, der auch vor persönlichen Auftritten in der ewigen Stadt nicht zurückschreckte.
Clemens III. wurde nämlich nicht nur von deutschen Bischöfe gestützt. Er konnte nach und nach auch den Klerus in Nord-Italien auf seine Seite ziehen. Urban II. befand sich deshalb während seiner ganzen Zeit als Papst in einer tiefen legitimatorischen Krise.
Aufruf zum Ersten Kreuzzug 1095
Während sich die internen Konflikte der Kirche zuspitzten, erschienen im Jahr 1095 bei Papst Urban II. einige Gesandte des byzantischen Kaisers. Dieser bat um christliche Waffenhilfe im Kampf gegen die muslimischen Seldschuken.
Damit bot sich für Papst Urban II. eine ideale Chance, von den Machtkämpfen im Klerus abzulenken und die Christenheit auf breiter Front zu adressieren. Daraufhin rief er eine Synode von Bischöfen im französischen Clermont zusammen.
Außer den Klerikern erschien der Überlieferung nach jedoch auch eine große Menschenmenge. Weil die vielen Zuhörer in der Kathedrale von Clermont keinen Platz fanden, entschied sich Papst Urban II. für eine Rede unter freiem Himmel.
In dieser Rede am 27. November 1095 beschrieb Papst Urban II. die Not der Christen im Nahen Osten. Er dramatisierte die Lage und erzählte den versammelten Menschen etwas von Misshandlungen und Verfolgungen.
Das große Finale der demagogischen Ansprache war ein Aufruf zur Befreiung Jerusalems von den Heiden. Angeblich soll die Menge begeistert reagiert haben.
Darüber hinaus hatte Papst Urban II. einen Claquer im Publikum positioniert. Der Bischof von Le Puy trat demonstrativ vor, um als erster Kreuzritter den Segen für einen Zug in das Heilige Land zu erhalten.
Verlauf des Kreuzzuges und Folgen
Der Erste Kreuzzug begann dann im Jahr 1096 zunächst als eine bewaffnete Pilgerfahrt, der sich nach und nach auch Ritterheere anschlossen. Insgesamt zogen nach heutigen Schätzungen etwa 130.000 Kreuzfahrer in Richtung Jerusalem.
Diese marschierten jedoch nicht in einem einheitlichen Heerwurm, sondern in zahllosen Kolonnen in den Nahen Osten. Die Kämpfer des Ersten Kreuzzuges standen dabei unter dem Befehl einer Reihe von Kommandeuren wie:
Hugo Magnus von Vermandois, Sohn des französischen Königs sowie Graf von Valois und Vermandois
Raimund IV. von Toulouse, Graf von Toulouse und Markgraf der Provence
Robert Kurzhose, ältester Sohn von Wilhelm dem Eroberer und Herzog der Normandie
Peter der Einsiedler, französischer Prediger
Die ersten Kreuzfahrer wurden auf ihrem Zug mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Besonders pikant war, dass das byzantinische Reich nur um etwas Hilfe, aber nicht um ein marodierendes Heer von mehr als hunderttausend Mann gebeten hatte. Die Unterstützung der Byzantiner blieb deshalb in wohl dosierten Grenzen.
Darüber hinaus hatten sich zahlreiche Personen aus der breiten Bevölkerung dem Marsch nach Jerusalem angeschlossen. Die einfachen Leute waren jedoch weder adäquat ausgerüstet noch im Kampf erfahren. Sie prägten allerdings die Bezeichnung des Ersten Kreuzzuges als „Volkskreuzzug“.
Dennoch gelang den Christen die Eroberung von Jerusalem im Jahr 1099. Bis dahin kam es jedoch alleine auf ihrer Seite zu 115.000 bis 120.000 Verluste. Die Zahl der Toten und Verwundeten auf der muslimischen Seite sind unbekannt. Neben den militärischen Ausfällen musste jedoch auch die Bevölkerung schockierendes Leid ertragen. Dies galt insbesondere bei den Gemetzeln nach erfolgreichen Eroberungen von Städten durch die Christen.
Auf dem Weg nach Jerusalem eroberten die Kreuzfahrer jedoch auch weitere Gebiete. In der Folge gründeten sie vier Kreuzfahrerstaaten, um die Präsenz der Christenheit im Heiligen Land zu perpetuieren:
Königreich von Jerusalem
Fürstentum von Antiochia
Grafschaft Edessa
Grafschaft Tripolis
Doch weder Papst Urban II. noch seine Soldaten Christi hatten sich tragfähige Gedanken zu den Folgen des Ersten Kreuzzuges gemacht. Es verblieben zwar einige der überlebenden Kreuzfahrer im Heiligen Land. Der Großteil kehrte nach der Eroberung von Jerusalem aber wieder in die Heimat zurück.
Es entstanden zwar christliche Ritterorden, die lukrative Geschäfte mit folgenden Pilgern machten. Aber die Kreuzfahrerstaaten waren wirtschaftlich und militärisch nicht dauerhaft zu halten. Nachdem die Muslime im Laufe des 12. Jahrhunderts die Christen wieder verdrängten, wurden deshalb noch weitere Kreuzzüge ausgerufen:
Erster Kreuzzug (1096 bis 1099)
Zweiter Kreuzzug (1147 bis 1149)
Dritter Kreuzzug (1189 bis 1192)
Vierter Kreuzzug (1202 bis 1204)
Fünfter Kreuzzug (1217 bis 1221)
Sechster Kreuzzug (1228 bis 1229)
Tod von Urban II. und Nachfolge
Papst Urban II. hatte selbst jedoch nichts von den vielen Toten, die er mit seinem Aufruf verursacht hatte. Er erlebte zwar noch die Mobilisierung der Heere und erfuhr wahrscheinlich von der Besetzung von Antiochia im Juni 1098. Von der Eroberung Jerusalems am 15. Juli 1099 erhielt Papst Urban II. jedoch keine Kenntnis mehr.
Er verstarb zwei Wochen später am 29. Juli 1099 bevor ihn die Nachricht erreichen konnte. Zum Nachfolger von Urban II. wurde Raniero di Bieda ernannt.
Dieser gab sich den Namen Paschalis II. und regierte als Oberhirte bis 1118. Seine Zeit als Papst war jedoch wieder wesentlich von Konflikten mit den deutschen Königen geprägt.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Johann Ohneland wurde am 24. Dezember 1167 geboren. Er war der jüngere Bruder von Richard Löwenherz und auch dessen Thronfolger. Von Zeitgenossen und bis in die jüngere Vergangenheit wurde König Johann als klassisches Beispiel für einen tyrannischen Verräter und Verlierer wahrgenommen.
Darstellung von König Johann Ohneland von 1255 (gemeinfrei)
Noch zu Lebzeiten seines älteren Bruders intrigierte er gegen ihn und versuchte vergeblich, eine Revolte der Adeligen zu entfesseln. Während seiner eigenen Regierungszeit brach in England dann ein Bürgerkrieg aus.
Die Barone erhoben sich gegen Johann Ohneland. Sie rangen ihm mit der Magna Carta Libertatum zahlreiche Rechte ab, die das englische Königtum nachhaltig veränderten.
Auch in der Literatur wurde Johann Ohneland denkbar schlecht bewertet. In den Legenden um Robin Hood, dem Drama King John von Shakespeare und auch in dem Roman Ivanhoe von Walter Scott wurde seine schlechte Reputation zementiert.
Doch die neuere Forschung zeigt, dass Johann Ohneland eine unterschätzte Figur der Geschichte war. Seine Jugend war zwar von Intrigen geprägt, doch als König von England demonstrierte er einen Sinn für Realpolitik und Strategie.
Johann Ohneland regierte ein ausgeblutetes Land, aber bewies dabei sowohl ein Talent für Organisation wie auch eine hohe Bereitschaft, Details der Verwaltung zu optimieren.
Im Gegensatz zu seinem sonst so vergötterten Bruder Löwenherz hatte Johann Ohneland die Fähigkeiten zur Regierung eines Staates. Dazu gehörte auch, dass er den wesentlichen Teil seiner Regierungszeit in England verbrachte und dort den Schwerpunkt seiner Herrschaft hatte.
Darüber hinaus entwickelte sich Johann Ohneland zu einem fähigen Feldherrn, der siegreiche Züge nach Irland, Schottland und Wales führte. Auch in Frankreich war er persönlich durchaus erfolgreich. Sein Bruder Löwenherz hatte England für seine Eskapaden jedoch bereits derartig ausgeschlachtet, dass das Königreich langfristig ins strategische Hintertreffen geraten war.
Die letzten Jahre der Herrschaft von Johann Ohneland waren wieder von abträglichen Bildern geprägt, die nachhaltig die Meinungen beeinflussten. Es brach ein Bürgerkrieg in England aus, an dessen Ende der König in der Magna Carta Libertatum von 1215 große Zugeständnisse gegenüber seinen Baronen machen musste.
Der Frieden war jedoch nur von kurzer Dauer. Schon bald brach der Erste Krieg der Barone aus, in deren Verlauf Johann Ohneland aufgrund einer Krankheit selbst den Tod fand.
Johann und sein Verrat am älteren Bruder
Johann Ohneland stammte aus dem Haus der Anjou-Plantagenêts. Das war eine Nebenlinie der normannischen Rolloniden, die in Person von Wilhelm dem Eroberer das Königreich ab 1066 eroberten.
Mit Heinrich II. saß dann erstmals ab 1154 ein Herzog von Anjou auf dem englischen Thron. Der Hintergrund war, dass die alte normannische Linie mit dem Tod von Heinrich I., dem Sohn von Wilhelm, ausgestorben war.
Fünfter Sohn von Heinrich II.
Johann Ohneland war der fünfte Sohn von Heinrich II. und damit eigentlich gar nicht für den englischen Thron vorgesehen. Vielmehr war für ihn eine kirchliche Karriere geplant:
Wilhelm († 1156)
Heinrich († 1183)
Richard († 1199)
Gottfried († 1186)
Johann († 1216)
Die älteren Brüder verstarben jedoch der Reihe nach bevor sie eigene Erben etablieren konnten. Während der Herrschaft von Richard ab 1189 zeigte Johann Ohneland als jüngster Sohn dann seine eigenen Ambitionen.
Herrschaft von Richard ab 1189
Im Jahr 1189 wurde Richard Löwenherz in Westminster Abbey zum König gekrönt. Doch er sollte während der zehn Jahre seiner Herrschaft nur zehn Monate auf der Insel verbringen.
König Richard war Gefangener auf dem Trifels. (gemeinfrei)
Bereits im Jahr 1191 brach Richard mit einem Heer zum Dritten Kreuzzug auf. Dieser scheiterte letztlich vor Jerusalem, dass von Sultan Saladin erfolgreich behauptet werden konnte.
Doch König Richard hatte sich während des Dritten Kreuzzuges persönliche Feinde unter den europäischen Herrschern gemacht. Auf dem Rückweg aus dem Heiligen Land wurde er deshalb kurz vor Weihnachten 1192 bei Wien inhaftiert. Der Herzog von Österreich und der deutsche Kaiser hielten ihn anschließend für über ein Jahr gefangen.
Einen wesentlichen Teil der Haft verbrachte Löwenherz auf der staufischen Burg Trifels. In dieser Zeit ließ man ihn jedoch seine Amtsgeschäfte fortführen. Bis heute sind einige seiner Urkunden aus dieser Zeit erhalten.
Rebellion in England von 1191
Johann Ohneland hatte bereits als Sohn von Heinrich II. zahlreiche Ländereien erhalten. Darüber hinaus war er durch den Bund der Ehe auch zum Earl of Gloucester geworden und erhielt noch Gebiete in Wales hinzu. Von seinem Bruder erhielt er den Befehl über ein kleines Heer, um Rebellen unter Lord Rhys in seinen Territorien bekämpfen zu können.
Richard hatte nach seiner Krönung auch Cornwall, Devon, Somerset und Dorset im Süden von England an Johann Ohneland übergeben. Mit all diesen Besitzungen und einer Streitkraft unter seinem Befehl war Johann deshalb ein äußerst mächtiger Mann auf der Insel. Als Verwaltungssitz wählte er die Stadt Marlborough.
Deshalb ließ Richard Löwenherz seinen Bruder Johann Ohneland vor dem Aufbruch zum Dritten Kreuzzug im März 1190 schwören, dass er für drei Jahre England nicht betreten würde. Doch nach dessen Abreise begab sich Johann bereits im Oktober diesen Jahres zurück auf die Insel.
In seiner Abwesenheit ließ Richard das Königreich von seinem Justiziar und Lordkanzler William Longchamp verwalten. Als sich Johann Ohneland nun nach seiner unrechtmäßigen Ankunft in England als Erben von Löwenherz huldigen ließ, ging Longchamp militärisch gegen die Rebellen vor.
Doch William Longchamp machte einen schweren politischen Fehler. Er ließ den Erzbischof Geoffrey von York, einen Halbbruder von Johann Ohneland, verhaften. Das verursachte einen Aufschrei im Adel, der zu einer breiten Unterstützung für die Rebellion führte.
William Longchamp musste in der Folge am 10. September 1191 zurücktreten. In der Zwischenzeit hatte Richard jedoch mit Walter de Coutances, Erzbischof von Rouen, bereits einen neuen Lordkanzler ernannt. Dieser war aus Sicht des Adels noch unbelastet und konnte deshalb eine endgültige Machtergreifung von Johann Ohneland in jenem Jahr verhindern.
Verschwörung mit Philipp II. von Frankreich
Im Laufe des Dritten Kreuzzuges war es vor Akkon zum endgültigen Bruch zwischen König Richard und Philipp II. von Frankreich gekommen. Letzterer kehrte deshalb vorzeitig im Herbst 1191 in die Heimat zurück.
Während Löwenherz sich vergeblich um die Eroberung von Jerusalem bemühte, wurde erneut konspiriert. Aber erst nachdem im Jahr 1193 Richard in Österreich verhaftet wurde, brachen die alten Konflikte erneut aus.
Philipp II. von Frankreich und Johann Ohneland vereinbarten daraufhin einen umfangreichen Austausch von Ländereien in Frankreich. Darüber hinaus planten sie ein militärisches Vorgehen gegen die Anhänger von Richard. Zu diesem Zweck wurden auch Gerüchte über dessen Tod verbreitet.
Schließlich sollte noch die Ehe von Johann Ohneland mit Alix, der Schwester von Philipp II. von Frankreich, den Bund besiegeln. Doch im April 1193 traf die Lösegeldforderung für Richard ein und Johann Ohneland galt in der Folge unter den englischen Vasallen als ein Verräter.
Der Rückhalt für seine Erhebung gegen den älteren Bruder brach schnell zusammen. Philipp II. und Johann Ohneland versuchten in der Folge zunächst auf Zeit zu spielen. Sie boten den Deutschen Zahlungen an, um die Inhaftierung von Richard zu verlängern.
Doch auch dieser Plan schlug fehl. Im Mai 1194 versammelte sich der königliche Rat und einigte sich auf eine formale Enteignung von Johann, der nun „Ohneland“ war.
Rehabilitierung unter Richard
Nachdem Richard Löwenherz aus der Gefangenschaft entlassen wurde, konnte er in England seine Herrschaft schnell restaurieren. Er verzieh seinem Bruder Johann Ohneland, gab ihm einige Ländereien zurück und berief ihn sogar wieder in den königlichen Rat.
In den folgenden Jahren verhielt sich Johann Ohneland sehr zurückhaltend und gewann nach und nach das Vertrauen von Richard zurück. Dafür erhielt er sogar einige kleinere Kommandos und konnte in Frankreich erfolgreiche Kriegszüge leiten.
Zu seinem Glück entwickelte sich nun Arthur, der Neffe und eigentliche Nachfolger von Richard, zu einem Verräter, der sich mit dem König von Frankreich verschwor. Deshalb wurde Johann Ohneland im Jahr 1197 erst zum Erben und nach dem Tod von Richard im Jahr 1199 auch zu dessen Nachfolger ernannt.
Johann Ohneland als König von England
König Richard wurde während eines Feldzuges in Frankreich getötet. Bei der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol wurde er von dem Bolzen einer Armbrust getroffen und verstarb dann am einsetzenden Wundbrand.
Seine Mutter Eleonore von Aquitanien half dann kräftig bei seiner Anerkennung als Nachfolger für Richard nach. Aber dennoch musste er sich umgehend gegen den angreifenden Philipp II. von Frankreich behaupten.
Erst Ende Mai 1199 kehrte er nach England zurück und wurde dann in Westminister Abbey zum König gekrönt.
Englisch-Französischer Krieg (1202 bis 1214)
England und Frankreich schlossen nach dem Tod von Löwenherz einen kurzzeitigen Frieden. Doch bereits seit 1202 tobte ein neuer Krieg um das angevinische Reich in Frankreich. Dieser Begriff bezeichnet die Territorien der Herzöge von Anjou, die in dieser Funktion nicht nur Könige von England, sondern auch Vasallen der Könige von Frankreich waren.
Der Auslöser des neuen Konfliktes war eine Beschwerde eines Adeligen beim französischen König. Dieser lud Johann Ohneland in seiner Rolle als Herzog von Aquitanien vor das Hofgericht.
Château Gaillard in der Normandie fiel unter Johann Ohneland. (gemeinfrei)
Nachdem sich Johann Ohneland dieser Vorladung verweigerte, entzog ihm Philipp II. von Frankreich formal seine Lehen. Während des ersten Feldzuges von 1202 gelang dem englischen König jedoch ein großer Sieg gegen den rebellischen Adel und den französischen König.
In der Schlacht von Mirebeau am 31. Juli 1202 gerieten über 200 Ritter in Gefangenschaft. Doch Johann Ohneland konnte diesen Sieg nicht in einen weiterführenden strategischen Vorteil ummünzen. Vielmehr geriet er in der Folge nach und nach in die Defensive.
Zum besonderen Problem für Johann Ohneland wurde die Unzuverlässigkeit seiner Vasallen in der Normandie. 1203 führte er deshalb keinen eigenen Feldzug und verlor im darauffolgenden Jahr das zentrale und für uneinnehmbar gehaltene Château Gaillard.
Der Krieg sollte jedoch noch sehr viel länger andauern und wurde dabei immer wieder von anderen Ereignissen unterbrochen. Geplante Gegenschläge für die Jahre 1205 und 1212 musste Johann Ohneland jeweils aufgrund des Widerstandes der englischen Barone absagen.
In der Seeschlacht bei Damme am 30. und 31. Mai 1213 konnte Johann Ohneland jedoch eine Invasion der britischen Hauptinsel abwehren. Laut den Chronisten trafen dabei 500 englische auf 1700 französische Schiffe.
Auf den englischen Schiffen befanden sich jedoch etwa 700 Ritter und noch viel mehr Söldner. Die französische Flotte war dagegen nur mit Seeleuten bemannt, die im Nahkampf keine Chance gegen die Angreifer hatten.
Das folgende Jahr brachte den Eintritt des Heiligen Römischen Reiches in den Konflikt sowie zwei große Landschlachten. Das Reich war jedoch selbst in einen Thronstreit zwischen Otto IV. und Friedrich II. dem Staufer verzettelt und konnte keinen längerfristigen Einfluss entwickeln:
Die Schlacht bei La Roche-aux-Moines am 2. Juli 1214 bildete den Abschluss eines zunächst erfolgreichen Feldzuges von Johann Ohneland, der im Vorfeld einige Burgen im Handstreich genommen hatte. Anfang Juli zog er sich jedoch aus taktischen Gründen vorzeitig zurück und ging anschließend nicht mehr in die Offensive.
Die Schlacht bei Bouvines fand am 27. Juli 1214 ohne die direkte Beteiligung von Johann Ohneland statt. Vielmehr waren inzwischen die welfischen Verbündeten von Kaiser Otto IV. in Frankreich eingefallen. Sie erlitten jedoch eine Niederlage, womit auch die Hoffnung auf einen englischen Sieg in diesem Krieg dahin war.
Nach der strategischen Niederlage im Englisch-Französischen Krieg kehrte Johann Ohneland auf die Insel zurück. Dort erhob er erneut eine Steuer, das Schildgeld, was schließlich zum Auslöser des Bürgerkrieges werden sollte.
Verlagerung des Zentrums der Herrschaft
Die Regierungszeit von Johann Ohneland brachte eine politische Wende für das Königreich. Während sein Bruder beispielsweise nur für kurze Zeiträume in England war, verlagerte Johann den Schwerpunkt des angevinischen Reiches auf die Insel.
Die Ausübung der Herrschaft gestaltete er dabei ähnlich wie ein deutscher Reisekönig und zog stetig durch das Land. Es können lediglich Orte identifiziert werden, die Johann Ohneland relativ häufig frequentierte. Dazu gehörten:
Palast von Westminster
Tower of London
Windsor Castle
Winchester Castle
Nottingham Castle
Ludgershall Castle
Marlborough Castle
York Castle
Seine Zeit investierte König Johann Ohneland dabei in die Optimierung seiner Finanzen und der Verwaltung. Zu diesem Zweck erfand er neue Steuern, die sich jedoch auch stark zu Lasten des sozialen Friedens auswirkten. Dies war einerseits notwendig, um die Konflikte zu finanzieren. Andererseits legte er damit auch den Grundstein für den späteren Bürgerkrieg gegen seine eigenen Barone:
Fast jährlich erhob er das „Schildgeld“ für Barone, die ihre Verpflichtung von 40 Tagen Kriegsdienst pro Jahr nicht persönlich ableisteten.
Im Jahr 1203 führte Johann Ohneland den „Dreizehnten“ als allgemeine Sondersteuer in England ein.
Ab dem Jahr 1206 führte er die Gegenzeichnung von Abrechnungen der königlichen Finanzen ein, um die Misswirtschaft zu bekämpfen.
Im Jahr 1207 erhob er eine Sondersteuer, die alleine fast das Doppelte seiner Jahreseinnahmen generierte. Dabei handelte es sich um eine Art mittelalterliche „Einkommenssteuer“.
Des Weiteren versuchte Johann Ohneland eine Beamtenschaft aufzubauen, die die Steuern in den Grafschaften direkt einzog und die lokalen Sheriffs damit umging. Säumige Barone hingegen wurden mit militärischen Mittel aus ihren Ländereien vertrieben wie beispielsweise sein früherer Günstling William de Braose im Jahr 1208.
Während seiner Regierungszeit kam es deshalb zu einem sprunghaften Anstieg der jährlichen Steuereinnahmen. Seine Eintreiber gingen dabei mit großer Brutalität vor:
1207 nahm die Krone etwa 30.000 £ ein.
1210 lagen die Einnahmen bei etwa 52.000 £.
1211 stiegen die Steuern auf etwa 83.000 £.
Hinzu kamen die Einnahmen aus der „Judensteuer“, die in den Aufstellungen der regulären Steuereinnahmen noch nicht enthalten waren. Alleine im Jahr 1210 presste Johann Ohneland einen Betrag von 44.000 £ aus den Gemeinden dieser religiösen Minderheit.
Engagement in Irland, Schottland und Wales
Bündnisse und Kämpfe mit Llywelyn I. von Wales
Parallel zu dem Krieg gegen Frankreich musste sich Johann Ohneland aber auch häufig auf den britischen Inseln behaupten. Vor allem das rebellische Wales war ein Dauerthema, dass den König ab 1204 fast jedes Jahr beschäftigte.
Er verheiratete deshalb seine uneheliche Tochter mit Llywelyn ab Iorwerth. Das war der Fürst von Gwynedd, einer Region im Norden von Wales. Das Bündnis brach jedoch, als sich der Waliser mit dem ehemaligen Günstling William Braose solidarisierte und sich damit ebenfalls gegen den König erhob.
Johann Ohneland führte daraufhin zwei Feldzüge nach Wales. In deren Verlauf konnte er die Zerrissenheit des walisischen Adels geschickt ausnutzen. Im Jahr 1211 hatte er dort den mächtigsten Stand, den ein englischer König bis dato je erreicht hatte. Im Zuge des Bürgerkrieges gegen die Barone von 1215 ging der Einfluss jedoch wieder verloren.
Entwicklungspolitik und Aufstandsbekämpfung in Irland
Aber auch Irland beschäftigte Johann Ohneland immer wieder. Er war bereits von seinem Vater zum Lord of Ireland ernannt worden. Für lange Zeit verwaltete Meiler Fitzhenry in seinem Namen die Insel. Er bemühte sich um die Gründung von Städten und den Ausbau der königlichen Ländereien, um die Steuereinnahmen zu verbessern.
Als König war Johann Ohneland darüber hinaus bestrebt, die irischen Barone gegeneinander auszuspielen. Dabei hatte er über eine lange Zeit hinweg auch ein glückliches Händchen. Doch als William Marshal, der 1. Earl of Pembroke, in Ungnade fiel, konnte dieser ab 1207 einen zunächst erfolgreichen Aufstand organisieren.
Doch Johann Ohneland organisierte einen mächtigen Gegenschlag. Mit 700 Schiffen beantwortete er die Herausforderung. In einem Feldzug, der nur neun Wochen dauerte, konnte er die Kontrolle über Irland wiederherstellen.
Demütigung des abhängigen Königs von Schottland
Verglichen mit den Konflikten in Irland und Wales war das Verhältnis zu Schottland recht entspannt. Im Sommer 1209 entschied sich Johann Ohneland jedoch zu einem überraschenden Feldzug nach Norden. Möglicherweise wollte er damit einem drohenden Bündnis von Schottland mit Frankreich militärisch vorbeugen.
In der Folge mussten die Schotten den demütigenden Vertrag von Norham akzeptieren, eine hohe Geldsumme zahlen sowie Geiseln stellen. Außerdem durfte Johann Ohneland die Töchter des schottischen Königs verheiraten.
Dafür stellte sich Johann Ohneland auf die Seite des schottischen Königs, als es ab 1212 unter Guthred Macwilliam zu einem Aufstand im hohen Norden kam. Darüber hinaus erkannte er den Nachfolger und späteren König Alexander II. an und schlug ihn zum Ritter.
Magna Carta Libertatum von 1215
Johann Ohneland erhöhte während des Englisch-Französischen Krieges die Steuern ganz massiv. Nach Ansicht der Barone überschritt der König mit seinen Forderungen den Rahmen der Lehnspflichten bei Weitem. Zum Dank war dieser dann teilweise auch noch sehr brutal gegen Angehörige der Aristokratie vorgegangen.
Bereits im Sommer 1213 sahen rebellische Barone eine große politische Chance. Sie konfrontieren Johann Ohneland mit weitreichenden Forderungen. Dabei beriefen sie sich auf die Charter of Liberties von König Heinrich I. aus dem Jahr 1100. Dabei wurden die Barone entscheidend von Stephen Langton, dem Erzbischof von Canterbury unterstützt.
Bei diesem Vorstoß nahmen die Barone wohl sehr bewusst in Kauf, dass eine Verweigerung von Johann Ohneland zum offenen Bürgerkrieg führen könnte. Sie spekulierten jedoch auch darauf, dass eine solche Eskalation zu Lasten des Königs ausfallen und weitere Adelige in den Widerstand treiben würde.
Ausbruch des englischen Bürgerkrieges
Nach der strategischen Niederlage im Englisch-Französischen Krieg war Johann Ohneland soweit geschwächt, dass die Barone und der Erzbischof von Canterbury einen erneuten Angriff auf die Monarchie wagten. Am 06. Januar 1215 marschierten sie bewaffnet in London auf und verlangten vom König die Einhaltung der Charter of Liberties.
Johann Ohneland wusste zu diesem Zeitpunkt selbst nicht um die Stärke seines Rückhalts im Adel. Die Position des Klerus war ebenfalls unbekannt. Deshalb spielte er zunächst auf Zeit und versprach eine Antwort bis zum 26. April 1215.
Die Barone durchschauten das Manöver und versammelten sich schon am 19. April 1215 in Samford. Unter der Führung von Robert FitzWalter und Eustace de Vesci erhöhten sie den Druck. Nach dem Ablauf der Frist formierten sich die Barone zur Belagerung der königlichen Burg von Northampton. Diese verlief jedoch zunächst erfolglos.
Entscheidend war jedoch Übertritt der City of London auf die Seite der Rebellen am 24. Mai 1215. Das Bündnis gegen Johann Ohneland war damit stärker und er sah sich gezwungen, den Katalog der Forderungen zu akzeptieren.
Magna Carta – eine neue Verfassung
Vom 15. bis zum 19. Juni 1215 verhandelten die Barone und König Johann Ohneland in der Nähe von Windsor an den Ufern der Themse. Wahrscheinlich stimmte der König bereits am ersten Tag den wesentlichen Forderungen zu. Anschließend ging es dann nur noch um die Details.
Das Ergebnis der Verhandlung war eine in Latein verfasste Urkunde. Diese wird in der englischen Übersetzung in 63 Artikel unterteilt:
Der erste Artikel bestätigte die Rechte der Kirche von England.
In den Artikeln 2 bis 16 wurde das Lehnsrecht überarbeitet. Von besonderer Bedeutung waren:
Abgaben bei der Übertragung von Lehen im Erbfall.
Vormundschaft bei minderjährigen Erben, Waisen und Witwen.
Zahlung des Schildgeldes und sowie Budgethoheit des Rates der Barone.
In den Artikeln 17 bis 22 befasste man sich mit der Rechtsprechung und Geldbußen.
Ab Artikel 23 wurden Fragen der Verwaltung der Grafschaften behandelt wie Instandhaltung von Brücken oder Requirierungen durch Burgbesatzungen.
In Artikel 39 wurde die Grundlage für eine Prozessordnung gelegt: „Kein freier Mann soll verhaftet, gefangen gesetzt, seiner Güter beraubt, geächtet, verbannt oder sonst angegriffen werden; noch werden wir ihm anders etwas zufügen, oder ihn ins Gefängnis werfen lassen, als durch das gesetzliche Urteil von Seinesgleichen oder durch das Landesgesetz.“
In Artikel 40 wurde geregelt, dass Urkunden und Gerichtsverfahren beziehungsweise „Recht und Gerechtigkeit“ vom König nicht verzögert werden dürfen.
Die Artikel 41 und 42 schützten Kaufleute und die Reisefreiheit.
Ab Artikel 44 wurde mehrfach das königliche Forstrecht behandelt.
Artikel 45 erließ Regeln zur Ernennung von Beamten und in Artikel 50 wurde die Entlassung namentlicher genannter Beamter gefordert.
Artikel 55 regelte die Aufhebung von unrechtmäßig erlassenen Geldstrafen.
Die Artikel 56 bis 59 betrafen den walisischen Fürsten Llywelyn ab Iorwerth und den schottischen König Alexander II., die die Rebellion unterstützt hatten.
In Artikel 61 wurde die Bestellung eines Komitees von 25 Baronen sowie deren Befugnisse geregelt. Dieser Rat sollte eine Kontrollfunktion erhalten. Als Vorbild für das Format diente die damals noch beschränkte Selbstverwaltung der City of London.
Die Angehörigen dieses Komitees der 25 Barone wurden gewählt. Es erhielten jedoch nur erklärte Feinde von Johann Ohneland die notwendigen Stimmen.
Tod im Ersten Krieg der Barone
Die Besiegelung der Magna Carta Libertatum durch Johann Ohneland im Juni 1215 brachte jedoch nur für wenige Wochen einen kurzen Frieden. Er selbst wandte sich an den Papst, der das Dokument bereits am 25. August für nichtig erklärte.
Johann Ohneland wurde in der Kathedrale von Worchester bestattet. (gemeinfrei)
Darüber hinaus drohte Papst Innozenz III. jeder Person die Exkommunikation an, die sich an die Regeln der Magna Carta hielt. Die Barone hatten ihr Heer jedoch nicht aufgelöst und waren umgehend wieder kampfbereit.
Außerdem boten die Barone dem französischen Prinz Ludwig die Krone an. Dieser landete daraufhin mit einer Invasionsarmee in England.
Aber der König war noch nicht geschlagen. Er verfügte noch über einige mächtige Burgen und die Allianz der Barone mit Prinz Ludwig war brüchig. Johann Ohneland erkrankte jedoch und verstarb am 19. Oktober 1216.
Streit um die Thronfolge von Heinrich III.
Nach dem Tod von Johann Ohneland standen die Barone einer Thronfolge durch seinen Sohn natürlich zunächst sehr kritisch gegenüber. Doch dieser Heinrich III. war zu dem Zeitpunkt erst neun Jahre alt.
Seine Berater akzeptierten die Magna Carta und der junge Heinrich III. bot sich aufgrund seines Alters als willfährige Person auf dem Thron an. Das machte ihn in den Augen des Adels dann doch attraktiver als den selbstbewussten Prinzen Ludwig aus Frankreich.
Letztlich wurde Heinrich III. deshalb als neuer König angenommen. Tatsächlich übernahm ein selbsternannter Kronrat die Regierung.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Richard I. von England wurde am 8. Oktober 1157 in Oxford geboren. Er gehörte zum englischen Königshaus der Anjou-Plantagenêts und erhielt für sein ungestümes Verhalten den Beinnamen „Löwenherz“.
Statue von Richard I. Löwenherz vor dem Palace of Westminster (Mattbuck / CC-BY-SA 4.0)
Richard Löwenherz erbte von seinem Vater nicht nur das Königreich England, sondern als Nachfahre der Herzöge der Normandie auch Gebiete in Frankreich. Aus diesem „angevinischen Reich“ zog er beträchtliche Einnahmen und nutzte das Einkommen für eine Beteiligung am Dritten Kreuzzug.
Richard Löwenherz konnte auf seinem Weg in das Heilige Land dann zwar Zypern erobern und war an der erfolgreichen Belagerung von Akkon beteiligt. Das primäre Ziel, die Rückeroberung von Jerusalem, erreichte der englische König jedoch nicht.
Dafür beleidigte Richard Löwenherz während des Dritten Kreuzzuges den Herzog von Österreich und den französischen König. Sein Verhalten wurde auch deshalb gerne von englischen Chronisten als besonders „mannhaft“ gepriesen. Tatsächlich war er auf dem diplomatischen Parkett jedoch einfach nur ein grober Tollpatsch und musste für seine schweren Fehler immer wieder teuer bezahlen.
Auf dem Rückweg vom Dritten Kreuzzug geriet Richard Löwenherz nämlich in die Gefangenschaft des deutschen Kaisers. Dieser hielt ihn auf der Burg Trifels fest, bis er für ein Lösegeld von 100.000 Mark Silber freigekauft wurde. Das waren etwa 23,4 Tonnen Silber und entsprach in etwa dem Dreifachen des englischen Jahreshaushalts
Nach der Bezahlung und der anschließenden Freilassung war Richard Löwenherz dann den letzten Teil seines Lebens durch Konflikte mit dem König von Frankreich gebunden. Während eines Feldzuges in der Normandie wurde er bei einem leichtsinnigen Spaziergang während der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol in Aquitanien von einem Armbrustbolzen getroffen.
Richard Löwenherz hatte sich wohl völlig unüberlegt in die Reichweite der Verteidiger begeben und erlitt dabei eine schwere Verletzung. Der Wundbrand setzte ein und raffte ihn zehn Tage später dahin. Am 6. April 1199 verstarb er dann im Feldlager.
Trotz der Verherrlichung seiner besonderen Männlichkeit ist ein tatsächlicher Mehrwert der Herrschaft von Richard Löwenherz für die Untertanen nicht erkennbar. Hinzu kommt der häufige Vorwurf, dass er während seiner Regierungszeit von zehn Jahren insgesamt nur zehn Monate in England verbrachte. Diese Zeit nutzte er jedoch vor allem zur wirtschaftlichen Ausbeutung des Königreiches.
Der Bruder Johann Ohneland konnte sich als Nachfolger von Richard Löwenherz behaupten. Seine willkürliche Herrschaft führte jedoch zu einer Revolte des englischen Adels. Die Barone konnten daraufhin im Jahr 1215 die Magna Carta Libertatum durchsetzen und zahlreiche Rechte gegenüber dem König gewinnen.
Im 16. Jahrhundert wurden dann die Geschichten über Robin Hood mit der Zeit von Richard Löwenherz in Verbindung gebracht. Dieser Gentleman-Dieb ist jedoch nur eine Figur aus mittelalterlichen Balladen, für die es keine historischen Belege gibt.
Häufige Fragen zu Richard Löwenherz (FAQs)
War Richard Löwenherz ein guter König? Nein, er war ein miserabler Monarch, der mit seinen persönlichen Eskapaden einen sagenhaften Schaden verursachte.
Wieso scheiterte der Dritte Kreuzzug? Die christlichen Anführer waren zerstritten und Richard Löwenherz konnte letztlich nicht genügend Streitkraft zur Eroberung von Jerusalem konzentrieren.
Wieso wurde Richard Löwenherz gefangen genommen? Nach dem Dritten Kreuzzug wollte der König inkognito durch das Heilige Römische Reich zurück nach England reisen. Er wurde erkannt, gefangen und erst gegen ein enormes Lösegeld wieder freigelassen.
Was hatte Richard Löwenherz mit Robin Hood zu tun? Gar nichts, Robin Hood war eine literarische Figur, die im Laufe der Jahrhunderte von unterschiedlichen Autoren in zahllose Zusammenhänge gebracht wurde.
Wie ist Richard Löwenherz gestorben? Er wurde während der Belagerung der Burg Châlus-Chabrol im Limousin im Herzen Frankreichs von einer Armbrust getroffen und verstarb zehn Tage später am 06. April 1199 qualvoll an Wundbrand.
Wer war der Nachfolger von Richard Löwenherz? Sein jüngerer Bruder Johann Ohneland konnte sich durchsetzen und wurde 1199 neuer König von England.
Erbe des angevinischen Reiches
Dynastie der Anjou-Plantagenêts
1135 starb mit Heinrich I. der letzte Sohn von Wilhelm dem Eroberer. In der Folge kam es zu einem langen Thronstreit, der schließlich in einem Bürgerkrieg endete und bis heute als „The Anarchy“ bekannt ist.
Erst 1153 konnten sich die zerstrittenen Parteien auf den Vertrag von Winchester einigen. In dessen Folge wurde schließlich mit Heinrich II. ein Herzog der Normandie aus dem Haus Anjou als Regent des englischen Königreiches anerkannt.
Richard – dritter Sohn von Heinrich II.
König Heinrich II. von England trug gerne kurze Umhänge, deshalb erwarb er sich den Beinamen „Kurzmantel“. Er hatte mit seiner Ehefrau Eleonore von Aquitanien fünf Söhne und drei Töchter. Die dynastische Folge war damit gesichert, aber es zeichneten sich Konflikte zwischen den Söhnen ab:
Wilhelm († 1156)
Heinrich († 1183)
Richard († 1199)
Gottfried († 1186)
Johann († 1216)
Richard Löwenherz war als dritter Sohn ursprünglich nicht für die Thronfolge vorgesehen. Der Vater wollte das angevinische Reich nämlich ungeteilt vererben. Dennoch wurde er als junger Mann sehr gut von dem berühmten Thomas Becket ausgebildet. Das war ein späterer Erzbischof von Canterbury, der wegen seines Märtyrer-Todes bis heute bekannt ist.
Der erste Sohn Wilhelm verstarb jedoch bereits 1156. Richard Löwenherz rückte in der Thronfolge deshalb bereits sehr früh einen Platz auf. Im Alter von 14 Jahren erhielt er dann als mündiger Mann das reiche Herzogtum Aquitanien in Frankreich als Lehen.
Angevinisches Reiches im 12. Jahrhundert (Sémhur / CC-BY-SA 4.0)
In den 1170er Jahren ging Richard Löwenherz sehr brutal gegen opponierende Adelige in seinem Herzogtum vor. Im Jahr 1183 verstarb dann auch sein nächst älterer Bruder Heinrich, so dass er nun eigentlich der Kronprinz war.
Doch Richard Löwenherz hatte sowohl den Adel wie auch den Vater gegen sich aufgebracht. Deshalb verbündete er sich als Herzog von Aquitanien mit Philipp II., dem König von Frankreich.
Erst der König von Frankreich konnte den entscheidenden Druck ausüben, damit Richard Löwenherz von seinem Vater als Nachfolger anerkannt wurde. Philipp dürfte diese Unterstützung dann später aber noch sehr bereut haben.
Erst für seine Krönung im Jahr 1189 kam Richard Löwenherz dann mal für vier Monate nach England. Die feierliche Zeremonie war allerdings auch eher eine Großveranstaltung für die Adeligen des angevinischen Reiches und weniger eine Inthronisierung durch die Engländer.
Im Zusammenhang mit der Krönung von Richard Löwenherz kam es zu Judenverfolgungen in England. Weil diese Übergriffe nicht wirklich bestraft wurden, entwickelten sich die Attacken gegen die religiöse Minderheit während des Dritten Kreuzzuges zu landesweiten Pogromen.
Richard Löwenherz im Dritten Kreuzzug
Vorgeschichte: Erster und Zweiter Kreuzzug
Im Jahr 1095 hatte Papst Urban II. zum Ersten Kreuzzug aufgerufen. Bewaffnete Pilger und Ritterheere aus Deutschland, Italien und Frankreich zogen daraufhin in das Heilige Land und eroberten Jerusalem im Jahr 1099.
Die Christen eroberten darüber hinaus zahlreiche Gebiete und gründeten vier Kreuzfahrerstaaten, um eine dauerhafte Präsenz zu etablieren:
Königreich Jerusalem
Fürstentum Antiochia
Grafschaft Edessa
Grafschaft Tripolis
Doch die meisten Kreuzfahrer und Pilger kehrten nach ihrer Fahrt ins Heilige Land auch wieder in die Heimat zurück. Ihre neu gegründeten Staaten konnten kaum wirtschaftlich betrieben werden und schon bald wurde die Christenheit wieder zurückgedrängt.
Im Jahr 1044 ging die Grafschaft Edessa verloren und die Kirche rief vor allem in Person des Bernhard von Clairvaux zum Zweiten Kreuzzug auf. Dieser scheiterte jedoch fünf Jahre später in einer militärischen Katastrophe.
Auslöser des Dritten Kreuzzuges
Saladin zerschlug die Staaten der Kreuzfahrer (Daelian / CC-BY-SA 4.0)
Auslöser für den Dritten Kreuzzug sollte dann die Schlacht bei Hattin am 4. Juli 1187 werden. Die Kreuzritter wurden dabei nicht nur vernichtend geschlagen. Sie verloren auch einen großen Teil ihrer verbliebenen Territorien an Sultan Saladin.
Als Papst Urban III. von diesen Neuigkeiten erfuhr, soll er vor Schreck tot umgefallen sein.
Sein Nachfolger Gregor VIII. erließ umgehend die Audita Tremendi, die Kreuzzugbulle. Darin wurde der Verlust von Jerusalem beklagt und alle Christen zum Krieg aufgerufen.
Die europäischen Fürsten kamen diesem Verlangen jedoch nur zögerlich nach. Zunächst zog der deutsche Kaiser Friedrich Barbarossa gen Osten. Er verstarb jedoch bereits auf der Reise am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph.
Richard Löwenherz und der französische König Philipp II. brachen erst später und vor allem parallel auf. Die beiden Männer trauten sich aufgrund von Konflikten um Gebiete in Frankreich nicht mehr. Ihr altes Bündnis zur Inthronisierung von Richard sollte schon bald endgültig zerbrechen.
Eroberung von Zypern
Im Jahr 1185 hatte sich Isaak Komnenos, ein Adeliger des byzantinischen Reiches, zum Kaiser von Zypern ernannt. Richard Löwenherz nutzte jedoch die Fahrt in das Heilige Land, um die Insel im Vorübergehen zu erobern.
Der Streitkraft der englischen Kreuzfahrer konnten die Zyprioten nichts entgegensetzen. Einer Überlieferung nach ergab sich Isaak Komnenos auf das Versprechen hin, dass Richard Löwenherz ihn nicht in eiserne Ketten legen würde.
Stattdessen ließ der englische König den selbsternannten Kaiser in silberne Ketten legen. Doch Richard Löwenherz hatte nicht einmal ein Interesse daran, Zypern langfristig zu halten.
Bereits wenige Wochen nach der Eroberung wurde die Insel für 100.000 Silber Mark an den Templerorden verkauft. Die christlichen Ritter bemühten sich in der Folge, soviel Geld wie möglich aus den Zyprioten zu pressen. Denn auch für den reichen Orden war der Betrag mehr als beträchtlich.
Belagerung von Akkon
Die Einnahmen aus dem Verkauf von Zypern nutzte Richard Löwenherz, um seinen Kreuzzug zu verlängern. Am 8. Juni 1191 erreichte er mit seinem Heer dann die Hafenstadt Akkon im heutigen Staat Israel.
Akkon wurde zu diesem Zeitpunkt bereits seit zwei Jahren von Kreuzfahrern unter der Führung von Leopold dem Tugendhaften, dem Herzog von Österreich, belagert. Diesem fehlte es jedoch an Ressourcen für eine Eroberung der Stadt.
Belagerung von Akkon (Biblotheque Municipale de Lyon / gemeinfrei)
Doch bereits seit April 1191 war nun auch das Heer des französischen Königs vor Ort. Zusammen mit der englischen Streitmacht von Richard Löwenherz hatten die Kreuzfahrer nun die entscheidende Übermacht.
Am 12. Juli 1191, fünf Wochen nach der Ankunft von Richard Löwenherz, kapitulierte Akkon. Dabei kam es jedoch zu einem persönlichen Eklat zwischen dem König der Engländer und dem Herzog von Österreich.
Zu den genauen Gründen für diesen Streit gibt es unterschiedliche Versionen. Die Konsequenz war jedoch, dass Leopold der Tugendhafte anschließend ohne Beute aus dem Heiligen Land abzog. Richard Löwenherz hingegen hatte sich einen persönlichen Feind gemacht, was ihn später noch sehr teuer zu stehen kommen sollte.
Auch der französische König Philipp II. kehrte schon Ende Juli 1191 in die Heimat zurück. Die offizielle Begründung waren gesundheitliche Probleme. Doch die Forschung geht davon aus, dass Richard Löwenherz auch diesen Verbündeten auf einer persönlichen Ebene einfach verprellt hatte.
Die Eroberung von Akkon verbuchte Richard Löwenherz zwar als seinen taktischen Sieg. In strategischer Hinsicht leitete er jedoch mit seinen persönlichen Attacken auf das Ansehen der verbündeten Fürsten die Niederlage der Christen im Dritten Kreuzzug ein.
Scheitern vor Jerusalem
Nach der Belagerung von Akkon ließ Richard Löwenherz zunächst 3.000 Muslime hinrichten, für die kein Lösegeld bezahlt wurde. Anschließend musste er sich den Gegenangriffen von Sultan Saladin stellen.
Sultan Saladin gemalt von Cristofano dell’Altissimo (gemeinfrei)
In der Schlacht am Arsuf am 7. September 1191 gelang ihm zunächst ein weiterer Sieg. Im darauffolgenden Sommer konnte Richard Löwenherz noch die Stadt Jaffa zurückerobern.
Doch das Primärziel, die Eroberung von Jerusalem, wurde verfehlt. Nach der Abreise der Österreicher und Franzosen fehlte den Kreuzrittern einfach die notwendige Schlagkraft.
Wohl auch wegen einer eigenen Erkrankung, wahrscheinlich Malaria, bemühte sich Richard Löwenherz schließlich um einen Frieden mit den Muslimen. Am 2. September 1192 schlossen die Parteien im Vertrag von Ramla einen Waffenstillstand für drei Jahre und acht Monate. Jerusalem blieb jedoch unter der alleinigen Kontrolle von Saladin.
Als Verlierer trat Richard Löwenherz am 9. Oktober 1192 die Heimreise vom Dritten Kreuzzug an. Zeitgenossen würdigten ihn zwar als bedeutenden Kreuzfahrer. Aber in strategischer Hinsicht ist er vor allem an sich selbst gescheitert.
Statt diplomatisches Geschick zu zeigen, stellte Richard Löwenherz sein Ego über die Notwendigkeiten der Mission. Der letztlich entscheidende Mangel an Kampfkraft hatte seine Ursache in den persönlichen Konflikten mit dem König von Frankreich und dem Herzog von Österreich. Der Schaden sollte aber noch viel größer werden.
Haftzeit im Heiligen Römischen Reich
Richard Löwenherz erlitt Schiffbruch auf seiner Reise in die Heimat. Deshalb war er auf eine Landroute durch das Heilige Römische Reich angewiesen. Dieser Weg führte ihn jedoch durch Gebiete von Fürsten, die er vor Akkon brüskiert hatte.
Wieso Richard Löwenherz nicht ganz offiziell bei Fürsten um Unterstützung bat, ist nicht bekannt. Möglicherweise war dem König zumindest bewusst, wie unbeliebt er sich während des Dritten Kreuzzuges gemacht hatte.
Der Überlieferung nach verkleidete sich Richard Löwenherz deshalb als einfacher Pilger. Inkognito versuchte er in der Begleitung von wenigen Vertrauten zunächst nach Bayern in das Herrschaftsgebiet von Heinrich dem Löwen zu gelangen.
Gefangennahme in Österreich
In Bayern hoffte Richard Löwenherz wohl auf ehrliche Unterstützung durch den befreundeten Herzog aus dem Haus der Welfen. Doch die Tarnung des Königs flog noch in Österreich auf. Er wurde kurz vor Weihnachten 1192 durch Schergen von Herzog Leopold dem Tugendhaften festgesetzt.
Zum Verlauf der Gefangennahme von Richard Löwenherz gibt es widersprüchliche Quellen. Die genauen Umstände sind nicht klar. Aber wahrscheinlich konnte der aufbrausende Monarch in seiner Rolle einfach nicht überzeugen, sondern erregte beispielsweise durch zuviel Geld die Aufmerksamkeit von Wachen.
Deutsche Chronisten wie Otto von Freising und sein Nachfolger Otto von St. Blasien kommentierten die Verhaftung jedoch voller Häme. Es scheint außer Zweifel, dass die Inhaftierung der überheblichen Majestät als verdiente Strafe für die Beleidigungen vor Akkon gewertet wurden.
Allerdings hatten viele Kleriker ein Problem mit der Gefangennahme des Kreuzfahrers. Leopold der Tugendhafte wurde sogar ein halbes Jahr später von Papst Coelestin III. exkommuniziert. Dieser Ausschluss aus der Kirche wurde jedoch auch ohne die Erfüllung von Bedingungen wieder aufgehoben.
In deutschen Quellen finden sich anschließend nur noch wenige Belege zur Haftzeit von Richard Löwenherz. Erst die spätere Bezahlung des immensen Lösegeldes fand wieder eine breitere Aufmerksamkeit.
Die englischen Hofschreiber haben sich hingegen intensiv um eine Legendenbildung bemüht. Der ach so männliche König soll mit seinen Wachen Ringkämpfe und Saufgelage veranstaltet haben.
Haftzeit und Lösegeldforderung
Nach der Gefangennahme brachte man Richard Löwenherz auf die Burg Dürnstein in Niederösterreich. Im Februar einigten sich schließlich der österreichische Herzog und der deutsche Kaiser auf eine gemeinsame Forderung zur Freilassung des Königs.
Zur Legitimation der weiteren Inhaftierung von Richard Löwenherz wurde darüber hinaus Anklage gegen ihn erhoben. Zu den Vorwürfen zählten Mord, Schmähung der Fahne von Leopold und auch der Frieden mit dem heidnischen Sultan Saladin zur Beendigung des Dritten Kreuzzuges.
Richard Löwenherz war Gefangener auf dem Trifels. (gemeinfrei)
Richard Löwenherz musste sich deshalb auch einer Gerichtsverhandlung stellen, die er jedoch geschickt nutzte. Vor allem gab er eigene Fehler zu und warf sich in einer Geste der Demut vor dem Kaiser auf den Boden. Darüber hinaus stimmte er einem Lösegeld in Höhe von 100.000 Mark Silber zu, die auf einem Reichstag in Würzburg beschlossen wurde.
Dabei handelte es sich um die „Kölner Mark“. Das war eine Gewichtsangabe für etwa 234 g Silber. Das Lösegeld für Richard Löwenherz betrug also etwa 23,4 Tonnen Silber.
Diese 100.000 Kölner Mark entsprachen dem dreifachen Jahreseinkommen der englischen Krone. Zur administrativen Bewältigung wurde im Schatzamt sogar eine Sonderabteilung eingerichtet. Heinrich VI. vergab später einen großen Auftrag zur Prägung des Lösegelds nach Genueser Art.
Man muss bei historischen Wertangaben jedoch beachten, dass ein Staatshaushalt im Mittelalter sehr viel schlanker war, als man das aus der Gegenwart kennt. Auch die Märkte und die Geldmengen waren sehr viel kleiner.
Eine beispielhafte Umrechnung der etwa 23,4 Tonnen Silber zu heutigen Kurswerten spiegelt nicht den damaligen Gegenwert wider. Vielmehr muss man für eine möglichst reale Annährung mit dynamischen Rechenmodelle arbeiten, wozu in der Regel nur spezialisierte Forschungsinstitute in der Lage sind.
Für Richard Löwenherz war es mit diesen 100.000 Kölner Mark jedoch nicht getan: Der König musste außerdem 50 Schiffe und 200 Ritter für ein Jahr stellen. Nur einer angedachten persönlichen Verpflichtung zu einem Kriegszug nach Sizilien konnte der glorreiche Held entgehen.
Mit der Zahlung des Lösegeldes fand erstmals das englische Sterling-Silber eine weite Verbreitung im kontinentalen Europa. Leopold der Tugendhafte nutzte seinen Anteil zur Gründung der Wiener Neustadt. Kaiser Heinrich VI. investierte hingegen in die Eroberung von Sizilien.
Bis zu seiner Freilassung wurde Richard Löwenherz dann auf der Burg Trifels festgehalten. Dort war er als Herrscher jedoch handlungsfähig. Eine Reihe von Dokumenten sind aus dieser Zeit erhalten. Auch einflussreiche Adelige wie William Marshal orientierten sich schnell wieder an Richard als rechtmäßigem König.
Richards Rückkehr nach England
Schon als die Verhaftung von Richard Löwenherz Ende 1192 bekannt wurde, versuchten sein jüngerer Bruder Johann Ohneland und der französische König Philipp II. die Lage auszunutzen.
Nachdem das Lösegeld in Höhe von 100.000 Mark verhandelt war, boten die Beiden sogar an, zusammen 150.000 Mark zu zahlen, wenn man Richard Löwenherz an sie ausliefern würde. Aus diesem Grund wurde das ursprüngliche Datum der Entlassung am 17. Januar 1194 von Kaiser Heinrich VI. sogar verschoben.
Darstellung von König Johann Ohneland von 1255 (gemeinfrei)
Alternativ bot Philipp II. von Frankreich die Zahlung von 1.000 Mark für jeden weiteren Monat der Inhaftierung von Richard Löwenherz im Reich des deutschen Kaisers an. Heinrich VI. verlangte daraufhin erfolgreich den Lehenseid des stolzen Engländers und einen jährlichen Tribut von 5.000 Mark.
Erst am 4. Februar 1194 wurde Richard Löwenherz dann tatsächlich aus der Haft entlassen. Nach seiner Rückkehr nach England verbrachte der König einige Tage im Sherwood Forest bei Nottingham.
Diese Zeit wurde im 16. Jahrhundert zur literarischen Verknüpfung seiner Geschichte mit der Legende von Robin Hood genutzt.
Trotz der Gebaren seines Bruders Johann Ohneland waren die Strukturen der Herrschaft von Richard Löwenherz jedoch noch weitgehend intakt. Im April 1194 verhängte er einige Strafen gegen Rebellen, aber nahm den Bruder wieder in seinen Beraterkreis auf.
So wurde seine Herrschaft schnell restauriert. Doch schon zu diesem Zeitpunkt begann Richard Löwenherz mit der Sammlung von finanziellen Mitteln, um sich am französischen König zu rächen. Beispielsweise wurde eine Steuer von 10 % auf Exportgüter erhoben.
Krieg gegen Philipp II. von Frankreich
Richard Löwenherz landete nur wenig später am 12. Mai 1194 mit einem Heer wieder in der Normandie. Nach der Vermittlung durch päpstliche Legaten wurde jedoch bis zum November ein Waffenstillstand geschlossen.
Die Vereinbarung war für Richard Löwenherz wohl eine Notwendigkeit. Er nutzte die Zeit, um weitere Gelder zu sammeln und seine verbliebenen Standorte zu befestigen. Zu diesem Zeitpunkt verfügte er nur noch über vier Burgen in der Normandie.
Der Waffenstillstand hielt über die Vereinbarung hinaus bis zum Sommer 1195. Im Winter diesen Jahres kam es jedoch zu einem wechselvollen Schlagabtausch. Richard Löwenherz konnte zwar in der Schlacht bei Issoudon gewinnen, im darauffolgenden Jahr musste er jedoch die normannische Region Vexin verloren geben.
Bau von Château Gaillard ab 1196
Richard Löwenherz verfügte in der Normandie nur noch über einen schmalen Landstreifen an der Kanalküste. Zur Verteidigung dieser Region unternahm er ab 1196 die große Anstrengung, eine kaum einnehmbare Festung zu errichten.
Richard I. Löwenherz ließ Château Gaillard errichten. (Eugène Emmanuel Viollet-le-Duc / gemeinfrei)
Mit Château Gaillard bei der Kleinstadt Les Andelys süd-östlich von Rouen baute Richard Löwenherz eine Fortifikation nach dem neusten Stand der damaligen Technik. Als Vorbild wurden Kreuzritterburgen in Palästina wie der Krak des Chevaliers herangezogen.
Die Ruine lässt noch heute die imposanten Reste der Hauptburg sowie der Vorburg erkennen. Die Positionierung der vorgelagerten Anlage war von größter Bedeutung. Sie diente als eine Art Schild gegen den Beschuss mit Bliden.
Bliden, auch Triböke genannt, waren Katapulte mit langen Wurfarmen, die über Distanzen von 300 Metern eine Mauer gezielt beschießen konnten. Als Projektile wurden Steinkugeln verwendet, die je nach Ausführung der Blide in der Regel mindestens 10 und höchstens 120 Kilogramm hatten.
Zur Belagerung von Château Gaillard durch Philipp II. von Frankreich kam es jedoch erst nach dem Tod von Richard Löwenherz. Im Jahr 1203 wurden 6.000 Mann zusammen gezogen, um die Burg auszuhungern.
Nach sieben Monaten hatte der englische Kommandeur Roger de Lacy drei Viertel seiner Verteidiger verloren. Château Gaillard fiel jedoch erst nach einem finalen Sturmangriff in dessen Verlauf einige Soldaten durch die Fenster einer nachträglich gebauten Kapelle eindrangen.
Verwundung durch Armbrust und Tod
Der Bau von Château Gaillard durch Richard Löwenherz hatte Philipp II. von Frankreich nicht von seinen Kriegsplänen abgebracht. Der bewaffnete Konflikt brach im Jahr 1198 erneut aus.
Richard Löwenherz konnte sich jedoch zunächst in einigen Feldschlachten behaupten. Im März 1199 attackierte er das Limousin, eine Region im Herzen von Frankreich und belagerte dort die Burg Châlus-Chabrol.
Richard I. Löwenherz wurde bei der Belagerung von Burg Châlus-Chabrol getötet. (gemeinfrei)
Am 26. März 1199 begab sich Richard Löwenherz während der Belagerung auf einen ungeschützten Spaziergang. Ein Verteidiger erspähte den König und traf ihn mit seiner Armbrust. Die effektive Reichweite einer solchen Waffe lag damals bei grob 150 Metern.
Die Verwundung führte jedoch nicht sofort zum Tod. Der Leibarzt von Richard Löwenherz konnte den Bolzen sogar noch operativ entfernen.
Aber Treffer von mittelalterlichen Pfeilen waren tückisch. Dabei kamen nämlich auch viele Bakterien in die Wunde. Diese Erreger konnten sowohl von dem Geschoss selbst wie auch von Fasern der Kleidung der getroffenen Personen stammen und wurden mit in den Wundkanal getragen.
Bei Richard Löwenherz entwickelte sich wie bei vielen Opfern von solchen Waffen der sogenannte Wundbrand. Das ist ein Oberbegriff für zunächst lokale Infektionen einer Wunde, die sich dann aber zu einer Sepsis entwickeln. Dieser Begriff wiederum steht allgemein für weitreichende Komplikationen. Der Tod tritt dann beispielsweise durch zu hohes Fieber ein.
Richard Löwenherz verstarb am 06. April 1199 an den Folgen des Wundbrands im Feldlager vor der Burg Châlus-Chabrol. Damit gehörte er zu den ganz wenigen Königen des hohen Mittelalters, die noch im Kampf getötet wurden.
Es war eine letzte Ironie des Schicksals im Leben des leichtsinnigen Angebers. Denn Richard Löwenherz starb aus Fahrlässigkeit einen qualvollen Tod und zwar durch eine damals verpönte Waffe, deren Ausbreitung er selbst massiv gefördert hatte.
Das Gehirn und die Eingeweide von Richard Löwenherz wurden in Charroux beigesetzt. Sein Herz wurde in der Kathedrale von Rouen bestattet. Dort erhielt er eine für diese Zeit sehr ungewöhnliche Grabdarstellung als liegender Toter mit Kopfkissen und Fußstütze.
Als sein Nachfolger bestieg nun Johann Ohneland den Thron von England. Der hatte zwar einen sehr viel schlechteren Ruf, verstand jedoch deutlich mehr von den Aufgaben eines Regenten.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Wilhelm der Eroberer wurde 1027 oder 1028 in Falaise geboren. Er stammte aus dem skandinavischen Wikinger-Geschlecht der Rolloniden. Sie kontrollierten zu diesem Zeitpunkt bereits seit über hundert Jahren die französische Kanalküste.
Ab dem Jahr 1035 war er selbst dann als Wilhelm II. der Herzog der Normandie. Doch 1066 setzte dieser Nachfahre von Jarl Rollo selbst die Segel und überquerte mit einer Streitmacht den Ärmelkanal.
Wilhelm der Eroberer auf dem Teppich von Bayeux (gemeinfrei)
In der Schlacht bei Hastings besiegte er Harold II., den König der Angelsachsen. Mit einer Streitkraft von ursprünglich nur grob 10.000 Mann gelang dem Herzog der Normandie schließlich die Besetzung von ganz England.
Noch im Jahr 1066 ließ er sich in der Westminster Abbey zum englischen König krönen. Aus Wilhelm II. der Normandie wurde so Wilhelm I. von England. Die Nachwelt kennt ihn aufgrund seiner militärischen Erfolge jedoch als Wilhelm der Eroberer.
Bei dieser normannischen Eroberung der britischen Hauptinsel war vor allem der rasante Bau von zahlreichen Burgen ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Die wichtigste Anlage dieses Bauprogramms war der mächtige White Tower of London. Mit dessen Errichtung begann Wilhelm der Eroberer bereits kurz nach seiner Ankunft.
Darüber hinaus lockte Wilhelm der Eroberer mit großen Versprechen viele weitere Normannen nach England. Sie ersetzten binnen weniger Jahre den einheimischen Adel und bildeten dabei selbst eine abgeschlossene Elite, um das Königreich auszubeuten.
Die Herrschaft von Wilhelm dem Eroberer war auch deshalb von zahlreichen Aufständen geprägt. Darüber hinaus wurde sein Herzogtum in der Normandie immer wieder bedroht.
Im Jahr 1087 ließ Wilhelm der Eroberer deshalb ein Grundbuch für England entwickeln. In diesem sogenannte Domesday Book wurden die Wirtschaftsgüter und Wehrpflichtigen systematisch erfasst. Zur damaligen Zeit war das eine innovative Verwaltungsreform, die die Steuererhebung und Mobilisierung entscheidend verbesserte.
Häufige Fragen zu Wilhelm dem Eroberer (FAQs)
Was sind Normannen und Angelsachsen? Normannen waren ursprünglich Wikinger, die im 10. Jahrhundert die französische Kanalküste besetzten. Angelsachsen waren ursprünglich Germanen, die während der Völkerwanderungszeit nach England kamen.
Wie eroberte Wilhelm England? Er überquerte mit 7.000 Mann den Ärmelkanal und siegte am 14. Oktober 1066 in der Schlacht bei Hastings gegen Harald Godwinson. Anschließend baute er zahlreiche Burgen, um seine Herrschaft zu sichern.
Warum eroberte Wilhelm England? Er hatte einen aus seiner Sicht legitimen Anspruch auf den englischen Thron.
War Wilhelm der Eroberer ein Wikinger? Er stammte aus dem Wikinger-Geschlecht der Rolloniden.
Wo wurde Wilhelm der Eroberer gekrönt? Am Weihnachtstag 1066 wurde Wilhelm in der Westminster Abbey nach altem Brauch zum König der Engländer gekrönt.
Was war die Todesursache von Wilhelm dem Eroberer? Er starb langsam und qualvoll am 09. September 1087 entweder an den Folgen einer Erkrankung oder einer Verletzung.
Wilhelm der Bastard – Haus der Rolloniden
Rollo – Herzog der Normandie
Der spätere König Wilhelm I. von England stammte aus dem normannischen Haus der Rolloniden. Sie hatten ihre Wurzeln in Skandinavien und plünderten ursprünglich mit ihren Wikingerschiffen an der französischen Kanalküste.
Vom fränkischen Kaiser Karl dem Dicken konnte der Ahnherr Jarl Rollo erfolgreich einen Tribut von 350 Kilogramm Silber einfordern, was wesentlich zu dessen Sturz im Jahr 887 beitrug. Nach diesen anfänglichen Erfolgen wurden die Nordmänner in der reichen Region sesshaft und behaupteten sich auch zu Land.
Grab von Jarl Rollo im Notre-Dame de Rouen (Raimond Spekking / CC-BY-SA 4.0)
Jarl Rollo verteidigte die Besitzungen dann sehr zäh in der Belagerung von Chartres im Jahr 911. Mit dieser Kampfkraft empfahlen sie sich König Karl dem Einfältigen als wertvolle Vasallen. Nach einer Verhandlung wurde Rollo dann ganz offiziell zum Herzog der Normandie ernannt und akzeptierte im Gegenzug den französischen König als seinen Lehnsherren.
Jarl Rollo legte mit diesem militärischen und auch diplomatischen Erfolg den Grundstein für eine der größten Dynastien des Mittelalters. Neben der späteren Eroberung von England sollte es den umtriebigen Nachkommen von Rollo auch gelingen, das Königreich Sizilien und das Fürstentum Antiochia einzunehmen.
Die Rolloniden starben zwar bereits 1167 im Mannesstamm aus. Doch Nebenlinien gehören beispielsweise durch das Haus Windsor bis heute zu den königlichen Familien Europas.
Wilhelm II. – Bastard von Robert dem Großartigen
Nach der Gründung des Herzogtums der Normandie im Jahr 911 war der spätere König Wilhelm I. von England der siebte Herzog aus dem Haus der Rolloniden.
Jarl Rollo (911 bis 931)
Wilhelm I. Langschwert (931 bis 942)
Richard I. Ohnefurcht (942 bis 996)
Richard II. der Gute (996 bis 1026)
Richard III. (1026 bis 1027)
Robert I. der Prächtige (1027 bis 1035)
Wilhelm II. der Eroberer (1035 bis 1087)
Zwischenzeitlich gerieten die Rolloniden als Herzöge der Normandie jedoch sehr unter Druck. Rollos Sohn Wilhelm Langschwert wurde nämlich 942 während einer Verhandlung erschlagen.
Sein damals noch minderjähriger Sohn Richard Ohnehfurcht geriet in Gefangenschaft. Doch Harald Blauzahn aus dem Geschlecht der dänischen Jellinge leistete seinen skandinavischen Vettern handfesten Beistand und restaurierte die Position der Rolloniden.
Das gute Verhältnis des dänischen und des normannischen Hauses blieb lange bestehen. Der Vater des späteren Königs Wilhelm I. von England war dann auch mit Prinzessin Estrid von Dänemark verheiratet. Diese Ehe blieb allerdings kinderlos.
Mit der Gerberstochter Herleva hatte Herzog Robert I. der Prächtige jedoch zwei Kinder, den Sohn Wilhelm und die Tochter Adelheid. Damit war Wilhelm der Eroberer ein Bastard, was seine politischen Feinde auch gerne betonten.
Daher auch die Bezeichnung als „Wilhelm der Bastard“. Für ihn persönlich war die uneheliche Abstammung jedoch kein Problem. Viele normannische Herzöge entstammten solche Verbindungen aus Leidenschaft nach der „dänischen Sitte“, dem more danico.
Attentate auf das unmündige Kind
Im Jahr 1034 brach Robert der Prächtige zu einer Pilgerfahrt nach Jerusalem auf. Die Reise sollte er nicht überleben. Für den Fall seines Todes hatte er jedoch vor der Abreise die Adeligen seines Herzogtums auf Wilhelm einschwören lassen.
Auch der französische König gab dieser Nachfolgeregelung seinen Segen. Darüber hinaus wurden dem unmündigen Kind mehrere Berater zur Seite gestellt.
Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1035 kam es jedoch zu zahlreichen Anschlägen auf das Leben von Wilhelm. Seine Berater wurden dabei nach und nach getötet.
Der Haushofmeister Osborn wurde beispielsweise bei einem Kampf im Schlafzimmer des jungen Wilhelm erschlagen. In der Folge übernahm zunächst der französische König die Regierung über das Herzogtum der Normandie.
Letztlich sollte es sogar bis zum Jahr 1060 dauern, bis sich Wilhelm als souveräner Herzog der Normandie behaupten konnte. Bis dahin musste er blutige Machtkämpfe überstehen und sich auch aus der Abhängigkeit von seinem Monarchen befreien.
Wilhelm als Herzog der Normandie
Wilhelm gab als Herzog der Normandie eine stattliche Figur ab. Anhand seiner sterblichen Überreste schätzte man seine Körpergröße zu Lebzeiten auf etwa 1,73 bis 1,75 Meter. Damit war er für seine Zeit relativ groß.
Wappen der Herzöge der Normandie (Sodacan / CC-BY-SA 3.0)
Entsprechend der normannischen Gepflogenheiten trug Wilhelm keinen Bart. Sein Haupthaar war kurz geschnitten und hinter den Ohren rasiert.
Unter seiner Führung entwickelte sich das Herzogtum der Normandie zu einer reichen Gegend. Als Hauptstadt erwählte er Caen. Dort errichte Wilhelm einen stolzen Regierungssitz und suchte sich eine passende Ehefrau.
Mit Mathilde von Flandern fand er die Traumpartnerin. Sie war nicht nur die Tochter eines ebenfalls sehr mächtigen und befreundeten Herzogs. Die Beiden liebten sich offenkundig und Wilhelm hatte wohl zeitlebens keine Mätresse neben seiner Gemahlin.
Nur Papst Leo IX. wollte die Ehe verhindern, da eine Verwandtschaft fünften Grades vorlag. Damit war es nach dem Kirchenrecht eine inzestuöse Verbindung. Doch der Herzog der Normandie ließ sich nicht abhalten und heiratete Mathilde im Jahr 1050 (oder 1051).
Das Paar gründete später das Frauen- und das Herrenkloster von Caen. Das verbesserte die Beziehung zur römischen Kirche dann wieder.
Wilhelm pflegte als Herzog der Normandie eine standesgemäße Hofhaltung und empfing zahlreiche Persönlichkeiten des europäischen Hochadels. Besonders gut war seine Beziehung zu Eduard dem Bekenner, dem angelsächsischen König von England. Das war ein Nachfahre von Alfred dem Großen.
Die Freundschaft von Eduard dem Bekenner und dem Herzog der Normandie war sogar so gut, dass Wilhelm von dem Engländer als Nachfolger bestimmt wurde. Damit war eine Legitimation für die spätere Eroberung aufgebaut worden. Doch Eduard war nur leider ein sehr schwacher König, der dieses Versprechen wohl diversen Leuten gegeben hatte.
Wilhelm und die Eroberung von England
Meineid des Harold Godwinson
Die Eroberung von England durch den Herzog der Normandie hatte ein langes Vorspiel. Eduard der Bekenner versprach Wilhelm während eines Besuches im Jahr 1051, ihn als seinen Nachfolger auf dem Thron zu bestimmen. Als formale Legitimation für den Thronanspruch wurde die Ehe der Emma von der Normandie mit dem angelsächsischen König Æthelred dem Unberatenen aus dem Jahr 1002 angeführt.
Eduard der Bekenner entsandte dann sogar Harold Godwinson, den Earl of Wessex, in die Normandie. Dieser sollte als eine Art Interimsverwalter nach dem Tod von Eduard den Übergang gestalten.
Zu diesem Zweck legte Harold vor Zeugen auch einen heiligen Schwur ab. Die Zeremonie fand wahrscheinlich in der Krypta der Kathedrale von Bayeux statt. Es gibt eine Überlieferung der Worte, die bei diesem Eid gesprochen worden sein sollen:
Harold Godwinson (Teppich von Bayeux / gemeinfrei)
„Durch diesen Schwur werde ich, Harold, zum Vertreter Wilhelms am Hofe meines Königs Eduard zu dessen Lebzeiten. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um das Königreich England nach dem Tode Eduards in Wilhelms Hände zu übergeben. In der Zwischenzeit vertraue ich seinen Rittern die Burg von Dover an, nachdem sie von mir befestigt wurde sowie weitere Burgen im ganzen Land.“
Zweifellos war der Earl of Wessex zu diesem Eid jedoch gezwungen. Er handelte sicher nicht aus freiem Willen.
Aufgrund der innenpolitischen Situation in England hatte er nämlich einen eigenen Thronanspruch. Doch Harold Godwinson fügte sich zunächst in die Situation.
Am 4. Januar 1066 lag Eduard der Bekenner dann auf seinem Sterbebett und übergab die Herrschaft an Harold. Ob er ihn in Wilhelms Sinn zum Verwalter oder doch zum König ernannte, bleibt ungeklärt. Klar ist nur, dass der alte Eduard am folgenden Tag verstarb.
Harold Godwinson ließ sich dann als Harold II. zum neuen König von England krönen. Aus seiner Sicht handelte der Earl of Wessex dabei wohl rechtmäßig, aber vielleicht war ihm der Eid gegenüber Wilhelm auch einfach egal.
Vorbereitung der Invasion
Am Ostersonntag 1066 versammelte der Herzog Normandie daraufhin seine Barone. Er schwor sie auf einen Feldzug gegen England ein, aber musste hierfür auch zahlreiche Zugeständnisse machen. Den normannischen Adeligen wurden Reichtümer und vor allem auch Ländereien in England versprochen.
Denn von besonderer Bedeutung war, dass Wilhelm die normannischen Barone nur zu 40 Tagen Kriegsdienst im Jahr verpflichten konnte. Die geplante Kampagne nach England sprengte diesen Rahmen natürlich. Deshalb ließen sich die Barone ihre zusätzlichen Dienste teuer bezahlen.
Aus diesem Grund kam es bereits im Vorfeld zu weitreichenden Zugeständnissen an die Gefolgsleute von Wilhelm. Jeder Baron handelte dabei ein eigenes Abkommen insbesondere zur Verteilung der Ländereien aus. Wie sich später herausstellen sollte, wurde bereits damit ein wichtiges Kapitel der gesellschaftspolitischen Geschichte von Großbritannien geschrieben.
Nach dem Treffen am Ostersonntag 1066 bereitete Wilhelm die Invasion von England vor. Genaue Zahlen zu der Flotte und dem Heer sind jedoch leider nicht überliefert. Die Schätzungen bewegen sich um 10.000 Mann. Davon waren wahrscheinlich etwa ein Viertel Berittene.
Zum Transport von Männern und Material wurden grob 1.000 Schiffe auf einer Großbaustelle gezimmert. Dort wurden pro Tag alleine 30 Tonnen Weizen für Brot sowie weiteres Getreide und 36 Hektoliter Wein verbraucht.
Im April 1066 erschien der Halleysche Komet. Dabei handelt es sich um einen periodischen Kometen, der alle 75,3 Jahre an der Erde vorbeifliegt. Die nächste Ankunft wird am 28. Juli 2061 erwartet. Für die abergläubischen Menschen des Mittelalters war dieses Phänomen jedoch ein dunkler Vorbote für einen großen Umbruch.
Nach der rätselhaften Himmelserscheinung und einem langen Sommer der Vorbereitung stieg die Nervosität im Lager des Herzogs der Normandie. Doch dieser wartete mit der Überfahrt nicht nur auf günstige Winde, sondern auch auf einen Überfall durch Wikinger im Norden von England.
Angriff der Norweger bei York
Der neue englische König Harold II. legte sich durch seine Thronbesteigung nicht nur mit Wilhelm an. Sein Bruder Tostig Godwinson hatte sich nämlich daraufhin mit dem norwegischen König Harald Hardrade verbündet, um selbst wieder Earl von Northumbrien werden zu können.
Münze von Harald Hardråde – König von Norwegen (gemeinfrei)
Der norwegische König versammelte deshalb im Sommer 1066 ebenso wie der Herzog der Normandie eine Invasionsstreitkraft. Dank seiner Kontakte und Spione war Wilhelm über den bevorstehenden Angriff der Wikinger auf England informiert.
Ganz bewusst überließ er ihnen den ersten Zug in diesem großen Schachspiel um den Thron von England. Die Norweger steuerten jedoch zunächst die Orkney Inseln an.
Harald Hardrade landete erst Mitte September 1066 in der Nähe von York in der Grafschaft von Northumbrien. Die angelsächsischen Verteidiger des Königreiches England eilten daraufhin in den Norden.
Am 25. September 1066 kam es dann zur Schlacht bei der Stamford Bridge. Das blutige Gefecht wurde wohl bereits im ersten Treffen entschieden. Das angelsächsische Heerwesen war den Wikingern inzwischen weit überlegen und zeigte sich in seiner vollen Blüte.
Harald Hardrade und der verräterische Tostig Godwinson wurden getötet. Die Wikinger erlitten eine schwere bis vernichtende Niederlage. Sie stellten anschließend nie wieder eine Bedrohung für England dar. Die Schlacht an der Stamford Bridge markierte damit das Ende der fast 300 Jahre langen Phase der Wikinger-Einfälle.
Englische Historiker resümierten im Jahr 2005: „Stamford Bridge was a crushing blow to Norse power. […] their kingdom’s military resources had been so depleted that it took almost a generation to recover from the slaughter of its warrior elite outside York.“
Doch diese Schlacht im Norden von England hatte zugleich auch die Südküste entblößt. Wilhelm hörte schon bald vom Marsch der Angelsachsen nach Northumbrien und stach nun selbst in See.
Aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit verlief die Überfahrt nicht mehr ganz problemlos. Die Flotte des Herzogs der Normandie zerstreute sich zunächst, als dichter Nebel über dem Ärmelkanal aufkam.
Aber den Normannen gelang schließlich die Landung an der Südküste von England am Strand von Pevensey. Am 28. September 1066 waren sie nun unweit von Hastings angekommen.
Bei Pevensey wurde Wilhelm von ortskundigen Mönchen beraten. Sie zeigten ihm ein römisches Lager aus dem 4. Jahrhundert dessen Mauerreste sogar bis heute erhalten sind. Dort errichten die Normannen auch umgehend einen Beobachtungsturm, um das Gelände überblicken zu können.
Schlacht bei Hastings 1066
Am Tag nach der Landung am 28. September 1066 marschierte Wilhelm mit seinen Soldaten die Küste entlang nach Hastings. Auf dem Teppich von Bayeux erkennt man den Bau von zwei befestigten Lagern, um das Gebiet zu sichern.
Karte der Schlacht von Hastings (US Army / gemeinfrei)
Das Baumaterial für diese Anlagen hatte der Herzog der Normandie extra auf seinen Schiffen mitgeführt. Diese Fortifikationen konnten deshalb sehr schnell errichtet werden.
Die erschöpfte, aber dennoch hoch motivierte Armee der Angelsachsen bewegte sich derweil in einem Gewaltmarsch wieder nach Süden. König Harold II. musste sich so beeilen, weil auch ein großer Teil seiner Streitmacht nur für eine begrenzte Zeit zum Kriegsdienst verpflichtet war:
Die Huscarle waren Adelige, die zu einer Schlacht ritten, um dort jedoch als schwere Infanterie zu kämpfen. Sie waren die Elite der angelsächsischen Armee und nutzten als taktische Formation häufig den Schildwall der germanischen Krieger. Darüber hinaus waren Äxte bei diesen Huscarlen weit verbreitet. Dazu gehörten sowohl Wurfäxte wie auch Hiebwaffen mit langen Stielen, die sogenannten „dänischen Äxte“.
Die Fyrd war die Miliz der freien Bauern. Sie waren für ihre Ausrüstung selbst verantwortlich und deshalb häufig nur mit Speeren oder Knüppeln bewaffnet. Meist fehlte auch die Rüstung. Die Dienstzeit in der Fyrd war auf wenige Wochen im Jahr begrenzt. Die Verpflichtung der Männer galt auch nur dem Heerführer und erlosch mit dessen Tod.
Am 14. Oktober 1066 trafen die Armeen von Wilhelm dem Eroberer und König Harold II. bei Hastings aufeinander. Die Angelsachsen positionierten sich zunächst sehr vorteilhaft auf einem etwa 40 Meter hohen Hügel. Nach Wilhelm von Poitiers, dem Chronisten des Eroberers, begann die Schlacht von Hastings dann um 9 Uhr morgens:
Die Normannen setzen zunächst ihre Bogenschützen ein. Doch den Pfeilen fehlte es an Reichweite, um die höher positionierten Angelsachsen hinter ihrem Schildwall ernsthaft bedrohen zu können.
Wilhelm der Eroberer ließ deshalb seine Infanterie vorrücken und die Reiterei angreifen. Doch auch nach etwa zwei Stunden war die Stellung von Harold II. auf dem Hügel noch nicht gebrochen. Darüber hinaus musste er große Verluste durch Wurfgeschosse der Engländer hinnehmen.
Auf der linken normannischen Flanke brachte dann der Flügel der Bretonen die Wendung. Sie näherten sich zunächst der feindlichen Linie, um dann einen vorgetäuschten Rückzug anzutreten. Daran brach die Disziplin der englischen Huscarle. Sie setzten nach und lösten damit ihren Schildwall auf.
Unter der persönlichen Führung von Wilhelm dem Eroberer stoppten die Bretonen das Täuschungsmanöver und wandten sich gegen die nachsetzenden Huscarle. Dabei wurden sie von den normannischen Reitern unterstützt, die mit ihren Lanzen die einzelnen Huscarle leicht attackieren konnten.
Während dieser Aktion wurde das Pferd von Wilhelm tödlich getroffen und begrub den Herzog unter sich. Er konnte sich befreien und warf seinen eigenen Worten nach den nächstbesten Ritter von seinem Tier, um selbst wieder über ein Pferd zu verfügen. Dann nahm er seinen Helm ab, um allen zu zeigen, dass er noch lebt und die Gefahr nicht fürchtet. Im Nachgang der Schlacht von Hastings nutzte er diesen Zwischenfall, um sich als Held zu inszenieren.
Anschließend versuchte Wilhelm der Eroberer erneut mit Bogenschützen und Fußsoldaten den Hügel zu stürmen. Doch erneut scheiterten die Normannen am Schildwall der Angelsachsen. In der Folge kam es zunächst zu einer kurzen Unterbrechung der Kampfhandlungen, um Verwundete und Tote vom Feld zu räumen.
In diesem Intermezzo soll Wilhelm der Eroberer vier ausgewählte Männer zu sich gerufen haben. Er befahl ihnen, beim nächsten Angriff, den Schildwall zu durchbrechen und König Harold II. gezielt zu töten.
Nach einer etwa 7-stündigen Schlacht wurde Harold II. dann tatsächlich getötet. Bis heute ist jedoch strittig, ob er von einem Pfeil im Augen getroffen oder durch den Schwerthieb eines Reiters getötet erlag. Auch ob dies ein Erfolg des Killerkommandos war, ist nicht überliefert.
Mit dem Tod von Harold II. waren die Männer der Fyrd von ihrem Kriegsdienst entbunden. Das Heer der Angelsachsen löste sich auf und die Fliehenden wurden von der normannischen Kavallerie niedergemacht. Das Gemetzel endete gegen 18 Uhr.
Die Verluste der beiden Seiten können jedoch nur schwer geschätzt werden. Man kann aber sicher sein, dass die Schlacht bei Hastings ein schreckliches Blutbad war. Als überzeugter Christ ließ Wilhelm der Eroberer später eine Kirche auf dem Schlachtfeld errichten, um dem lieben Gott für diesen großartigen Erfolg zu danken.
Erste normannische Burgen
Nach dem Sieg in der Schlacht von Hastings am 14. Oktober 1066 zog Wilhelm der Eroberer jedoch nicht sofort nach London. Zunächst ließ er seine Truppen in Süd-England Beute machen und erfüllte damit erste Versprechen vom Ostersonntag gegenüber seinen Baronen.
White Tower of London – Sitz von Wilhelm dem Eroberer (gemeinfrei)
Nach den Plünderungen zog Wilhelm der Eroberer nach London. Dort ließ er seine Männer zunächst ein befestigtes Lager errichten. Die Anlage wurde zum heute weltbekannten White Tower of London weiterentwickelt. Der Baumeister hieß Gundulf und diente wohl als Vorbild für die Namensgebung des Gandalf im Fantasie-Epos von Tolkien: „Der Herr der Ringe“.
Bei dem White Tower handelt es sich um einen normannischen Keep, der sich durch sein wuchtiges Mauerwerk auszeichnet. Aufgrund der repräsentativen Lage an der Themse eignete sich die weiß gekalkte Burg auch ideal als Regierungssitz.
Zweifellos war die langfristige Bedeutung des Tower of London bereits beim Bau bedacht worden. Gundulf integrierte die Aborte nämlich alle auf der Nordseite, so dass nur die städtische Bevölkerung den Anblick von herablaufenden Exkrementen ertragen musste.
Doch Wilhelm der Eroberer wusste seine militärische Macht auch in der räumlichen Tiefe zu festigen. Umgehend wurden weitere Burgen errichtet, so dass man strategische Punkte mit wenigen Soldaten halten konnte. Die Normannen nutzten hierfür meist einen besonderen Typ, die Motte.
Windsor Castle war ursprünglich eine Motte von Wilhelm dem Eroberer. (gemeinfrei)
Eine Motte beziehungsweise eine Motte-and-Bailey-Castle zeichnete sich durch einen runden Graben aus, dessen Aushub im Zentrum zu einem Hügel aufgeworfen wurde. Der Graben einer solchen Turmkegelburg hatte meist einen Durchmesser von etwa 20 bis 30 Metern.
Eine hölzerne Motte konnte angeblich in zehn Tagen errichtet werden. Gegebenenfalls vorhandene Wirtschaftsgebäude wurden dann mit einer Mauer umgeben, der Bailey. Das wohl prominenteste Beispiel einer noch existierenden Motte aus der Zeit von Wilhelm dem Eroberer ist der (inzwischen) steinerne Hauptturm von Windsor Castle.
Dieser Burgenbau der Normannen entwickelten sich in den Jahren seiner Herrschaft zu einem regelrechten Boom. Nach der intensiven Bautätigkeit zur Abwehr der Wikinger gegen Ende des 9. Jahrhunderts gab es laut den Aufzeichnungen im „Burghal Hidage“ insgesamt 33 Burgen im Süden und im Zentrum von England.
Bis zur Ankunft von Wilhelm dem Eroberer war die Zahl der Burgen auf etwa 50 Stück gewachsen. Bis 1100 hatte sich diese Zahl in etwa verzehnfacht.
Krönung als König Wilhelm I. von England
Wilhelm der Eroberer wurde dann bereits am Weihnachtstag des Jahres 1066 in der Westminister Abbey zum König von England gekrönt. Der Herzog der Normandie soll hierfür noch intensiv die Sprache seiner neuen Untertanen gelernt haben, denn er musste seinen Eid als König auf Englisch und auf Latein ablegen.
Doch Wilhelm der Eroberer traute dem Frieden wohl noch nicht so recht. Im Vorfeld hatte er das ganze Stadtviertel mit seiner Reiterei gesichert. Als die Zeugen der Zeremonie in der Westminister Abbey schließlich ihren neuen König bejubelten, hielten die normannischen Soldaten das Geschrei für Kampfgetümmel.
Kurzerhand zündeten die Reiter dann das Viertel an. Das Feuer entwickelte sich zu einem Großbrand und zerstörte schließlich weite Teile von London. Wilhelm der Eroberer ging zwar körperlich unversehrt aus den Ereignissen hervor, die Zerstörung der Hauptstadt am Krönungstag wurde von Zeitgenossen jedoch als denkbar schlechtes Omen gewertet.
Teppich von Bayeux und offene Fragen
Wohl ab 1082 ließ Königin Mathilde einen Bildteppich erstellen, um die ruhmreichen Taten ihres Ehemannes Wilhelm zu verewigen. Die Anfertigung geschah wahrscheinlich in Süd-England.
Bei diesem Teppich von Bayeux handelt es sich um eine Stickerei mit beeindruckenden Maßen. Das Kunstwerk ist bis heute erhalten und wird in Bayeux ausgestellt. Es ist die wichtigste Bildquelle aus der Zeit der normannischen Eroberung.
Höhe: 48 bis 52 Zentimeter
Länge: 68,38 Meter
Insgesamt wurden mindestens 45 Kilo Wolle für den Teppich verarbeitet. Für die Stickereien wurde Garn in zehn verschiedenen Farben verwendet. In 58 Szenen finden sich auf dem Teppich von Bayeux eine Vielzahl von Abbildungen und auch Text-Elemente:
623 Menschen
202 Pferde
55 Hunde
505 andere Tiere
27 Gebäude
41 Schiffe
49 Bäume
Beginnend mit Eduard dem Bekenner wird die Geschichte der Eroberung von England erzählt. Dabei wird beispielsweise die Vorbereitung der Invasion dargestellt und anschließend die Überquerung des Ärmelkanals. Schließlich wird auf die Schlacht bei Hastings eingegangen.
Dennoch wirft der Teppich von Bayeux auch Fragen auf. Zunächst gibt es unterschiedliche Interpretationen einzelner Szenen wie hinsichtlich des Versprechens auf den Thron durch Eduard an Wilhelm den Eroberer im Jahr 1051.
Aber vor allem endet der Teppich von Bayeux mit dem Tod von König Harold II. und dem anschließenden Massaker an den fliehenden Soldaten in der Schlacht bei Hastings. Es ist schleierhaft, wieso die Geschichte nicht bis zur Krönung von Wilhelm dem Eroberer in Westminster Abbey erzählt wird.
Möglicherweise ist ein Teil des Teppichs verloren gegangen. Manche Historiker spekulieren aber auch aus weiteren Gründen, dass die Einnahme von London im Jahr 1066 eben nicht friedlich verlief, sondern sehr blutig war. Vielleicht haben die Angelsachsen noch ein letztes Aufgebot mobilisiert und sich auf der Stadtmauer gegen die Normannen verteidigt.
Angesichts der zahlreichen Spannungen im Land war es für Wilhelm den Eroberer aber sicher sinnvoll, seinen Sieg bei Hastings als das Ende der Geschichte darzustellen. Insofern kann es sich auch um eine bewusste Manipulation handeln.
Aufstände in England und der Normandie
Das große Problem von Wilhelm dem Eroberer nach seiner Krönung war jedoch, dass er nicht an mehreren Orten zugleich sein konnte. Wenn er sich in der Normandie aufhielt, revoltierten die Engländer und umgekehrt.
Auch der rasante Bau von Burgen konnte die Rebellionen letztlich nicht verhindern. Selbst mit seinem Bruder und Vizekönig, dem Bischof Odo von Bayeux, geriet Wilhelm der Eroberer schließlich in einen schweren Konflikt.
Hinzu kamen die Gefahren durch andere Machthaber. Der französische König bedrohte sein Herzogtum in der Normandie und auch das norwegische Königshaus hatte den Anspruch auf England noch nicht aufgegeben.
Wilhelm der Eroberer stand deshalb stets unter militärischem Druck. Aus diesem Grund war er entscheidend auf eine effiziente Steuererhebung sowie das Rekrutieren von Wehrpflichtigen angewiesen.
Domesday Book – Grundbuch von England
Im Jahr 1086 ließ Wilhelm der Eroberer ein Grundbuch für England erstellen. Dieses Verzeichnis sollte die Steuerschätzung und die Mobilisierung von Wehrpflichtigen verbessern.
Die offizielle Bezeichnung des Werkes war „Book of Winchester“. Das Original ist bis heute erhalten und befindet sich im National Archiv in London.
In diesem Book of Winchester wurden die wirtschaftlichen Güter von 13.418 Siedlungen erfasst, die sich bis zur damaligen Grenze zu Schottland an den Flüssen Ribble und Tees erstreckte. Wilhelm der Eroberer ging damit sehr viel weiter als Alfred der Große, dessen Erfassung von Grund in den 880er Jahren später im „Burghal Hidage“ aufgelistet wurde.
Eine Seite aus dem Domesday Book von Wilhelm dem Eroberer (gemeinfrei Bild)
Das „Domesday Book“ war nämlich umfassender, sehr viel detaillierter und bezifferte beispielsweise auch den Bestand an Vieh sowie die Zahl der Wehrpflichtigen. Die schriftliche Fixierung solcher Zahlen wurde von den Einheimischen deshalb als Tag des jüngsten Gerichts, als Domesday, bezeichnet.
Mit diesem Domesday Book von Wilhelm dem Eroberer wurde aber nicht nur die steuerliche Verwaltung von England auf eine neue Grundlage gestellt. Zugleich wurden in dem Werk weitere Regeln erlassen. Diese waren sehr einseitig und dienten vor allem den Interessen der neuen Machthaber.
Beispielsweise erließ Wilhelm der Eroberer strafrechtliche Bestimmungen für den Bruch des Königsfriedens, Raub und Einbruch.
Befremdlicherweise musste aber auch jemand, dessen Haus wegen eines Unfalls niederbrannte, Schadensersatz an den König zahlen. Der Hintergrund für eine solche Regelung war, dass Wilhelm der Eroberer mit dem Domesday Book jeglichen Eigenbesitz (Allodialbesitz) abschaffte und das ganze Land seiner Lehenshoheit unterwarf.
In dem Zusammenhang steht wohl auch eine Steuer auf Eheschließungen, die im Domesday Book aufgeführt ist. Dabei handelte es sich jedoch möglicherweise nur um eine regionale Tradition, weil sie nur im Zusammenhang mit der Ortschaft Shrewsbury erwähnt wird. Die Logik war, dass eine Frau durch die Ehe dem Lehnsherr als Arbeitskraft entzogen wird.
Damit schuf Wilhelm der Eroberer das geschlossenste Feudalsystem im gesamten mittelalterlichen Europa. Die einzige Grenze dieses Machtanspruches war eine Gewährleistung der Erblichkeit von verliehenen Lehen sowie eine Begrenzung der Erbschaftssteuer.
Der Effekt war, dass sich in England eine isolierte Aristokratie von etwa 100 Familien bildete, die fast ausschließlich normannischer Herkunft war. Innerhalb dieser Gruppe wiederum hatten elf Blutsverwandte von Wilhelm dem Eroberer ganz besonders profitiert und die Hälfte aller weltlichen Lehen erhalten:
Odo von Bayeux, Earl of Kent
Robert von Mortain, Earl of Cornwall
William FitzOsbern, Earl of Hereford
Roger de Montgomerie, Earl of Arundel und Earl of Shrewsbury
William de Warenne, 1. Earl of Surrey
Hugh d’Avranches, 1. Earl of Chester
Eustach III. von Boulogne
Alain der Rote, Earl of Richmond
Richard de Bienfaite, Lord of Clare und Tonbridge
Geoffroy de Montbray, Bischof von Coutances
Geoffrey de Mandeville, Konstabler des Towers
Tod, Beerdigung und Nachfolge
Wilhelm der Eroberer wurde im Herbst seines Lebens stark fettleibig. Er hatte an Ansehen unter den europäischen Machthabern verloren und musste sich an zahlreichen Fronten verteidigen.
Im Jahr 1087 führte er einen letzten Feldzug gegen den König von Frankreich. Dieser hatte im Herzogtum der Normandie die Grafschaft Évreux eingenommen und das Umland geplündert.
Wilhelm dem Eroberer gelang jedoch im Spätsommer der Gegenschlag. Er konnte die Stadt Mantes einnehmen, plündern und niederbrennen.
Grabplatte von Wilhelm dem Eroberer (Urban / CC-BY-SA 3.0)
Schon beim Einzug in die Stadt litt Wilhelm der Eroberer unter starken Schmerzen. Es ist jedoch nicht bekannt, ob diese auf eine Erkrankung oder eine Verwundung zurückgehen.
Wilhelm der Eroberer wurde in der Folge bettlägrig. Er soll dann einen langsamen und qualvollen Tod gestorben sein. Er blieb dabei jedoch bei klarem Verstand und konnte Anweisungen zu seiner Nachfolge geben.
Den Thron von England vermachte er seinem zweiten Sohn Wilhelm II. Rufus. Weil mit Rebellionen zu rechnen war, verließ der Nachfolger das Sterbebett, um persönlich vor der Nachricht des Todes seines Vaters bereits auf der britischen Insel zu sein.
Wilhelm der Eroberer befahl außerdem eine große Spende an die Armen sowie die Freilassung von Gefangenen. Dann erhielt er noch die Absolution und die letzte Ölung. Am frühen Morgen des 9. September 1087 verstarb er schließlich.
„Hic sepultus est invictissimus Guillelmus conquestor Normanniae dux et Angliae rex hujusce domus conditor qui obiit anno MLXXXVII.“
„Hier begraben ist der gänzlich unbesiegte Wilhelm der Eroberer, Herzog der Normandie und König Englands, der Begründer dieses Hauses, der im Jahre 1087 verstorben ist.“
Der Leichnam wurde in die Kathedrale von Caen überführt. Dort soll es dann noch zu einer schauerlichen Szene gekommen sein:
Wilhelm der Eroberer war so dick, dass er nicht vollständig in den Sarg passte. Als man mit Kraft versuchte, den Deckel zu schließen, platzte der Körper auf. Der Geruch in der Kathedrale war dann so ekelhaft, dass selbst der verstärkte Einsatz von Weihrauch keine Abhilfe mehr schaffen konnte.
Es ist aber auch gut möglich, dass diese letzte Geschichte über Wilhelm den Eroberer nur feindliche Propaganda war. Derartige Behauptungen über die Leichen von mittelalterlichen Herrschern erzählt man gerne, um eine Abkehr Gottes von den jeweiligen Personen zu unterstellen. Beispielsweise wurden über Friedrich den Staufer nach seinem Tod ganz ähnliche Gerüchte verbreitet.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Kaiser Friedrich II. mit Falke um 1240 (gemeinfrei)
Bereits im Alter von vier Jahren wurde Friedrich II. der Staufer zum König von Sizilien ernannt. Die Frühphase seines Lebens war jedoch keinesfalls unbelastet.
Nach dem Tod seines Vaters im Jahr 1197 und der Ermordung seines Onkels Philipp von Schwaben im Jahr 1208 kam es zunächst zum Aufwind für die Opposition gegen den Staufer.
Erst nach etwa vier Jahren konnte sich Friedrich II. der Staufer als römisch-deutscher König durchsetzen. Dann dauerte es noch weitere acht Jahre bis der Staufer 1220 in Rom zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (HRR) gekrönt wurde.
Die Herrschaft von Friedrich II. dem Staufer war dennoch von schweren Konflikten mit dem Papsttum geprägt. Im Jahr 1227 wurde er von Papst Gregor IX. exkommuniziert, weil er den versprochenen Dritten Kreuzzug noch nicht begonnen hatte.
Noch unter dem Kirchenbann zog Friedrich II. der Staufer dennoch zur Befreiung von Jerusalem aus. Aber er wählte nicht den militärischen Weg. Er verhandelte zum großen Missfallen des Papstes ein diplomatisches Abkommen mit Sultan al-Kamil.
Friedrich II. der Staufer glänzte außerhalb der Politik mit seinem wissenschaftlichen Interessen und den Kenntnissen der Falkenjagd. Eine persönlich verfasste Anleitung dient bis heute als Leitfaden für diese elitäre Beschäftigung.
Dank seiner zahlreichen Talente entwickelte sich Friedrich II. der Staufer zu einem von Freunden bewunderten Freigeist und Vordenker seiner Zeit. Dafür erhielt er den Beinamen stupor mundi – Staunen der Welt.
Friedrich der Staufer starb am 13. Dezember 1250 in Castel Fiorentino bei Lucera in Süd-Italien. In seinen letzten Stunden soll er in das Gewand eines Zisterziensers gekleidet worden sein. Als Todesursache wird eine Blutvergiftung oder Typhus vermutet.
Herkunft und Jugend von Friedrich II.
Staufer und Enkel von Kaiser Barbarossa (HRR)
Berg Hohenstaufen in der Schwäbischen Alb (gemeinfrei)
Friedrich II. stammte aus dem Geschlecht der Staufer. Dabei handelte es sich um eine Linie, die über eine Verbindung mütterlicherseits mit dem vorherigen Königshaus der Salier verwandt war.
Die Familie war als Herzöge von Schwaben sowie als enge Verbündete früherer Könige zu großem Einfluss gekommen. Ihren Namen verdankten sie der nicht mehr erhaltenen Stammburg auf dem Berg Hohenstaufen. Nach dem Ende der alten salischen Königslinie wurden die Staufer das neue Königshaus der Deutschen.
Als zweiter Staufer auf Thron regierte Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Dieser war auch der Großvater von Friedrich II. dem Staufer. Nach langer Regentschaft ertrank er am 10. Juni 1190 während des Dritten Kreuzzugs im Fluss Saleph im Süd-Osten der heutigen Türkei.
Herrschaft des Vaters Heinrich VI. (HRR)
Zunächst konnte sich der älteste Sohn von Barbarossa als Heinrich VI. behaupten. Dieser regierte dann von 1191 bis 1197 als Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (HRR). Im Alter von knapp 40 Jahren brachte seine Ehefrau Konstanze am 26. Dezember 1194 mit Friedrich II. dem Staufer einen Sohn zur Welt.
Eine Schwangerschaft in diesem Alter war im Mittelalter noch sehr ungewöhnlich. Deswegen unterstellten die Feinde der Staufer später, dass Friedrich nur ein untergeschobenes Kind ohne königliche Abstammung sei. Dies konnte aber natürlich nie bewiesen werden.
Die Mutter Konstanze spielte aber auch eine machtpolitische Rolle. Sie war nämlich die Tochter des normannischen Königs Roger II. von Sizilien. Damit entstand ein Anspruch der Staufer auf die Insel im Mittelmeer.
Herrschaft des Onkels Philipp von Schwaben (HRR)
Der junge Friedrich II. der Staufer verlor jedoch 1197 erst seinen Vater und im darauffolgenden Jahr auch seine Mutter. Die Herrschaft im Reich übernahm daraufhin Philipp von Schwaben.
Dabei handelte es sich um den zweiten Sohn von Barbarossa, der damit zugleich auch ein Onkel des kleinen Kindes war. Der Junge war nun jedoch ein Vollwaise mit einem bedeutenden Erbe. In der Folge wurde Friedrich II. der Staufer bereits 1198 zum König von Sizilien ernannt.
Der junge Friedrich soll einer Legende nach seine Kindheit auf den Straßen von Palermo verbracht haben. Tatsächlich erhielt er jedoch eine standesgemäße Ausbildung die beispielsweise Lesen, Reiten und Jagen umfasste. Darüber hinaus zeigte Friedrich II. der Staufer in seinem Leben ein hohes Talent für Sprachen.
Aufgrund seiner Unmündigkeit übernahm Papst Innozenz III. die Vormundschaft für das Kind. Dennoch drückten zunächst normannische Barone unter der Führung des Kanzlers Walter von Pagliara ihre Interessen auf Sizilien durch.
Während der Kindheit von Friedrich II. dem Staufer litt die Monarchie in Sizilien deshalb unter einem Verfall der Zentralgewalt. Die Fürsten der Region wurden selbstständiger, was später noch zu schweren Konflikten führen sollte.
Die Herrschaft seines Onkels Philipp von Schwaben war jedoch von schweren Machtkämpfen im Reich geprägt. Die Opposition versuchte mit Otto IV. einen Sohn des Welfen-Herzogs Heinrich dem Löwen auf dem deutschen Thron zu etablieren.
Die Auseinandersetzung fand im Mai 1208 ein blutiges Ende. Philipp von Schwaben wurde im Rahmen einer Hochzeit durch den deutschen Adligen Otto VIII. von Wittelsbach ermordet.
Beginn des deutschen Thronstreit mit Otto IV.
Unter der Führung von Otto IV. aus dem Geschlecht der Welfen hatte sich bereits 1198 eine starke Opposition gebildet. Bis zum seinem Tod am 19. Mai 1218 war er formal ein Gegenkönig. Der reale Machtkampf endete jedoch bereits vier Jahre früher.
Otto IV. konnte nur eine kurze Zeit lang nach der Ermordung des Philipp von Schwaben unangefochten regieren. Im Jahr 1208 wurde der Welfe zwar von Friedrichs Vormund Papst Innozenz III. zum Kaiser des Reiches gekrönt.
Dennoch stellte der heranwachsende Friedrich in seiner Funktion als König von Sizilien eine Bedrohung dar. Im Jahr 1208 wurde für ihn die Ehe mit Konstanze von Aragón arrangiert. Diese brachte neben politischem Einfluss beispielsweise auch 500 Panzerreiter in die Verbindung ein.
Aber bevor Otto IV. gegen Friedrich II. den Staufer militärisch vorgehen konnte, wurde er am 18. November 1210 exkommuniziert. Der Auslöser für diesen Kirchenbann über den Welfen war ein gebrochenes Versprechen gegenüber dem Papst. Es ging um Ländereien in Italien.
Der Kirchenbann zeigte Wirkung. Außerdem waren die Fürsten des deutschen Reiches nicht an militärischen Eskapaden im Süden von Italien oder auf Sizilien interessiert. Bereits ab dem Sommer 1211 begann der Rückhalt für Otto IV. deshalb spürbar zu bröckeln.
Friedrich II. der Staufer als deutscher König
Königswahl und Konsolidierung der Herrschaft
Mit einer kleinen Gesandtschaft und mit Unterstützung des Papstes zog Friedrich II. der Staufer deshalb über die Alpen. Am 26. September 1212 stellte er als rechtmäßiger Thronfolger seine ersten Urkunden in Deutschland aus. Dafür verwendete er jedoch noch das sizilianische Königssiegel.
Der Dom zu Speyer war die Grablege der deutschen Könige. (gemeinfrei)
Am 5. Dezember 1212 wurde Friedrich II. der Staufer in Frankfurt von den Großen des Reiches zum König der damals etwa acht Millionen Deutschen gewählt. Vier Tage später am 9. Dezember wurde er im Dom von Mainz gekrönt.
Das Jahr 1213 war von einer Konsolidierung der Herrschaft geprägt. In der Bulle von Eger bestätigte Friedrich II. der Staufer beispielsweise einige Zusagen gegenüber dem Papst.
Gegen Ende des Jahres ließ er die sterblichen Überreste seines Onkels Philipp von Schwaben in die königliche Grablege im Dom von Speyer überführen. Dabei handelte es sich um eine aussagekräftige Symbolpolitik.
In machtpolitischen Fragen war die Herrschaft von Friedrich II. dem Staufer gegen Ende des Jahres 1213 jedoch noch nicht gefestigt. Aber dann kam ihm eine spezielle Wendung des Schicksals zu Gute.
Sein Gegner Otto IV. war mit seinem Heer ausgezogen, um seinen britischen Bündnispartner Johann Ohneland zu unterstützen. Doch am 27. Juli 1214 erlitt er in der Schlacht bei Bouvines in Frankreich eine schwere Niederlage.
Die letzten Lebensjahre verbrachte Otto IV. dann ohne größeren Einfluss in Braunschweig, dem Sitz dem Welfen. Für Friedrich II. den Staufer stellte er kein reales Problem mehr dar.
Hoftage und dynastische Nachfolgeregelung
Am 25. Juli 1215 begab sich Friedrich II. der Staufer erstmals nach Aachen. Dabei handelte es sich um den traditionellen Krönungsort der deutschen Könige.
Dort ließ er sich aus symbolischen Gründen erneut zum römisch-deutschen König krönen. An diesem Tag verpflichtete er sich auch, zu einem Kreuzzug auszuziehen, um Jerusalem zu befreien.
Zwei Tage später überführte Friedrich II. der Staufer die Gebeine von Karl dem Großen in den Karlsschrein im Aachener Dom. Dabei handelt es sich um einen prachtvollen Sarkophag, dessen Fertigung durch Goldschmiede über 30 Jahre lang gedauert hatte.
Im November 1215 wurde er auf dem Vierten Laterankonzil auch von der römischen Kirche als König anerkannt. Darüber hinaus wurde die Exkommunikation von Otto IV. bestätigt. Dies trug ebenfalls zur Beendigung der inneren Machtkämpfe bei.
In den folgenden Jahren zog Friedrich II. der Staufer als Reisekönig vor allem durch den Süden von Deutschland. Dabei hielt er sich auch häufig in bischöflichen Städten wie Augsburg oder Würzburg auf.
Friedrich II. der Staufer war früh verheiratet worden, so dass er auch schon einen Sohn gezeugt hatte. Für diesen Nachwuchs bemühte sich der König bereits früh um eine Regelung zur dynastischen Nachfolge.
Dieser Sohn Heinrich war bereits im Alter von einem Jahr zum König von Sizilien ernannt worden. Mit neun Jahren setzte Friedrich II. der Staufer am 26. April 1220 die Wahl des Kindes zum deutschen König durch.
Eine solche Entwicklung ist meist ein Zeichen von besonderer innenpolitischer Stärke zum jeweiligen Zeitpunkt. Tatsächlich sollte später mit Konrad IV. jedoch ein Sohn aus zweiter Ehe zum Erben von Friedrich II. dem Staufer werden.
Herrschaft als römisch-deutscher Kaiser (HRR)
Kaiserkrönung durch Papst Honorius III.
Bereits im Jahr 1216 war Papst Innozenz III. gestorben. Mit Honorius III. hatte sich die römische Kirche zeitnah auf einen Nachfolger einigen können.
Gegen eine Erklärung zum Verzicht auf das Königreich Sizilien stimmte Honorius III. einer Ernennung zum Kaiser zu. Am 22. November 1220 wurden Friedrich II. der Staufer und seine Gemahlin in der Peterskirche gekrönt.
Im Rahmen der Kaiserkrönung erneuerte Friedrich II. der Staufer sein Versprechen, einen Kreuzzug nach Jerusalem zu führen.
Regierungsjahre in Italien und Sizilien
Friedrich II. der Staufer begab sich nach der Krönung zum Kaiser dann doch nach Sizilien. Das dem Papst gegebene Versprechen würde er nicht erfüllen.
Doch Friedrich II. der Staufer präsentierte sich auf Sizilien als ein sehr weitsichtiger Herrscher. Noch im Dezember 1220 erließ er mit den Assisen von Capua eine Sammlung von 20 Gesetzen.
Vor allem zielte er auf die Zerstörung der Burgen der örtlichen Barone. Darüber hinaus erließ er ein absolutes Verbot zur Fehde. Dafür zwang er die Sizilianer unter seine Gerichtsbarkeit.
Mit den Assisen von Messina erließ ein weiteres Paket von Gesetzen, dass auf die Lebensführung zielte. Gotteslästerung und Würfelspiel wurden verboten. Juden und Prostituierte erhielten besondere Kleidungsvorschriften.
Im Jahr 1224 folgte dann sein Ketzeredikt. Dabei handelte er wohl auf Bitten der Bischöfe von Oberitalien. Diese Gesetze galten dem Kampf gegen die Häresie.
Diese Gesetze gegen abweichende Glaubenslehren hatten einen sehr abschreckenden Charakter. Das Entfernen der Zunge oder gar der Tod auf dem Scheiterhaufen waren die Strafen.
Parallel zu dieser Entwicklung konnte Papst Honorius III. den französischen König von der Notwendigkeit des Albigenserkreuzzugs überzeugen. Dabei handelte es sich um eine militärische Kampagne zur Vernichtung der Katharer in Süd-Frankreich.
Wandel des Umgangs mit Muslimen
Noch in den frühen 1220er Jahren war Friedrich II. der Staufer auch mit Waffengewalt gegen Muslime auf Sizilien vorgegangen. Diese hatten sich schwerpunktmäßig im mittleren Westen der Insel in Höhlenburgen verschanzt.
Die Kämpfe waren so kostenintensiv, dass der Kaiser sogar eine Sarazenensteuer erhob. Ab dem Jahr 1224 kam es auch zu groß angelegten Deportationen von Sizilien nach Apulien. Bei dieser Region handelt es sich um Absatz des italienischen Stiefels.
Dort durften die Muslime ihre Religion jedoch frei ausüben. Außerdem konnten sie in Apulien gemäß ihrer eigenen Gesetze leben und sich selbst verwalten. Dies führte zu einem Wandel im Verhältnis.
Die deportierten Muslime arrangierten sich mit der Situation. Sie wurden im Laufe der Jahre sogar sehr treue Anhänger des Kaisers und stellten sowohl Soldaten wie auch Personal für die Hofhaltung.
Zweite Ehe mit Isabelle von Brienne
Im Jahr 1222 war Konstanze von Aragón verstorben. Aus politischen Gründen heiratete Friedrich II. der Staufer dann mit Isabelle von Brienne die Erbin des verlorenen Königreichs Jerusalem.
Dabei handelte es sich um einen Kreuzfahrerstaat, der 1099 gegründet worden war. Nach der Schlacht von Hattin am 4. Juli 1187 war das Reich jedoch in die Hände der Muslime gefallen.
Mit der Eheschließung im Jahr 1225 erhielt Friedrich II. der Staufer dann auch die Krone als König von Jerusalem. Damit stieg der Druck, den versprochenen Kreuzzug zu führen. Isabelle von Brienne sollte jedoch bereits drei Jahre später sterben.
Erste Exkommunikation durch Papst Gregor IX.
Im Jahr 1227 erhöhte der erst seit März amtierende Papst Gregor IX. den Druck auf den römisch-deutschen Kaiser hinsichtlich des versprochenen Kreuzzuges. Er setzte eine Frist bis August und drohte mit der Exkommunikation.
Friedrich II. dem Staufer gelang noch der fristgemäße Aufbruch. Doch in seinem Heer hatte sich bereits eine Seuche ausgebreitet. Der Kaiser erkrankte selbst. Nach nur zwei Tagen wurde die Expedition deshalb abgebrochen.
Dennoch gab es viele Tote. Aber Gregor IX. akzeptierte diese Erklärung nicht als legitime Entschuldigung. Er verhängte am 29. September 1227 den Kirchenbann über Friedrich II. den Staufer.
„Sechster Kreuzzug“ unter Friedrich II.
Der letzte, der fünfte Kreuzzug, war von 1217 bis 1221 geführt worden. Die Unternehmung des undisziplinierten und orientierungslosen Heeres erlitt während der Schwemme im Nil-Delta eine verheerende Niederlage. Bereits an dieser Niederlage hatte man Friedrich II. dem Staufer wegen seiner Abwesenheit eine indirekte Schuld gegeben.
Trotz des Kirchenbannes brach der Kaiser am 28. Juni 1228 mit 1.000 Reitern und 10.000 Fußsoldaten zum sechsten Kreuzzug auf. Die meisten Truppen kamen aus Hessen und Thüringen sowie den staufischen Stammlanden.
Nach einem Zwischenstopp auf Zypern erreichte er mit seinem Heer die Stadt Akon im Norden des heutigen Staates Israel. Es war damals die letzte Bastion der Christen im heiligen Land. Doch dort verweigerten die Ritter-Orden der Templer und der Johanniter ihre Unterstützung.
Sein Gegner Sultan al-Kamil war jedoch glücklicherweise selbst nicht an einem Kampf interessiert. Ihm drohte ein innerer Konflikt mit seinen Brüdern. Beide Seiten entschieden sich deshalb für Verhandlungen und nach fünf Monaten kam es zu einem Ergebnis:
Ein 10-jähriger Waffenstillstand zwischen Christen und Muslimen wurden geschlossen.
Die Christen erhielten Bethlehem, Jerusalem und Nazaret, den Heimatort von Jesus.
Die Al-Aqsa-Moschee, der Felsendom und umliegende Gebiete blieben in muslimischer Hand.
Am 18. März 1219 betrat Friedrich II. der Staufer in königlichen Gewändern die Grabeskirche. Am selben Tag noch benachrichtigte er die Könige von England und Frankreich sowie den Papst in Rom.
Gregor IX. hob den Kirchenbann jedoch noch nicht auf. Einige Kleriker warfen Friedrich II. dem Staufer sogar vor, er hätte als Exkommunizierter die Grabeskirche mit seinem Betreten entweiht.
Der 4. Hochmeister des Deutschordens Hermann von Salza vermittelte jedoch erfolgreich zwischen dem Papst und dem Kaiser. Im Jahr 1233 kam es nach langen Verzögerungen schließlich zur finalen Einigung. Friedrich II. der Staufer wurde von der Kirche rehabilitiert.
Konflikte mit Sohn König Heinrich VII.
Während seiner langen Aufenthalte südlich der Alpen vertrat der Sohn Heinrich als König in Deutschland die Interessen von Friedrich II. dem Staufer. Doch der Vater mischte sich aus der Ferne immer wieder ein.
Damit missachtete der Kaiser die königliche Ehre seines Sohnes. Heinrich VII. fühlte sich gekränkt und es kam zum Konflikt.
Doch dieses mal hatte Friedrich II. der Staufer die Unterstützung des Papstes. Gregor IX. exkommunizierte Heinrich VII. und entband damit alle Christen von ihren Treueiden. Der Sohn konnte sich daraufhin politisch nicht mehr halten.
Im Jahr 1235 kam es in Worms zu einem Treffen von Friedrich II. dem Staufer und seinem Sohn Heinrich. Dieser unterwarf sich gemäß des Rituals (deditio). Doch der Vater reagierte gnadenlos.
Bereits während der Zeremonie kam es zu einem Eklat. Heinrich VII. hatte sich vor dem Kaiser auf den Boden geworfen. Sein Papa ließ ihn dort liegen.
Erst nach langen Protesten der anwesenden Fürsten gestattete Friedrich II. der Staufer, dass sich sein Sohn wieder erheben darf. Doch dieser verlor entgegen der Konventionen dennoch alle Ämter und Würden.
Heinrich VII. wurde inhaftiert und nach Süd-Italien gebracht. Dort verstarb er nach sieben Jahren in einem Kerker.
Dritte Ehe, Reformpolitik und Nachfolgeregelung
Im Jahr 1235 heiratete der Kaiser Isabella von England aus dem Haus Plantagenet. Damit schloss Friedrich II. der Staufer ein internationales Bündnis mit dem englischen König. Dazu erhielt er eine sagenhafte Mitgift von sieben Tonnen Silber.
Aufgrund der Konflikte erließ der Kaiser im selben Jahr den Mainzer Reichslandfrieden. Dabei handelte es sich um die erste kaiserliche Urkunde, die nicht nur auf Latein, sondern auch auf Mittelhochdeutsch verfasst wurde.
Das Gesetzespaket bestand aus 29 Artikeln. Diese enthielten beispielsweise Bestimmungen zu:
Strafrecht und Gerichtswesen
Münz-, Zoll- und Verkehrswesen
Befestigungs- und Geleitrecht
Einschränkung des Fehderechts
Darüber hinaus erließ Friedrich II. der Staufer Bestimmungen zum Schutz von nicht-waffenfähigen Personen wie Bauern, Frauen, Juden, Geistlichen oder auch Kaufleuten.
Auf Friedrich II. den Staufer geht auch das Verbot des Verkaufs von Medikamenten durch Ärzte zurück. Damit wollte er den Betrug an Patienten durch falsche Diagnosen und den Handel mit vermeintlichen Wundermitteln bekämpfen.
Im Februar 1237 folgte dann die Inthronisierung seines zweiten Sohnes. Dieser wurde als Konrad IV. später auch der Nachfolger seines Vater als römisch-deutscher König.
Zweite Exkommunikation durch Papst Gregor IX.
Im Jahr 1238 brachen erneut Konflikte zwischen Friedrich II. dem Staufer und dem Papst aus. Streitpunkte waren zunächst Ländereien auf Sardinien, die die Kirche auf Basis der Konstantinischen Schenkung beanspruchte.
Friedrich II. der Staufer errichtete Castel del Monte in Apulien (gemeinfrei)
Papst Gregor IX. schloss ein Bündnis mit den nord-italienischen Städten. Dann exkommunizierte er Friedrich II. den Staufer am 20. Märt 1239 erneut. Dieser Kirchenbann blieb bis zum Tod des Kaisers bestehen.
Obwohl sich Friedrich II. der Staufer in Italien mit der Hilfe der verbündeten Stadt Pisa behaupten konnte, geriet seine Machtbasis ins Wanken. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln nutzten die Gelegenheit, um ihre eigene Territorien in Deutschland zu erweitern.
Der neue Papst Innozenz IV. berief für das Jahr 1245 ein Konzil in Lyon ein. Dort erschienen 150 Bischöfe, die eine Bulle zur Absetzung von Kaiser Friedrich II. dem Staufer verfasste. Die päpstliche Propaganda fand dabei zahlreiche Beschreibungen des Kaisers:
Am 22. Mai 1246 ließ sich dann Hermann Raspe aus dem Haus der thüringischen Ludowinger von einigen geistlichen und weltlichen Fürsten in Deutschland zum Gegenkönig wählen. Es kam zu einer erfolgreichen Schlacht gegen Konrad IV. und einer vergebliche Belagerung von Ulm.
Doch der Gegenkönig verstarb im folgenden Jahr. Anschließend versuchte noch der ehrgeizige Wilhelm von Holland diesen Platz zu füllen. Aber die meisten Fürsten hielten nun zu Friedrich II. dem Staufer.
Niedergang und Tod von Friedrich II. dem Staufer
In der zweiten Hälfte der 1240er Jahre erodierte die Machtbasis von Friedrich II. dem Staufer immer weiter. Zunächst scheiterte ein Mordanschlag. Der Kaiser ließ alle Beteiligten hinrichten.
1247 lief Parma zum Papst über und massakrierte die kaiserlichen Truppen vor Ort. Eine Belagerung der Stadt scheiterte krachend, wobei sogar Teile des kaiserlichen Privateigentums in feindliche Hände fiel. Anschließend traten auch Ravenna und weitere Städte im Norden von Italien auf die päpstliche Seite über.
Im Jahr 1249 wurde schließlich ein langjähriger Vertrauter des Kaisers wegen Bestechlichkeit und Hochverrat verhaftet. Er wurde eingekerkert und geblendet.
Im Dezember 1250 wurde Friedrich II. der Staufer plötzlich sehr krank und verstarb nach kurzer Zeit. Als Todesursache werden eine Blutvergiftung oder Typhus vermutet. In seinen letzten Stunden ließ er sich in ein einfaches Mönchsgewand kleiden und erhielt die Absolution.
Die päpstliche Propaganda stellte das Ende des Kaisers als einen Ketzertod dar. Er soll nach schwerem Durchfall mit Schaum vor dem Mund gestorben sein. Außerdem soll seine Leiche so gestunken haben, dass eine Überführung der sterblichen Überreste nach Palermo zunächst unmöglich war.
Solche Gerüchte über die Leichen von mittelalterlichen Herrschern waren aber durchaus gängig, um deren Ansehen nach ihrem Tod zu schmälern. Über Wilhelm den Eroberer wurde eine ganze ähnliche Geschichte verbreitet.
Unabhängig von der Legendenbildung begann mit dem Tod von Friedrich II. dem Staufer jedoch eine lange Phase der Unsicherheit. Dieses „Interregnum“ sollte bis 1271 dauern und erst mit der Wahl von Rudolf I. von Habsburg zum römisch-deutschen König enden.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Heinrich IV. war ein römisch-deutscher Kaiser aus dem Geschlecht der Salier. Er wurde am 11. November 1050 geboren und bereits im Alter von drei Jahren zum Mitkönig seines Vaters erhoben.
Darstellung von Kaiser Heinrich IV. in einer Chronik aus dem 12. Jahrhundert (gemeinfrei)
Es kam deshalb bereits sehr früh zu Spannungen zwischen Heinrich IV. und der Aristokratie des Reiches. Diese eskalierten dann nach dem Tod seines Vater Heinrich III. im Jahr 1056.
Danach übernahm zunächst seine Mutter, die Kaiserin Agnes, zusammen mit einem Sub-Regenten die Herrschaft für ihren minderjährigen Sohn.
Bis zu der Volljährigkeit von Heinrich IV. versuchten die Großen des Reiches deshalb rücksichtslos, ihren Einfluss und ihre Macht auszuweiten.
Damit legten sie aber auch die Grundlage für schwere persönliche Konflikte, die dann insbesondere die Frühphase seiner mündigen Herrschaft als deutscher König prägten.
Darüber hinaus war die Regierungszeit von Heinrich IV. von schweren Konflikten mit dem Papsttum gezeichnet.
Gleich zwei historische Auseinandersetzungen fallen in diese Zeit:
Investiturstreit
Gang nach Canossa
Heinrich IV. gehörte deshalb zu den umstrittensten Herrschern des Mittelalters. Gleich zweimal wurde der Kirchenbann über ihn verhängt. Auch die jüngere Forschung hat bis heute keine einheitliche Bewertung formulieren können.
Doch die Masse an negativer Berichterstattung zu seiner Person wird als Indiz gewertet, dass zu seiner Zeit das politische Klima sehr belastet war. Es erhoben sich sogar zwei seiner Söhne gegen ihn.
Seine letzten Lebensjahre verbrachte er im Kampf um die Herrschaft. Am 7. August 1106 starb Heinrich IV. in Lüttich im heutigen Belgien.
Zunächst erhielt er ein ehrenvolles Begräbnis. Doch wegen eines Kirchenbanns wurde Heinrich IV. wieder exhumiert und in ungeweihter Erde bestattet. Erst fünf Jahre nach seinem Tod fand er ab dem 7. August 1111 im Dom zu Speyer seine letzte Ruhe.
Abstammung und Jugend von Heinrich IV.
Sohn von Heinrich III. und Kaiserin Agnes
Heinrich IV. war ein Sohn aus der zweiten Ehe seines Vaters mit Agnes von Poitou. Sie war eine Tochter des Herzogs von Aquitanien und gebar im Jahr 1050 mit Heinrich IV. endlich den lange ersehnten männlichen Nachfolger.
Als Taufpate wurde Abt Hugo von Cluny bestimmt. Damit wollte das salische Königshaus ein öffentliches Bekenntnis zu den cluniazensischen Reformen erbringen, die wieder Zucht und Ordnung in die Klöster des Mittelalters bringen sollten.
Mit der Wahl des Hugo von Cluny sollte eigentlich eine gute Beziehung von Heinrich IV. zum Klerus vorprogrammiert werden. Dieser Wunsch der Eltern sollte sich jedoch nicht erfüllen.
Darüber hinaus war die Stimmung im Reich sehr aufgeheizt. Die dynastische Herrschaftsfolge war politisch gefährdet. Deswegen wurde Heinrich IV. bereits 1153 im Alter von drei Jahren von seinem Vater zum Mitkönig erhoben.
Die Großen des Reiches wurden gezwungen, dem Kleinkind die Treue zu schwören. Dabei erlaubten sich die Fürsten jedoch eine historische Einschränkung des Eides. Dieser gelte nur, „wenn er ein gerechter Herrscher werde“.
„si rector iustus futurus esset“
Tatsächlich kam es jedoch im selben Jahr zu einer Rebellion, die vor allem von süd-deutschen Fürsten getragen wurde:
Konrad I. (Herzog von Bayern)
Gebhard III. (Bischof von Regensburg)
Welf III. (Herzog von Kärnten)
Gottfried III. (Herzog von Lothringen)
Der Aufstand scheiterte jedoch, weil Konrad I. und Welf III. im Jahr 1055 plötzlich verstarben. Doch damit waren die Konflikte keinesfalls befriedet, als auch Heinrich III. im darauffolgenden Jahr von dieser Welt ging.
Nach dem Tod ihres Mannes verteidigte Kaiserin Agnes die Ansprüche ihres damals noch minderjährigen Sohnes auf den Königsthron. Sie konnte in ihrer Rolle als Königsmutter jedoch nicht zu einer lenkenden Kraft an der Spitze des Heiligen Römischen Reiches werden.
Staatsstreich von Kaiserswerth 1062
Unter der Führung des Erzbischof Anno II. von Köln kam es im Jahr 1062 dann zu einer erneuten Aktion gegen die salische Dynastie. Anfang April hielten sich Heinrich IV. und Kaiser Agnes in der Pfalz Kaiserswerth im heutigen Düsseldorf auf.
Nach dem gemeinsamen Festmahl zeigte Anno II. dem damals elf-jährigen König ein prachtvolles Schiff auf dem Rhein. Sobald der minderjährige Monarch das Schiff betreten hatte, legte dieses vom Ufer ab.
Heinrich IV. hüpfte daraufhin wohl aus Angst vor einer Gewalttat in den Rhein und wäre fast ertrunken. Graf Ekbert von Meißen sprang dem Jungen jedoch nach und zog ihn wieder an Bord.
Die Entführer begaben sich dann zusammen mit ihrem Opfer nach Köln. Von dort aus forderten sie erfolgreich von Kaiserin Agnes die Herausgabe der Reichsinsignien. Damit hatten sie sowohl den rechtmäßigen König wie auch die Zeichen seiner Herrschaft in ihrer Gewalt.
Von da an kontrollierte die Clique der Entführer die Reichspolitik. Doch für Anno II. von Köln liefen die Dinge dann doch nicht ganz wie geplant.
An seiner statt konnte sich Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen als bevorzugter Berater von Heinrich IV. positionieren. Zwischen den beiden Klerikern entstand eine erbitterte Feindschaft.
Heinrich IV. – König von Gottes Gnaden
Schwertleite des jungen Mannes 1065
Im März 1065 empfing Heinrich IV. die Schwertleite. Dabei handelte es sich um einen germanischen Brauch zur Initiation von jungen Männern als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft.
Zentral war die Umgürtung mit dem Schwert. Außerdem erhielten die jungen Männer häufig auch ihre ersten Sporen. Im Laufe der späteren Jahrhunderte entwickelte sich aus diesem Ritus der bekanntere Ritterschlag.
Nach dieser Zeremonie der Schwertleite war Heinrich IV. nun der mündige und rechtmäßige deutsche König. Quasi als erste Amtshandlung zog er sein Schwert und ging auf Erzbischof Anno II. von Köln los. Seine Mutter konnte nur mit Mühe einen Mord verhindern.
Besonderer Profiteur war jedoch der hinterlistige Erzbischof Adalbert von Hamburg-Bremen. Dieser nutzte seinen Einfluss bei König Heinrich IV. für eigene Interessen. Noch im selben Jahr gab es deshalb erheblichen Widerstand gegen diese beiden Protagonisten aufgrund ihrer „offenkundig tyrannische[n] Herrschaft“.
Bereits im Januar 1066 wurde Heinrich IV. jedoch von anderen Fürsten gezwungen, seinen Berater zu entlassen. Drei Jahre später konnte Erzbischof Adalbert jedoch wieder in den engsten Kreis um den König zurückkehren.
Eskalation von inneren Konflikten
Die Jahre nach Regierungsbeginn von Heinrich IV. waren von einem pikanten Versuch geprägt, seine damalige Ehefrau zu verlassen. Nur unter Androhung des Kirchenbanns ließ der junge König von diesem Vorhaben ab.
Aber vor allem begannen sich die inneren Konflikte im Reich zu verschärfen. Exemplarisch war die Absetzung des sächsischen Adeligen Otto von Nordheim. Dieser wurde von Egno I. von Konradsburg, einem Angehörigen des niederen Adels beschuldigt, den König ermorden zu wollen.
Heinrich IV. soll jedoch selbst hinter dieser Anklage gesteckt haben. Er bestand gegen den Protest der Großen des Reiches auf einem Zweikampf zwischen Egno und Otto.
Doch Otto von Nordheim weigerte sich. Er wurde dafür in unbegrenzte Beugehaft genommen. Das verstieß jedoch gegen das Gewohnheitsrecht und forderte vor allem den sächsischen Adel heraus.
In der Folge errichtete König Heinrich IV. vermehrt Burgen in sächsischen Gebieten. Diese Burgen besetzte er mit Ministerialen aus Schwaben. Das wurde von den Sachsen als weitere Bedrohung ihrer Freiheit wahrgenommen.
Ein besonderer Dorn im Fleisch der Sachsen war die Harzburg im Landkreis Goslar. Dorthin ließ Heinrich IV. dann auch noch die Gebeine seines verstorbenen Bruders und eines früh verstorbenen Sohnes bringen. Damit wollte er ein Zeichen setzen für seine dauerhafte Präsenz.
Nach mehreren Beschwerden lud Heinrich IV. dann den sächsischen Adel im Jahr 1073 zu Verhandlungen nach Goslar. Sie fanden sich auch pünktlich ein, wurden dann jedoch angeblich gar nicht erst empfangen.
Ihrer Darstellung nach zog es Heinrich IV. vor, seine Zeit mit dem Würfelspiel zu verbringen. Die Adligen sollen währenddessen die ganze Nacht vor der Tür gewartet haben.
Schließlich sei ihnen von einem Höfling mitgeteilt worden, dass der König die Pfalz durch einen anderen Ausgang bereits verlassen habe. Die gekränkten Edelleute schworen Rache für diese Demütigung.
Sachsenkrieg des salischen Königs
Nach der Eskalation der Spannungen in Goslar riefen die Sachsen eine Versammlung des Stammes für Ende Juli 1073 ein. Sie verbündeten sich gegen ihren Monarchen und versammelten eine Streitmacht, die gegen die Harzburg zog.
Zunächst musste sich Heinrich IV. zurückziehen. Doch dann machten die Sachsen einen schweren Fehler. Aufständische Bauern zerstörten die Harzburg und schändeten dabei die Gräber des Bruders und des Sohnes ihres Königs.
Dieser Frevel löste eine breite Welle der Unterstützung im Hochadel der übrigen Reichsgebiete aus. Heinrich IV. konnte deshalb ein großes Heer mobilisieren.
In der Schlacht bei Homburg an der Unstrut fügte Heinrich IV. am 9. Juni 1075 den aufständischen Sachsen eine schwere Niederlage zu. Ein zweiter Feldzug im Herbst desselben Jahres führte zum endgültigen Sieg.
Die Anführer des Aufstandes mussten sich unterwerfen. Doch erneut brach Heinrich IV. mit einer Konvention seiner Zeit. Er bestrafte die Unterlegenen auch nach ihrer Unterwerfung, indem er die adeligen Rädelsführer inhaftieren ließ.
Investiturstreit mit Papst Gregor VII.
Mit dem Niedergang der Karolinger im 9. Jahrhundert hatte auch ein Verfall des Christentums eingesetzt. Aus kirchlicher Sicht begann dann mit dem Mord an Papst Johannes VIII. im Jahr 882 ein „dunkles Jahrhundert“, das Saeculum Obscurum.
Vom Kloster Cluny ging ab dem 10. Jahrhundert eine Reform-Bewegung von besonders gläubigen Mönchen aus. Der Einfluss dieser cluniazensischen Reform wuchs im folgenden Jahrhundert immer stärker, bis deren Vertreter auch im Vatikan an die Macht kamen.
Von besonderer Bedeutung sollte der Mönch Hildebrand werden. Dieser wurde 1073 zum Papst gewählt. Er gab sich den Namen Gregor VII. und hatte das Amt bis zum seinem Tod im Jahr 1085 inne.
Für Heinrich IV. wurde diese „Zuchtrute Gottes“ zum großen Gegenspieler. Denn im Jahr 1075 erließ der Stellvertreter Gottes insgesamt 27 Leitsätze, die Dictatus Papae:
Dass die römische Kirche vom Herrn allein gegründet worden ist.
Dass allein der römische Papst mit Recht universal genannt wird.
Dass er allein Bischöfe absetzen und wieder einsetzen kann.
Dass sein Gesandter auf einem Konzil den Vorrang vor allen Bischöfen hat, auch wenn er einen niedrigeren Weihegrad hat, und dass er gegen sie ein Absetzungsurteil fällen kann.
Dass der Papst Abwesende absetzen kann.
Dass wir mit von ihm Exkommunizierten unter anderem nicht in demselben Haus bleiben dürfen.
Dass es allein ihm erlaubt ist, entsprechend den Erfordernissen der Zeit, neue Gesetze zu erlassen, neue Gemeinden zu bilden, ein Kanonikerstift zur Abtei zu machen und umgekehrt, ein reiches Bistum zu teilen und arme zu vereinigen.
Dass er allein die kaiserlichen Herrschaftszeichen verwenden kann.
Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen.
Dass in den Kirchen allein sein Name genannt wird.
Dass dieser Name einzigartig ist auf der Welt.
Dass es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen.
Dass es ihm erlaubt ist, bei dringender Notwendigkeit Bischöfe von einem Sitz zum anderen zu versetzen.
Dass er jeden beliebigen Kleriker aus allen Diözesen weihen kann.
Dass ein von ihm Geweihter einer anderen Kirche vorstehen, aber ihr nicht dienen kann; und dass er von einem anderen Bischof keinen höheren Weihegrad annehmen darf.
Dass keine Synode ohne sein Geheiß universal genannt werden darf.
Dass kein Rechtssatz und kein Buch ohne seine Autorisierung für kanonisch gilt.
Dass sein Urteilsspruch von niemandem widerrufen werden darf und er selbst als einziger die Urteile aller widerrufen kann.
Dass er von niemandem gerichtet werden darf.
Dass niemand es wage, jemanden zu verurteilen, der an den apostolischen Stuhl appelliert.
Dass die wichtigen Streitfragen jeder Kirche an ihn übertragen werden müssen.
Dass die römische Kirche niemals in Irrtum verfallen ist und nach dem Zeugnis der Schrift niemals irren wird.
Dass der römische Bischof, falls er kanonisch eingesetzt ist, durch die Verdienste des heiligen Petrus unzweifelhaft heilig wird, nach dem Zeugnis des heiligen Bischofs Ennodius von Pavia, dem viele heilige Väter beistimmen, wie aus den Dekreten des heiligen Papstes Symmachus hervorgeht.
Dass es auf sein Geheiß und mit seiner Erlaubnis Untergebenen erlaubt ist Klage zu erheben.
Dass er ohne Synode Bischöfe absetzen und wieder einsetzen kann.
Dass nicht für katholisch gilt, wer sich nicht in Übereinstimmung mit der römischen Kirche befindet.
Dass er Untergebene vom Treueid gegenüber Sündern lösen kann.
Diese 27 Leitsätze waren politischer Sprengstoff. Denn seit den Zeiten des Frankenreichs galt die Tradition, dass Könige die Äbte und Bischöfe in ihren Gebieten selbst einsetzten.
Aufgrund der hohen wirtschaftlichen Bedeutung vieler Abteien und Bistümer war die Kontrolle über diese Ämter mit sehr viel real-politischer Macht verbunden. Außerdem richteten sich die Leitsätze auch gegen die Souveränität des römisch-deutschen Kaisertums.
Heinrich IV. war zwar noch nicht zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt worden. Er strebte dies jedoch an. Deshalb versammelte er loyale Bischöfe um sich und schrieb einen verhängnisvollen Brief:
„Heinrich, nicht durch Anmaßung, sondern durch Gottes gerechte Anordnung König, an Hildebrand, nicht mehr Papst, sondern falscher Mönch. […] du hast unsere Demut für Furcht gehalten und dich daher nicht gescheut, dich sogar gegen die uns von Gott verliehene königliche Gewalt zu erheben; […] Ich, Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab!“
Exkommunikation des Königs
Am 28. September 1075 kam es dann zur ersten Machtprobe zwischen Heinrich IV. und dem Papst. Der König ernannte mit einem Kleriker namens Tebald den Erzbischof von Mailand.
Es folgten weitere Entscheidungen über die Erzbistümer von Ferno und Spoleto. Daraufhin schrieb Papst Gregor VII. nun ebenfalls einen Brief.
Dabei handelte es sich zunächst nur um eine vertrauliche Mahnung, die mit der Aufforderung zum Gehorsam versehen war. Das Schreiben erreichte Heinrich IV. am Neujahrstag 1076, als dieser seine Erfolge und die Feiertage in Goslar zelebrierte.
Darüber hinaus hatte er soeben seinen 2-jährigen Sohn Konrad zum Mitkönig wählen lassen. Dies war ein besonderer Ausdruck seiner innenpolitischen Stärke zu diesem Zeitpunkt.
Darstellung von Papst Gregor VII. (Paul von Bernried / gemeinfrei)
Heinrich IV. war jedoch keinesfalls bereit, die gebotene Diskretion des Konfliktes zu wahren. Er beantwortete zusammen mit den Erzbischöfen von Mainz und Trier sowie 24 weiteren Bischöfen öffentlich den Brief das Papstes.
Dabei wurden zahlreiche Vorwürfe formuliert. Neben den inhaltlichen Angriffen auf den Papst war das Schreiben auch gespickt mit diplomatischen Tiefschlägen.
Die Grußformeln ließ man weg und Papst Gregor VII. wurde mit seinem Taufnamen Hildebrand angesprochen. Am Ende wurde die alte Forderung wiederholt:
„Ich Heinrich, durch die Gnade Gottes König, sage dir zusammen mit allen meinen Bischöfen: Steige herab, steige herab!“
Der Papst reagierte am 22. Februar 1076 mit der Exkommunikation von Heinrich IV. und entband alle Christen von ihren Treueiden ihm gegenüber. Er räumte dem König jedoch noch eine letzte Frist zur Umkehr bis zum 1. August 1076 ein.
Aber die Erzbischöfe von Mainz und Trier wurden mit sofortiger Wirkung abgesetzt sowie exkommuniziert. Die anderen Verbündeten des Königs im Klerus wurden je nach Fall ebenfalls aus der Kirche geworfen oder zumindest nach Rom zitiert.
Damit hatte Papst Gregor VII. erfolgreich die Substanz des Bündnisses gegen ihn attackiert. Nach Ostern begann die Unterstützung für Heinrich IV. nach und nach zu kollabieren.
Darüber hinaus erhoben sich nun auch wieder süd-deutsche Fürsten gegen ihn. Zusammen mit sächsischen Vertretern trafen sich diese deutschen Adligen am 16. Oktober 1076 in der Stadt Trebur.
Dort stellten sie Heinrich IV. ein Ultimatum, um sich von dem Kirchenbann zu befreien. Andernfalls drohe die Wahl eines Gegenkönigs.
Gang nach Canossa im Jahr 1077
In dieser prekären Situation reagierte Heinrich IV. jedoch mit einem brillanten Konter. In einer offenen Verhandlung war er zu diesem Zeitpunkt dem christlichen Oberhirten zwar klar unterlegen. Außerdem drängte die Frist der Fürsten.
Aber Heinrich IV. wusste das Kirchenrecht selbst zu instrumentalisieren. Er bat den Papst einfach um Vergebung seiner Sünden. Als Christ dürfte Gregor VII. ihm dies nicht verweigern.
Ruine der Burg von Canossa (Franz Xaver / CC-BY-SA 3.0)
Darüber hinaus konnte eine solche Szene im Winter 1076/77 sehr gut inszeniert werden. Während der Tross von Heinrich IV. unter denkbar schwierigen Bedingungen über die Alpenpässe kam, floh der Papst regelrecht, um eine persönliche Begegnung zu vermeiden.
Auf der Burg Canossa wurde er dann drei Tage lang gewaltlos belagert. König Heinrich IV. soll dabei barfuß im Büßergewand im Schnee vor der Burg gefleht haben.
Mit diesem Drama vom 25. bis zum 28. Januar 1076 wollte er seine totale Unterwerfung darstellen. Deshalb spricht man heute noch vom sprichwörtlichen „Gang nach Canossa“.
Tatsächlich dürfte es sich bei dieser Szene jedoch um ein sehr geschicktes Manöver des salischen Königs gehandelt haben. Viele seiner weltlichen Gegner waren sehr unglücklich über diese unerwartete Wendung der Geschichte.
Im März 1077 wurde deshalb mit Rudolf von Rheinfelden dennoch ein Gegenkönig gewählt. Dieser stellte Heinrich IV. dann drei Jahre lang vor große militärische Probleme.
Doch auch dieser Herausforderung blieb er dank treuer Vasallen wie beispielsweise dem berühmten Kreuzfahrer Gottfried von Bouillon gewachsen.
Gregor VII. erlitt nach dem Gang nach Canossa weitere politische Niederlagen. Er hatte sich nicht nur mit seiner Prophezeiung unglaubwürdig gemacht, dass Heinrich IV. bis 1080 untergehen würde.
Die „Zuchtrute Gottes“ hatte noch dazu mit einer stärker werdenden Opposition innerhalb des Klerus zu kämpfen. Im Juni 1080 kam es dann auf der Synode in Brixen zur Wahl eines Gegenpapstes, der sich den Namen Clemens III. gab.
Darüber hinaus wurde ein kanonisches Verfahren gegen den autoritären Papst eingeleitet. Gregor schlug jedoch erstmal zurück und exkommunizierte König Heinrich IV. im Jahr 1080 erneut.
Gregor hatte auch den unterlegenen Rudolf von Rheinfelden anerkannt. Damit hatte er ebenfalls kräftig daneben gelangt. Eben jener wurden sogar noch in diesem Jahr in der Schlacht bei Hohenmölsen am 15. Oktober 1080 tödlich verwundet. Auch das untergrub den verhassten Pontifex.
Heinrich IV. zog dann anschließend mehrfach gegen Rom. Im Jahr 1084 gelang die Eroberung der Stadt, nachdem sich nun auch 13 Kardinäle gegen den autoritären Stil des Papstes gestellt hatten. Gregor VII. floh daraufhin in die Engelsburg.
Kaiserkrönung durch Gegenpapst 1084
Auf einer Synode am 21. März 1084 wurde der autoritäre Papst schließlich sogar selbst exkommuniziert. Am Ostersonntag krönte der Gegenpapst Clemens III. dann Heinrich IV. zum römisch-deutschen Kaiser.
Damit hatte dieser den Zenit seiner Macht erreicht. Die Normannen in Süd-Italien standen jedoch noch an der Seite des abgesetzten Papstes. Sie eroberten Rom dann im Mai 1084 zurück. Heinrich IV. musste daraufhin flüchten.
Die Normannen befreiten Gregor VII. zwar, doch sie plünderten dabei auch Rom. Deshalb musste auch er sich nun zurückziehen. Im darauffolgenden Jahr verstarb er am 25. Mai in Salerno.
Gegenkönigtum des Sohnes Konrad
Die 1080er und 1090er Jahre waren erneut von großen inneren Spannungen geprägt. Auch die Konflikte mit den Sachsen eskalierten wieder.
Heinrich IV. konzentrierte sich in dieser Zeit verstärkt auf den nördlichen Teil seines Reiches. Deshalb hatte der Kaiser seinen Sohn Konrad als Mitkönig in Italien eingesetzt.
Doch der neue Papst Urban II. konnte Konrad für sich gewinnen. Er bot ihm sogar die Kaiserkrone an. Der Sohn von Heinrich IV. ließ sich dann tatsächlich im Jahr 1093 in Mailand zum König erheben.
Außerdem heiratete Konrad die Tochter des normannischen Königs. In den folgenden Jahren war Heinrich IV. deshalb weitgehend handlungsunfähig. Nur durch zahlreiche Zugeständnisse an andere Akteure könnte er sich aus der misslichen Lage befreien. Dazu zählten:
Umfassende Handelsprivilegien für Venedig
Erblichkeit des welfischen Herzogtums von Bayern
Gründung des staufischen Herzogtums von Schwaben
Erst ab 1095 konsolidierte sich die Herrschaft von Heinrich IV. wieder. Entscheidend war das mächtige Bündnis der drei Dynastien: Salier, Staufer und Welfen.
Drei Jahre später konnte er dann endlich die breite Zustimmung der Fürsten des Reiches zur Enterbung seines Sohnes Konrad erzielen. Im Jahr 1099 wurde dann der zweite Sohn als Heinrich V. zum Nachfolger gekrönt. Dieser musste jedoch schwören, sich niemals mit Gewalt gegen seinen Vater zu erheben.
Gegenkönigtum des Sohnes Heinrich
Im Jahr 1101 verstarb Konrad sehr früh. Sein Bruder Heinrich V. stand nun endgültig als Alleinerbe des alternden Vaters fest. Einige Fürsten des Reiches nutzten die Chance, um einen neuen Familienstreit zu provozieren.
Heinrich V. ließ sich überzeugen, dass er noch zu Lebzeiten von Heinrich IV. die Krone ergreifen müsse. Eine reguläre Königswahl könne er nach den Verbrechen seines Vaters nicht mehr gewinnen.
An Weihnachten 1104 erhob sich der Sohn Heinrich an der Spitze einer Koalition von jungen Fürsten gegen den Vater. Der Papst sicherte ihm sogar die Absolution zu, falls er sich als gerechter und gottesfürchtiger Monarch erweisen sollte.
Das Jahr 1105 war dann von zahlreichen Kampfhandlungen geprägt. Im Herbst diesen Jahres wollten Vater und Sohn den Zwist in einer Entscheidungsschlacht klären.
Eine epische Schlacht wurde jedoch von den Fürsten verhindert. Immerhin waren es auch ihre Truppen, die dabei verheizt worden wären.
In einer rührenden Geste mit Tränen und Umarmung einigten sich Vater und Sohn auf eine friedliche Lösung. Heinrich IV. zog sich daraufhin auf die Burg Böckelheim zurück.
Dort wurde er umgehend gefangen gesetzt. Heinrich IV. bezeichnete das Verhalten des Sohnes als „ruchlosen Verrat“. Doch er gab die Reichsinsignien heraus. Am 31. Dezember 1105 verzichtete er formal auf die Krone.
Am 5. Januar 1106 wurde Heinrich V. zum König gewählt. Der Erzbischof von Mainz übergab ihm die Reichsinsignien. Damit war der Übergang der Herrschaft formal korrekt vollzogen.
Letzte Kämpfe von Heinrich IV.
Im Februar 1106 konnte Heinrich IV. jedoch aus der Gefangenschaft entkommen. Zunächst organisierte er mit einigen Erfolgen den Widerstand gegen die Herrschaft seines Sohnes.
Im Dom zu Speyer fand Heinrich IV. seine letzte Ruhe. (gemeinfrei)
Doch im Sommer diesen Jahres verstarb Heinrich IV. in Lüttich. Zunächst wurde er in geweihter Erde ehrenvoll bestattet. Nur wenige Tage später holte man seine Leiche jedoch aus dem Grab, weil der zweite Kirchenbann aus dem Jahr 1080 noch nicht aufgehoben war.
Sein Sohn Heinrich V. hatte jedoch Erbarmen. Er ließ seinen Vater einige Wochen später erneut exhumieren und nach Speyer bringen. Der Bischof untersagte jedoch eine Beerdigung, so dass der Sarkophag fünf Jahre lang unbeerdigt in einer Kapelle stand.
Erst nach dieser langen Zeit konnte der Sohn die Aufhebung des Kirchenbanns über Heinrich IV. erwirken. Am 7. August 1111 kam der Sarkophag in die Krypta des Doms zu Speyer. Dort fand er seine letzte Ruhe.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Friedrich I. war ein deutscher König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches (HRR). Er wurde um 1120 n. Christus geboren und stammte aus dem Geschlecht der Staufer.
Denkmal für Kaiser Friedrich I. Barbarossa auf dem Kyffhäuser (gemeinfrei)
Darüber hinaus war Friedrich I. für seinen roten Bart bekannt. Seine mächtige Gesichtsbehaarung führte sogar zur Bildung des bekannten Beinamens: Barbarossa.
Die Regierungszeit von Kaiser Friedrich I. Barbarossa war innenpolitisch von einem wechselhaften Machtspiel mit dem Welfen Heinrich dem Löwen geprägt. Dieser war zeitweise als Herzog von Bayern und Schwaben eine so einflussreiche Person, dass der Kaiser ohne seine Unterstützung wohl nicht hätte regieren können.
In reichspolitischen Fragen war Kaiser Friedrich I. Barbarossa stets mit dem Widerstand seitens der italienischen Städte konfrontiert. Darüber hinaus befand er sich in einem Dauerkonflikt mit dem Papsttum und musste am Ende große Zugeständnisse machen.
„Ich denke, hier sieht die Bilanz sehr nüchtern aus. In den Kämpfen gegen den Papst muss er sich am Ende unterwerfen. Die Fürsten erscheinen nicht mehr an seinem Hof. Die Italien-Politik scheitert. Aber dennoch, muss man sagen, wird Friedrich Barbarossa rasch zum Mythos. Er geht als große Persönlichkeit in die deutsche Geschichte ein und wird geradezu an die Seite Karls des Großen gestellt.“
(Der Historiker Stefan Weinfurter)
Obwohl Kaiser Friedrich I. Barbarossa häufig von anderen Akteuren vor sich her getrieben wurde, verklärte man ihn später zum Symbol des deutschen Nationalismus. Kaiser Wilhelm I. errichtete ihm deshalb nach den deutschen Einigungskriegen im späten 19. Jahrhundert das Kyffhäuserdenkmal.
Einer Sage nach schlummert Kaiser Friedrich I. Barbarossa unter dem Berg, um in einer Stunde der größten Not zurückzukehren. Auch im Dritten Reich wurde diese historisch nicht korrekte Mystifizierung weiter gepflegt.
Adolf Hitler ehrte den Staufer sogar mit der Bezeichnung eines ganzen Feldzuges. Am 22. Juni 1941 begann das Unternehmen Barbarossa, der Überfall auf die Sowjetunion.
Das Geschlecht der Staufer
Die „Staufer“ waren ein Adelsgeschlecht, welches seit 10. Jahrhundert schwäbische Pfalzgrafen und seit dem 11. Jahrhundert schwäbische Herzöge hervorbrachte. Der Name leitete sich von der Burg Hohenstaufen im Norden der Schwäbischen Alb ab.
Berg Hohenstaufen in der Schwäbischen Alb (gemeinfrei)
Die Höhenburg auf dem Hohenstaufen wurde wahrscheinlich um 1070 n. Christus errichtet. Es handelte sich dabei um sogenannten Allodialbesitz. Das heißt, die Burg und ihre Güter waren erbliches Eigentum der Adelsfamilie.
Entgegen vielfacher Darstellungen handelt es sich dabei jedoch nicht um die ursprüngliche Stammburg der Staufer. Diese wird von der Forschung bei Wäschenbeuren in der Nähe von Göppingen vermutet.
Im Deutschen Bauernkrieg von 1524/25 wurde die Anlage vom Hellen Haufen zerstört. Die verbliebenen Reste wurden zu Beginn des 18. Jahrhunderts abgetragen. Doch bis heute zeugt der imposante Berg Hohenstaufen noch von seinem militärischen Wert im Mittelalter.
Das Geschlecht wurde von den Zeitgenossen jedoch nicht als „Staufer“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine nachträgliche Namensgebung durch Historiker. Dies diente der Kategorisierung von Herrschern in Dynastien wie beispielsweise auch die Rede von den „Karolingern“.
Abstammung vom Königshaus der Salier
Die Staufer hatten sich über eine kluge Heiratspolitik eine kleine Machtbasis aufgebaut. Darüber hinaus waren sie offenbar sehr diplomatisch. Sie unterhielten guten Beziehungen zu vielen Ministerialen und zum Klerus, beispielsweise zu den Bistümern von Speyer, Worms und Würzburg.
Doch die Ehe der Agnes von Waiblingen (1072 bis 1143) mit einem Angehörigen aus dem damals regierenden Haus der Salier war ausschlaggebend für den Aufstieg der Staufer. Dieser erhielt dann auch das Herzogtum Schwaben als Lehen.
Mit dem Tod von Heinrich V. im Jahr 1125 endete dann aber auch die salische Königslinie. Darauf folgte eine Phase von blutigen Machtkämpfen im Reich.
Im Jahr 1138 konnte sich Konrad III. dann als erster römisch-deutscher Kaiser aus dem Haus der Staufer auf dem Thron etablieren. Doch seine Regierungszeit war von Konflikten mit dem mächtigen Haus der Welfen geprägt. Kurz vor seinem Tod ernannte dieser dann seinen Neffen Friedrich Barbarossa zu seinem Nachfolger.
Königswahl von Friedrich I. Barbarossa
Zur Zeit von Friedrich I. Barbarossa hatte sich bereits die Wahl-Monarchie in den deutschen Gebieten etabliert. Trotz der Ernennung zum Erben durch den letzten König und Kaiser musste der junge Staufer deshalb eine Abstimmung der „Großen“ des Reiches für sich entscheiden.
Laut dem Geschichtsschreiber Otto von Freising entschieden sich diese Aristokraten einhellig für die Wahl von Friedrich I. Barbarossa im Jahr 1152. Dies dürfte jedoch eine übertriebene Darstellung zu Gunsten des Staufers gewesen sein. Denn Otto von Freising war ein Onkel von Friedrich I. Barbarossa und wollte durch Gefälligkeit eigene Vorteile erzielen.
Die hohen deutschen Adligen wünschten sich einen friedlichen Ausgleich zwischen den mächtigen Welfen und dem Haus der Staufer. Aufgrund seiner verwandschaftlichen Beziehungen war Friedrich I. Barbarossa hierfür ein idealer Kandidat. Denn er war auch ein Vetter von Heinrich dem Löwen, dem damaligen Oberhaupt der Welfen.
Doch es waren auch handfeste Zugeständnisse notwendig. So versprach der Staufer beispielsweise, dass der Welfe das Herzogtum Bayern als Lehen erhalten würde. Dieses Versprechen wurde später auch tatsächlich realisiert.
Herrschaft als König bis zur Kaiserkrönung
Kaiser Friedrich I. Barbarossa und seine Söhne in der Welfenchronik (gemeinfrei)
Mit der Königswahl von Friedrich I. Barbarossa hatten sich die machtpolitischen Verhältnisse im Reich gänzlich verschoben. Die einstmals feindlich gesonnenen Welfen traten nun als Verbündete der Staufer auf.
Dieser Partnerschaft von Friedrich I. Barbarossa mit seinem Vettern Heinrich dem Löwen konnten die anderen Mächtigen des deutschen Reiches wenig entgegen setzen. Auch deshalb entschied der frisch gewählte König, dass seine Krönung zum Kaiser bereits 1154 stattfinden solle.
Mit dieser Tradition hatte bereits Karl der Große an die Antike angeknüpft. Die Herrscher versprachen sich eine höhere Legitimierung ihrer Macht durch diese rituellen Verbindung zu den alten römischen Kaisern.
Nach der Spaltung des fränkischen Reiches wurde dieses Ritual im östlichen Teil, im Bereich des heutigen Deutschland, wiederbelebt. Seit der Kaiserkrönung von Otto dem Großen im Jahr 962 ging diese Würde deshalb traditionell an deutsche Könige.
Konflikte mit den italienischen Städten
Doch Friedrich I. Barbarossa hatte seine Rechnung ohne die italienischen Städte des römisch-deutschen Reiches gemacht. Diese waren in einem komplexen „schachbrettartigen Muster“ miteinander verbündet oder standen sich feindlich gegenüber. Aufgrund dieses Systems war der König aus Deutschland zwangsläufig in viele lokale Konflikte verwickelt.
Vor allem die mächtige Stadt Mailand leistete Widerstand gegen die Ansprüche des Staufers. Beispielsweise wurde sein Gesandter von Offiziellen der Stadt beleidigt und musste sich bei Nacht aus der Stadt zurückziehen. Dennoch entschied der Monarch für den Marsch nach Italien.
Friedrich I. Barbarossa hatte jedoch keinesfalls die real-politische Macht, sich alleine gegen die widerspenstigen Italiener durchzusetzen. Doch sein welfischer Vetter stellte ihm weitere Truppen. Diese erste Reise nach Italien wurde dann mit etwa 1.800 bewaffneten Kriegern im Herbst 1154 gewagt.
Der deutsche König hielt zunächst einen Hoftag in Roncaglia bei Piacenza ab. Dort kam es erneut zu einem diplomatischen Schlagabtausch. Als Friedrich I. Barbarossa sich in der kleinen Stadt Monza zum italienischen König krönen lassen wollte, erlaubten sich die Konsuln der beleidigten Mailänder einen üblen Scherz.
Sie führten den Zug der Deutschen absichtlich in die Irre, so dass sie drei Tage lang durch eine Einöde marschierten. In der Folge kam es zu Versorgungsproblemen. Friedrich I. Barbarossa und auch die deutschen Fürsten waren schwer gedemütigt.
Doch die 1.800 Mann des Staufers reichten nicht für einen offenen Krieg gegen Mailand. Friedrich I. Barbarossa suchte sich deshalb ein leichteres Ziel und statuierte ein Exempel.
Er belagerte von Februar bis April 1155 die kleine Stadt Tortona im Westen der Po-Ebene. Gefangene wurden demonstrativ hingerichtet. Außerdem ließ Friedrich I. Barbarossa die Wasserversorgung der Stadt vergiften. Tortona musste schließlich kapitulieren.
Friedrich I. Barbarossa versicherte, dass Tortona nicht weiter zu Schaden kommen würde. Doch zwei Tage später kam eine Armee aus dem verbündeten Pavia und vernichtete die Stadt. Die Pavanesen beglichen damit eine alte Rechnung und scherten sich dabei nicht um das Versprechen des Staufers.
Kaiserkrönung und Aufstand der Römer
Erst am 8. Juni 1155 konnte Friedrich I. Barbarossa beim Papst vorstellig werden. Dabei kam es zu einem Eklat, weil das Protokoll nicht genau abgesprochen war. Historiker werten die fehlende Vorbereitung als Zeichen für die chaotischen Zustände während dieser ersten Reise nach Italien.
Der Cappenberger Barbarossakopf von 1160 (Montecappio / CC-BY-SA 3.0)
Am folgenden Tag wurde diese Begegnung mit Papst Hadrian IV. deshalb und nun fehlerfrei wiederholt. Doch parallel tat sich ein ganz neuer Krisenherd auf.
Die städtische Bevölkerung hatte den alten römischen Senat rekonstituiert. Die selbstbewussten Bürger sandten eine Gesandtschaft zu Friedrich I. Barbarossa. Sie boten ihm die Kaiserkrone aus den Händen des Volkes für eine Zahlung von 5.000 Pfund Silber an.
Doch der Staufer hatte sich bereits für eine Kooperation mit dem Papsttum entschieden. Am 18. Juni 1155 wurde Friedrich I. Barbarossa dann von Papst Hadrian IV. zum Kaiser gekrönt. Im unmittelbaren Anschluss brachen bewaffnete Aufstände in Rom aus.
Die erste Attacke erfolgte bereits auf der Engelsbrücke. Die Angreifer konnten jedoch zurückgewiesen werden. Bei den Kämpfen tat sich Heinrich der Löwe besonders hervor.
Der frisch gekrönte Kaiser Friedrich I. Barbarossa konnte Rom zwar unversehrt verlassen. Die dem Papst versprochene Befriedung der Stadt gelang jedoch nicht. Während sich der Staufer-Kaiser nach Deutschland zurückzog, zeichneten sich deshalb bereits die nächsten Konflikte ab.
Barbarossa als römisch-deutscher Kaiser
Friedrich I. Barbarossa feierte das erste Weihnachtsfest seiner Herrschaft als römisch-deutscher Kaiser in Worms. Die Stadt wurde später noch zu einem bedeutenden Zentrum seiner Machtausübung.
Das folgende Jahr stand dann auch im Zeichen der innen-politischen Konsolidierung:
Kaiser Friedrich I. Barbarossa heiratete am 17. Juni 1156 Beatrix von Burgund in Würzburg. Zeitgenössische Quellen beschrieben sie als eine große Schönheit. Außerdem war sie eine weltgewandte Frau, die dem Staufer nicht nur größeren Einfluss in Burgund im Süden des heutigen Frankreich einbrachte. Sie regierte darüber hinaus auch eigenständig und war ein wichtiger Rückhalt für ihren Ehemann. Aus der wohl sehr liebevollen Ehe gingen acht Söhne und drei Töchter hervor.
Heinrich der Löwe erhielt das versprochene Herzogtum Bayern als Lehen. Damit hielt Kaiser Friedrich I. Barbarossa zwar sein Versprechen gegenüber dem Welfen. Dieser wurde jedoch noch mächtiger, was später zum Bruch zwischen den beiden Vettern führen würde.
Das Jahr 1156 war jedoch von einem erneuten Zwischenfall mit dem Papst geprägt. Dieser schloss Frieden mit den Normannen und überging den römisch-deutschen Kaiser bei den Verhandlungen.
Es ging dem Kaiser dabei jedoch nicht nur um Respekt gegenüber seiner Person. Vielmehr sahen die Deutschen aufgrund der normannischen Präsenz auf Sizilien ihre Interessen in Süd-Italien gefährdet. Ein weiterer Eklat zeichnete sich am Horizont ab.
Im Jahr 1157 führte der Staufer gegen Polen auch seinen ersten Kriegszug. Er verwüstete die Diözesen von Breslau und Posen. Herzog Boleslaw musste sich unterwerfen und den Treueid schwören.
Seine Heiligkeit und das Heilige Reich
Im Oktober 1157 kam eine päpstliche Gesandtschaft zum Hoftag von Besançon. Diese trugen einen Brief seiner Heiligkeit vor. Darin wurde eine doppeldeutiger Begriff im Zusammenhang mit der Kaiserwürde verwendet.
Die Gesandten sprachen vom beneficium. Dieses lateinische Wort konnte entweder „Wohltat“ oder auch „Lehen“ bedeuten. Für die Anwesenden war jedoch klar, dass sich der Papst als Lehensherr des Kaisers positionieren wollte.
Damit wären die Päpste gegenüber dem Kaiser auch weisungsbefugt. Doch Kaiser Friedrich I. Barbarossa hielt rhetorisch dagegen. Er sprach nun vom Heiligen Reich, vom imperium sacrum.
Als Herrscher eines heiligen Reiches war Kaiser Friedrich I. Barbarossa nicht von der Heiligkeit des Papstes abhängig. Entsprechend könne er auch kein Vasall sein.
Dieser Konflikt zwischen Kaiser Friedrich I. Barbarossa und dem römischen Papst konnte später diplomatisch beigelegt werden. Aber Spannungen zwischen seiner weltlichen Macht und dem Papsttum prägten auch weiterhin die Herrschaft des Staufers.
Scheitern der Gesetze von Roncaglia
Nach dem erfolgreichen Manöver gegen den Papst mit der Etablierung des „Heiligen Reiches“ versuchte Kaiser Friedrich I. Barbarossa einen vergleichbaren Coup gegen die italienischen Städte. Mit den roncalischen Gesetzen verlieh er sich auf Basis von römischen Gesetzen eine ungeteilte Macht:
Die Lex Regalia schuf das Recht auf Verfügung über alle Herzogtümer, Markgrafenschaften, das komplette Verkehrsnetz sowie den anfallenden Zöllen.
Die Lex Omnis Jurisdicio machte den Kaiser zum Ursprung aller Gesetze. Damit lag die Hohe Gerichtsbarkeit und der Königsbann bei seiner Person. Außerdem mussten alle Richter ihm einen Amtseid leisten.
Die Lex Palaci et Pretoria ermächtigte Kaiser Friedrich I. Barbarossa, an jedem beliebigen Ort eine Pfalz zu errichten. Dabei handelte es sich um ausgebaute Standorte für Reise-Könige. Vor allem aber konnte er auf dieser Grundlage auch Burgen innerhalb von städtischen Grenzen errichten.
Die Lex Tributum erlaubte dem Staufer, die Steuern in Italien zu erhöhen beziehungsweise zu senken.
Darüber hinaus verschärfte Friedrich I. Barbarossa ein bereits 1154 erlassenes Lehensgesetz. Darin wurde die Treuepflicht gegenüber dem Kaiser über alle anderen Verpflichtungen gestellt.
Die roncalischen Gesetze verliehen Kaiser Friedrich I. Barbarossa eine bisher nie dagewesene formale Machtfülle. Doch es fehlte ihm an real-politischen Möglichkeiten, seine Ansprüche durchzusetzen.
Vielmehr fühlten sich die italienischen Städte von seinen Ansprüchen gegängelt. Deswegen kam es unmittelbar nach der Veröffentlichung bereits zu ersten Aufständen. Die Stadt Mailand rebellierte dann 1159 und konnte erst drei Jahre später gewaltsam unterworfen werden.
Politische Niederlage im Papstschisma
Papst Hadrian IV. starb am 1. September 1159. Doch die Kardinäle waren so zerstritten, dass es zu einer Spaltung des Kollegiums kam. Das Papsttum befand sich in einer tiefen Krise. In zwei getrennten Versammlungen wurde nun je ein Papst gewählt:
Alexander III.
Victor IV.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa schaltete sich in diese Situation ein. Er würde nur den Papst unterstützen, der seinem Reich und seiner Person die „Ehre“ erweist.
Damit war Alexander III. aus seiner Sicht aus dem Rennen. Dieser war als Kardinal Roland auf dem Hoftag von Besançon „respektlos“ gewesen. Der selbstbewusste Kleriker hatte sich auch im Anschluss nie um eine persönliche Aussöhnung bemüht.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa rief deshalb zum 13. Januar 1160 eine Kirchenversammlung nach Pavia ein. Diese sollte über die Papstwahl entscheiden. Doch Alexander III. erschien nicht in Pavia, weil er seiner Meinung nach als legitimer Papst keinem irdischen Gericht unterworfen war.
In der Folge kam es zu einem wechselseitigen Ausschluss aus der Kirche. Die Kirchenversammlung exkommunizierte zunächst Alexander III. und alle seine Anhänger. Dieser revanchierte sich mit einer Exkommunikation des Kaisers sowie von Victor IV. und dessen Anhänger.
Doch Kaiser Friedrich I. Barbarossa hatte seine Rechnung ohne die anderen Reiche in Europa gemacht. Vor allem der englische König und der französische König wiesen die Selbstermächtigung des Staufers zurück. In einem überlieferten Brief wurde die Frage gestellt, wer denn die „Deutschen zu Richtern über die Nationen“ gemacht hätte.
Das Papstschisma endete erst am 24. Juli 1177 als Kaiser Friedrich I. Barbarossa die Füße von Alexander III. küsste. Bis dahin würde der Staufer noch zwei weitere Gegenpäpste ins Rennen schicken und auch Kriege führen.
Zerstörung von Mailand im Jahr 1162
Als sich Mailand im Jahr 1159 gegen Kaiser Friedrich I. Barbarossa erhob, hatte dieser nur wenige militärische Kräfte. Erst zwei Jahre später konnte er gegen die rebellische Stadt ziehen.
Mailand musste nach einer langen Belagerung schließlich aufgrund von Problemen mit der Versorgung kapitulieren. Doch damit begann eine erniedrigende Tortur für die Bewohner der stolzen Stadt.
Die Unterwerfung (deditio) wurde in verschiedenen Akten über fast eine Woche hinweg zelebriert. Die Mailänder Konsuln, 300 Ritter und die Fußsoldaten mussten sich gleich viermal öffentlich unterwerfen. Dabei trugen die Ritter Schwerter über ihren Nacken und die Fußsoldaten hatten Stricke um den Hals.
Die Schlüssel der Stadt wurden übergeben. Die Fahnen musste mit der Spitze zu Boden gesenkt werden. Anschließend wurde Mailand erst geplündert und dann zerstört. Zur Beute gehörten die Reliquien der Heiligen Drei Könige. Diese wurden nach Köln gebracht, um Pilger in die Stadt zu locken.
Die Bewohner von Mailand mussten ihre Häuser jedoch verlassen und durften die Stadt nicht mehr betreten. Deshalb wurden im Umland neue Siedlungen errichtet. Die deditio war damit als Ritual zur friedlichen Beendigung von bewaffneten Konflikten jedoch dauerhaft beschädigt.
Aber Kaiser Friedrich I. Barbarossa ließ sich die Chance für einen PR-Coup nicht nehmen. Weil er die schätzungsweise etwa 100.000 Mailänder nicht alle umbrachte, ließ er sich als gütigen Herrscher feiern.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa muss sehr stolz auf sich gewesen sein. Im Anschluss an die Belagerung ließ er für einige Monaten seine offiziellen Urkunden mit „post destructionem Mediolani“ datieren – „nach der Zerstörung Mailands“.
Scheitern des 3. und 4. Italienzuges
Bereits zweimal hatte Kaiser Friedrich I. Barbarossa nach Italien ziehen müssen. Insgesamt sollten es sechs Italienzüge während seiner Herrschaft werden.
Der 3. und der 4. Italienzug hatten das höhere Ziel, einen Zugriff auf Sizilien zu bekommen. Darüber hinaus sollte das nach wie vor andauernde Papstschisma gewaltsam überwunden werden.
Doch jeweils fehlte Kaiser Friedrich I. Barbarossa die militärische Kraft, sich dauerhaft zu behaupten. Der 3. Italienzug endete noch relativ glimpflich mit einem freiwilligen Rückzug des Staufers nach Deutschland.
Der 4. Italienzug hingegen wurde zur Katastrophe. Nachdem Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Juli 1167 Rom erreicht hatte, brach in seinem Heer die Ruhr aus.
Parallel ging der Lombardenbund nun gegen ihn vor. Der Staufer musste sich deshalb überstürzt nach Pavia zurückziehen. Von dort aus flüchtete er in der Nacht als Pferdeknecht verkleidet über den letzten offenen Alpenpass nach Norden.
Fragwürdige Konsolidierung des Reiches
Die schweren Niederlagen in Italien hatten für Kaiser Friedrich I. Barbarossa jedoch einen großen Vorteil. Viele Adelige ohne Erben waren an seiner Seite zu Tode gekommen. Deren Vermögen zog er nun ein.
Darstellung von Heinrich dem Löwen aus dem Jahr 1514 (gemeinfrei)
Dadurch konnte Kaiser Friedrich I. Barbarossa erstmals nahezu geschlossene Königsländereien im deutschen Flickenteppich herstellen. Diese Territorien befanden sich vor allem im Alpenvorland, nördlich des Bodensees und im östlichen Schwaben.
Desweiteren nutzte er seine Position, um seinen Vettern Heinrich den Löwen in Streitigkeiten zu unterstützen. Desweiteren bestimmte Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Jahr 1169 seinen damals vierjährigen Sohn als Nachfolger und ließ ihn in Aachen krönen. Dies sollte sich nach seinem Tod auszahlen, weil der Übergang der Herrschaft auf Heinrich VI. tatsächlich gut funktionierte.
Nach Jahren der vergeblichen Opposition gegen Papst Alexander III. suchte er nun erstmals einen diplomatischen Ausgleich. Er bot seiner Heiligkeit an, dass dieser ihn dulden und seinen Sohn später zum Kaiser krönen solle. Er selbst würde jedoch nur „Petrus selbst und die Päpste im Himmel“ anerkennen. Die Verhandlungen scheiterten.
Katastrophe in der Schlacht von Legnano
Die Opposition gegen die einseitige Positionierung von Kaiser Friedrich I. Barbarossa wurde mit der Dauer des Konfliktes immer stärker. Schließlich wurde Alexander III. auch vom Lombardenbund unterstützt, der Lega Lombarda.
Der Staufer musste sich militärisch behaupten. Doch Heinrich der Löwe, sein wichtigster Vasall, verweigerte ihm die Unterstützung. Bei einem Treffen in der Stadt Chiavenna soll Kaiser Friedrich I. Barbarossa sogar vor dem Herzog auf die Knie gefallen sein.
Aber Kaiser Friedrich I. Barbarossa wurde 1176 von seinem welfischen Vettern im Stich gelassen. Mit gerade einmal 3.000 Mann musste er gegen die nord-italienischen Städte ins Feld ziehen.
Am 29. Mai 1176 kam es dann etwa 30 km nord-westlich von Mailand zur Schlacht von Legnano. Dabei handelte es sich um ein unplanmäßiges Gefecht, dass für den Staufer in einer Katastrophe endete:
Im Morgengrauen wurde seine Vorhut von einer Überzahl an bewaffneten Bauern attackiert.
Kaiser Friedrich I. Barbarossa traf mit seiner Reiterei gerade rechtzeitig ein, um die Bauern zurückzuwerfen.
Die Lombarden zogen sich daraufhin zu ihren Feldzeichen zurück. Dort bildeten sie zusammen mit Fußsoldaten und der Reiterei eine Phalanx.
Die erste Reihe der Lombarden wurde von der kaiserlichen Kavallerie schnell niedergemacht. Die meisten Bauern flohen daraufhin
Doch die verbliebenen Italiener zeigten einen trotzigen Kampfgeist bei der Verteidigung ihrer Fahne. Obwohl sie selber fast vernichtet wurden, hielten sie den Angriffen der Deutschen stand.
In dieser Zeit erreichten die Kavallerie und die Infanterie aus den Städten Brescia und Mailand das Schlachtfeld. Sie starteten einen Flankenangriff und fügten Kaiser Friedrich I. Barbarossa eine vernichtende Niederlage zu.
Der kaiserliche Bannerträger fiel bei einer Attacke der Reiter aus Brescia. Die verbliebenen Truppen waren so verunsichert, dass sie sich bis in den Tessin zurückzogen.
Frieden von Venedig im Jahr 1177
Mit der Niederlage gegen den lombardischen Bund endeten auch zahlreiche Ambitionen von Kaiser Friedrich I. Barbarossa. Im Jahr 1177 schloss er Frieden mit den italienischen Städten und erkannte Alexander III. als legitimen Papst an.
„Er hatte das Kräftemessen mit dem Papst verloren.“ (Stefan Weinfurter)
Die Vereinbarung wurde im Frieden von Konstanz 1183 noch erweitert. Der Staufer erkannte nun die „Autonomie“ der italienischen Städte an. Diese wiederum respektierten im Gegenzug den römisch-deutschen Kaiser als „Oberhoheit“.
Dieser Frieden in Italien kam zu einem sehr wichtigen Zeitpunkt. Deswegen war er für den Staufer wohl auch aus der Not geboren. Der Machtkampf mit seinem welfischen Vetter spitzte sich nämlich immer weiter zu.
Machtkampf mit Heinrich dem Löwen
Kaiser Friedrich I. Barbarossa hatte nicht vergessen, dass sein welfischer Vetter ihn im Jahr 1176 im Stich gelassen hatte. Darüber hinaus entwickelte der Herzog von Bayern und Sachsen inzwischen selbst einen imperialen Stil.
Zunächst begann ein Spiel der wechselseitigen Provokationen. Diese endeten letztlich mit der Verbannung des Löwen:
Im November 1178 hörte Kaiser Friedrich I. Barbarossa erstmals die Klagen von sächsischen Adeligen gegen den Herzog an. Daraufhin wurde der Welfe vor den Hoftag zu Worms im Januar 1179 geladen.
Heinrich der Löwe erschien jedoch nicht in Worms. Dies hätte schließlich als Zeichen gewertet werden können, dass er die gegen ihn gerichtete Klage als legitim ansah.
Der Kaiser warf seinem Vetter daraufhin vor, die „Ehre des Reiches“ verletzt zu haben. Dem Löwen wurde bei erneuter Missachtung einer solchen Vorladung die Ächtung angedroht und er wurde vor den Hoftag im Juni 1179 in Magdeburg befohlen.
Doch der Welfe erschien weder in Magdeburg noch auf dem darauffolgenden Hoftag Ende März 1180 in Gelnhausen. Damit hatte er juristisch den Bogen endgültig überspannt. Der Erzbischof von Köln listete die Verbrechen auf:
Unterdrückung der Freiheit der Kirche und der Adeligen
Missachtung des Lehensrechts
Verachtung der kaiserlichen Majestät
Die Herzogtümer Bayern und Sachsen wurden nun aufgeteilt. Doch Heinrich der Löwe stellte unter real-politischen Gesichtspunkten zu diesem Zeitpunkt immer noch eine sehr mächtige Person im Reich dar. Es kam deshalb zum militärischen Schlagabtausch.
Der Löwe griff Goslar mit seinen reichen Silberminen an. Doch der Welfe hatte sich nie um die Loyalität insbesondere des sächsischen Adels bemüht. Seine eigenen Vasallen verweigerten ihm nun den Rückhalt.
Binnen zwei Monaten konnte Kaiser Friedrich I. Barbarossa seine Reichsheerfahrt gegen den Welfen zu einem erfolgreichen Ende führen. Auf dem Hoftag 1181 zu Erfurt unterwarf sich der Löwe und musste daraufhin ins Exil gehen.
Einige Jahre später konnte der Welfe auf seine ererbten Güter zurückkehren. Doch er spielte nie wieder eine Rolle in der großen Politik des Reiches.
Tod Barbarossas 1190 auf dem Dritten Kreuzzug
In den letzten zehn Jahren seiner Herrschaft gelang Kaiser Friedrich I. Barbarossa ein wichtiger Coup. Er verheiratete seinen Sohn, den späteren König und Kaiser Heinrich VI. mit einer Tochter des normannischen Königs Roger II. von Sizilien.
So gelang die erbrechtliche Verbindung des Heiligen Römischen Reiches mit dem Königreich Sizilien. Doch damit schuf Kaiser Friedrich I. Barbarossa auch einen weiteren Konfliktherd mit dem Papst. Deren Vertreter fürchteten um ihren Einfluss über Sizilien.
Sultan Saladin gemalt von Cristofano dell’Altissimo (gemeinfrei)
Doch die Probleme der Christen untereinander wurden jäh vom Sieg des Sultan Saladin in der Schlacht bei Hattin am 4. Juli 1187 unterbrochen. Das Königreich Jerusalem fiel in die Hände der Muslime.
Der neue Papst Gregor VIII. verkündete daraufhin die Audita Tremendi, die Kreuzzugbulle. Er rief damit zum Dritten Kreuzzug auf und versprach allen Kreuzrittern den vollständigen Ablass ihrer Sünden.
Zögerlich kamen der englische König Richard Löwenherz, der französische König Philipp II. August und Kaiser Friedrich I. Barbarossa diesem Ruf nach.
Der Staufer versammelte ein Heer von 15.000 Mann. Sie marschierten über Bayern nach Wien. Von dort ging es weiter über Ungarn bis in das Byzantinische Reich. Dabei wurde Thrakien geplündert.
In der heutigen Türkei kam es dann zu ersten Gefechten gegen muslimische Verbände. Kaiser Friedrich I. Barbarossa konnte sich durchsetzen und plünderte Konya.
Am 18. Mai 1190 kam es dann zur großen Schlacht von Iconium. Das zahlenmäßig weit überlegene Heer der Kreuzfahrer fügte den Seldschuken eine schwere Niederlage zu.
Doch nur wenige Wochen später am 10. Juni 1190 ertrank Kaiser Friedrich I. Barbarossa im Fluss Saleph (heutiger Name „Göksu“) im Süd-Osten der heutigen Türkei. Die näheren Umstände seines Todes sind jedoch unbekannt.
Sein Leichnam wurde nach dem „Mos Teutonicus“, der „deutschen Sitte“, bestattet. Dabei wurde der Körper gekocht, um das Fleisch von den Knochen zu trennen. Die Eingeweide bestattete man in Tarsos. Die Knochen wurden hingegen wahrscheinlich in der Kathedrale von Tyrus beigesetzt.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Heinrich der Löwe wurde zwischen 1129 und 1135 geboren. Die Quellenlage zu seinem Geburtsdatum ist nicht eindeutig. Er stammte aus dem Geschlecht der Welfen und war ein Vetter von Kaiser Friedrich I. Barbarossa.
Heinrich der Löwe ließ 1166 den Braunschweiger Löwen aufstellen. (gemeinfrei)
Obwohl Heinrich der Löwe selbst kein König war, gehörte er zeitweise zu den führenden Figuren seiner Zeit in ganz Europa. Darüber hinaus schuf er als Gründer zahlreicher Städte wie München ein bleibendes Erbe.
„Ich Heinrich von Braunschweig bin der Löwe.“ (Münzumschrift)
Doch nach einer langen und erfolgreichen Karriere als einer der Großen des Heiligen Römischen Reiches überschätzte er sich schließlich selbst. Alle Titel wurden Heinrich dem Löwen aberkannt und er musste ins Exil gehen. Letztlich verdankte er es dem Glück, dass er später in seine ererbten Ländereien zurückkehren durfte.
Seiner Herzogtümer Bayern und Sachsen hatte er sich jedoch beraubt. Er spielte nach einem verlorenen Machtkampf mit Kaiser nie wieder eine bedeutende Rolle.
Am 6. August 1195 verstarb Heinrich der Löwe dann in Braunschweig. Er wurde zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Mathilde begraben. Das Doppelgrab kann noch heute im Dom besucht werden und ist die älteste erhaltene Stätte dieser Art.
Die Welfen – europäischer Hochadel
Die Welfen gehören neben den Kapetingern und den Reginaren zu den drei ältesten Geschlechtern des europäischen Hochadels. Sie wurden erstmals im 8. Jahrhundert n. Christus in einer Urkunde erwähnt.
Als Stammvater der Welfen gilt Graf Ruthard († 790 n. Christus). Dabei handelte es sich um einen Partei-Gänger der Karolinger. Nach der Zerschlagung des alemanischen Herzogtums zwischen Maas und Mosel im Blutgericht zu Cannstatt setzte er das fränkische Recht von Karl dem Großen in der Region durch.
Im Zenit ihrer Macht stellten die Welfen als Erben der Stuarts ab dem Jahr 1714 sogar den König von England. Beginnend mit George I. regierten sie das Vereinigte Königreich dann bis 1901.
Legenden der älteren Welfen
Einer Familienlegende nach geht der Stammbau der Welfen sogar bis ins 5. Jahrhundert zurück. Der legendäre Stammvater soll Edekon gewesen sein, ein Fürst unter dem Hunnenkönig Attila.
Bei Edekon handelte es sich darüber hinaus um den Vater von Odoaker. Dieser stürzte den letzten Kaiser von West-Rom und wurde im Jahr 476 n. Christus zum ersten König von Italien nach der römischen Kaiserzeit.
Aufstieg im fränkischen Reich
Den Welfen gelang es, im Frankenreich immer weiter an Einfluss zu gewinnen. Mit Graf Welf I. beginnt dann die unzweifelhaft belegte Geschichte dieses Geschlechts des deutschen Adels.
Graf Welf I. gehörte zur Aristokratie des Reiches und konnte für zwei seiner Töchter höchst vorteilhafte Ehen arrangieren.
Damit ist die Geschichte der Familie von Heinrich dem Löwen sehr eng mit der mittelalterlichen Entwicklung vom fränkischen Reich hin zum Heiligen Römischen Reich verbunden. Der entscheidende Meilenstein dieser Geschichte war die Krönung von Otto I. dem Großen zum Kaiser in Rom im Jahr 962 n. Christus.
Jüngere Welfen und die Staufer
Welf IV. wurde im Jahr 1070 vom Salier-König Heinrich IV. zum Herzog von Bayern ernannt. Darüber hinaus erhielt dieser Vorfahre von Heinrich dem Löwen durch seine Ehe mit Wulfhild auch Gebiete in Sachsen. Dessen Enkel trug dann auch bereits den Titel Herzog von Sachsen.
Beide Herzog-Titel waren erbliche Lehenstitel. Das heißt, sie konnten auch wieder entzogen werden, wie es dann später bei Heinrich dem Löwen gemacht wurde.
Doch die Welfen hatten inzwischen auch sogenannten Allodialbesitz in Schwaben und Niedersachsen aufgebaut. Über diese Besitzungen konnte das Adelsgeschlecht frei verfügen, so dass sie auch eine unabhängige Machtbasis hatten. Damit konnten sie sehr souverän auftreten.
In dieser Phase traten die Welfen erstmals in Opposition zum dem damals führenden Geschlecht der Staufer. Doch obwohl sie die beiden mächtigsten Herzogtümer im Reich innehatten, konnten die Welfen sich vorerst nicht als Königshaus etablieren.
Doch zu Beginn des 12. Jahrhunderts suchten die mächtigen Geschlechter einen Ausgleich. Um 1120 wurde die welfische Judith mit dem Staufer-Herzog Friedrich dem Einäugigen verheiratet.
Aus dieser Ehe ging Friedrich Barbarossa hervor. Dieser wurde römisch-deutscher Kaiser und war zugleich auch ein Vetter von Heinrich dem Löwen. Das wechselhafte Machtspiel dieser beiden Akteure sollte das römisch-deutsche Reich für Jahrzehnte dominieren.
Aufstieg von Heinrich dem Löwen
Jugendjahre von Heinrich
Der Geburtsort von Heinrich dem Löwen ist nicht bekannt. Der Steterburger Chronik zufolge müsste er 1129/30 auf die Welt gekommen sein. Er wurde jedoch erst 1135/36 getauft. Dieser hohe Zeitabstand kann jedoch nicht plausibel begründet werden. Deswegen vermuten Historiker einen Fehler bei der Übertragung der Daten.
Die Jahre seiner Kindheit waren vom politischen Konflikt zwischen seinem Vater Heinrich dem Stolzen und dem Staufer-König Konrad III. geprägt. Diesem war die Königswahl trotz einer schwachen materiellen Basis gelungen.
Heinrich der Löwe wurde in seiner Jugend dennoch von geistlichen Mentoren aus dem Umfeld des Kaiser-Hauses ausgebildet. Diese vermittelten ihm auch geo-politische Sichtweisen. Doch als der Vater starb, war der junge Mann noch nicht mündig.
In der Folge entbrannten Machtkämpfe um die Herzogtümer Bayern und Sachsen. Heinrich der Löwe konnte erst im Laufe seines Lebens die Kontrolle über diese Gebiete wiederherstellen.
Zweiter Kreuzzug und Slawenkrieg
Die Konflikte, insbesondere um das Herzogtum Bayern, wurden darüber hinaus von einem internationalen Großereignis verzögert. Bernhard von Clairvaux hatte zum Zweiten Kreuzzug aufgerufen:
„Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen und stirbt dann noch ruhiger!“
Darstellung von Heinrich dem Löwen aus dem Jahr 1514 (gemeinfrei)
Aber der junge Heinrich entschied sich nicht für einen klassischen Kreuzzug in das Heilige Land. Vielmehr zog er gegen die Slawen östlich der Elbe. Dies hatte auch den Vorteil, dass er den Staufer Konrad III. nicht beim Zweiten Kreuzzug unterstützen musste. Er konnte auch so seinen religiösen Pflichten nachkommen.
Darüber hinaus hatte Heinrich der Löwe wirtschaftliche Interessen und er beanspruchte die Herrschaft über einige Gebiete östlich der Elbe. Ab 1147 führte Heinrich der Löwe dann seinen Wendenkreuzzug. Der Begriff „Wenden“ ist eine veraltete Bezeichnung der dortigen Elb-Slawen.
Dafür erhielt er von zahlreichen deutschen Fürsten und Bischöfen eine erhebliche Unterstützung. Einen besonderen Einfluss hatte dabei Albrecht der Bär von Brandenburg. Dieser war wohl wesentlich für die Planung des Feldzuges mit zwei Heeren verantwortlich.
Dennoch hatte der noch junge Heinrich der Löwe innerhalb seines Verbandes wahrscheinlich die Führungsposition. Erfolgreich belagerte er dann die Burg Dobin am Schweriner See.
Laut den Quellen konnten Heinrich der Löwe und Albrecht der Bär ihre Heere von Kreuzfahrern binnen drei Monaten zum Erfolg führen. Insgesamt sollen dabei über 100.000 Kreuzritter gegen die heidnischen Wenden marschiert sein. Diese Zahl wird von Historikern jedoch stark bezweifelt.
Mehr als ein Jahrzehnt später im Jahr 1160 sollte Heinrich der Löwe erneut größere Vorstöße in die slawischen Gebiete durchführen. Den Widerstand des einheimischen Adels konnte er mit Gewalt brechen. Bedeutende Burgen übergab er an treue Vasallen.
Königswahl von Friedrich Barbarossa
Nach dem Tod von Konrad III. im Jahr 1152 versammelte sich die führende Aristokratie in Frankfurt, um einen neuen Monarchen zu wählen.
Die Versammlung entschied sich für den Staufer Barbarossa. Der bedeutende Geschichtsschreiber Otto von Freising sprach von einer einstimmigen Wahl, weil der Kandidat die zerstrittenen Staufer und Welfen einigen könne.
Tatsächlich musste der Staufer vor seiner Wahl wohl sehr intensive Verhandlungen führen. Zentral war demnach ein Versprechen an Heinrich den Löwen, das Herzogtum Bayern an ihn zurückzugeben.
Mit der Krönung am 9. März 1152 in Aachen kam es deshalb zu einer historischen Verschiebung der politischen Kräfte im Reich. Die Staufer und die Welfen waren plötzlich Verbündete. Heinrich der Löwe sah diese Allianz als beste Chance an, Herzog von Bayern zu werden.
Politische Partnerschaft mit Barbarossa
Nach der erfolgreichen Wahl von Friedrich I. Barbarossa zum König entwickelte sich eine langjährige strategische Partnerschaft mit Heinrich dem Löwen. Über ein Vierteljahrhundert hinweg unterstützen die Männer die Interessen des jeweils anderen.
Die besondere Nähe der Beiden zeigte sich beispielsweise im häufigen Auftreten von Heinrich dem Löwen als Zeuge für seinen König und späteren Kaiser. Dies gilt für zwei Drittel der bekannten Urkunden aus den ersten zehn Jahren der Partnerschaft.
Der Staufer dankte es dem Löwen dafür beispielsweise mit einem neuen Lehen – der Reichsvogtei Goslar. Diese war wegen der Silberbergwerke in Rammelsburg wirtschaftlich besonders interessant. Bis heute sind zahlreiche Silbermünzen erhalten, die Heinrich der Löwe pressen ließ.
Konflikte in Italien und Kaiserkrönung
Noch im Jahr 1152 verkündete Friedrich I. Barbarossa auf dem Hoftag zu Würzburg den Termin seiner Reise nach Rom. Dort wollte er die Kaiserwürde aus den Händen des Papstes empfangen. Diese Romfahrt wurde für 1154 angesetzt.
Doch bereits im darauffolgenden Jahr wurde Barbarossa mit dem Widerstand der italienischen Städte konfrontiert. Er war deshalb langfristig auf die tatkräftige Unterstützung durch Heinrich den Löwen angewiesen.
Bei der erste Reise nach Italien ließ sich Barbarossa von einem großen Heer begleiten. Den größten Anteil stellte dabei der welfische Herzog.
In Italien kam es tatsächlich zu bewaffneten Konflikten. Heinrich der Löwe belagerte in diesem Zug die Stadt Pavia und brannte sie teilweise nieder.
Die größte Gefahr lauerte jedoch in Rom selbst. Eine örtliche Bewegung hatte den römischen Senat wieder eingesetzt. Sie boten Barbarossa an, dass er gegen eine Zahlung von 5.000 Pfund Silber die Krone des Kaisers vom Volk erhalten könne.
Friedrich Barbarossa schlug sich jedoch auf die Seite des Papsttums. Am 18. Juni 1155 wurde er dann von Hadrian IV. gekrönt. Umgehend brach ein bewaffneter Aufstand in Rom aus.
Die aufgebrachten Römer attackierten das Feldlager. Doch Heinrich der Löwe konnte den Angriff abwehren. Dies brachte ihm großen persönlichen Ruhm ein.
„Gründung“ des Heiligen Römischen Reiches 1157
Bald nach der Rückkehr von Kaiser Friedrich I. Barbarossa aus Italien kam es jedoch zu einem schweren diplomatischen Zwischenfall. Eine päpstliche Gesandtschaft verlas 1157 auf dem Hoftag von Besançon ein Schreiben seiner Heiligkeit.
Darin wurde die Verleihung der Kaiserwürde als Beneficium bezeichnet. Dabei handelte es sich um einen doppeldeutigen Begriff. Dies konnte sowohl „Wohltat“ wie auch „Lehen“ bedeuten.
Die Rede wurde dann so interpretiert, dass der Papst sich als Lehnsherrn des Kaisers positionieren wollte. Doch Barbarossa wies dies als Beleidigung zurück und schuf seinerseits eine völlig neue Legitimationskette.
Erstmals sprach er nun vom Heiligen Reich, dem sacrum imperium. Mit dieser Begrifflichkeit wies der Kaiser den Anspruch des Papstes aus Rom zurück: Der Herrscher eines heiligen Reiches braucht nämlich keine weitere Legitimation. Der Konflikt war damit jedoch keinesfalls beigelegt.
Zunächst konnte jedoch Heinrich der Löwe zusammen mit dem Bischof von Bamberg zwischen Kaiser und Papst diplomatisch vermitteln. Diese Rolle zeigte sehr deutlich die machtvolle Position des Welfen im Reich.
Man einigte sich darauf, dass alles nur ein Missverständnis gewesen sei. Später erweiterte man die ursprüngliche Aussage jedoch noch. Das scarum imperium romanum, das Heilige Römische Reich war geboren. Der Zusatz „deutscher Nation“ kam erst Jahrhunderte später hinzu.
Mit dem Anspruch von Kaiser Friedrich I. Barbarossa, dass er sich weder vor dem Papst noch dem Volk von Rom verantworten müsse, hatte er sich aber nun ganz neue Feinde geschaffen. Die italienischen Städte rebellierten umgehend. Der Staufer war wieder auf die Hilfe von Heinrich dem Löwen angewiesen.
Bereits im Jahr 1158 musste Heinrich der Löwe seinem Kaiser erneut bei einem Zug nach Italien beistehen. Das Zentrum des Widerstandes gegen ihn wurde Mailand.
Nach monatelanger Belagerung musste Mailand schließlich kapitulieren. Die Deutschen statuierten ein Exempel und brannten die Stadt bis auf die Grundmauern nieder. Doch nun machte auch wieder die schmähliche Rede vom Furor Teutonicus die Runde.
Unter dem Raubgut waren auch die Reliquien der heiligen drei Könige. Diese wurden nach Köln gebracht, um Pilger in die Stadt zu locken. Dank der Spenden dieser Gläubigen konnte etwa 100 Jahre später mit dem Bau des Kölner Doms begonnen werden.
Heinrich der Löwe im Kampf um die Macht
Das informelle Bündnis von Heinrich dem Löwen mit Kaiser Friedrich I. Barbarossa zerfiel sukzessive nach etwa 25 Jahren. Der Grund war, dass der Welfe seine Macht im Laufe der Zeit immer aggressiver gegen seinen Vettern ausspielte. Doch er überreizte seine Trümpfe. Im Machtkampf mit dem Kaiser unterlag der Herzog am Ende.
Heinrich als „Gründer“ bedeutender Städte
In der älteren Forschung zu Heinrich dem Löwen wird ihm eine systematische Städtepolitik unterstellt. Beispielsweise wird ihm die Gründung von Lübeck, München und Schwerin zugeschrieben.
Die Brücke von Heinrich dem Löwen über die Isar stand im Bereich der heutigen Ludwigsbrücke (gemeinfrei)
Doch Heinrich der Löwe war sicherlich kein städtebaulicher Visionär. Vielmehr setzte er mit machtvollen und teils auch fiesen Tricks einfach nur seine wirtschaftlichen Interessen durch. Davon wiederum profitieren einige Siedlungen in seinem Herrschaftsbereich ganz besonders. Die Gründung von München ist hierfür ein ideales Beispiel:
Zur Zeit von Heinrich dem Löwen war der Handel mit Salz ein höchst lukratives Geschäft. Von Salzburg kommend wurden Lieferungen über eine Brücke bei Freising über den Fluss Isar gebracht. Dann ging die Salzstraße weiter nach Augsburg.
Heinrich der Löwe ließ deshalb die Brücke im Hoheitsgebiet des Bischofs von Freising zerstören. Dafür ließ er weiter südlich in seinem Gebiet eine neue Brücke errichten.
Der Zoll der Salzhändler floss nun in die Taschen von Heinrich dem Löwen. Im Umfeld dieser neuen Brücke entwickelte sich „bei den Mönchen“ ab 1158 eine Siedlung, die heute als München bekannt ist.
Ausbau der Burg Dankwarderode
Heinrich der Löwe übte seine Herrschaft wie ein Reise-König aus. Das heißt, er war häufig mit einem großen Tross in seinen Ländereien unterwegs, um seine Macht auszuüben.
Mit der wachsenden Bedeutung seiner Person entstand auch der Wunsch nach einer prachtvollen Pfalz. Eine Pfalz ist ein ausgebauter Standort für einen Reise-König.
Als Standort wählte er das 1134 erstmals erwähnte castrum Tanquarderoth. Dabei handelte es sich um eine Niederungsburg auf einer natürlichen Insel des Flusses Oker im heutigen Braunschweig.
Von 1160 bis 1175 wurde die Burg Dankwarderode dann ausgebaut. Als architektonisches Vorbild wurde die Kaiserpfalz von Goslar herangezogen:
Das Hauptgebäude wurde als zweistöckiger Palas angelegt.
Das Erdgeschoss erhielt eine Fußbodenheizung.
Auch eine Doppelkappelle für unterschiedliche religiöse Zwecke wurde angelegt. Das war ein klassisches Statussymbol des mittelalterlichen Hochadels.
Die Burg verlor mit diesem Ausbau jedoch auch ihre militärische Bedeutung. Für den Schutz wurden deshalb neue Außenbezirke angelegt.
Mathilde – Tochter des englischen Königs
1147 hatte Heinrich der Löwe Clementia von Zähringen geheiratet. Dabei hatte es sich einerseits um ein innen-politisches Bündnis gehandelt. Andererseits hatte die Dame auch eine große Mitgift in die Ehe mit dem Welfen eingebracht. Darunter befanden sich beispielsweise die Burg Badenweiler im Breisgau, aber auch Ländereien.
Doch die Ehe blieb ohne lebenden männlichen Nachkommen, während Heinrich der Löwe immer weiter an Macht gewann. Deshalb verstieß der Welfe seine Gattin im Jahr 1162 wohl aus einem dynastischen Denken heraus. Die Trennung wurde mit einer zu nahen verwandtschaftlichen Beziehung begründet. Damit war diese Scheidung nach römischem Kirchenrecht sogar zulässig.
Nur zwei Jahre später suchte Kaiser Friedrich I. Barbarossa den internationalen Schulterschluss mit dem Haus Plantagenet. Diese stellten von 1154 bis 1485 beginnend mit Heinrich II. die Könige von England. Eben dieser hatte zwei Töchter, die mit Heinrich dem Löwen und einem Sohn Barbarossas verheiratet werden sollten.
Heinrich der Löwe war mit einer Delegation schon bei den Verhandlungen dabei. Er heiratete Mathilde von England dann im Jahr 1168 im Dom von Minden in Westfalen. Das arme Mädchen war zu diesem Zeitpunkt erst zwölf Jahre alt. Nach mittelalterlichen Vorstellungen war sie damit jedoch bereits im heiratsfähigen Alter.
Für Heinrich den Löwen war diese Verbindung jedoch hoch interessant. Die normannischen Könige von England herrschten nämlich auch über Gebiete im heutigen Frankreich. Deshalb gehörten die Plantagenets zu den mächtigsten Familien in ganz Europa.
Heinrich der Löwe war damit zwar immer noch nicht König. Aber er gehörte nun ebenfalls zu den einflussreichsten Personen auf dem Kontinent. Außerdem hatte die englische Königstochter eine sehr hohe Aussteuer mit in die Ehe gebracht.
Reise nach Jerusalem und zwei Leoparden
Für einen weiteren Gewinn an Ruhm entschied sich Heinrich der Löwe für eine Fahrt nach Jerusalem. Dabei ließ er sich von mindestens 1.500 bewaffneten Kriegern begleiten. Außerdem schlossen sich ihm eine Reihe von Geistlichen an:
Erzbischof Baldewin von Hamburg-Bremen
Bischof Konrad von Lübeck
Abt Heinrich von St. Aegidien in Braunschweig
Abt Berthold von St. Michael in Lüneburg
Erst in Konstantinopel und dann in Jerusalem bereitete man ihm einen festlichen Empfang. Er selbst stiftete dem Heiligen Grab und der Kapelle des Heiligen Kreuzes große Summen. Außerdem schenkte Heinrich der Löwe den Johannitern und den Templern ebenfalls Geld und auch Waffen.
Bei seiner Fahrt nach Jerusalem erwarb Heinrich zwei Leoparden. Diese Haustiere hatten dann möglicherweise den entscheidenden Einfluss auf die Bildung seines Beinnamens als der Löwe.
Unterwerfung und Exil in England
Als Herzog von Sachsen hatte Heinrich der Löwe noch große Ambitionen im Norden von Deutschland. Er sah es deshalb nicht als zwangsläufig sinnvoll an, den Kaiser bei seinen Querelen mit den italienischen Städten zu unterstützen.
Neben den machtpolitischen Fragen stellten sich bei Heinrich dem Löwen wohl auch Standesdünkel ein. Das Haus der Welfen war immerhin sehr viel älter als das Haus der Staufer. Gesichert ist, dass er seinem Kaiser mit nachlassendem Respekt gegenüber trat.
Einer Legende nach soll der Kaiser sogar vor Heinrich dem Löwen auf die Knie gefallen sein. Doch dieser forderte die Übergabe der Silberminen von Goslar. Diesen Preis wollte Barbarossa nicht zahlen und der Welfe verweigerte ihm die militärische Unterstützung.
Für sein Verhalten wurde Heinrich der Löwe mehrfach von Kaiser Friedrich I. Barbarossa herbei zitiert. Auch diesen Aufforderungen verweigerte er sich immer wieder. Der Konflikt führte schließlich sogar zu einem militärischen Kräftemessen.
Im April 1180 griff Heinrich der Löwe die Stadt Goslar an. Doch der Welfe hatte seine eigenen Gefolgsleute lange Zeit zu schlecht behandelte. Sie verweigerten ihm den Rückhalt. Im Sommer diesen Jahres führte der Kaiser einen Rachefeldzug durch Sachsen und konnte sich binnen zwei Monaten durchsetzen.
Für seine Dreistigkeit wurde Heinrich der Löwe nun geächtet. Damit war er vogelfrei und konnte straflos von Jedermann getötet werden. Seine Herzogtümer Bayern und Sachsen wurden ihm aberkannt.
Heinrich der Löwe musste sich dem Kaiser auf dem Hoftag zu Erfurt 1181 völlig unterwerfen. Dabei wurde er angewiesen, dass Reich für einige Jahre zu verlassen. Er ging deshalb ins Exil zu seinem Schwiegervater, dem König von England. Dort wurde er protegiert und erhielt sogar Taschengeld. Damit konnte er sich auch weiterhin einen Hof und eine Leibwache leisten.
Acht Jahre nach seiner Verbannung durfte Heinrich der Löwe nach Braunschweig zurückkehren. Er spielte jedoch keine Rolle mehr in der großen Politik des Heiligen Römischen Reiches, sondern verfügte nur noch über geerbte Eigengüter. Am 6. August verstarb er dann in Braunschweig und wurde dort auch bestattet.
Das vielschichtige Erbe des Löwen
Heinrich der Löwe hinterließ trotz seines schmachvollen Niedergangs eine tiefe Spur in der deutschen Geschichte. Vor allem die Beziehung zu England sollte sich für die Welfen auszahlen.
Im Jahr 1198 wurde deshalb sein Sohn zu Kaiser Otto IV. gewählt. Dieser war nicht nur am englischen Königshof aufgewachsen. Er war auch ein Neffe von Richard Löwenherz.
Insbesondere die Händler von Köln hatten aus wirtschaftlichen Gründen deshalb größtes Interesse, dem Welfen an die Macht zu verhelfen. Mit ihrem Geld konnten für die Königswahl genügend Stimmen gekauft werden. Doch Heinrich der Löwe hinterließ auch ein kulturelles Erbe.
Vereinnahmung durch die Nazis
Die NSDAP und Adolf Hitler hatten in Braunschweig bereits früh viele Anhänger. 1935 kam es dann zu einem groß inszenierten Besuch des Diktators. Dieser versuchte, Heinrich den Löwen für die NS-Ideologie auszuschlachten. Vor allem der Feldzug gegen die ost-elbischen Wenden hatte zu dieser besonderen Aufmerksamkeit geführt.
Der Dom von Braunschweig wurde mit zahlreichen Hakenkreuz-Fahnen geschmückt. Über dem Altar wurde ein großer Reichsadler installiert. Man öffnete sogar das Grab. Dabei fand man Haare, die in einer Art Reliquien-Kult in goldene Gefäße eingefasst wurden. Angeblich stellte sich Hitler sogar einige dieser Haare auf seinen Schreibtisch in der Reichskanzlei.
Die Vereinnahmung von Heinrich dem Löwen erwies sich jedoch als propagandistisches Eigentor. Irgendwann erkannten die Nazis, dass der Welfe gegen seinen Führer opponiert hatte. Das passte dann nicht mehr zur NS-Ideologie.
Evangeliar von Heinrich dem Löwen
Heinrich der Löwe stiftete dem Dom von Braunschweig ein Evangeliar. Dabei handelt es sich um ein sehr bedeutendes Werk der christlichen Buchmalerei und es ist heute eines der teuersten Bücher der Welt:
Nach einer wechselvollen Geschichte befand sich das Evangeliar von Heinrich dem Löwen noch 1945 im privaten Besitz der Welfen. Doch im Jahr 1983 wurde das Werk von einem unbekannten Anbieter für 32,5 Millionen D-Mark durch das Auktionshaus Sotheby’s in London versteigert.
„Sie haben nichts abbekommen?“ – „Nein, leider nicht.“ (Heinrich Prinz von Hannover)
Die noch lebenden Welfen bestreiten jedoch, für den Verkauf verantwortlich zu sein. In einer gemeinschaftlichen Anstrengung finanzierten die Bundesregierung sowie die Länder Bayern und Niedersachsen mit Hilfe der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und privaten Spendern diese Summe. Seitdem wird das Evangeliar von Heinrich dem Löwen von der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel verwahrt.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
Bernhard von Clairvaux wurde um 1090 in der Nähe von Dijon im Osten des heutigen Frankreich geboren. Er gilt als einer der Gründer der Zisterzienser. Dieser Orden breitete sich rasant in Europa aus. Bereits um 1300 verfügten sie über 750 Niederlassungen.
Figurengruppe mit Bernhard von Clairvaux (ganz links) und den drei anderen Gründungsfiguren des Zisterzienserordens (gemeinfrei)
Bernhard von Clairvaux gehörte jedoch nicht tatsächlich zur ersten Generation. Aber er baute eine sehr wichtige Primärabtei der Zisterzienser auf.
Von Primärabteien aus wurden dann weitere Standorte gründet oder übernommen. So entwickelte sich in kurzer Zeit ein weit gefächertes Netz. Denn die Niederlassungen standen auch im intensiven Austausch.
Die Zisterzienser breiteten sich auch deshalb so schnell aus, weil insbesondere neu gegründete Niederlassungen von Anfang an wirtschaftlich arbeiten mussten. Das war im Grundgesetz des Ordens, der Carta Caritas, juristisch fixiert.
Dabei arbeiteten die Brüder in ihren weißen Mönchskutten mit einer Art Filialsystem. Sie entsandten aus ihrem Mutterkloster und den Primärabteien Gruppen von zwölf Mönchen mit einem Abt an ihrer Spitze. Diese bauten dann eigenständig Tochterklöster auf. Meist hatten sie dabei jedoch entscheidende Hilfe von Laienbrüdern, die als Facharbeiter tätig waren.
Doch Bernhard von Clairvaux war nicht nur der Abt einer wichtigen Primärabtei. Er war auch ein bedeutender Mystiker und Kirchenlehrer des Mittelalters. Seine Werke waren weit verbreitet und befassten sich häufig mit Maria, der Mutter Gottes.
Heute kennt man noch 1.500 Schriften aus seiner Hand. In dieser Rolle wurde er zum letzten großen Reformator der christlichen Kirche vor der Zeit von Martin Luther.
Aber Bernhard von Clairvaux entwickelte sich in seinem Eifer auch zu einem zentralen Befürworter von militärischen Maßnahmen gegen Menschen mit einer anderen religiösen Identität. Er gehörte dann schließlich zu den geistigen Mentoren der Templer. Dieser Ritter-Orden wurde im Jahr 1118 gegründet.
Darüber hinaus hatte Bernhard von Clairvaux auch Verwandtschaft bei den Templern und pflegte weitere freundschaftliche Beziehungen zu Rittern. Als einflussreicher Kleriker argumentierte er für einen Sündenerlass von Kreuzfahrern, die bei der Ausübung ihres Mordhandwerks selbst zu Tode kommen. Heutzutage würde man ihn in Deutschland für solche Sprüche wegen Volksverhetzung anklagen.
„Ein Ritter Christi tötet mit gutem Gewissen und stirbt dann noch ruhiger!“ (Zitat)
Er forderte den Wendenkreuzzug, den Heinrich der Löwe gegen die ost-elbischen Slawen im Jahr 1147 führte. In diesem zeitlichen Umfeld forderte Bernhard von Clairvaux auch den Zweiten Kreuzzug. Dieser dauerte zwei Jahre lang bis 1149 und musste nach schweren Niederlagen abgebrochen werden.
Im Jahr 1153 verstarb Bernhard von Clairvaux in seiner Primärabtei. Diese befindet sich in der Nähe der französischen Stadt Troyes im Nord-Osten des heutigen Frankreich. Bereits 1174 erfolgte die Heiligsprechung. In der Darstellung wird er mit zahlreichen Attributen geschmückt:
Bibel
Stab (eines Bischofs)
Passionsinstrumente
Weißer Mönchshabit mit Kapuze
Bienenkorb (erst seit 16. Jahrhundert)
Lactatio (Milchabsonderung der Mutter Gottes)
Abstammung des adligen Klerikers
Bernhard von Clairvaux wurde um 1090 geboren. Er war der dritte Sohn von Tescelin de Fontaine, einem Adeligen aus Burgund.
Die Mutter stammte aus dem Haus Montbard, dass die burgundischen Herzöge stellte. Der Onkel von Bernhard von Clairvaux war André de Montbard, ein Gründungsmitglied und 5. Großmeister des Templerordens.
Bernhard wuchs deshalb zunächst als junger Edelmann auf. Er kämpfte auch als Ritter bei Turnieren. Aber mit etwa 22 Jahren verabschiedete er sich vom weltlichen Werdegang.
Mit einem Großteil seiner Familie trat er in das Kloster Cîteaux ein. Das war das Mutterkloster des erst kurz zuvor im Jahre 1098 ins Leben gerufenen Ordens der Zisterzienser.
Aufstieg des Ordens der Zisterzienser
Die Ziesterzienser waren von einem Benediktiner gegründet worden. Sie folgten sehr wortgetreu den Lehren des Jesus von Nazareth. Das bedeutete, dass sie vor allem große Angst vor dem jüngsten Gericht hatten.
Ihre Interpretationen der Regeln des Heiligen Benedikt, die Regula Benedicti aus dem 6. Jahrhundert, waren sehr streng. Gebet und Arbeit (ora et labora) bestimmten das Leben eines Angehörigen des Ordens.
Bernhard von Clairvaux gemalt von Juan Correa de Vivar um 1545 (gemeinfrei)
Darüber hinaus verachteten die Zisterzienser den Sittenverfall in den zeitgenössischen Klöstern. Dennoch stellten sie bis zum Aufstieg des charismatischen Bernhard von Clairvaux nur eine sehr kleine Splittergruppe dar.
Die weiß gekleideten Ordensbrüder und -schwestern hatten den Anspruch, von der eigenen Arbeit leben zu können. Sie verzichteten deshalb nach Möglichkeit auf den Kirchenzehnt von den Bauern in ihrem Gebiet.
Damit grenzten sich die Zisterzienser sehr deutlich von anderen Klöstern ab. Diese Einstellung machte sie nach außen hin sehr glaubwürdig. Außerdem war der Orden damit vor allem für tatsächlich religiöse Menschen besonders attraktiv.
Der Orden expandierte dann wie bei einer Zellteilung. So bald ein Kloster die kritische Größe erreicht hatte, wurden ein Abt und zwölf Mönche ausgesandt.
Diese gründeten dann an einem meist schon ausgesuchten Standort ein weiteres Klöster. Noch zu Lebzeiten des heiligen Bernhard waren bereits 300 Abteien entstanden.
Der Orden der Zisterzienser umfasste zu diesem Zeitpunkt etwa 11.000 Mönche und Laienbrüder. Die Gemeinschaft existiert auch noch wie vor. Die alte Blütezeit ist zwar längst vergangen.
Aber dennoch kann der Orden mit etwa 1.600 Mönchen und 800 Nonnen inzwischen auf eine über 900-jährige Geschichte ohne Unterbrechung zurückblicken. (Zahlen von 2005)
Saeculum Obscurum – „Dunkles Jahrhundert“
Die Entwicklung der Zisterzienser und der Erfolg des Bernhard von Clairvaux hatte jedoch eine lange Vorgeschichte. Mit dem Niedergang der Karolinger im 9. Jahrhundert war es nämlich auch im Christentum zu einem Verfall gekommen.
Abtei von Cluny (gemeinfrei)
Aus kirchlicher Sicht begann dann mit dem Mord an Papst Johannes VIII. im Jahr 882 ein „dunkles Jahrhundert“, das Saeculum Obscurum.
Mit dem Begriff „dunkles Jahrhundert“ ist sogar ein Zeitraum von 164 Jahren gemeint. Das Papsttum und zahlreiche Klöster durchliefen eine tiefe moralische Krise.
In dieser Phase erklärten sich 45 Päpste zum Nachfolger von Petrus. Davon wurde ein Drittel abgesetzt. Ein weiteres Drittel endete im Exil, im Kerker oder wurde ermordet.
Während die päpstliche Zentralgewalt in dieser tiefen Krise war, nahmen es auch viele Mönche in den Klöstern nicht mehr so genau mit den Vorschriften. Unter tatsächlich religiösen Menschen führte dies jedoch zu einer starken Gegenbewegung. Ein Zentrum wurde das Kloster Cluny in Burgund.
Reform von Cluny als erste Gegenbewegung
Vom Kloster Cluny in Burgund ging seit Abt Berno (919 – 925) eine reformatorische Bewegung aus. Dort konzentrierte man sich wieder verstärkt auf mönchische Traditionen. Der Trend wurde von seinem Nachfolger fortgesetzt und fand schließlich eine weitere Verbreitung.
Diese cluniazenische Reform rückte vier Kerngedanken in den Fokus:
Strenge Beachtung der Regeln des Heiligen Benedikt
Größte Gewissenhaftigkeit beim täglichen Gottesdienst
Vertiefung der Frömmigkeit des einzelnen Mönchs
Erinnerung an die Vergänglichkeit des Irdischen
Die Reform von Cluny ging von benediktinischen Mönchen aus. Diese gewannen um den Wechsel des Jahrtausends auch in Rom zunehmend an Einfluss beispielsweise durch die Person von Hildebrand.
Dieser entwickelte als Papst Gregor VII. ab 1073 aus der Reform der Klöster auch eine Reform der Kirche. Diese sind als gregorianische Reformen bekannt geworden. Ihre Hauptziele waren die Bekämpfung von:
Simonie – Kauf und Verkauf von geistlichen Ämtern
Nikolaitismus – Sexuelle Freizügigkeit unter Priestern
Laieninvestitur – Besetzung geistlicher Ämter durch Nicht-Geistliche
Gründung der Zisterzienser im Mutterkloster Cîteaux
Im Jahr 1098 gründete der Benediktiner-Abt Robert von Cîteaux das Kloster Cîteaux etwa 25 km süd-westlich von Dijon in Burgund. Das Kloster wurde zunächst nur als „Novum Monasterium“, als „Neues Kloster“ bezeichnet.
Es gab keine teure Ausstattung oder wertvolle Sakralgegenstände. Auf baulichen Schmuck wurde verzichtet. Die Räume wurden im Winter nicht beheizt. Die Mönche verbanden auch später bauliche Einfachheit und Funktionalität mit monumentaler Größe und legten dabei hohen Wert auf die Raumwirkung.
Doch bis zum Beitritt des Bernhard von Clairvaux im Jahr 1112 blieb die Gemeinschaft noch relativ unbekannt. Auf den Gründer folgten bis dahin zwei weitere Äbte. Letzterer verlieh dem Orden schließlich auch eine eigene Verfassung – die Carta Caritas.
Diese Verfassung wurde im Jahr 1119 von Papst Calixtus II. anerkannt. In der Mitte des 12. Jahrhunderts wurde sie nochmal überarbeitet. Doch als juristisches Dokument genießt die Carta bis heute Anerkennung. Darin ist vor allem geregelt, dass materielle Belastungen durch Neugründungen von Abteien verbotenwaren.
Gründung von Kloster Clairvaux als Primärabtei
Mit dem Eintritt von Bernhard von Clairvaux in den Orden erlebten die Zisterzienser ihren ersten großen Aufschwung. Aufgrund seiner familiären und freundschaftlichen Beziehungen stieg die Popularität der Gemeinschaft im Adel.
Doch auch für die einfache Bevölkerung war der Orden interessant. So erhielt das Kloster Cîteaux immer mehr personellen Zulauf.
Bereits im Jahre 1115 wurde der etwa 25-jährige Bernhard mit einer großen Aufgabe betraut. Er und zwölf weitere Mönche, darunter sein älterer Bruder Gerhard, wurden ausgesandt.
Die kleine Truppe gründete in der Champagne ein weiteres Kloster, das Kloster Clairvaux. Die Anlage existiert bis heute. Seit der Französischen Revolution wird das Kloster jedoch als Strafanstalt genutzt.
Doch im Mittelalter entwickelte sich das Kloster Clairvaux unter der Führung von Bernhard in einem rasanten Tempo. Insgesamt sollten 83 Tochterklöster alleine von dieser Niederlassung aus gegründet werden.
Unter diesen Tochterklöstern fand sich beispielsweise auch das Kloster Savigny. Dieses wiederum generierte weitere 75 Tochterklöster. Im Zuge der Expansion konnte man auch die Arbeitskräfte und mit ihnen das handwerkliche Fachwissen planvoll verteilen.
Diese Art der Expansion der Zisterzienser setzte sich von Frankreich aus in alle Himmelsrichtungen fort. Ihr Netzwerk aus Klöstern und Abteien erreichte Irland & Schottland, Schweden, Polen, den Balkan, Sizilien, Spanien und überspannte dabei natürlich auch alle Länder, die sich innerhalb dieses Spinnennetzes befanden.
Zisterzienser als mittelalterliche Kapitalisten
Die Angehörigen des Ordens des Bernhard von Clairvaux waren jedoch nicht einfach nur besonders fleißig. Aufgrund der Carta Caritas entwickelte der Orden zahlreiche Eigenschaften, die der wirtschaftlichen Entwicklung der Glaubensgemeinschaft sehr zuträglich waren:
Der Orden strebte die Internationalisierung an. Sie hatten Klöster von Spanien bis nach Skandinavien und von Irland bis nach Ungarn.
Die einzelnen Tochterklöster spezialisierten sich auf besonders ertragreiche Arbeiten. Dabei nutzten sie die regionalen Vorteile im jeweiligen Umland aus. Beispielsweise wurde Wolle schwerpunktmäßig auf den britischen Inseln produziert und von dort aus an andere Standorte verteilt.
Die Zisterzienser mussten aufgrund ihrer Liturgie ohnehin einen sehr strengen Zeitplan einhalten. Deshalb wurden in den Klöster Uhren angebracht. So konnten sie aber auch die Arbeitsprozesse zeitlich besser strukturieren.
Aufgrund der hohen Sittlichkeit in der Frühphase des Ordens zogen die Zisterzienser auch viele nicht-geistliche Arbeitskräfte als Laienbrüder an. Diese erbrachten einen hohen wirtschaftlichen Mehrwert und machten die Klöster unabhängiger von externen Dienstleistern.
Eine weitere Besonderheit waren die großen Teichanlagen, die vielerorts angelegt wurden. So konnten die Klöster umfangreiche Fischzucht betreiben.
Gerade in den östlichen Regionen leistete der Zisterzienserorden einen sehr wichtigen Beitrag zur Landerschließung. Doch die Zisterzienser waren auch talentierte Erfinder:
Die Brüder des heiligen Bernhard von Clairvaux entwickelten einen neuen Pflug sowie innovatives Geschirr für Zugtiere.
Sie führten die Dreifelderwirtschaft ein und konnten damit insgesamt die landwirtschaftlichen Erträge verfünffachen.
Zur Verarbeitung all dieser Überschüsse entwickelten die Zisterzienser die drehbare Bock-Windmühle. Diese kann man in den Wind drehen und ist damit viel effizienter als eine starre Windmühle.
Mit Hilfe einer Vorstufe der doppelten Buchführung schufen die Zisterzienser unter der Führung des Bernhard von Clairvaux neue Standards in der Verwaltung.
Den weiß gekleideten Mönchen war die verbale Kommunikation in fast allen Bereichen ihres Lebens verboten. Deshalb entwickelten sie eine Gebärdensprache mit fast 200 Zeichen.
Das weit verzweigte Netzwerk der Standorte überwachten sie dann von den Primärabteien aus. Die Kontrollen der Tochterklöster führten die Visitatoren durch.
„Man könnte sagen, die Zisterzienser sind auf allen Gebieten ein Optimierungs-Orden. Die Zisterzienser wollen nicht nur in rein religiösen Fragen, in der Frömmigkeit, die Besten sein, sondern auf allen Gebieten. Dies führt dazu, dass sie das Ziel haben, dieses ganze Wirtschaftssystem, dieses Imperium, dass sie um sich herum aufbauen, immer effizienter machen zu wollen. […] Da kennen sie dann auch keine Rücksicht.“
(Stefan Weinfurter, Professor für Mittelalterliche Geschichte)
Aufstände in den Klöstern des Ordens
Dass aber auch der Orden der Zisterzienser kein Hort der Seligkeit war, zeigte die Geschichte um Gerhard, dem sechsten Abt von Clairvaux. Dieser ging als erster Märtyrer der Zisterzienser in die Annalen der Glaubensgemeinschaft ein.
Sein Tod war allerdings denkbar trivial. Abt Gerhard von Clairvaux kam bei einem Kontrollbesuch im Kloster Igny ums Leben. Er wurde von einem Ordensbruder getötet, dem er eine Disziplinarstrafe angedroht hatte.
Alleine im 13. Jahrhundert kam es zu über 100 Aufständen in den Klöstern der Zisterzienser. Häufig waren Konflikte mit den Laienbrudern die Ursache. Diese wurden in der Gemeinschaft nämlich als Menschen zweiter Klasse behandelt.
Ein Beispiel ist das bis heute bekannte Kloster Eberbach mit seinen edlen Weingütern:
1200 – Aufstand der Laienbrüder
1238 – Aufstand der Laienbrüder
1241 – Aufstand der Laienbrüder und Abt Rimund wird schwer verwundet.
1261 – Abt Werner wird von einem Laienbruder erschlagen.
1290 – Disziplinarische Maßnahmen gegen Laienbrüder
In der Folge kam es zu einem Stopp der Aufnahme von Laienbrüdern. Die Zisterzienser mussten deshalb wieder Bauern für sich arbeiten lassen und den Zehnt nehmen. Dies führte zum Niedergang des Ordens des heiligen Bernhard von Clairvaux.
Heiliger Bernhard als Kirchenlehrer im Mittelalter
Dr. Honigmaul – Von der Mutter Gottes genährt
Bernhard von Clairvaux war ein außerordentlich talentierter Prediger. Der Legende nach war es die heilige Maria persönlich, die ihm etwas Muttermilch zu trinken gab (Lactatio). Auf diesem Wege verlieh sie ihm ein göttliches Sprachtalent. Weniger schmeichelhaft war sein Spitzname: „Dr. Honigmaul“
Doch seiner Rhetorik folgten sowohl geistige wie auch weltliche Herren. Bernhard von Clairvaux wurde deshalb im Laufe der Zeit sehr einflussreich. Schließlich war er zu einer Art grauen Eminenz im Schatten des Papstes aufgestiegen.
Doch Bernhard von Clairvaux versuchte nie tatsächlich zum Papst ernannt zu werden oder diesen obsolet zu machen. Besonders bekannt ist er sogar dafür, dass er zahlreiche angebotene Posten ablehnte.
Vielmehr übte er im Auftrag des Papstes beispielsweise hohen Druck auf den französischen König hinsichtlich des Zweiten Kreuzzuges aus. Zu diesem Zweck übergab er ihm öffentlich ein Kreuz. Dieses Motiv ist dann in der Kunst vielfach verarbeitet worden.
Gründung des Templer-Ordens
Bernhard von Clairvaux wuchs als junger Ritter auf. Zwar hatte er sich dem Leben als Mönch verschrieben, aber dennoch waren ihm militärische Fragen keinesfalls fremd.
Der heilige Bernhard sah das Schwert als notwendiges Mittel, um die Christenheit zu schützen und den Glauben zu verbreiten. Dafür leistete er einen wichtigen Beitrag zur Gründung des ritterlichen Templer-Ordens. Er war bei der Synode von Troyes im Jahr 1127 dabei und verfasste deren Regelwerk.
Bernhard von Clairvaux spielte dabei als anerkannter Kleriker sogar eine ganz besondere Rolle. Das göttliche Gebot: „Du sollst nicht töten!“ musste nämlich theologisch ausgehebelt werden. Ansonsten wäre ein militärischer Orden des Christentums undenkbar.
Doch der heilige Bernhard fand einen argumentativen Winkelgriff. Er fasste einfach den Geltungsbereich für dieses göttliche Gebot enger. Er warb erfolgreich dafür, dass dieses Gebot eben nur auf gläubige Christen anzuwenden sei. Vergleichbar mit der Rhetorik moderner Extremisten schuf er noch dazu eine Opferrolle:
„Die Guten verdanken es den Bösen, dass sie Kämpfen müssen […].“ (Zitat)
In der Konsequenz wandelte sich das Verhältnis eines Christen zu einem Ungläubigen vom Gebot des „Du sollst nicht töten!“ in eine Aufforderung: „Du sollst töten!“
Im Jahr 1139 wurde der Templer-Orden dann als erster geistlicher Ritter-Orden anerkannt.
Missionsreise gegen die Katharer
Bernhard von Clairvaux begab sich 1145 auf eine Missionsreise gegen Häretiker im Süden von Frankreich. Dort waren die Menschen vermehrt zu Katharern geworden. Der Name bedeutet soviel wie „die Reinen“.
Diese Ketzer sahen Gott in einem ebenbürtigen Kampf mit dem Teufel. Damit verstießen die Katharer jedoch gegen die kanonische Lehre von der dreifaltigen Gottheit.
In der Offenbarung des Johannes ist darüber hinaus beschrieben, wie Satan als unterlegenes Wesen im Zuge des Jüngsten Gerichtes vernichtet wird. Das widersprach dem „radikalen Dualismus“ der Katharer.
Bernhard von Clairvaux erkannte die Katharer jedoch wohl nach wie vor als Christen an. Er sprach sich nämlich in seinen Sermones super Cantica Canticorum Nr. 65 für eine gewaltfreie Widerlegung ihrer Lehren aus.
Aufruf zum Zweiten Kreuzzug
Bernhard von Clairvaux nutzte seinen Einfluss nach Kräften. Im Namen Gottes und im Auftrag des Papstes rief er zum Zweiten Kreuzzug gegen die Muslime auf. Die heiligen Stätten des Christentums in Jerusalem sollten befreit werden.
In zahllosen Schriften und Predigten argumentierte der wortgewandte Theologe für die militärische Auseinandersetzung. Der heilige Bernhard war der zentrale Stimmungsmacher für den Zweiten Kreuzzug.
Selbst dem König von Frankreich übergab Bernhard von Clairvaux persönlich ein Kreuz. Dies war die symbolische Aufforderung gegen die Muslime zu ziehen. Aber auch der englische König und der deutsche König wurden unter Druck gesetzt. Tatsächlich gelang es dem heiligen Bernhard, im christlichen Europa eine Kriegsbegeisterung auszulösen.
„Alles was die Wand bepisst, nahm das Kreuz…“
(Zeitgenosse über den Aufruf des Bernhard von Clairvaux)
Der Zweite Kreuzzug scheiterte jedoch im Jahr 1149 mit einer verheerenden Niederlage bei Damaskus. Doch Bernhard von Clairvaux wiess mit Hinweis auf die Sünden der Kreuzfahrer jede Kritik an ihm zurück. Wie schon Pontius Pilatus wusch auch er seine Hände in Unschuld.
Die Sünden der Kreuzfahrer müssten seiner Meinung nach der tatsächliche Auslöser für eine in Gottes Augen scheinbar verdiente Niederlage gewesen sein.
Inhaltsverzeichnis von Frag Machiavelli
„Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatscht Beifall!“
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